15.32

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Eines ist, glaube ich, unstrittig: Jedes Kind, das in Armut aufwachsen muss, ist eines zu viel, und das Engagement aller hier herinnen gilt der Bekämpfung von Kinderarmut. Das kann ich, glaube ich, außer Streit stellen.

Zum Inhaltlichen möchte ich dennoch etwas Erfreuliches hervorheben: Am 17. Oktober sind die neuen Eurostat-Daten zur Armut in Europa publiziert worden, und für Öster­reich weisen sie eine sehr schöne Entwicklung auf. Es ist nämlich die Zahl jener Per­sonen, die von erheblicher materieller Deprivation, also von Armut im engeren Sinne betroffen sind, um 50 Prozent zurückgegangen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Das ist – innerhalb von zehn Jahren – schon eine Leistung, und da könnten sich die Sozial­demokraten natürlich hierherstellen und sagen: Von 2008 bis 2018 – das könnte auf gute sozialdemokratische Politik zurückzuführen sein! (Abg. Belakowitsch: Das glau­ben sie ja selber nicht!) – Das aber glauben sie selber nicht.

Auch die Zahl der armutsgefährdeten Personen in Österreich geht zurück. Sie geht ein bisschen langsamer zurück, weil Armutsgefährdung sich immer am Medianeinkommen bemisst; wenn das Medianeinkommen steigt, müssen sich die Geringverdiener noch ein bisschen mehr steigern, damit die Armutsgefährdung zurückgehen kann. – Also auch da erfreuliche Zahlen.

Warum schauen die Zahlen für die armutsgefährdeten Kinder nicht so schön aus? – Professor Badelt hat es kürzlich in der „Presse“ herausgearbeitet und schreibt wörtlich: „dass die Zahl der (statistisch) armutsgefährdeten Kinder in den letzten Jahren vor allem deshalb steigt, weil es den Pensionistenhaushalten deutlich besser geht als im Vergleichszeitpunkt. Kombiniert mit demografischen Verschiebungen kam es zu einer Erhöhung des für die Armutsmessung relevanten Medianeinkommens. Mit der ökono­mischen Situation der Kinder hat das jedoch nichts zu tun.“ – Also mit der großzügigen Pensionistenpolitik, die Sie betreiben, erhöhen Sie statistisch die Kinderarmut, die Sie dann am anderen Ende beklagen.

Laut Badelt – und da kann ich mich im Wesentlichen anschließen – gibt es wesentliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut. Er sagt, mehr „Förderung von Brenn­punktschulen“, „frühzeitige Eingliederung von ausländischen Kindern in den Kinder­garten bzw. entsprechende Deutschkurse“ sind die „effektivsten Mittel der Armutsbe­kämpfung“. (Ruf bei der SPÖ: Steht alles im Siebenpunkteplan!)

Was allerdings am allerwenigsten bringt, sind einige von der SPÖ vorgeschlagene Maßnahmen, nach dem Motto: alles gratis für alle: gratis Kindergarten ganztags für alle, gratis Ganztagsschule für alle, gratis Mittagessen für alle (Abg. Leichtfried: Wo ist das Problem?!), ob sie bedürftig sind oder nicht, ob sie es finanziell brauchen oder nicht – für alle! –; und oben drauf natürlich doppeltes Schulstartgeld – Sie ahnen es schon – für alle. Natürlich sieht die SPÖ für diese ganzen Wohltaten, die hier vorge­schlagen werden, keine Finanzierung vor. Ich würde vorschlagen, wieder einmal Ko­alitionsverhandlungen mit der ÖVP zu führen, denn da haben auch die Grünen schnell gelernt: Das Geld wächst nicht auf den Bäumen. (Ruf bei der SPÖ: Folgekosten!)

Fällig wäre allerdings eine Aktualisierung der Kinderkostenstudie; die ist zuletzt 1964 gemacht worden. Auch die Sozialminister Hundstorfer und Stöger haben die Kinder­kostenstudie nicht aktualisiert, was sie hätten machen können. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, sie haben es nicht gemacht. Aus dieser aktualisierten Studie könnte man evidenzbasiert ableiten, welche konkreten Maßnahmen zu setzen sind, um Kinder­ar­mut genau dort treffsicher zu bekämpfen, wo sie am schlimmsten ist. (Abg. Leichtfried: Es spricht der Unsozialsprecher!)  Ja, Kollege Leichtfried, der Schmäh hat schon einen relativ langen Bart, ich muss schauen, dass ich beim Zurückgehen nicht drüber­stol­pere.

Wir könnten also evidenzbasiert statt populistisch (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), finanziell verantwortungsvoll statt zukunftsvergessen und zielgerichtet, anstatt mit der Gießkanne über alle drüberzugießen, arbeiten. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lausch.)

15.36