14.52

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreiche­rinnen und Österreicher! Ich freue mich, dass ich hier einen neuen Berufsabschnitt beginnen darf. Vor etwa 50 Jahren war ich zum ersten Mal im Hohen Haus. Mein Onkel Jakob hat mich damals mitgenommen, ich bin in der Bundesratsloge gesessen, damals noch im Haus am Ring, und er hat mich für den Parlamentarismus begeistert – ich bin ihm dankbar dafür.

Den letzten neuen Beruf habe ich vor neun Jahren begonnen, da bin ich zum „Kurier“ gekommen. Und was macht man, wenn man zu einer Zeitung kommt? – Man redet mit Hugo Portisch. Ich bin zu ihm gefahren und habe gesagt: Hugo, was muss ich machen? – Er hat gesagt: Folgendes gebe ich dir mit – ich zitiere –: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wo immer die Würde des Menschen [...] in Frage gestellt wird, muss man auf die Barrikaden gehen! Der Kampf gegen Ungerechtigkeit, gegen Vorurteile, gegen Neidgenossenschaften, gegen Angstmacherei ist eine Hauptaufgabe der Zeitung.“ – Ich glaube, das definiert eigentlich auch ganz gut die Hauptaufgabe von Politik. Wir haben aber auch über den Begriff der Wahrheit gesprochen, und er hat gesagt: Die Schlimmsten sind die, die sagen, sie haben die Wahrheit. Die Suche nach der Wahrheit ist das Wesentliche.

Was habe ich gemacht, um mich auf heute vorzubereiten? – Ich habe Hannah Arendt gelesen. Herr Präsident, ich zitiere – es sind nicht meine Worte, der Aufsatz heißt „Wahrheit und Lüge in der Politik“; ich weiß, das Wort ist verboten, aber es ist ein Zitat (Heiterkeit der Abgeordneten Krisper und Meinl-Reisinger–: „Lügen scheint zum Handwerk nicht nur des Demagogen, sondern auch des Politikers und sogar des Staatsmannes zu gehören.“ Sie meint das aber nicht polemisch, sondern sie kommt auf einen wesentlichen Punkt zu sprechen, nämlich dass wir Menschen uns oft mit Erkenntnissen, mit der Akzeptanz von Erkenntnissen schwertun, und sie warnt auch – und das ist wichtig – vor den „tyrannischen Neigungen professioneller Wahrheits­sager“. Sie zitiert aber auch Immanuel Kant. Es ist kein Zufall, dass es gerade in Zeiten wie diesen immer mehr Bücher über Aufklärung gibt; das ist offensichtlich notwendig. Kant hat sehr deutlich gesagt, dass man den Menschen, wenn man ihnen die Mög­lichkeit nimmt, Gedanken zu äußern, letztlich die Möglichkeit nimmt, nachzudenken.

Ich muss schon kritisch sagen, das hat mich in den letzten Jahren als Journalist begleitet. Ich habe gespürt, was es bedeutet, wenn der Versuch unternommen wird, nicht nur Gedanken, sondern auch Schriftliches zu kontrollieren – Messagecontrol –, Druck auf Journalistinnen und Journalisten und damit auf die öffentliche Meinung auszuüben. Auch das gehört dazu, natürlich gehört das zu der Zeit der sozialen Medien. Es ist sehr einfach, mit Emotionen, mit schnellen, kurzen Worten zu agieren, und es ist auch sehr einfach, den Menschen Angst zu machen.

Ich habe heute sehr aufmerksam Bischof Chalupka zugehört, der den Brief von Paulus an die Thessalonicher zitiert hat. Wir müssen den Menschen die Angst nehmen. Ich glaube, auch das ist eine Aufgabe von Politik, und ich glaube, auch das ist eine Auf­gabe, die wir hier im Nationalrat haben.

Meine Überzeugung ist also, gegen autoritäre Tendenzen aufzutreten, und ja, ich habe sie in diesen 17 Monaten Türkis-Blau erlebt. Ich habe dagegen angeschrieben, und jetzt werde ich dagegen anreden.

Noch etwas stört mich: die Umdeutung von Werten, wenn ich etwa lese, dass Viktor Orbán das Christentum vertritt – das Christentum ist für die Einbeziehung, für den Zusammenhalt, und nicht für die Ausgrenzung von Menschen; das ist das, was er betreibt, und das ist auch etwas, was ich leider hier erlebt habe.

Zum Schluss: Ich möchte, dass wir Emotionen – ohne Emotionen geht es nicht – positiv verwenden. Ich freue mich, dass Europa heute schon Thema war. Ich glaube, das ist ganz wichtig, und Herr Präsident Sobotka und auch Frau Präsidentin Bures werden sich außenpolitisch engagieren. Es gibt das große Thema Westbalkan, und ich glaube, dass das auch hier ein Thema sein soll. Es ist schlecht, dass die Diskussion und auch die Aufnahmegespräche hinsichtlich Nordmazedonien und Albanien ver­scho­ben wurden; ich glaube, dass wir auch darüber hier reden sollen. Wir müssen ein vereintes, starkes Europa aufbauen, und Österreich kann nur mittendrin sein, als starke, weltoffene Gesellschaft in einem sehr schönen, starken, vereinten Europa. Dafür werde ich arbeiten und kämpfen; und über alle, die mittun, freue ich mich.

Ich freue mich, dass ich in den NEOS eine Gruppe gefunden habe, die meine Über­zeugungen teilt. Ich freue mich, dass heute auch von Kelsen die Rede war und von einem starken Parlament. Wenn wir das miteinander schaffen, dann ist es gut, und wenn nicht, dann werden wir eh bestraft werden. Wir gehen es aber heute positiv an, und deswegen freue ich mich, dass wir das miteinander machen. Alles Gute! – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

14.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.