Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2021

 

Vereinfachte wirkungsorientierte Folgenabschätzung

 

Einbringende Stelle:

BMJ

Vorhabensart:

Bundesgesetz

Laufendes Finanzjahr:

2021

 

Inkrafttreten/

Wirksamwerden:

2022

 

Vorblatt

 

Problemanalyse

Das aktuelle Regierungsprogramm betont, dass Zweck der Unterbringung im Maßnahmenvollzug einerseits die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und andererseits die erforderliche medizinische Behandlung sowie die Resozialisierung sind. Das Regierungsprogramm sieht (daher) die "Überarbeitung der derzeit geltenden Rechtsgrundlagen hin zu einem modernen Maßnahmenvollzugsgesetz unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EGMR (....)" vor.

Ein solcher umfassender Entwurf (einschließlich eines eigenständigen MVG) liegt nach Vorarbeiten in den vergangenen Legislaturperioden vor. Allerdings sollen aus Gründen der Dringlichkeit die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des StGB, der StPO und des JGG vorgezogen und das MVG zu einem späteren Zeitpunkt nachgezogen werden. Lediglich die als Ersatz für die bedingte Nachsicht der Maßnahme nach § 21 StGB vorgesehen gewesenen Regelungen im MVG betreffend das vorläufige Absehen vom Vollzug der Maßnahme sollen mit vorgezogen und vorläufig im StVG geregelt werden.

 

Ziel(e)

Menschenrechtskonforme und zugleich auch ressourcenbewusste Modernisierung des Maßnahmenrechts.

 

Inhalt

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):

A. Im Bereich StGB umfasst der Entwurf im Wesentlichen folgende Punkte:

1. "Strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum" statt "Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher";

2. "schwerwiegende und nachhaltige psychiatrische Störung" statt "geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades";

3. im Sinne der Empfehlungen des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug Engerführung der Kriterien für die Kausalität zwischen Störung und Anlasstat bzw. Störung und Prognosetat sowie Festschreibung des Kriteriums der "hohen Wahrscheinlichkeit" der Prognosetat im Sinne der Rechtsprechung des OGH (§ 21 Abs. 1 und 2 StGB);

4. Anhebung der Schwelle bei der Anlasstat;

5. Erweiterung des § 23 StGB um die Unterbringung gefährlicher terroristischer Straftäter im Lichte des MRV vom 11.11.2020;

6. Entscheidung über Notwendigkeit der weiteren Anhaltung binnen Jahresfrist seit der letzten Entscheidung (statt bisher [Beginn der] Überprüfung binnen dieser Frist);

7. Ersetzung der bedingten Nachsicht der Maßnahme durch vorläufiges Absehen vom Vollzug; gerichtliche Aufsicht auch schon beim vorläufigen Absehen vom Vollzug; Möglichkeit zur "Krisenintervention" beim vorläufigen Absehen (vorläufig im StVG geregelt).

B. Im Bereich der StPO beinhaltet der vorliegende Entwurf eine übersichtliche und zeitgemäße Regelung der Verfahrensregelungen zur Unterbringung eines Betroffenen (§ 48 Abs. 2 StPO) in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB (sohin sowohl nach § 21 Abs. 1 als auch Abs. 2 StGB) im 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks. Folgende Hauptgesichtspunkte sind hervorzuheben

1. Anpassung an die neue Terminologie des StGB;

2. Neuregelung der Voraussetzungen der vorläufigen Unterbringung, spezifisches gelinderes Mittel bei ausreichender Behandlung und Betreuung auch außerhalb einer vorläufigen Unterbringung sowie ausdrückliche Regelungen zu Ort und Vollzug der vorläufigen Unterbringung;

3. Festlegung der Zuständigkeit des großen Schöffengerichts (§ 32 Abs. 1a StPO) zur Entscheidung über einen Antrag auf Unterbringung (sofern nicht das Geschworenengericht zuständig ist);

4. Ausdrückliche Regelungen zur Gleichwertigkeit von Anklageschrift und Antrag auf Unterbringung;

5. Umfassende und klare Regelung der Besonderheiten der Hauptverhandlung in Verfahren zur Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB, darunter

- Klarstellung, dass ein Sachverständiger der Psychiatrie während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung anwesend sein muss;

- Klärung des Vorgehens bei gleichzeitiger Entscheidung über mehrere Taten bzw. zeitlich aufeinander folgender mehrfacher Entscheidung über Anlasstaten;

- Festschreibung des Grundsatzes, dass eine Unterbringung nur einmal angeordnet werden kann.

6. Festschreibung der verfahrensrechtlichen Regelungen für das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung nach § 157a StVG, darunter

- Festschreibung einer amtswegigen Prüfpflicht des Gerichts;

- gesetzliche Anordnung der Einbeziehung von Stellungnahmen des Sachverständigen, des Bewährungshelfers und der behandelten Einrichtung in die Entscheidung;

- Aufnahme einer Verständigungspflicht gegenüber dem Opfer bei Berührung dessen Interessen durch die Festlegung von Bedingungen für das vorläufige Absehen.

7. Vornahme der notwendigen Anpassungen an die nunmehr gemeinsame Regelung der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB im 1. Abschnitt des 21. Hauptstücks;

8. zeitgemäße und den legistischen Richtlinien entsprechende Gliederung des 21. Hauptstücks.

C. Im Bereich des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) behandelt der vorliegende Entwurf folgende Themen:

1. Schaffung von Sonderbestimmungen für Jugendliche und junge Erwachsene betreffend Verhängung und Vollzug von Maßnahmen nach § 21 StGB und § 23 StGB im Jugendgerichtsgesetz (JGG).

2. Verbesserte Bekämpfung der Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut.

3. Nachschärfung betreffend die Vernehmung junger erwachsener Beschuldigter.

Ad 1.)

Eine Diagnostik und Behandlung psychiatrischer Erkrankungen ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich schwieriger als bei Erwachsenen. Dem soll durch besondere Bestimmungen im JGG Rechnung getragen werden.

Die Hauptgesichtspunkte des Entwurfs sind:

- eigene Regelungen zur Anlasstat, zur Höchstdauer einer Unterbringung und zur Beiziehung von kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigen,

- die Aufnahme von Sonderregelungen für den Maßnahmenvollzug Jugendlicher in das JGG.

Ad 2.)

Im Fall, dass ein gerichtliches Verfahren wegen des Verbotsgesetzes ohne Schuldspruch endet, schließt das JGG bisher aus, dass die in Art. III Abs. 4 EGVG grundsätzlich vorgesehene Verständigung der Verwaltungsbehörde erfolgt. Die Verständigung soll nun ausdrücklich vorgesehen werden.

Ad 3.)

Das JGG wurde zur Umsetzung der RL Jugendstrafverfahren durch das Strafrechtliche EU-Anpassungsgesetz (StrEU-AG 2020) geändert. Um Unschärfen betreffend die Vernehmung junger erwachsener Beschuldigter zu vermeiden, bedarf es einer Anpassung der Bestimmungen für diese Altersgruppe.

D. Im Strafvollzugsgesetz sollen die erforderlichen Anpassungen vorgenommen werden.

E. Im Strafregistergesetz sollen zur effektiven Terrorbekämpfung Regelungen aufgenommen werden, wonach Verurteilungen wegen terroristischer Strafsachen sowie in deren Zusammenhang erteilte Anordnungen gerichtlicher Aufsicht oder Weisungen zum Zwecke der Beauskunftung gesondert gekennzeichnet werden. Der Umfang der derzeit vorgesehenen Beauskunftungen im Wege von Strafregisterauskünften und Strafregisterbescheinigungen soll um diese Daten ergänzt werden.

 

Beitrag zu Wirkungsziel oder Maßnahme im Bundesvoranschlag

 

Das Vorhaben hat keinen direkten Beitrag zu einem Wirkungsziel.

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte:

 

Das aktuelle Regierungsprogramm sieht die "Überarbeitung der derzeit geltenden Rechtsgrundlagen hin zu einem modernen Maßnahmenvollzugsgesetz unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EGMR (....)" vor.

Ein solcher umfassender Entwurf (einschließlich eines eigenständigen MVG) liegt nach Vorarbeiten in den vergangenen Legislaturperioden vor. Allerdings sollen aus Gründen der Dringlichkeit die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des StGB, der StPO und des JGG vorgezogen und das MVG zu einem späteren Zeitpunkt nachgezogen werden. Lediglich die als Ersatz für die bedingte Nachsicht der Maßnahme nach § 21 StGB vorgesehen gewesenen Regelungen im MVG betreffend das vorläufige Absehen vom Vollzug der Maßnahme sollen mit vorgezogen und vorläufig im StVG geregelt werden.

 

Was die finanziellen Auswirkungen dieses Entwurfes anlangt, kann ein gewisser Mehraufwand bei Verfahren zur Unterbringung nach § 21 Abs.1 StGB dadurch entstehen, dass derzeit in Sachen, die an sich in die Zuständigkeit des Einzelrichters/der Einzelrichterin fallen, das Schöffengericht entscheidet, allerdings in der Besetzung ein Berufsrichter/eine Berufsrichterin und zwei Schöffen, während künftig Senate mit zwei Berufsrichter*innen und zwei Schöffen entscheiden sollen. Auch über Einweisungen nach § 21 Abs. 2 StGB soll künftig statt Einzelrichter*in bzw. "kleinem" Schöffengericht der Senat in der Zusammensetzung zwei Berufsrichter*innen und zwei Schöffen entscheiden. Dem dadurch bedingten, nicht genau bezifferbaren Mehraufwand kann jedoch ein gewisses Einsparungspotential gegenübergestellt werden, das sich durch die Anhebung der Schwelle bei der Anlasstat auf mit mehr als drei- statt mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Delikte ergibt (betroffen sind vor allem Verfahren wegen gefährlicher Drohung oder Widerstand gegen die Staatsgewalt). Auch dieser Faktor lässt sich nicht genau beziffern. Es wird aber wohl insgesamt von Kostenneutralität ausgegangen werden können.

Betreffend die vorgesehene gesonderte Kennzeichnung von Verurteilungen wegen terrorostischer Strafsachen sowie der Einführung der diesbezüglichen Sonderauskunft und Bescheinigungen wird mit einmaligen Kosten idHv EUR 100.000,- für die Umsetzung der Änderung im Strafregister (technische Analyse, Softwareentwicklung, Tests) im Umfang von 125 Personentagen à EUR 800 zu rechnen sein. Zudem fallen ab dem 1. Jahr nach Umsetzung jährliche Kosten idHv EUR 15.000,- für die notwendigen Wartungskosten an.

 

Finanzielle Auswirkungen pro Maßnahme

 

Maßnahme (in Tsd. €)

2021

2022

2023

2024

2025

Umsetzung der Änderung im Strafregister

0

100

0

0

0

Wartungskosten Strafregister

0

0

15

15

15

 

Anmerkungen zu sonstigen, nicht wesentlichen Auswirkungen:

Keine

 

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Keine

 

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine

 

Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art 35 EU-Datenschutz-Grundverordnung

Keine

 

Diese Folgenabschätzung wurde mit der Version 5.9 des WFA – Tools erstellt (Hash-ID: 101585206).