Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

3. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 13. November 2019

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

3. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode     Mittwoch, 13. November 2019

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 13. November 2019: 9.05 – 17.32 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Der nationale Energie- und Klimaplan (NEKP)“

2. Punkt: Bericht über den Antrag 36/A(E) der Abgeordneten Lukas Hammer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des nationalen Energie- und Klimaplans

3. Punkt: Bericht über den Antrag 7/A der Abgeordneten Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Maut­ge­setz 2002 geändert wird

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz (BVG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 194/1999, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 57/2019, geändert wird (9/A)

5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird (20/A)

6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über den Zugang zu Informationen (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) erlassen wird (25/A)

7. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanz­rah­mengesetz 2019 bis 2022 geändert wird (10/A)

8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die öster­reichi­sche Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl. I Nr. 61/2018, geändert wird (17/A)

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 2

(Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 86/2019, geändert wird (21/A)

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (30/A)

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz vom 6. Feber 1968 über elektri­sche Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken geändert wird (33/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 GOG            ............................................................................................................................... 39

Antrag der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 24/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „ein Bundesgesetz, mit dem das VKI-Finanzierungsgesetz 2019 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 10. Dezember 2019 zu setzen – Annahme ...............................................................................................................  40, 157

Antrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, dem Budget­aus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 6/A der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz über die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Klimaschutzmaßnahmen in Form einer Klimaschutzmilliarde (Klimaschutzmilliardengesetz – KSMG 2019)“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 10. Dezember 2019 zu setzen – Ablehnung .........................................................  40, 157

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 3/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ab­schlagsfreie Pensionen mit 540 Beitragsmonaten“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 14. November 2019 zu setzen – Ablehnung ....................................................  40, 157

Antrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungs­antrag 1/A(E) der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein 7 Punkte-Sofortmaßnahmenpaket gegen Kinderarmut“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 10. Dezember 2019 zu setzen ............................................. 40

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ......................................................................................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 116

Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ........................................................................... ... 119


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Eva Maria Holzleitner, BSc .................................................................................... ... 120

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 122

Stefan Kaineder ...................................................................................................... ... 124

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 125

Ablehnung des Fristsetzungsantrages .......................................................................... 126

Aktuelle Stunde (1.)

Thema: „Europa in bewegten Zeiten. Was bedeutet das für Österreich?“ .......... 16

RednerInnen:

Mag. Gernot Blümel, MBA ..................................................................................... ..... 17

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ....................................... ..... 19

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ..... 22

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ..... 23

Herbert Kickl ........................................................................................................... ..... 25

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ..... 26

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ..... 28

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA .......................................................................... ..... 29

Eva Maria Holzleitner, BSc .................................................................................... ..... 31

Hannes Amesbauer, BA ......................................................................................... ..... 32

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .......................................................................................... ..... 34

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ..... 36

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 16

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................  37, 103, 109, 113, 131, 139, 144, 151, 157

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordneten Wolfgang Zanger und Herbert Kickl ...........................  38, 38

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärung der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Der nationale Energie- und Klimaplan (NEKP)“         ............................................................................................................................... 40

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 36/A(E) der Abge­ordneten Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des nationalen Energie- und Klimaplans (2 d.B.)          ............................................................................................................................... 40

Bundesministerin Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA ........................................................ 41

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 GOG ......................... 39

RednerInnen:

Elisabeth Köstinger ..................................................................................................... 44

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 46

Walter Rauch ........................................................................................................... ..... 48

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ..... 49

Michael Bernhard .................................................................................................... ..... 53


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Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ..... 54

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................ ..... 56

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ..... 58

Leonore Gewessler, BA ......................................................................................... ..... 61

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 62

Christoph Stark ....................................................................................................... ..... 64

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ..... 65

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ........................................................................................... 67

Lukas Hammer .............................................................................................................. 68

Yannick Shetty .............................................................................................................. 70

Bettina Zopf ............................................................................................................. ..... 71

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ..... 71

Dr. Astrid Rössler ................................................................................................... ..... 74

Tanja Graf ................................................................................................................ ..... 75

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ......................................................................................... ..... 77

Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zusätzliche Mittel für Klimaschutzmaßnahmen in Form einer jährlichen Klimaschutzmilliarde“ – Ablehnung      57, 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung des 1-2-3-Klimatickets und einer flächen­deckenden LKW-Bemautung“ – Ablehnung            73, 78

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Umsetzung des nationalen Energie- und Klimaplans“ (1/E) .............................................................. 78

3. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 7/A der Abge­ord­neten Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (3 d.B.) ..................................................................................................... 78

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé ............................................................................................. ..... 79

Peter Haubner ......................................................................................................... ..... 82

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ..... 83

Hermann Weratschnig, MBA MSc ........................................................................ ..... 87

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ..... 88

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ ..... 89

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ..... 90

Hermann Gahr ......................................................................................................... ..... 92

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 93

Mag. Nina Tomaselli ............................................................................................... ..... 93

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ..... 94

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 95

Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Bemautung von Ausweichrouten“ – Ablehnung ......................................................  81, 98

Annahme des Gesetzentwurfes in 3 d.B. ....................................................................... 96

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz (BVG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 194/1999, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 57/2019, geändert wird (9/A) ................ 98


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RednerInnen:

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ..... 98

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ..... 99

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ... 100

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 101

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 102

Zuweisung des Antrages 9/A an den Budgetausschuss .............................................. 103

5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrund­ge­setz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird (20/A) ..................................................................................................... 103

RednerInnen:

MMag. DDr. Hubert Fuchs ..................................................................................... ... 104

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ... 105

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 105

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 106

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 108

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 108

Zuweisung des Antrages 20/A an den Budgetausschuss ............................................ 109

6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über den Zu­gang zu Informationen (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) erlassen wird (25/A) ....................................................................................................................................... 109

RednerInnen:

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 109

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 111

Mag. Thomas Drozda ............................................................................................. ... 112

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 112

Zuweisung des Antrages 25/A an den Budgetausschuss ............................................ 113

7. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­finanzrahmengesetz 2019 bis 2022 geändert wird (10/A)     ............................................................................................................................. 113

RednerInnen:

Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................................... ... 114

Mag. Michael Hammer ................................................................................................ 115

Robert Laimer ............................................................................................................. 126

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 127

David Stögmüller .................................................................................................... ... 128

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 129

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ... 130

Zuweisung des Antrages 10/A an den Budgetausschuss ......................................... ... 131

8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl. I Nr. 61/2018, geändert wird (17/A)                    131

RednerInnen:

Herbert Kickl ........................................................................................................... ... 132

Karl Mahrer, BA ...................................................................................................... ... 134


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 6

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 135

Hannes Amesbauer, BA ......................................................................................... ... 136

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ... 137

Dr. Stephanie Krisper ............................................................................................. ... 138

Zuweisung des Antrages 17/A an den Budgetausschuss ............................................ 139

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ord­nung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregel­ten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, zuletzt ge­än­dert mit BGBl. I Nr. 86/2019, geändert wird (21/A) .............................................. 139

RednerInnen:

Hermann Brückl, MA .................................................................................................. 139

Nico Marchetti ............................................................................................................. 140

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ... 141

Mag. Sibylle Hamann .............................................................................................. ... 142

Mag. Martina Künsberg Sarre ............................................................................... ... 143

Zuweisung des Antrages 21/A an den Budgetausschuss ............................................ 144

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird (30/A) ................................................... 144

RednerInnen:

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ... 145

Johann Singer ......................................................................................................... ... 147

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ... 148

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 149

Sigrid Maurer, BA ................................................................................................... ... 150

Zuweisung des Antrages 30/A an den Budgetausschuss ............................................ 151

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken geändert wird (33/A) .................................... 151

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 151

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA .......................................................................... 153

Alois Schroll ............................................................................................................... 154

Mag. Philipp Schrangl ................................................................................................ 155

Dr. Astrid Rössler ...................................................................................................... 156

Zuweisung des Antrages 33/A an den Budgetausschuss ............................................ 157

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 39

Petition Nr. 1 betreffend „Nominierung des Otto-Wagner-Spitals am Steinhof als UNESCO-Weltkulturerbestätte“ (Ordnungsnummer 1) (überreicht von den Abge­ord­neten Mag. Wolfgang Gerstl und Maria Großbauer)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 7

Regierungsvorlage ....................................................................................................... 37

1: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozeß­ordnung 1975 zur Umsetzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert wer­den

Berichte ......................................................................................................................... 38

Vorlage 1 BA: Bericht gemäß § 4a Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz über die im 3. Quartal 2019 ergriffenen Maßnahmen; BM f. Finanzen

Vorlage 2 BA: Bericht gemäß Art. 50c Abs. 3 B-VG iVm § 6 der Anlage 2 zum GOG (ESM-Informationsordnung) über die im Rahmen des Europäischen Stabi­litätsmechanismus getroffenen Maßnahmen im 3. Quartal 2019; BM f. Finanzen

Vorlage 3 BA: Bericht gemäß § 54 Abs. 12 BHG 2013 über die Genehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen und gemäß § 60 Abs. 3 BHG 2013 über zugestimmte Vorbelastungen im 3. Quartal 2019; BM f. Finanzen

Vorlage 4 BA: Bericht zur Wirkungsorientierung 2018 gemäß § 68 Abs. 5 BHG 2013 iVm § 7 Abs. 5 Wirkungscontrollingverordnung; BM f. öffentlichen Dienst und Sport

Vorlage 5 BA: Bericht über die Entwicklung des Bundeshaushaltes von Jänner bis September 2019; BM f. Finanzen

III-59: Kunst- und Kulturbericht 2018; Bundesregierung

III-60: Bericht betreffend Arzneimittelbeschaffung für ausgewählte Kranken­an­stalten in Salzburg und Tirol – Reihe BUND 2019/44; Rechnungshof

III-61: Bericht betreffend der Tätigkeitsberichte des Statistikrates über die Ge­schäftsjahre 2017 und 2018 gemäß § 47 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz 2000; Bun­desregierung

III-62: Bericht betreffend Übersicht über die österreichische Haushaltspla­nung 2020; BM f. Finanzen

III-63: Bericht aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 3. Juli 2019, 98/E XXVI. GP betreffend Varianten zur Weiterentwicklung des Mautsystems auf Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich unter besonderer Berücksichtigung der Bekämpfung der „Maut-Flucht“; BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

III-64: Bericht aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 3. Juli 2019, 100/E XXVI. GP betreffend Entwicklung eines Österreich-Tickets zur Erreichung der Klima-Ziele; BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

III-67: Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2018; BM f. Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG ................................................................ 38

Aufnahme der Verhandlungen über den Siebenten Zusatzvertrag zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung von ver­mögensrechtlichen Beziehungen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 8

Anträge der Abgeordneten

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend beste Bildung beginnt bei den Jüngsten! (38/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) geändert wird (39/A)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kindergesundheit: Gute Gesundheit beginnt im Kindesalter (40/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (41/A)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geändert wird (42/A)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend faire Arbeitszeit (43/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Umsetzung eines Arbeitsmarktpaketes (44/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausführungsgesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (45/A)(E)

Mag. Friedrich Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertrags­be­dienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirt­schaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungs­gesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensions­gesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3. Dienstrechts-Novelle 2019) (46/A)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung des König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) (47/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Anerkennung der häuslichen Pflege (48/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringendes Maßnahmenpaket für öffentlich-rechtlich Bedienstete im Sicherheitsbereich (49/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird (50/A)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz 1996, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 107/2017, geändert wird (51/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 9

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäfts­ordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (52/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungsgesetz 1975) geändert wird (53/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ord­nungsgesetz 1975) geändert wird (54/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ord­nungsgesetz 1975) geändert wird (55/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transparenz innerhalb der Bundesregierung erlassen wird (Bundesregierungs-Transparenz-Gesetz) (56/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (Vorabprüfung von Staatsverträgen) (57/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (Organstreitverfahren Anfragebeantwortungen) (58/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geän­dert werden (59/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (60/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über den Zugang zu Informationen (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) (61/A)

Josef Muchitsch, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (62/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Straftatbestand „Anfütterung“ von Parteien (63/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren der Begutachtung von Ministerial­entwürfen von Regierungsvorlagen (Begutachtungsgesetz – BegG) erlassen und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungs­gesetz 1975) geändert wird (64/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­(ver­fassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundes­gesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (65/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gesetzeslücke in den Korruptionstatbeständen des Strafgesetzbuches (66/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rehabilitation und Entschädi­gung von homosexuellen Strafrechtsopfern (67/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 10

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Parteibuch raus, Evidenz und gemeinsame Ziele rein (68/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frühpension nur mit Abschlägen (69/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung und gesetz­liche Verankerung eines realistischen Stufenplans zur Erhöhung der EZA-Mittel bis zur Erreichung des 0,7%-Ziels (70/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Teilnahme an EU-Zeitver­wendungsstudie (71/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beitritt Österreichs zum Migrationspakt der Vereinten Nationen (72/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) und das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Nie­derlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) geändert werden (73/A)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (74/A)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sofortmaßnahmen für Syrien (75/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 2. April 1952 über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) sowie das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissen­schaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert werden (Ehrenzeichenrechtsänderungsgesetz) (76/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­gesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (77/A)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zeitnahe Ein­bindung des Parlaments in die Entscheidung über die Zukunft der österreichischen Luftraumüberwachung (78/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 11. Mai 1921 über den Dienstvertrag der Privatange­stellten (Angestelltengesetz) geändert wird (79/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz und das Personenstandsgesetz 2013 geändert werden (Ehe-Partnerschafts-Anpassungsgesetz 2020 – EPAG 2020) (80/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesver­fassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (81/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Postenschacher stoppen (82/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 11

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (83/A)

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird (84/A)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konjunktur­paket zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung (85/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personalbedarfserhebung für die Finanzverwaltung und Sicherstellung der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages durch ausreichend Personal (86/A)(E)

Karl Mahrer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (87/A)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz von Frauen und Mädchen vor HIV/AIDS und Gewalt in der OEZA und der humanitären Hilfe (88/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Generika für die HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria Therapie aus Indien (89/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 11. Mai 1921 über den Dienstvertrag der Privatange­stellten (Angestelltengesetz) geändert wird (90/A)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufklärung, Aufarbeitung, Opferschutz und Prävention bei Missbrauchsfällen im Sport, in Schulen und Internaten (91/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Was­serwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung, zum Schutz der Umwelt im Ausland und über das österreichische JI/CDM-Programm für den Klimaschutz (Umweltförde­rungsgesetz – UFG) geändert wird (92/A)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimacheck bei beab­sichtigten Versiegelungen von im Eigentum oder Miteigentum der Republik Österreich stehenden und/oder verwalteten Wald- oder Grünflächen (93/A)(E)

Mag. Andreas Hanger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartell­gesetz 2005 geändert wird (94/A)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beauftragung einer Zeitverwendungsstudie (95/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt (96/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend das Cape Town Agreement (1/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend das Cape Town Agreement (2/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 12

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend AMS-Algorithmus (3/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Vereinigung Sozialdemokratischer Maturantinnen u. Maturanten im BSA“ (4/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Schulungsteilnehmer AMS September 2019-Inländer&Ausländer (5/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Arbeitsmarktzahlen September 2019/Drittstaatsangehörige und Asylberechtigte (6/J)

Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Zustandsbericht „Unser Heer 2030“ (7/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Arbeitsmarktzahlen September 2019-Inländerarbeitslosigkeit&Ausländerarbeitslosigkeit (8/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Geplanter Schließung von Be­zirksgerichten (9/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend etwaige Kontakte des mutmaßlichen Attentäters von Halle nach Österreich (10/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend das neue Zentralorgan der österreichi­schen Neonazi-Szene (11/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend auferlegte Besuche der Gedenkstätte Mauthausen durch verurteilte Täter (12/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend die 43 rechtsextremistische Gefährder in Deutschland (13/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin im Bundeskanzler­amt betreffend die Personalsituation der Bundesstelle für Sektenfragen (14/J)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten der Kontrollen an der ungarischen und slowenischen Grenze (15/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin im Bun­deskanzleramt betreffend die Umsetzung des SDG 5 (16/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ermittlungen rund um die Causa Ibiza (17/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung der Salzburger Polizeischule (18/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Folgeanfrage Daten zu Schubhaft und Abschiebungen im 1. Halbjahr 2019 (19/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 13

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Investitionsprogramm Tirol (20/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Fertigstellung des Nationalen Energie- und Klimaplans (21/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Personalkosten im Schulbereich (22/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Verwendung von Studienas­sis­tent_innen (23/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Besetzung des Rektorats an der PH Oberösterreich“ (24/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Hakenkreuz-Schmierereien in Ebensee (25/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Bekanntmachung eines Hoch­schulentwicklungsplanes (26/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ungleichbehandlung von EU- und EWR-Bürgern in Versicherungsfragen (27/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Kaserne Bludesch (28/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend Sanierung der Lawinenschutzbauten in der Arzler Alm (29/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sanierung der Lawinenschutzbauten in der Arzler Alm (30/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Informationsweitergabe rund um Hausdurchsuchung in der Causa „Tojner“ und Auffälligkeiten in anderen Causen (31/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Ibiza-Ermittlungen und die Causa Schellenbacher (32/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Ermittlungen rund um die Causa Ibiza (33/J)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Verunreinigung von Baby­nahrung mit aromatischen Mineralölen (34/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Rechnungshofes betreffend Veröffentlichung von Rechnungshofberichten über gesetzliche berufliche Vertretungen (35/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 14

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend 25. UN-Klimakonferenz (COP 25) (36/J)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend beunruhigende Meldungen, wonach zahlreiche Bezirksgerichte in Niederösterreich geschlossen werden sollen (37/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Auswirkungen der ab­schlagsfreien Frühpension ab 62 (38/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Spazierfahrten des ÖBB Cityjet Eco für ÖVP Wahlkampfzwecke (39/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Nichtbeantwortung der Anfrage 4113/J (40/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Stand der Dinge im Verfahren Götschober und Liederbuchaffäre (41/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Asylverfahren minderjähriger Asylsuchender in Österreich (42/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Folgeanfrage Stand der Evaluierung des Medienerlasses (43/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Folgeanfrage Rückkehrberatungseinrichtung Fieberbrunn (44/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Widerrechtliche Verwendung der Polizei CI durch „Wirsindexekutive“ (45/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Widerrechtliche Verwendung der Polizei CI durch „Wirsindexekutive“ (46/J)

Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Unterstützung von Pendlerinnen und Pendlern (47/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend die Besetzung der SOKO Ibiza mit unabhängigen Ermittlern (48/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Regeln für die Förderung von Almflächen (49/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Mobbing-Vorwürfe im BVT (50/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausschreibung der Interimistischen Geschäftsführung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (51/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 15

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend das Nowotny-Gedenken am Wiener Zentralfriedhof 2019 (52/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend die Kundgebung türkischer Nationalisten am Wiener Stephansplatz (53/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einnahmen aus Rechtsgeschäftsgebühren gem § 33 GebG (54/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Gesamtkosten des Bankenrettungspakets (55/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Casinos Austria AG – Follow-up (56/J)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen (1/AB zu 1/J)

 

 

 

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 16

09.05.40Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.41*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die 3. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären. Ich darf Sie recht herzlich willkommen heißen: alle Nationalrätinnen und Nationalräte, unsere Gäste auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehgeräten. Ich begrüße recht herzlich den Herrn Bundesminister für Äußeres.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 1. Sitzung sowie das Amtliche Protokoll der 2. Sitzung vom 23. Oktober 2019 sind in der Parlamentsdirektion aufge­legen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS und Petra Steger.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bun­des­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. wird durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Elisabeth Udolf-Strobl vertreten, und zwar nach Beendigung der Aktuellen Stun­de.

Ferner darf ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung bekannt geben, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten: Bundes­kanz­lerin Dr. Brigitte Bierlein wird durch den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner vertreten.

*****

Wie üblich wird die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III bis 19.15 Uhr live übertragen. Anschließend können Sie sie in der TVthek kommentiert übertragen mitverfolgen.

Es wird auch heute wieder ein Fotograf im Auftrag der Parlamentsdirektion zu Doku­mentationszwecken fotografieren.

Nur ganz kurz in eigener Sache: Ich bin an den Knien operiert worden. Sie sehen, dank der Spitzen der österreichischen Medizin geht das nach einer Woche tadellos. Beide Knie sind erneuert und in vier Wochen brauche ich keine Krücken mehr.

09.07.36Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen sogleich zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 17

„Europa in bewegten Zeiten. Was bedeutet das für Österreich?“

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Blümel. – Bitte.


9.08.01

Abgeordneter Mag. Gernot Blümel, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie, vor den Fernsehschirmen und via Livestream! „Europa in bewegten Zeiten. Was bedeutet das für Österreich?“ ist das Thema dieser Aktuellen Stunde.

Am vergangenen Wochenende jährte sich ein großes europäisches Ereignis: Es war der 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer. Die Trennung Europas ist damals überwunden worden und eine Einigung damit greifbar geworden. Wenn Sie die Bilder, die am Wochenende durch die Medien gegangen sind, gesehen haben, dann haben Sie gemerkt, dass die Euphorie von damals auch heute noch spürbar ist. Dagegen wirkt die Debatte, die wir heute über Europa führen, oft ein wenig grotesk, denn 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist das meistdiskutierte Thema innerhalb der Euro­päischen Union der Austritt eines Mitgliedstaates aus der gemeinsamen Union.

Wenn wir das Thema dieser Aktuellen Stunde ernst nehmen und beantworten wollen, was das für Österreich bedeutet, dann müssen wir versuchen, herauszufinden, wie es so weit kommen konnte, wie es von dieser Euphorie zum Austritt eines Mitgliedstaates gekommen ist. Viele hier im Hohen Haus haben das historische Ereignis von damals bewusst miterlebt. Viele von Ihnen können sich wahrscheinlich noch genau daran erinnern, wo sie damals waren und was sie genau getan haben, als sie zum ersten Mal vom Fall der Berliner Mauer gehört haben.

Für meine Generation gilt das ehrlicherweise nicht mehr so. Ich war damals gerade acht Jahre alt und kann nicht sagen, dass mir die historische Tragweite dieses Ereig­nisses so ganz bewusst war; wahrscheinlich gilt Ähnliches für jene 41 Nationalrats­ab­geordneten in diesem Haus, die so alt wie ich oder jünger sind.

Mir persönlich ist die Dimension dieses Ereignisses erst einige Zeit später bewusst geworden, und zwar interessanterweise bei einem Familienausflug. Ich war damals mit acht Jahren nicht sehr begeistert von Familienausflügen, aber irgendwann einmal hat uns mein Vater geschnappt und wir sind gemeinsam auf einen Ausflug gefahren. Als wir dann da waren und aus dem Auto gestiegen sind, ist plötzlich meine Urgroßmutter neben mir auf der Straße zusammengebrochen und hat zu weinen begonnen. Ab diesem Zeitpunkt hatte dieser Ausflug meine volle Aufmerksamkeit. Mein Vater hat mir im Nachhinein erklärt, dass sie nach 50 Jahren zum ersten Mal ihre alte Heimat wie­dergesehen hat. Sie war vertriebene Sudetendeutsche, und es hat 50 Jahre gedauert, bis sie ihr Elternhaus wiedersehen konnte; es hat 50 Jahre gedauert, bis sie wieder durch die Straßen ihrer Jugend gehen und ihre Verwandten auf dem Dorffriedhof besuchen konnte. Erst der Fall des Eisernen Vorhangs infolge des Falls der Berliner Mauer hat ihr das ermöglicht. Damals war für mich dann klar, dass etwas Historisches passiert ist.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte es den Anschein, als ob die Welt eine neue geworden wäre – nicht nur in Europa –, es hatte den Anschein, als ob es einen eindeutigen Sieger im Streit der großen Weltanschauungen gäbe. Marktwirtschaft und Demokratie haben sich als eindeutig stabiler und erfolgreicher erwiesen als die anderen Systeme. Wenn man sich die Zahlen verdeutlicht, dann sieht man das auch sehr klar: 1970 hat es weltweit circa 35 repräsentative Demokratien gegeben; bis Anfang des 21. Jahrhunderts ist diese Zahl auf circa 120 angewachsen. Den größten Zuwachs gab es im Europa der Neunzigerjahre.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 18

Die Euphorie war damals so groß, dass der US-amerikanische Politikwissenschafter Francis Fukuyama in Anlehnung an Hegel gemeint hat, das „Ende der Geschichte“ sei gekommen, und auch ein Buch darüber geschrieben hat. Er schreibt, der Sieg der Demokratie und Marktwirtschaft habe sich auch in Europa in einem immer stärker wer­denden europäischen Ganzen, in einer sich immer weiter vertiefenden Europäischen Union durchgesetzt und kaum jemand habe damals die Frage gestellt, ob dieses Sys­tem beständig sein wird oder ob es noch ein anderes geben wird.

Wir müssen feststellen, dass die Welt heute eine andere geworden ist. Seit Mitte der Nullerjahre sinkt die Zahl der Demokratien weltweit wieder. Das Platzen diverser Bla­sen hat auch die Kritiker befeuert, die Kritiker von Demokratie und freier globalisierter Marktwirtschaft. 2015 ist eine Flüchtlingswelle über Europa hinweggerollt und hat manche Binnengrenzen wiederauferstehen lassen; und im Juni 2016 haben sich die Briten dazu entschieden, die gemeinsame Union zu verlassen.

Welche Schlüsse muss man als überzeugter Demokrat und Proeuropäer daraus ziehen? (Ruf bei der FPÖ: Das wirst du uns wohl gleich sagen!) – Eine Erkenntnis muss wohl lauten, dass sich der Erfolg von Demokratie offensichtlich nicht ganz von selbst einstellt. Er ist nicht gottgegeben und es gibt kein Naturgesetz, das ein demo­kratisches Zusammenleben vorschreibt. Es gibt eben kein „Ende der Geschichte“. Wenn wir uns nicht ständig um den Erhalt des Erreichten bemühen, dann können wir genauso gut alles wieder recht schnell verlieren. Um sicherzustellen, dass genau das nicht passiert, sollten wir versuchen, die Gründe zu verstehen, warum die Briten die gemeinsame Union verlassen. Genau diese Frage haben wir uns im Vorfeld der öster­reichischen Ratspräsidentschaft vor circa einem Jahr gestellt, und es war schnell klar, dass es ungefähr drei Themenkomplexe gibt, die dazu geführt haben, dass die Britin­nen und Briten sich dafür entschieden haben, aus der EU auszutreten.

Ganz klar war die Angst vor Migration einer der Hauptmotivationsgründe, Wohlstands­verlustängste bildeten den zweiten Themenkomplex, und der dritte ist die Angst vor politischem Kontrollverlust.

Wollen wir aus dem Brexit lernen, dann müssen wir uns als Politikerinnen und Politiker bemühen, auf diese Fragen und Ängste Antworten zu geben. Darüber hinaus hat im letzten Jahr in Europa eine weitere Angst um sich gegriffen: die Angst vor dem Klima­wandel. All diese Themen bewegen die Menschen in Europa, und auf all diese Themen erwarten sie sich von der Politik Antworten.

Trotzdem gibt es immer noch Politiker, Kommentatoren, selbsternannte Intellektuelle, die der Meinung sind, dass man diese Ängste, eine oder mehrere davon, kleinreden sollte. Oft wird dann davon gesprochen, dass das ja nur subjektive Ängste seien. (Abg. Scherak: ... sollen sie sonst sein?!) Oft wird gesagt, dass sich die Intensität der Emotionen nicht durch empirische Daten beweisen lässt oder dass manche dieser Ängste nur von politischen Mitbewerbern aus Opportunität geschürt werden.

Ich glaube, die Vergangenheit hat gezeigt, dass es nicht gelingen kann, die Probleme und Herausforderungen kleinzureden oder sie nur als Propaganda des politischen Mit­bewerbers zu brandmarken. Das gilt sowohl für die Migration als auch für den Klima­wandel.

Genauso falsch wäre es aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man ständig die Apokalypse beschwört, wenn man ständig mit Fünf-vor-zwölf-Diktionen versucht, Eingriffe in Rechtstaat und Eigentum legitimieren zu wollen.

Ich bin überzeugt davon, dass es einen anderen Weg, einen dritten Weg braucht. Wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen und gleichzeitig Antworten geben, die Chancen schaffen, aber auch verantwortungsvoll mit dem bisher Erreichten umgehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 19

Das war immer der Weg der Volkspartei und das wird er auch immer bleiben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer hat Europa die Chance gehabt oder hätte Europa die Chance gehabt, den Weg der Vereinigung und des Wohlstandes weiter­zugehen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte der Europäische Rat eine Entscheidung zu treffen, und zwar dahin gehend, ob Beitrittsverhandlungen mit einem weiteren Beitritts­kandidaten aufgenommen werden oder nicht. Es handelt sich dabei um Nordmaze­donien.

Dieses Land hat Unglaubliches geleistet. Dieses Land hat in einem demokratischen Prozess alle bilateralen Konflikte mit den Nachbarstaaten gelöst. Dieses Land hat alle Forderungen erfüllt, die ihm die Europäische Union gestellt hat, um Beitrittsver­hand­lungen beginnen zu können. Wer weiß, was es heißt, den Namen eines ganzen Lan­des zu ändern, der weiß, was das für eine Leistung war. Ich erinnere daran, was pas­siert, wenn in Österreich Bezirke zusammengelegt werden (Abg. Kickl: Oder Parteien umgestrichen!): Da wird die Apokalypse ausgerufen. – Sie haben den Namen des ganzen Landes geändert. Nachdem aber alle Schwierigkeiten beseitigt und alle Bedin­gungen erfüllt waren, sagt die Europäische Union Nein zur Aufnahme von Beitrittsver­handlungen. Ich halte das nicht nur für einen historischen, sondern auch für einen schweren moralischen Fehler. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein!)

Der Grund dafür war das Veto des französischen Präsidenten, der diese Entscheidung eben im Alleingang verhindert hat. Ich hätte mir gewünscht, dass Emmanuel Macron sich in diesem Moment an seine Selbstbeschreibung als die eines glühenden Euro­päers erinnert hätte, denn gerade in einer Zeit, in der ein Mitglied die gemeinsame Union verlässt, wäre es ein schönes Zeichen gewesen, ein neues Mitglied einzuladen.

Ich hoffe sehr, dass Europa diesen und andere Fehler beheben wird, denn die Zukunft Österreichs soll in einem starken und geeinten Europa liegen – und dafür werden wir mit aller Kraft arbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

9.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer einleitenden Stellungnahme ist der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte.


09.18.27

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M., betraut mit der Leitung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanz­ler­amtes gehörenden Angelegenheiten für EU, Kunst, Kultur und Medien: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Gelegenheit, heute zu Ihnen zum Thema „Europa in bewegten Zeiten. Was bedeutet das für Österreich?“ sprechen zu dürfen. Wir befinden uns tat­sächlich in bewegten Zeiten, in Zeiten der Veränderung und der Umbrüche. Vertraute Orientierungs- und Stützpunkte, wie die transatlantische Verbindung oder die Attrak­tivität unseres europäischen Lebensmodells, scheinen infrage gestellt. Zugleich stellen uns der Klimawandel, die Migration, die Instabilität in unserer Nachbarschaft und die digitale Revolution vor enorme Herausforderungen, die alle Lebensbereiche und alle Gesellschaften erfassen werden.

Viele dieser Herausforderungen sind nicht neu. Sie prägten die europäische Politik seit Jahren. Sie standen im Fokus des österreichischen Ratsvorsitzes 2018, und sie haben sowohl die Wahl zum Europäischen Parlament als auch die Wachablösung an der Spitze der europäischen Institutionen mitbestimmt. Mit dem Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen – hoffentlich am 1. Dezember – beginnt sozusagen eine neue Legislaturperiode in der EU. Daher ist es


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auch sehr treffend, zu diesem Zeitpunkt eine solche Diskussion hier im Hohen Haus zu führen, denn die Erwartungen an diese neue Legislaturperiode sind groß.

Die designierte Kommissionspräsidentin hat völlig zu Recht schon klargemacht, dass sie eine neue Dynamik erzeugen will. Mit der Ankündigung zum Beispiel eines Euro­pean Green Deals oder einer Konferenz zur Zukunft Europas ab dem Jahr 2020 hat sie bereits interessante Vorschläge formuliert. Weitere Vorschläge werden folgen müssen, denn es gibt einiges zu tun.

Zunächst gilt es, endlich den Brexit zu lösen. Nach drei Verlängerungen ist es an der Zeit, dass wir dieses Kapitel endlich abschließen. Wir alle haben die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, aus der EU auszutreten, zutiefst bedauert, und wir alle wollen auch in Zukunft eine möglichst enge Anbindung an das Vereinigte Königreich, aber wir brauchen jetzt endlich auch Klarheit. Die 27 Mitgliedstaaten haben es bis jetzt entgegen aller Unkenrufe, entgegen aller Bedenken geschafft, gegenüber London mit einer Stimme zu sprechen und Einheit zu zeigen, aber diese Verhandlungen binden enorm viele Ressourcen, binden enorm viel politische Energie; Energie und Res­sourcen, die wir endlich für die Gestaltung unserer Zukunft einsetzen sollten und nicht mehr für die Bewältigung eines Scheidungsverfahrens.

Ein wesentliches Element für die Gestaltung unserer Zukunft ist etwa die laufende Verhandlung zum mehrjährigen Finanzrahmen, der ab 2021 bis 2027 gelten soll. Die österreichische Position ist da sehr klar: Wenn eine der größten Volkswirtschaften Europas austritt, kann das EU-Budget nicht auch noch wachsen. Wie bisher sollte daher das Gesamtvolumen des Haushaltes auf europäischer Ebene bei 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens liegen, denn auch bei 1 Prozent wird die Union aufgrund des Wirtschaftswachstums, das in den letzten Jahren stattgefunden hat, deutlich mehr Geld haben, insgesamt über 110 Milliarden Euro. Damit ist genug da, um auch auf neue Schwerpunkte zu setzen, etwa Forschung, Innovation, Sicherheit und Migration. Dabei soll auch der klimarelevante Anteil am Budget erheblich steigen. Mindestens 25 Prozent aller Gelder im gesamten Mehrjährigen Finanzrahmen und 40 Prozent der Agrarmittel sollen für klimarelevante Maßnahmen eingesetzt werden. Zugleich können wir auch bei 1 Prozent des BNEs sicherstellen, dass das bisherige Niveau bei der Landwirtschaft und bei der Kohäsion gewahrt bleibt.

Als Nettozahler steht Österreich bereit, weiterhin Verantwortung zu übernehmen. Es wird auch der österreichische Beitrag ansteigen, aber gerade deswegen ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass die EU möglichst sparsam und effizient mit ihren Mitteln umgeht. Österreich geht hierbei sehr eng abgestimmt mit anderen Nettozahlern – wie etwa den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Deutschland – vor.

Meine Damen und Herren, Herausforderungen stellen sich nicht nur im Inneren der Europäischen Union, sondern auch in unserem geopolitischen Umfeld: Russland und die Türkei gehen eigene Wege, mit China ist ein neuer starker Konkurrent erwachsen und die transatlantische Einigkeit erscheint brüchig.

Gerade in den letzten zwei Tagen mussten wir erleben, dass in Israel wieder einmal inakzeptable Raketenangriffe auf Zivilisten verübt werden. Internationale Abkommen wie etwa das Pariser Klimaabkommen oder der Irandeal, der hier in Wien verhandelt wurde, werden geschwächt. Säulen der internationalen Abrüstungsbemühungen der letzten Jahrzehnte werden infrage gestellt. Am akutesten ist aber sicher die Heraus­for­derung in Nordsyrien. Die völkerrechtswidrige Militäroperation der Türkei in Syrien verschärft die humanitäre Krise in der Region und droht neue Flüchtlingsströme aus­zulösen. Im Einklang mit der Europäischen Union verurteilen wir daher aufs Schärfste diese Operation und fordern ein Ende der Gewalt und die Einhaltung von Völkerrecht und Menschenrechten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Wir hatten uns auch in der EU sehr deutlich für ein EU-weites, einheitliches Waffen­embargo gegenüber der Türkei ausgesprochen, die hierfür notwendige Einstimmigkeit konnte aber nicht erzielt werden. Österreich hat, und das betone ich, ein solches Waffenembargo bereits seit 2016.

Diese jüngste Entwicklung beweist aber einmal mehr, dass es einen neuen Zugang der Europäischen Union zu den Beziehungen mit der Türkei braucht. Die Türkei entfernt sich immer weiter von europäischen Werten und Standards. Wir treten daher ganz klar für den Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und für ein Ende der Vorbeitrittsgelder an die Türkei ein. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sprechen diesen Punkt auch sehr regelmäßig und auf allen Ebenen der EU an; ich selbst habe diese Forderung bei den jüngsten Sitzungen der EU-Räte im Juni, im Juli und im Oktober vorgebracht und werde dies auch weiterhin tun. Es muss uns aber klar sein: Der Abbruch der Beitrittsverhandlungen erfordert Einstimmigkeit, und bislang ist es nur Österreich, das in dieser Offenheit und Ehrlichkeit diese Forderung auf den Tisch legt. Eines muss uns aber auch klar sein: Wir als Europäische Union dürfen uns nicht von der Türkei erpressen lassen, sei es in der Migrationsfrage oder im Zusam­menhang mit ausländischen IS-Kämpfern. Diesbezüglich braucht es auf Augenhöhe einen ehrlichen Umgang miteinander. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Vielleicht ist es auch wichtig, dass ich im Zusammenhang mit den österreichischen IS-Kämpfern Folgendes betone: Nach unseren Informationen gibt es in Syrien und im Irak circa zwei Dutzend Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die sich dem IS angeschlossen haben. Die Lager und die Gefängnisse, in denen sie sich befinden, sind derzeit nicht im Einzugsgebiet der türkischen Militäroperation.

Sehr geehrte Damen und Herren, eine wesentliche Herausforderung für die EU ist auch die Sicherung der Stabilität in unserer Nachbarschaft. Wir brauchen eine EU, die in der Lage ist, Sicherheit auch nach außen zu projizieren. Das bezieht sich nicht nur auf Südosteuropa.

Gestern war der weißrussische Präsident Lukaschenka hier in Wien und ich reise gleich nach dieser Parlamentssitzung nach Kiew zu einem Treffen mit dem ukraini­schen Außenminister. Traditionell liegt natürlich unser Fokus sehr wohl am Westbalkan und in Südosteuropa. Die Geschichte zeigt, ohne nachhaltige Sicherheit und Stabilität in Südosteuropa kann es keine nachhaltige Sicherheit und Stabilität in Zentraleuropa geben. Es geht hier also eigentlich um unmittelbare Sicherheitsinteressen der Euro­päischen Union und Österreichs. Spätestens seit der Migrationskrise wissen wir, die Staaten am Westbalkan sind Nachbarn und Freunde, mit ihnen sind wir stärker, ohne sie sind wir verwundbar. Alles, was diese Region will, ist eine gesicherte, sichtbare, gelebte europäische Perspektive – die EU hat sie zugesagt und jetzt gilt es Wort zu halten.

Wir treten daher für eine umgehende Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Nord­maze­donien und Albanien ein. Da steht die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union auf dem Spiel, und wir riskieren Instabilität in einer Region, die – das vergisst man immer wieder – von EU-Staaten umgeben ist.

Meine Damen und Herren, die Liste der Herausforderungen, für die wir die Euro­päische Union brauchen, ließe sich weiter fortsetzen. Die Erwartungshaltung an die Europäische Union ist dementsprechend groß, und manchmal überkommt einen viel­leicht der Eindruck, dass nicht sehr viel gelingt, dass manchmal die EU mit halben Mitteln auf halbem Weg stehen bleibt. In solchen Situationen lohnt es sich aber, einen Schritt zurückzugehen.


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Es wurde schon erwähnt: Letzten Freitag vor 30 Jahren, am 9. November 1989, fiel die Berliner Mauer. Und wenn wir uns diesen Zeitraum anschauen, diese drei Jahrzehnte, dann sehen wir, wie viel uns eigentlich gelungen ist, wie sehr Europa in diesen drei Jahrzehnten stärker geworden ist, gewachsen ist – unser Kontinent ist in Wirklichkeit laufend in Bewegung. Staaten und Gesellschaften haben sich verändert, Grenzen sind gefallen und eine gemeinsame Währung ist entstanden. Bei allen Schwierigkeiten und Herausforderungen sollten wir diese Errungenschaften nicht vergessen.

Die Europäische Union hat sich gerade aus österreichischer Sicht als Quelle und entscheidender Antriebsmotor für positive Änderungen erwiesen, und sie wird das sicher auch in Zukunft sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Krisper.)

9.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf hinweisen, dass in der Debatte die maximale Redezeit 5 Minuten beträgt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.


09.28.40

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die erste Aktuelle Stunde in dieser Legislaturperiode mit der Zukunft Europas beschäftigt, denn die Europäische Union ist unsere gemeinsame Zukunft. Ich bin unserem Außen­minister für die klare Positionierung, die er für die österreichische Bundesregierung vorgenommen hat, sehr dankbar, denn wir sind tatsächlich auf einem Scheideweg.

In der neuen Ausgabe des „Economist“ gibt es ein großes Interview mit dem fran­zö­sischen Präsidenten Macron, in dem er die Europäische Union, wie er es formuliert, am Abgrund sieht. Er führt aus, Europa, die Europäische Union müsse endlich auf­wachen, weil eine erhebliche Gefahr bestünde, dass Europa auf lange Sicht geopolitisch ver­schwinden werde oder zumindest unser Schicksal nicht mehr unter unserer Kontrolle sei. Und er fügt dann hinzu, dass er davon fest überzeugt ist.

Er nennt hierfür mehrere Gründe. Als ersten Grund: Wir finden uns zum ersten Mal mit einem amerikanischen Präsidenten wieder, der unsere Vorstellung vom europäischen Projekt nicht teilt. Neben der Abkehr Amerikas hätten der Aufstieg Chinas, die auto­ritären Führer, wie er es nennt, vor unserer Haustür diese außergewöhnliche Fragilität der EU verursacht. Europa verliere seine europäische Souveränität. Die kollektive Fähigkeit, die Interessen Europas, unsere Sicherheit, die Privatsphäre, künstliche Intelligenz, Umwelt und Handel selbst bestimmen zu können, gehe unwiederbringlich verloren.

Eine gegenteilige Meinung hat letzte Woche die neu gewählte Präsidentin der Euro­päischen Kommission Ursula von der Leyen in Berlin geäußert, nämlich anlässlich 30 Jahre Fall der Berliner Mauer. Sie sagte, für Verzagtheit gebe es keinen Grund, solange wir Europäer zusammenstehen und unsere unbestrittenen Fähigkeiten selbst­bewusst nutzen. Europa sei heute attraktiver, als wir selbst oft glauben. Wir mögen zwar älter werden in Europa, das gelte aber genauso auch für Russland und China, und wir mögen auch weniger werden, aber das, was wir haben, sei einzigartig und von unschätzbarem Wert: Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie, Offenheit für neue Lebensentwürfe – das fänden junge Menschen in China und Russland ganz sicher nicht.

Sie sagt weiters: „Europas offene Gesellschaften verbinden Unternehmergeist und Frei­heitsdrang. Sie bieten Stabilität und soziale Marktwirtschaft. Bei uns finden For­scher nicht nur Fördergelder für ihre Projekte, sondern auch gute Schulen für ihre Kin-


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der“, ohne dass sie Schulgeld zahlen müssen. Und – ein ganz wichtiger Punkt –: Es gibt saubere Luft, es gibt reine Gewässer, es gibt hohe Umweltstandards.

Das sind zwei Erzählungen, die gegenteiliger nicht sein könnten. Wo steht Europa nun tatsächlich? – Ja, Europa steht vor großen Herausforderungen, und wenn wir diese annehmen, haben wir es noch in unserer Hand, dass wir sie auch bewältigen können.

Von der Leyen hat sechs Punkte für die nächsten fünf Jahre für die neue Kommission festgeschrieben: erstens: ein europäischer Grüner Deal; zweitens: eine Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen in Europa aufgeht; drittens: ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist; viertens: schützen, was Europa ausmacht, unsere euro­päischen Werte; fünftens: ein stärkeres Europa in der Welt; sechstens: neuer Schwung für die Demokratie in Europa – ja, auch das ist notwendig.

Österreich hat schon im letzten Regierungsprogramm erklärt: Wir sind ein verlässlicher und aktiver Partner in der Europäischen Union. Wir seitens der Volkspartei werden alles tun, dass auch im nächsten Regierungsprogramm genau diese Grundhaltung wie­der festgeschrieben wird: ein verlässlicher und aktiver Partner in der Europäischen Union.

Kollege Blümel hat es ausgeführt: Europa hat Fehler gemacht. Dass wir die Briten verloren haben, tut mir und, wie ich glaube, uns allen weh, und daher müssen wir uns wieder besinnen, was die Grundtugenden der Europäischen Union sind. Diese Grund­tugenden können nur Kompromissbereitschaft und Solidarität sein.

Die erste diesbezügliche Nagelprobe haben wir da schon beim Mehrjährigen Finanz­rahmen. Ich war diese Woche in Brüssel, wo ich mit Parlamentariern aller 27 Mitglied­staaten und Europaabgeordneten dieses Thema ausführlich besprochen habe. Es ist schon gesagt worden, wir sind für eine faire Lastentragung, wir sind auch für eine Ver­knüpfung mit Spielregeln, was die Rechtsstaatlichkeit betrifft genauso wie die Ein­haltung einer sparsamen Haushaltspolitik. Wir sehen die rechtsstaatlichen Probleme hier genauso – in Polen, Ungarn und Rumänien – wie auch die finanziellen Probleme – ich denke dabei an Italien.

Stark ist die Europäische Union dann, wenn die Mitgliedstaaten stark sind. Daher müs­sen wir gemeinsam alles tun, dass Österreich stark und an der Spitze der EU bleibt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Leichtfried ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


9.34.15

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident – gute Genesung im Übrigen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt haben wir etwas erlebt: Jetzt haben wir drei Redebeiträge gehört, die man vielleicht unter der Kategorie: schöne Welt, wie sie mir gefällt, einordnen kann. Was nicht er­wähnt wurde und was für die bisherigen Redner anscheinend nicht wichtig war, ist, dass Europa derzeit von drei gewaltigen Krisen geprägt und beeinflusst wird: Eine soziale Krise, eine ökologische Krise und eine politische Krise kennzeichnen diese Europäische Union derzeit. Und mir macht diese soziale Krise Angst, weil sie an der Akzeptanz für diese Union nagt.

Ich habe mich letzte Woche lange mit einem Fliesenleger aus der Steiermark unter­halten. Er hat mich gefragt: Wie komme ich dazu, dass ich jeden Tag, wenn ich um halb fünf in der Früh aufstehe, Angst um meinen Arbeitsplatz haben muss? Wie kom­me ich dazu?, hat er mich gefragt. Als ich ihn gefragt habe, was das Problem ist, hat er gefragt: Wie gibt es das, dass auf der Nachbarbaustelle weder Kollektivvertrag noch


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Sozialvorschriften in Österreich gelten? Wie komme ich dazu, mit denen in Konkurrenz zu treten? – Und das ist die entscheidende Frage, geschätzte Damen und Herren. Es ist so, weil europäische Vorschriften kombiniert mit illegalen Praktiken das jetzt ermöglichen.

Sie, geschätzte Damen und Herren von der ehemaligen Ibizaregierung, haben nicht nur nichts dagegen unternommen, nein, Sie haben versucht, das auch noch zu fördern. Das war Ihr europapolitisches Verdienst, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Ich glaube, der Fliesenleger sieht das anders!)

Ich frage Sie auch, wenn Sie da jetzt hereinreden, Herr Kickl: Wie kommt ein Kind in Österreich dazu, sich vielleicht nicht die Jause in der Schule leisten zu können, sich vielleicht nicht den Schulausflug leisten zu können, sich vielleicht nicht Geschenke für die Party von Freunden leisten zu können, weil nicht genug Geld in der Familie vor­handen ist? (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Wie kommt ein Kind dazu, dass es jetzt noch so ist? – Das ist nicht das Europa, das wir wollen, das ist das alte Europa der Konzerne und nicht das Europa der Menschen – und das wollen wir nicht, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Mir macht auch die ökologische Krise große Sorgen, weil sie die Menschen an Europa zweifeln lässt. Wie kann es sein, dass immer noch nichts gegen Industrieemissionen unternommen wird und Vorreiter wie Österreich mit der Voest darunter zu leiden haben, dass es eine schlechte Wettbewerbssituation für sie gibt? Wie können wir damit leben und wie können wir akzeptieren, dass es in Europa keinerlei Verlagerungspolitik des Verkehrs von der Straße auf die Schiene gibt? Wie können wir akzeptieren, dass immer noch Milliarden in die Agrarindustrie gepumpt werden und nicht in die kleinteilige biologische Landwirtschaft?

Geschätzte Damen und Herren, das ist nicht das Europa, von dem viele geträumt haben. Das ist derzeit mehr ein Albtraum als ein Traum, und darüber müssen wir auch diskutieren und das darf man in einer Debatte im österreichischen Nationalrat nicht ver­schweigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir macht die politische Krise Sorgen, die Handlungsunfähigkeit, die uns nicht in die Lage versetzt, dagegen etwas zu unternehmen, das Blockadeverhalten einiger Staa­ten, die nur noch eine einseitige Solidarität in diesem Europa haben, nämlich dann zu nehmen, wenn es zu nehmen gibt, aber nicht solidarisch zu sein, wenn es darum geht, solidarisch zu sein.

Ich sage Ihnen eines, auch für die Zukunft: Wer meint, mit Orbán, mit Kaczyński, mit Le Pen und Konsorten befreundet sein zu müssen, ist mitverantwortlich für diese politi­sche Krise in der Europäischen Union (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), und das gilt auch für die Parteien der ehemaligen Ibizakoalition!

Das Schöne, geschätzte Damen und Herren, ist, dass sich Europapolitik und nationale Politik nicht widersprechen, sondern eine Symbiose bilden. Was in Europa geschieht, beeinflusst uns, was wir tun, beeinflusst Europa.

Wir haben heute Gelegenheit, Politik gegen Kinderarmut zu machen. Ja, es stimmt, biologisch wächst Geld nicht auf Bäumen, das ist richtig, aber das ist kein Argument, das uns daran hindern sollte, jeden notwendigen Schritt zu unternehmen, dass Kinder in Österreich in der Klasse nicht mehr hungern müssen, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme nun auf die Schweiz zu sprechen. Wir könnten einen riesigen Schritt in Richtung Verkehrsverlagerung tun: Klimaticket und Lkw-Maut. Die Schweiz war mutig und erfolgreich.


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Seien wir doch auch einmal mutig in der Politik, geschätzte Damen und Herren! Wir können es machen, wir können ein anderes Österreich schaffen, wir können mehr öko­logische Politik machen, wir können mehr Klimapolitik machen, wir müssen uns nur trauen. Lassen wir uns jetzt in dieser Zeit des freien Spiels der Kräfte nicht blockieren, vertagen wir nichts, sorgen wir dafür, dass in diesem Haus Politik gemacht wird, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

9.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klub­obmann Kickl. – Bitte.


09.39.50

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außen­minis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, nach dieser fünfminütigen Selbst­anklage der SPÖ für die Folgen von jahrzehntelangem sozialistischem Versagen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik wieder zurück zur Sache! (Beifall bei der FPÖ.)

Wahrlich, wahrlich, sehr geehrter Kollege Blümel, wir leben in bewegten Zeiten in Europa und natürlich auch in Österreich – Bewegung im Großen wie im Kleinen. Da kommt eine neue Wirtschaftskrise auf uns zu. Die Sparer spüren auf ihrem Konto täglich die Bewegung nach unten durch eine schleichende Enteignung, die da statt­findet. Die Europäische Union – da bin ich wieder bei der größeren Dimension – ist politisch weitestgehend handlungsunfähig. Denken Sie nur an den Eiertanz im Zusam­menhang mit dem Brexit! Denken Sie nur an diese Steißgeburt der neuen EU-Kom­mission mit Frau von der Leyen an der Spitze, dieser Merkel-Apologetin, wobei ja dazuzusagen ist, dass nur die Köpfe neue sein werden und die Politik, die dort schon angekündigt ist, eine uralte; ich darf nur das Stichwort Zwangsverteilung von Flücht­lingen quer über den Kontinent nennen. Und alt ist auch, dass man sich noch immer nicht davon verabschiedet hat, diejenigen zu strafen, die sich als Regierungschefs vor die Interessen ihrer eigenen Bevölkerung stellen, wie es etwa die Ungarn tun. Auf die geht die Moralkeule der Europäischen Union nieder, die werden an den Pranger gestellt und verächtlich gemacht, statt ihren Weg generell einzuschlagen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Bewegung gibt es auch im Südosten Europas, Bewegung in Form von Menschen­massen, ausgehend von Bosnien. Die meisten davon sind unter dem Vorwand, Flücht­linge zu sein, unterwegs in Richtung Europa. Natürlich ist eine der begehrtesten Desti­nationen auch dieses Österreich mit seinem Sozialsystem, von dem sich schon herum­gesprochen hat, dass es immer noch viel zu viele Anreize gibt und dass man hier viel zu leicht Unterschlupf finden kann.

Vor einigen Tagen hat die deutsche Tageszeitung „Die Welt“ eine Einschätzung des deutschen Innenministeriums veröffentlicht. Dort steht zu lesen, dass „alle migrations­relevanten Indikatoren“, das heißt illegale Grenzübertritte und Asylanträge, „in allen Staaten der Balkanregion derzeit auf einem nochmals höherem Niveau als in den Vergleichszeiträumen 2017 und 2018“ sind. – Das will was heißen, denn das deutsche Innenministerium, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Europameister in Sachen Beschwichtigung. Das ist kein Innenministerium, das ein Gegner der Willkom­menskultur wäre, sondern dort sitzen die Administratoren der Willkommenskultur und richten Schaden für ganz Europa an.

25 000 Illegale sind es in Bosnien gewesen, 18 000 davon sind auf dem Weg zu uns. Man muss wissen, dass Bosnien nicht am anderen Ende der Welt liegt, sondern das sind viereinhalb Autostunden von der Steiermark. Bosnien ist nicht nur ein Hotspot für illegale Migranten, sondern ist auch der Brückenkopf des politischen Islam auf euro­päischem Boden. Was sich also von dort aus in Bewegung setzt, ist auch der politische


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Islam und damit eine Bedrohung für unsere Freiheit und unsere Grundwerte. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt fragt man sich: Was bedeutet das alles für Österreich? – Na ja, in Tagen wie diesen kann man nur sagen, sicherlich nichts Gutes angesichts der Regierungs­konstel­lation, die sich da vor unser aller Augen zusammenbraut, einer Koalition aus Schwarz und Grün. Ich meine, auf die Idee muss man ja als angeblicher Vertreter einer Mitte-Rechts-Partei, die die ÖVP ja immer noch sein will, auch erst einmal kommen! Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Anstatt eine entsprechende Reaktion oder Vor­bereitungshandlungen auf diese Bedrohungslage zu setzen, wird herumexperimentiert. Da bastelt der Obmann der ÖVP eine Koalition mit einer Gruppe von Zuwanderungs­fanatikern (Heiterkeit bei den Grünen), mit Leuten, die ja schon Brechreiz haben, wenn sie das Wort Grenze nur in den Mund nehmen müssen. Da bastelt er eine Koalition mit Multikultiträumern, mit Exponenten einer falsch verstandenen Toleranz. Wo ist August Wöginger? – Ich kann dir nur sagen, es ist dein Parteiobmann, der zurzeit durch inten­sive Basteleien dafür sorgt, lieber August, dass du zu Weihnachten derjenige sein wirst, der von Wien nach Oberösterreich mit den Grünen nach Hause kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wer sich von dieser ÖVP noch eine restriktive Zuwanderungspolitik erhofft, dem ist wirk­lich nicht mehr zu helfen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Offen­ba­rungseid hat einer meiner Amtsvorgänger als Innenminister – derzeit ist er National­ratspräsident und sitzt hinter mir – in der ORF-„Pressestunde“ geleistet, als er davon gesprochen hat, dass es in Migrationsfragen eigentlich keine wesentliche Dissonanz zwischen der ÖVP und den Grünen gibt. Ja, was ist denn das? – Das ist die Bieg­samkeit einer Weidenrute dort, wo es die Härte von Stahlbeton bräuchte. Das ist die neue ÖVP, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da haben die Österreicher nichts Positives zu erwarten. (Beifall bei der FPÖ.)

In anderen Ländern macht man das anders. Da ist man draufgekommen, dass das, was Österreich eineinhalb Jahre lang gemacht hat, richtig war. Die Franzosen denken um – und hier in Österreich lassen Sie von Schwarz und Grün sich für einen Rück­schritt abfeiern. Gute Nacht, Österreich! Es ist viel in Bewegung. Es ist vor allem Feuer am Dach, und löschen kann dieses Feuer nur die Freiheitliche Partei. (Beifall bei der FPÖ.)

9.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Reimon ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


9.45.31

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Es ist ein bissel schwierig, wenn wir Grüne immer nach der FPÖ zur ernsthaften Diskussion zurückkehren müssen, aber wir probieren es jedes Mal. (Abg. Kickl: Für Sie ist das immer schwierig!)

Ernsthafte Herausforderungen für die Europäische Union: der Brexit, der Westbalkan, der Klimawandel, der Umbau des Ökosystems, der Umbau des ökonomischen Sys­tems, des Wirtschaftssystems. Und wenn im Mittelmeer weniger Menschen sterben als an der Berliner Mauer bis vor 30 Jahren, dann wäre das auch ein großer Fortschritt, dann hätten wir schon sehr viel geschafft. (Beifall bei den Grünen.)

Ich teile die Einschätzung des Kollegen Blümel nicht, dass der Brexit eine inhaltliche Entscheidung der Briten, ein inhaltliches Problem ist. Am meisten über die Europäische Union habe ich außerhalb der Europäischen Union gelernt, in Norwegen, bei einem Besuch im norwegischen Parlament. Da führte mich ein Parlamentarier herum, zeigte


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im Scherz auf ein Fax und sagte: Hier werden unsere Gesetze gemacht. Norwegen ist nicht Mitglied der EU, Norwegen ist in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum und vollzieht alle Gesetze zu Produkten, Produktregulierungen nach, die die Europäische Union beschließt, damit der Handel mit uns funktioniert, damit norwegische Produkte bei uns gehandelt werden können, beschließt nichts Eigenes. Wenn wir im Europa­par­lament, im Rat, teilweise in den nationalen Parlamenten etwas beschließen, die 28 Länder einen Beschluss fassen, dann wird das nach Norwegen geschickt. Die gehen dann damit in ihr nationales Parlament und beschließen das auch, damit sie kompatibel sind – und haben genau nichts mitzureden.

Ich sagte dann zu dem Abgeordneten: Das muss aber eure Leute, eure Bevölkerung ziemlich auf die Palme bringen, worauf er antwortete: Nein, überhaupt nicht, die sitzen abends vor dem Fernseher, sehen die Ratssitzung, sehen die Europäer alle streiten und sind froh, dass sie nicht dabei sind. Schickt uns dann die Ergebnisse, wir wollen gar nicht mitreden!

Eine solche Europäische Union ist tatsächlich nicht handlungsfähig. Wenn wir dieses Bild nach außen abgeben, dass man als Wähler und Wählerin nicht versteht, wie da was zustande kommt, wie man ein Gesetz beeinflussen kann, wie man eine Partei für etwas, was sie auf Europäischer Ebene macht, abstrafen oder belohnen kann, dann versagt tatsächlich die europäische Demokratie, und das bekommen wir zu spüren.

Das bekommen wir auch bei den Briten zu spüren. Es gibt keinerlei oder zu wenig Identifikation der Briten und Britinnen mit der Europäischen Union, und das ist das Hauptproblem bei Europa: Es ist ein Identifikationsproblem. Man fühlt sich als Euro­päer oder man fühlt sich nicht als Europäer oder Europäerin, und dann ist man dafür oder dagegen.

Das ist auch ein Generationenproblem. Bei den Jungen ist das ganz anders. Die verstehen nicht, warum sie in einem Nachbarland nicht mit dem Euro zahlen können, haben nicht verstanden, warum sie Roaminggebühren zahlen müssen, wenn sie 10 Kilometer über die Grenze fahren. Die wachsen in Europa auf, die wachsen mit Urlaubmachen in ihrem Heimatland auf, wenn sie nach Italien fahren oder sonst was.

Wir sehen an der Nordirlandfrage, wie sehr das eine Identifikationsfrage ist. Es ist keine ökonomische Frage: Wer will bei den Briten bleiben, wer will bei den Iren bleiben und wer will in der EU bleiben? Die Frage ist: Identifiziert man sich als Ire oder als Brite? Das sind nur Identifikationsfragen, die wir lösen wollen. Es wird Zeit, dass pro­europäische Parteien daran arbeiten, eine bessere, eine nachvollziehbare europäische Demokratie zu bauen, dass die Bürger und Bürgerinnen dieser Union gerne dabei sind und sich gerne demokratisch vertreten lassen. Darum wird es gehen. Und darum ist es wichtig, dass proeuropäische Parteien diesen Kurs gestalten.

Wir haben – da hat Herbert Kickl recht – ein Integrationsproblem. Wir haben ein Inte­grationsproblem mit rechtsextremen Parteien, mit nationalistischen Parteien, mit Burschenschaftern und ähnlichen Leuten, die zurückwollen in ein Mittelalter - - Sind Sie müde? (Abg. Kickl: Ja, ja, bei Ihrem Gerede wird man müde!) Wir haben ein Inte­grationsproblem mit Menschen, die ins 19. Jahrhundert zurückwollen und keinerlei Ahnung davon haben, wie die Zukunft zu gestalten ist. (Beifall bei den Grünen.)

Die Zukunft heißt: Klimawandel bekämpfen, die Zukunft heißt: unsere Welt so zu ge­stalten, dass wir sie erhalten, und das geht nur auf europäischer Ebene. Nichts ist falscher, als zu glauben, dass Österreich nichts ausrichten könnte, nichts tun könnte. Wir sind Mitglied im größten Markt der Welt mit 500 Millionen EinwohnerInnen, gut verdienenden EinwohnerInnen. Im internationalen wirtschaftlichen Vergleich, wenn man das mit China, mit Indien und anderen vergleicht, gibt es keinen anderen Block auf der Welt, der beim Klimawandel einflussreicher ist als die Europäische Union – und


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Österreich hat dazu einen Beitrag zu leisten, dann wird es auch was! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

9.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.


9.50.11

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer! Ja, zweifels­ohne leben wir in sehr bewegten Zeiten, und ich glaube auch, dass es nicht richtig war, zu diesem Zeitpunkt zu sagen, das ist das Ende der Geschichte – leider, muss man sagen.

Es ist immer wichtig, für Freiheit, für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit und auch für Marktwirtschaft zu europäischen Spielregeln zu kämpfen. Das haben, glaube ich, die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte gezeigt.

Was ich gehört habe, insbesondere von Kollegen Blümel, war eine sehr treffende Problembeschreibung. Etwas gewundert hat mich die Aussage, dass die Probleme, die Sie da beschrieben haben – Migrationskrise, Klimakrise, die Frage der Souveränität der Europäischen Union, aber auch sozusagen der gefühlten Souveränität des politi­schen Handelns in Großbritannien –, von irgendjemandem kleingeredet würden. – Das redet niemand klein! Das sind ganz massive Herausforderungen, denen wir uns tag­täglich stellen, nicht nur hier im Hohen Haus, sondern auch in den Diskussionen mit den Österreicherinnen und Österreichern, mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Diese Krisen haben aber vor allem auch eines gezeigt, nämlich dass sich Souveränität und Handlungsfähigkeit nicht darauf beschränken dürfen, zu sagen, wir brauchen starke Mitgliedstaaten. Ein Europa, das souverän und handlungsfähig ist und in diesen großen Krisen, die wir zweifelsohne haben, gefordert ist, liefern zu können, muss in diesen Bereichen handlungsfähig werden!

Herr Klubobmann Kickl hat gemeint, man sehe an dem ganzen Dilemma des Brexits, wie wenig Europa handlungsfähig ist. – Da muss ich widersprechen, nicht ausnahms­weise widersprechen, vielleicht ausnahmsweise, was die Handlungsfähigkeit Europas angeht, weil Europa in vielen wichtigen Fragen nicht handlungsfähig ist. In dem Bereich ist die Europäische Union sehr wohl handlungsfähig. Da spricht sie auch mit einer Stimme. Das Problem beim Brexitdilemma verursacht nicht Europa, sondern Groß­britannien mit seinen Populisten, das nicht in der Lage ist, zu einer Lösung zu kommen. Europa ist in dieser Frage Gott sei Dank auf einer Linie und sagt: Wir brauchen endlich einen klaren Cut und eine klare Lösung.

Herr Kollege Lopatka hat vom Selbstbewusstsein Europas, was die positiven Chancen, den positiven Boden angeht, gesprochen. Das ist völlig richtig. Das ist das, was wir schon so oft gesagt haben: Selbstbewusstsein! Wir haben so viel zu bieten: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, aber nach einem europäischen Zu­schnitt, das heißt soziale Marktwirtschaft, aus der wir noch viel stärker eine ökosoziale Marktwirtschaft machen müssen; dafür plädieren wir NEOS ganz massiv seit vielen, vielen Jahren. Wir haben unternehmerische Freiheit, wir haben tolle Innovationen.

Macron hat aber auch recht. Er sagt nämlich nicht das Gegenteil, er sagt nur eines: Seien wir radikal realistisch, wo wir denn stehen! Wir stehen möglicherweise vor einer Wirtschaftskrise. Wir befinden uns geopolitisch in einer Situation, in der wir uns auf unseren transatlantischen Partner nicht verlassen können, gerade auch in Sicherheits­fragen; Österreich ist kein Nato-Mitgliedstaat.


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Es geht um die Frage der Zukunft Europas und darum, ob das gemeinsame Bild besteht, dass Europa immer mehr handlungsfähig ist, nicht nur in wirtschaftlicher Hin­sicht, sondern auch in politischer Hinsicht. Dieses Bild wird nicht zwangsläufig von einem Donald Trump geteilt. Was in Syrien passiert ist, zum einen der Rückzug der USA und zum anderen der Angriff eines Nato-Mitgliedslandes, nämlich der Türkei, dort in dieser Gegend, zeigt ja nur eines: dass Europa handlungsfähig sein muss, um die eigenen Interessen zu schützen! (Beifall bei den NEOS.)

Macron hat völlig recht, wenn er sagt, wir brauchen ein Europa, das schützt, und wir können uns nicht auf andere verlassen, weder auf die USA mit einem Donald Trump noch auf China, weil es dort auch ein ganz anderes System gibt, das wir hier nicht haben wollen.

Oder nehmen Sie ein anderes Beispiel her: 5G, auch die Frage der Datensouveränität und -autonomie für die Europäerinnen und Europäer – angesichts einer Situation, in der wir Global Player haben, die de facto Monopolisten sind und über unsere Daten herrschen. Ja, ist denn Europa in dem Bereich handlungsfähig, in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen? – Nein, das ist es nicht!

Das heißt, es ist radikal realistisch, zu sagen, wir brauchen ein stärkeres, ein hand­lungsfähigeres Europa, und, werte Volkspartei, das darf sich nicht darauf beschränken, starke Mitgliedstaaten zu fordern, sondern es muss der Mut aufgebracht werden – gerade in diesen Fragen, nicht nur in wirtschaftlichen Fragen, sondern in Sicherheits­fragen, außenpolitischen Fragen, Technologiefragen, digitalen Fragen, ökologischen Fragen –, ein handlungsfähiges Europa zu schaffen und in vielen Bereichen auch die Einstimmigkeit infrage zu stellen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir müssen mutig und demokratischer vorwärtsschreiten, um liefern zu können, für Europäerinnen und Europäer. Es braucht gesamteuropäische Visionen und nicht nationalstaatliche Kleingeistigkeit. Das ist mir ganz wichtig, denn dann kann es wirklich gelingen, dass Europa weiter diesen erfolgreichen Weg geht, nicht nur sozialen Frie­den, ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Erfolge, sondern vor allem auch sicher­heitspolitische Stabilität und Souveränität für alle in Europa zu gewährleisten. –Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

9.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte.


9.55.42

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Österreicherinnen und Österreicher! „Europa in bewegten Zeiten“ – ich habe mir die Frage gestellt: Wann war Europa eigentlich nicht in bewegten Zeiten? Lassen wir die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren: Da gab es den Fall des Eisernen Vorhan­ges, den Jugoslawienkrieg, die separatistischen Bewegungen in Spanien, in Nord­irland. Es waren die Zeiten eigentlich immer bewegt, der Kontinent in Bewegung.

Der Austritt der Briten hat uns aber jetzt alle hart getroffen, vielleicht gerade deshalb, weil es uns vor Augen führt, wie fragil unsere Europäische Union, unsere junge Union in Wahrheit noch ist. Mit Großbritannien verlieren wir auch eines von zwei Ländern mit einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Das ist in vielerlei Hinsicht ein Problem, da so Frankreich eine noch zentralere Rolle zukommt.

Wir stehen heute vor völlig neuen Herausforderungen, gerade in Südosteuropa: dem Druck Erdoğans, dem nicht ausreichenden Außengrenzschutz der Union und dem ra-


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sant steigenden wirtschaftlichen Einfluss von Playern wie China, wie Russland, wie Saudi-Arabien.

Wenn wir in die Mythologie zurückschauen, so hat es diese Verbindungsachse in den Orient seit jeher gegeben. Die phönizische Prinzessin Europa wurde aus Kleinasien auf dem Rücken von Zeus, der die Gestalt eines weißen Stiers angenommen hatte, nach Griechenland entführt, nach Kreta. Das gilt eigentlich mythologisch als das erste Zeugnis der Verbindung zwischen Europa und dem Orient. Der Mythos erzählt, aber der Logos begründet.

Am Westbalkan herrscht mittlerweile eine Situation, in der wir praktisch nur noch Zuschauer sind und sich sukzessive Länder wie Saudi-Arabien, wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei, China, Russland, aber auch die Vereinigten Staaten von Amerika den Einfluss aufteilen. Große Infrastrukturprojekte wie Flughafenbauten, Autobahnen sind in Hand dieser Länder. Montenegro zum Beispiel hat eine Brutto­inlandsproduktverschuldung von über 7 Prozent bei der Volksrepublik China. Diese Mächte, diese Länder stehen quasi direkt in unseren Vorzimmern. Ihnen gehört bereits die Zufahrt zu unserem Haus, vielleicht auch schon der Vorgarten, ja und vielleicht bald unser Wohnzimmer; von den Daten möchte ich gar nicht sprechen.

Genau deshalb, Herr Kollege Kickl, haben wir den Auftrag, gemeinsam zu handeln und nicht weiterhin zuzusehen.

Wenn wir heute sehen, in welch schwieriger Situation Südosteuropa angekommen ist, dann kann die einzig logische Konsequenz für uns heißen: Wir selbst müssen Europa erweitern! Der Arzt und Autor Peter Bamm hat vor über 60 Jahren bereits Folgendes attestiert: „Offenbar muss Europa immer erst in den Zustand äußerster Gefahr geraten, ehe es sich entschließt, das zu tun, was notwendig ist, um am Leben zu bleiben.“

Meine logische Affirmation lautet daher: Wir müssen, um in Zukunft Stabilität zu gewährleisten, eine sinnvolle Erweiterung der Europäischen Union begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir brauchen den Zusammenschluss mit dem Westbalkan aus folgenden drei Grün­den: um Frieden und Stabilität zu sichern und so als Europa weiterhin unabhängig und souverän zu bleiben; als klaren Zusammenschluss eines gemeinsamen Kulturkreises; und damit unsere Wirtschaft ausreichend Arbeitskräfte und neue Arbeitsmärkte zur Verfügung hat.

Dass jetzt Emmanuel Macron, Frau Kollegin, im Alleingang eine Absage an Nord­mazedonien erteilt hat und die Beitrittsverhandlungen (Abg. Meinl-Reisinger: Ich habe das bekannterweise verurteilt, Sie brauchen es nur nachzulesen!) – für mich geht es da um die Beitrittsverhandlungen – erneut auf unbestimmte Zeit verschoben werden, sagt mehr etwas über uns als Union aus und weniger über diese Länder vor Ort. Das hat meiner Meinung nach eine verheerende Signalwirkung. (Abg. Meinl-Reisinger: Das kritisiere ich ja genauso! Das können Sie nachlesen in einem Statement von mir!) Die Menschen in Nordmazedonien haben sich an Abmachungen gehalten, haben ihre Ziele alle erfüllt – und die Europäische Union hält sich an ihre Abmachungen nicht.

Herr Macron hat seine eigenen tagespolitischen Themen in Frankreich, seine derzeiti­gen Befindlichkeiten, eventuell das Erstarken des Rassemblement National mit Marine Le Pen, vor das gemeinsame Europa gestellt, und das halte ich für sehr, sehr kurz­sichtig. Wenn das alle 27 Staaten machen würden, dann wäre die EU bald dem Unter­gang geweiht!

Ich wünsche mir in Europa mehr Weitblick, mehr Zuversicht und mehr Handlungs­fähig­keit. Es geht jetzt einmal nur um den Startschuss für Verhandlungen. Das heißt nicht,


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dass Nordmazedonien sofort dabei ist. Jedes Land hat bei jedem Verhandlungskapitel ein Vetorecht. Es geht darum, dass wir die Verhandlungen aufnehmen.

Welche sind die wichtigsten Instrumente für eine Transformation in Ländern? – Das ist Zuversicht, das ist Hoffnung, und das sind Perspektiven. Es ist allein in unserem Eigeninteresse, da zu handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen! Deswegen wünsche ich mir einen Schulterschluss, dass jeder seine Kontakte zu den anderen Parlamenten auch nutzt und mit anderen Abgeordneten spricht. In Zeiten, die in Europa – in der Vergangenheit und in der Gegenwart – immer bewegt waren, müssen wir auch jetzt aktiv gestalten!

Helmut Kohl hat einmal gesagt: „Ein Europa à la carte, bei dem jeder der Partner nur das aussucht, was ihm an diesem Europa besonders zusagt, kann ebenso wenig unser Ziel sein wie ein Europa, das sich am langsamsten Schiff im Geleitzug ausrichten muss.“

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen mehr Europa, und das erfordert mehr Mut und mehr Zusammenhalt von uns allen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzleitner. – Bitte.


10.01.07

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Europa in bewegten Zeiten. Was bedeutet das für Österreich?“ – Nun ja, ich würde einmal sagen: Das bedeutet Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Im Budgetausschuss am Montag haben wir einen Antrag betreffend eine Klimaschutzmilliarde behandelt, und dieser wurde vertagt. Es gab keine Mehrheit für unseren Antrag. Erste Maßnahmen werden einfach auf die lange Bank geschoben, Investitionen in den öffentlichen Verkehr, in Forschung und Entwicklung und auch in den Wohnbau werden einfach vertagt. Das ist unverständlich beziehungsweise – wie ich sogar sagen möchte – eigentlich unverantwortlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Woche für Woche gehen Tausende junge Menschen für eine gerechte, nachhaltige Zukunft auf die Straße, und zwar auch in den Sommerferien, ich habe das selbst in Kärnten erlebt. Es wird da also wirklich Woche für Woche ein sehr zielstrebiges Enga­gement an den Tag gelegt. Die Streiks gehen mittlerweile sogar so weit, dass es Klimabildung gibt: Das streikende Klassenzimmer behandelt Wege und Methoden aus der Krise hinaus; das sind also wirklich nachhaltige Streiks.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass wir alle gemeinsam in diesem Hohen Haus im September den Climateemergency ausgerufen haben, und wir haben in vielen Men­schen Hoffnungen geweckt, dass sich endlich etwas tut beziehungsweise dass endlich etwas getan wird. Das kann aber nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen sein! Es geht hier nicht nur um Solidaritätsbekundungen, sondern auch um Handeln. Wir müs­sen diese Teilhabe der Jungen ernstnehmen, dürfen nicht die Augen verschließen und das Ganze ganz einfach nur mit einem emotionslosen Schulterschluss abtun! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Schülerinnen und Schüler bleiben nämlich nicht einfach ohne Grund dem Unter­richt fern. Sie kämpfen um ihre Zukunft, um die Zukunft unserer Umwelt und unseres Klimas, und ich glaube, es wäre fatal, wenn wir diese jungen Menschen nicht ernst nehmen, sondern verdrossen im Regen beziehungsweise jetzt auch schon im Schnee stehen lassen. Wir müssen endlich die großen Themenfelder ansprechen, die uns die Krise gebracht haben! Wir müssen eingreifen, Reglements und Maßnahmen schaffen und setzen. Was haben wir denn aus den letzten Krisen gelernt? – Dass sich genau


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 32

gar nichts von selber regelt! Wir in der Politik müssen eine bewusst sichtbare Hand schaffen, die eingreift und das Ganze regelt, sodass gehandelt wird und sich das zum Guten wenden kann.

Am Wochenende fand außerdem in Wien die Jugendklimakonferenz statt. Die jungen Menschen sind zusammengekommen, um Wege aus der Krise und Wege in eine hoffnungsvolle Zukunft zu diskutieren. Diese Diskussionsveranstaltung war für Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien angesetzt. Zwei sind nicht erschienen, einerseits die ÖVP – sehr schade! –, andererseits die FPÖ. Wäre man polemisch, würde man sagen: Vielleicht hat die Chemtrailgroßwetterlage die Anreise verhindert! Aber wir sind ja hier im Hohen Haus nicht polemisch. Dass sie nicht erschienen sind, ist sehr schade, denn ich glaube, gerade nach dieser Wahl ist das Klimathema sehr zentral. Es ist dies eine Nagelprobe, und die Menschen werden uns wirklich daran messen, welche Taten wir setzen und wie wir handeln.

Ein Vertagen von ersten Maßnahmen zum Thema Klimaschutz kann die Proteste nicht zum Verstummen bringen. Das Vertagen einer Klimaschutzmilliarde wird sie auch nicht verstummen lassen. Die Jungen werden weiterkämpfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie werden weiterkämpfen, und zwar Freitag für Freitag für Freitag! Greta Thunberg hat richtig gesagt: „Our house is on fire!“ – Ich habe es schon einmal erwähnt: Unser Haus brennt! Unser Hut brennt, und zwar lichterloh! Nehmen wir uns bitte ein Beispiel an Greta und an all den jungen Menschen, die weltweit für unsere Zukunft auf die Straße gehen! Nehmen wir vor allem unsere Verantwortung ernst, die wir als Politiker in diesem Bereich haben! Wir dürfen das nicht vergessen: Wir haben in Wahrheit eine wahnsinnig große Verantwortung für all die Menschen da draußen, auch außerhalb der österreichischen Grenzen, und diese Verantwortung müssen wir wirklich wahrnehmen, denn wir haben keine zweite Chance.

„Europa in bewegten Zeiten. Was bedeutet das für Österreich?“: Ich möchte da auch noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, denn ich glaube, dass das auch Vertragsverletzungsverfahren und Zukunftsraub für Kinder und Jugendliche bedeutet. Ein europapolitisch wichtiges Thema, das uns nun auch seit zwei Jahren beschäftigt, ist die Indexierung der Familienbeihilfe: Kinder von fleißigen Menschen, die in Öster­reich Beiträge zahlen, werden massiv schlechtergestellt. Das hat unter Türkis-Blau begonnen, und nach mehrmaligen Rügen und Mahnschreiben der EU-Kommission sind wir in diesem Hohen Haus noch immer keinen Schritt weiter. Trotz vieler Kritik auch von Expertinnen und Experten, die uns EU-Rechtswidrigkeit bescheinigen, wird es anscheinend keine Mehrheit dafür geben, dass dieser kinderrechtsverletzende Schritt zurückgenommen wird.

Eine Vertragsverletzung in Kauf zu nehmen ist wahrhaft beschämend, das möchte ich an diesem Punkt noch anbringen! (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Schlusssatz, Herr Präsident: Wir feiern nächste Woche, am 20. November, 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention und 30 Jahre Kinderrechte in Österreich. An­schei­nend ist es aber noch immer nicht in allen Köpfen verankert, dass ein Kind ein Kind ist. Wir müssen diese Verantwortung wirklich wahrnehmen und die Indexierung zurücknehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Amesbauer ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


10.06.54

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Werte Zuseher an den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 33

Fernsehbildschirmen! „Europa in bewegten Zeiten. Was bedeutet das für Öster­reich?“ – Na ja: Die Bewegungen und die bewegten Zeiten spielen sich hauptsächlich an den Migrationsrouten ab, und das bedeutet für Österreich, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir unseren Grenzschutz ordentlich weiterführen und verbessern müs­sen.

Es ist auch bemerkenswert, dass sich bei dieser wichtigen Debatte außer Klubobmann Kickl von der Freiheitlichen Partei kein einziger Redner und keine einzige Rednerin wirklich mit diesem Thema beschäftigt hat. Das weist auch darauf hin, wohin die Reise geht.

Kollege Kickl hat diesen jüngsten Artikel der „Welt“ angesprochen, in welchem auch der Präsident der deutschen Bundespolizei sehr eindrücklich und dramatisch vor der herrschenden Situation gewarnt hat. Er hat nämlich auch gesagt, dass die EU-Außen­grenzen alles andere als sicher sind, dass sie also nicht sicher sind. Eigentlich war es aber die Grundlage der Schaffung des Schengenraums und der Deal der gesamten Schengenvereinbarung, dass wir die innereuropäischen Grenzkontrollen abbauen und die Außengrenzen geschützt sind. Wenn das jedoch nicht der Fall ist, meine Damen und Herren, dann muss man leider feststellen: Schengenland ist abgebrannt! – In Anbetracht dessen müssen wir uns daher als Nationalstaat Österreich auch die Frage stellen: Wie gehen wir damit um?

Wir Steirer – ich bin Steirer! – waren die Hauptleidtragenden im Jahr 2015. (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.) – Jörg Leichtfried, du weißt es genau! Du warst da­mals, wenn ich mich richtig erinnere, auch Mitglied der Bundesregierung, die total versagt hat, die die Souveränität über die Staatsgrenzen aufgegeben hat und die in Wahrheit vor den Flüchtlingsströmen kapituliert hat! Wir wissen ja, was sich abgespielt hat! (Beifall bei der FPÖ.)

Zigtausende Asylbegehrer aus aller Herren Länder, vorwiegend Männer – ich war mehrmals dort und habe mir das auch vor Ort angesehen –, wurden durchgewinkt, und zwar ohne erkennungsdienstliche Erfassungen, ohne dass Fingerprints genommen wurden, ohne dass ein Pass kontrolliert wurde, ohne dass gefragt wurde: Woher bist du? Wohin willst du? Welchen Hintergrund hast du?

Wir haben dort zum Beispiel auch mit den Busfahrern gesprochen, das sind ja Leute, mit denen ihr nicht - - (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) – Ich verstehe deine Zwischenrufe eh nicht, Jörg Leichtfried, und die Zuhörer verstehen sie auch nicht! (Abg. Leichtfried: Was ist jetzt mit dem Bundesheer?)

Wir haben mit den Buschauffeuren gesprochen, die im Viertelstundentakt Richtung Passau gefahren sind, und die haben uns erzählt, dass halt bei jeder Pinkelpause zwei, drei davongelaufen sind. Was soll der Buschauffeur da machen? Die Leute sind untergetaucht, und sie sind jetzt noch da.

Die Ergebnisse sehen wir gerade auch in der Steiermark, wo jetzt wieder ein neuer Dschihadistenprozess läuft. Es ist dies der x-te Prozess, bei dem grauslichste Einstel­lungen und Weltbilder zutage kommen. Da sagen Leute vor einer österreichischen Richterin ganz unverblümt: Na ja, wenn das laut Scharia so vorgesehen ist oder wenn es ein Gerichtsurteil gibt, dann ist das Abtrennen eines Kopfes, eine Enthauptung, okay. Wir wissen auch, dass in Grazer Glaubensvereinen islamische Hasspredigten stattfinden, Menschen radikalisiert und durchaus auch informiert werden, wie An­schläge gemacht werden könnten. Diese werden dann als Gefährder geführt und beob­achtet.

Meine Damen und Herren, da braucht man zwei Maßnahmen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 34

Erstens: Diese Menschen sind nicht länger zu beobachten, sondern mit denen ist abzufahren, sie sind außer Landes zu bringen, denn sie sind eine Gefahr für die Sicherheit in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ.)

Zweitens brauchen wir endlich ein konsequentes Verbotsgesetz wider den politischen Islam, denn das ist eine wahre Bedrohung für unser Land. Das gefährdet das Zusam­menleben, das gefährdet die Sicherheit, das heizt den Antisemitismus in Österreich an, und da müssen wir tätig sein. (Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic.)

Das Grundübel sind aber die unsicheren EU-Außengrenzen, und deshalb bitte ich auch die Bundesregierung, den Außenminister, aber auch den Innenminister, auf euro­päischer Ebene dahin gehend zu wirken, dass das endlich funktioniert. Es kann ja nicht sein, dass das nicht hinhaut!

Ich kann mich noch an die Situation in der Steiermark erinnern. Da spreche ich jetzt zur ÖVP, weil ihr ja nun die Regierung mit den Grünen plant: Ich will nicht noch einmal solche Zustände wie im Jahr 2015 sehen! Ich will auch nicht, dass an der Grenze die Menschen, die hierherkommen und illegal ins Land einströmen werden, als Erstes mit Willkommensklatschen und Teddybären empfangen werden, sondern dass sie auf befestigte, gut gesicherte Grenzanlagen und uniformierte Kräfte treffen, die unsere Grenzen schützen. Sicherlich sollen sie aber nicht zuerst den grün-grünen Willkom­mens­klatscherInnen begegnen, meine Damen und Herren, denn das wird uns nicht weiterbringen! (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

Eine Bemerkung zur ÖVP: Ich habe es noch gut in Erinnerung, im Jahr 2015, etwa eineinhalb bis zwei Monate, bevor dieser Durchbruch an der Grenze tatsächlich statt­gefunden hat, hat die Freiheitliche Partei, genau wie jetzt, vor der Situation und den Bewegungen gewarnt, die sich am Westbalkan abspielen. – Da haben wir einen beschwichtigenden Landeshauptmann Schützenhöfer erlebt, der gesagt hat: Fürchtet euch nicht! Wir haben alles unter Kontrolle und im Griff! Dann haben wir um das steirische Landhaus eine Menschenkette von den Linken erlebt, bei der sich auch der schwarze Drexler eingehängt und mitgeklatscht hat, und nachher haben sie dann halt gesagt: Die Grenzsicherung kommt zu spät!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass sich die ÖVP besinnt und dass sie die Mitte-rechts-Politik, die sie versprochen hat, auch umsetzt. Mit den Grünen wird das nicht funktionieren. – Sichere Grenzen, sicheres Österreich, sichere Heimat! (Beifall bei der FPÖ.)

10.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.


10.12.31

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Stellen Sie sich folgendes Bild vor: Zuerst brennt die Europafahne, dann wird symbolträchtig die Regenbogenfahne verbrannt, und dazu skandiert eine aufgebrachte Menge: Weißes Land ohne Juden, ohne Islam! – Das ist keine Erinnerung an die Vergangenheit, und das ist auch kein Schreckgespenst der Zukunft, sondern das ist genau vor zwei Tagen in einem europäischen Land, nämlich in Polen, am Tag der Unabhängigkeit passiert.

An diesem Marsch haben Zehntausende Menschen, und zwar nicht nur Rechts­ex­treme, sondern auch ganz gewöhnliche Familien, teilgenommen. Sie glauben nicht an dieses Europa, von dem wir heute sprechen. Sie glauben nicht an die Vielfalt. Sie glauben nicht an die kulturellen Errungenschaften dieses Kontinents, und sie wollen, wie sie sagen, auch keinen Frieden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 35

Man könnte jetzt sagen: Das sind ein paar Verrückte. – Das stimmt jedoch nicht ganz! Wir haben heute vom Mauerfall vor 30 Jahren gehört. 30 Jahre nachher, nachdem auch in den Köpfen die Grenzen gefallen sind und innereuropäisch die Grenzen geöff­net wurden, werden allerdings jetzt wieder, und zwar zunehmend, nationale Scheu­klappen aufgesetzt: Front National, PiS, Fidesz, Lega, AfD, aber auch die FPÖ in Österreich haben das primäre Ziel, dieses Europa, über das wir heute sprechen, zu zersplittern und die realen Aufgaben nicht einzulösen, sondern sogar von diesen abzulenken. Die Etablierung von autoritären Staatsstrukturen, rassistische Argumen­tatio­nen, aber auch dieser blinde Nationalismus, von dem diese erwähnten Parteien getrieben sind, sind die Leitideologien, die sich in diesem Europa immer breiter machen. (Abg. Kickl: Aber der DDR weinen die Linken nach!)

Aus der Geschichte – passend zu Ihnen, Herr Kickl! – wissen wir, in welchen Kon­sequenzen die Projektion von Feindbildern und die starke Differenzierung zwischen ethnischen Gruppen und dem vermeintlich ausgewählten Volk münden. (Abg. Kickl: Wenden Sie das Feindbildmodell auf Ihre Rede an!)

Genau aus diesem Grund gehören die Demokratie, die Menschenrechte, die Presse- und Meinungsfreiheit und deren Verteidigung nicht nur zu den wichtigsten Werten der Grünen, sondern auch dieses Europas! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Krisper.)

Ich finde und wir finden, dass wir in Österreich genau wieder dort hinmüssen. Es stimmt: Die Grundfesten in Europa geraten ins Wanken, die internationale Ordnung bröckelt und die europäische Einigung steht tatsächlich infrage. Mit Großbritannien will erstmals ein Land die Europäische Union verlassen.

Wir wissen auch, dass gerade in solchen unübersichtlichen Situationen viele Men­schen besonders nach Halt suchen, und ihre Unsicherheit wird von den erwähnten Parteien nicht nur ausgenutzt, sondern sie wird bewusst angekurbelt, sie wird bewusst forciert. – Genau diese Angst ist der Treibstoff Ihrer Politik und genau das macht Ihre Politik so gefährlich! (Abg. Kickl: Wie ist denn das beim Klima?)

Ich nenne zunächst drei Punkte. Erstens: Wir müssen auch von Österreich aus einen stärkeren Fokus auf die gemeinsame Sozialpolitik in dieser Europäischen Union legen. Die Kompensation ökonomischer Defizite innerhalb der EU, die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse, der Ausbau und die Verteidigung der Sozialleistungen sind Schritte, die genau dieses Zerfallen, mit dem wir gerade konfrontiert sind, verhindern können.

Zweitens: Die Migrationsthematik darf sich nicht auf den Außengrenzfetischismus beschränken, sondern es muss auch auf eine geordnete integrative Migration innerhalb Europas gesetzt werden. Auch Sie wissen: Ohne Zuwanderung nach Österreich, aber auch nach Europa, wären 12-Stunden-Tage keine Ausnahme. (Abg. Kickl: Jessas na!) Das Arbeitskräftepotenzial wäre gesunken und die Wirtschaft würde nicht davon profitieren.

Drittes – auch das hatten wir heute schon kurz –: Tatsächlich kann es nur gemeinsam in Europa gelingen, die Klimakrise abzuwenden. (Abg. Kickl: Machen Sie nur keine Angst!) So kann beispielsweise der Ausstieg aus fossilen Energien nur auf europä­ischer Ebene gelöst werden, und wir wissen, dass das Europa, das wir wollen, ein ökologisches, demokratisches und soziales sein muss. (Beifall bei den Grünen.)

Dafür setzen sich die Grünen weiterhin ein, und wir hoffen auch, dass es in Österreich bald zu einer Diskursverschiebung kommt, denn diese Isolation tut weder Europa noch Österreich gut. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.18



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Scherak ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


10.18.51

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ja, ich glaube, wir alle sind uns einig, dass wir in bewegten Zeiten leben und dass die Frage, die wir beantworten müssen, lautet: Welche Rolle haben wir dabei in Österreich?

Gernot Blümel hat Francis Fukuyama angesprochen, und auch ich meine, dass man, wie auch Fukuyama, nicht nur einen Problemaufriss machen sollte, sondern Hand­lungs­anleitungen vorschlagen und Thesen weiterentwickeln sollte. „Das Ende der Ge­schichte“ ist so, wie Fukuyama sich das vorgestellt hat, nicht eingetreten. Er widerlegt ja seine These auch selbst in seinem Buch „Identität“ und gibt dort eine ganz klare Handlungsanleitung.

Wir haben von den Problemen gehört, die vermeintlich zum Brexit geführt haben, nämlich von der Angst vor Kontrollverlust, vor Migration, vor Wohlstandsverlust. Mit dieser Angst kann man natürlich spielen, wie das Populistinnen und Populisten sehr oft tun. Man kann aber auch Lösungen präsentieren, und Fukuyama hat eine ganz klare Lösung in seinem Buch „Identität“ präsentiert, nämlich mehr Europa, mehr Zusam­menarbeit, bessere Zusammenarbeit. Dabei geht es sicherlich nicht um das weitere Spielen mit Ängsten, um den Populistinnen und Populisten den Boden aufzubereiten. (Beifall bei den NEOS.)

Wir merken ja jetzt gerade – und das ist wieder spannend bei der Diskussion um den Mehrjährigen Finanzrahmen –, dass wir in diesem Zusammenhang ein sehr unter­schiedliches Bild haben. Herr Bundesminister, Sie haben angesprochen, dass wir nicht mehr Mittel brauchen, weil Großbritannien aus der Europäischen Union austritt. –Wenn man also davon ausgeht, dass die Angst vor Kontrollverlust, die Angst vor Wohl­standsverlust, die Angst vor Migration dazu geführt hat, dass Großbritannien austreten wird, dann ist doch, wenn man diese großen Herausforderungen hat, die logische Antwort darauf, dass man in Zukunft mehr Mittel verwendet, um diesen Herausfor­derungen zu begegnen, und nicht, dass man sagt: Ich stecke den Kopf in den Sand und schaue, dass vielleicht auch noch die nächsten Staaten austreten. – Das ist doch ganz klar! (Beifall bei den NEOS.)

Bei den Thesen, den großen Herausforderungen, die es gibt, sind wir uns ja alle einig: das sind die Fragen, wie wir als Europa handlungsfähig sein können, wie wir ent­scheidungsfähig sein können, wie wir die Wettbewerbsfähigkeit stärken, wie wir dem Klimawandel etwas entgegensetzen, wie wir die Migrationsfrage lösen beziehungs­weise klären und den Außengrenzschutz garantieren können. Es kann doch niemand ernsthaft glauben, dass Lösungen dazu ohne mehr Mittel umgesetzt werden können. Es kann auch niemand glauben, dass diese Antworten nationalstaatlich funktionieren können. Wie kann man denn den Gedanken haben, dass Österreich den Außengrenz­schutz in irgendeiner Art und Weise alleine wird garantieren können oder die Migra­tionsfrage wird lösen können?! Die Antwort kann nur in einem Mehr an Europa liegen, und das braucht auch mehr Mittel, um diese Probleme entsprechend zu lösen. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist schon angesprochen worden: Gerade wenn wir die Welt anschauen, wenn wir die globalen Fragen sehen, dann sehen wir, dass sich ganz viele Länder vom Multila­teralismus verabschieden, und umso mehr müssen wir als Europa stärker auftreten und schauen, dass wir entsprechend vorangehen.

In diesem Zusammenhang ist auch eines spannend, und ich kann da nur die Rede von Timothy Snyder am Judenplatz anlässlich der Wiener Festwochen empfehlen, der klar


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sagte, dass genau diejenigen, die ein Interesse an einer Schwächung der Europä­ischen Union haben, jene Staaten sind, die dem Nationalismus das Wort reden. Das sind die USA, das ist China, das ist Russland, und genau auf diese sollten wir nicht hereinfallen, sondern viel eher stärker zusammenarbeiten und versuchen, die Fragen entsprechend zu beantworten.

Mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen ist jetzt natürlich die erste Nagelprobe da. Wenn wir einen gemeinsamen Außengrenzschutz haben wollen, wenn wir dem Klimawandel etwas entgegensetzen wollen, dann werden wir das finanzieren müssen. Alles andere ist illusorisch, wie zu glauben, dass wir mit den gleichen Mitteln die immer größer werdenden Herausforderungen bewältigen können.

Die umgekehrte Lösung, die ja manchmal vorgeschlagen wird, insbesondere von der ÖVP, ist das Prinzip der Subsidiarität. Das Spannende an der Frage ist Folgendes: Mir hat noch kein einziger ÖVP-Politiker erklären können, welche Kompetenz denn wieder zurück an die Mitgliedstaaten kommen soll. Der Grund dafür ist ja auch ganz klar: weil man bei den großen Fragen Kompetenzen nicht wieder Richtung Mitgliedstaaten zurückgeben kann, sondern weil man sie gemeinsam lösen muss. Das heißt, wir müssen mehr Gemeinsames in Europa haben.

Mein letzter Punkt ist einer der wenigen Punkte, bei denen ich mit Kollegen Lopatka übereinstimme. Eine große Chance in der Frage des Mehrjährigen Finanzrahmes ist, wie wir das Thema Rechtsstaatlichkeit dort besser abbilden. Ich bin wirklich überzeugt davon, dass irgendwann einmal klar sein muss, dass wir, wenn sich Mitgliedstaaten nicht an die Grundwerte der Europäischen Union halten, auch mit finanziellen Sank­tionen werden arbeiten müssen, weil sie alles andere offenbar nicht spüren. Und wenn sie es nicht spüren und nicht darauf hören, dann gibt es nur diese Chance, und es ist eine große Chance, die wir jetzt haben, und da sollten wir auch als Österreich gemein­sam in der Europäischen Union auftreten.

Zusammenfassend muss ich Folgendes sagen: Wenn wir als Österreich bei der meiner Meinung nach eher kleingeistigen Haltung bleiben, dass wir sagen: Nur ja nicht mehr Mittel für die Europäische Union!, dann kann ich Ihnen garantieren, dass wir die großen Herausforderungen weiterhin nicht werden bewältigen können, dass wir die Probleme nur größer machen werden und nicht versuchen, die Ängste der Menschen in irgend­einer Art und Weise zu bekämpfen und ihnen auch mit echten Lösungen etwas ent­gegenzusetzen. (Beifall bei den NEOS.)

10.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

10.23.54Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1/J bis 56/J

2. Anfragebeantwortungen: 1/AB und 2/AB

3. Regierungsvorlage:


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Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozeßordnung 1975 zur Umsetzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert werden (1 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 4a Zahlungsbilanzstabilisie­rungs­gesetz über die im 3. Quartal 2019 ergriffenen Maßnahmen (Vorlage 1 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50c Abs. 3 B-VG iVm § 6 der Anlage 2 zum GOG (ESM-Informationsordnung) über die im Rahmen des Europä­i­schen Stabilitätsmechanismus getroffenen Maßnahmen im 3. Quartal 2019 (Vorlage 2 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 54 Abs. 12 BHG 2013 über die Genehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen und gemäß § 60 Abs. 3 BHG 2013 über zugestimmte Vorbelastungen im 3. Quartal 2019 (Vorlage 3 BA)

Bericht zur Wirkungsorientierung 2018 gemäß § 68 Abs. 5 BHG 2013 iVm § 7 Abs. 5 Wirkungscontrollingverordnung, vorgelegt vom Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport (Vorlage 4 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Entwicklung des Bundeshaushaltes von Jänner bis September 2019 (Vorlage 5 BA)

Immunitätsausschuss:

Ersuchen der Staatsanwaltschaft Leoben, GZ. 5 St 330/19i, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Wolfgang Zanger

Ersuchen der Staatsanwaltschaft Graz, GZ. 25 St 124/19x, um Zustimmung zur be­hörd­lichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend Übersicht über die österreichi­sche Haushaltsplanung 2020 (III-62 d.B.)

C. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Aufnahme der Verhandlungen über den Siebenten Zusatzvertrag zum Vertrag zwi­schen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung von vermögens­rechtlichen Beziehungen

Zuweisung von Verhandlungsgegenständen erst nach erfolgter Wahl der Fach­ausschüsse:

Kunst- und Kulturbericht 2018 der Bundesregierung (III-59 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Kulturausschuss)

Bericht des Rechnungshofes betreffend Arzneimittelbeschaffung für ausgewählte Kran­ken­anstalten in Salzburg und Tirol – Reihe BUND 2019/44 (III-60 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 39

(Zuweisungsvorschlag: Rechnungshofausschuss)

Bericht der Bundesregierung betreffend der Tätigkeitsberichte des Statistikrates über die Geschäftsjahre 2017 und 2018 gemäß § 47 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz 2000 (III-61 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss)

Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 3. Juli 2019, 98/E XXVI. GP betreffend Varianten zur Weiterentwicklung des Mautsystems auf Autobahnen und Schnellstraßen in Öster­reich unter besonderer Berücksichtigung der Bekämpfung der "Maut-Flucht" (III-63 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Verkehrsausschuss)

Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 3. Juli 2019, 100/E XXVI. GP betreffend Ent­wicklung eines Österreich-Tickets zur Erreichung der Klima-Ziele (III-64 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Verkehrsausschuss)

Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2018, vorgelegt vom Bun­desminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (III-67 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss)

Petition Nr. 1 betreffend "Nominierung des Otto-Wagner-Spitals am Steinhof als UNESCO-Weltkulturerbestätte", überreicht von den Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl und Maria Großbauer

(Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass im Anschluss an die Erklärung der Frau Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden, ausreichend unter­stützten Verlangen eine Debatte stattfindet.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer und die Gestaltung der Debatten erzielt. Gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 137, SPÖ 95, FPÖ 77, Grüne 70 sowie NEOS 56 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 28 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 40

Für die Tagesordnungspunkte 1 und 2 gilt: maximal fünf RednerInnen pro Klub nach Fraktionsgröße.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung darüber.

Wer für diesen Vorschlag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Einstimmigkeit.

Fristsetzungsanträge


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass die Abgeordneten Vogl, Wurm, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 24/A eine Frist bis zum 10. Dezember zu setzen.

Ebenso haben die Abgeordneten Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen beantragt, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 6/A eine Frist bis zum 10. Dezember zu setzen und weiters die Abgeordneten Muchtisch, Kolleginnen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungs­an­trag 3/A(E) eine Frist bis zum 14. November zu setzen.

Die genannten Anträge werden gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht.

*****

Außerdem darf ich mitteilen, dass die Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Ent­schließungsantrag 1/A(E) eine Frist bis zum 10. Dezember 2019 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzu­führen, die entweder nach Ende der Tagesordnung oder spätestens um 15 Uhr statt­findet. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird am Schluss dieser Debatte erfolgen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.26.471. Punkt

Erklärung der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Der nationale Energie- und Klimaplan (NEKP)“

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 36/A(E) der Abgeordneten Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des nationalen Energie- und Klimaplans (2 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. Ich darf Frau Bun­desministerin Patek recht herzlich begrüßen.

Ich darf nunmehr der Frau Bundesministerin das Wort erteilen. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 41

10.27.36

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Geschätzte Besucherinnen und Besucher! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich bin heute ins Hohe Haus gekommen, um mit Ihnen ein Thema zu besprechen, das uns allen sehr wichtig ist: der Klimaschutz. Seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten ist der Klimawandel im Fokus, jedenfalls in der Wissenschaft, aber auch in vielen anderen Bereichen; so richtig in der Gesellschaft angekommen ist das Thema aber erst im letzten Jahr. Hitzerekorde, Trockenheit oder Wetterextreme – die Auswirkungen des Klima­wandels können wir mittlerweile am eigenen Leib verspüren, und die Wissen­schaft prognostiziert uns, dass sich diese Ereignisse in Zukunft noch häufen werden.

Nicht nur als Expertin für Naturgefahren, Wald und Wasser, sondern auch als verant­wortliche Ministerin in der Expertenregierung sehe ich den Klimaschutz als eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit, und ich weiß, dass viele von Ihnen diesbezüglich eine ähnliche Sichtweise haben. Klimaschutz war daher für mich in den vergangenen Monaten als Ministerin das Topthema in vielen persönlichen Gesprächen mit Stake­holdern auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.

Im September nahm ich am Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York teil. So wie Österreich erkennen auch andere Vertragsstaaten, dass wir dringend Handlungen ableiten müssen, um Klimaschutz schneller voranzutreiben. Wir haben uns in Paris dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Das wird nur möglich sein, wenn die internationale Klimaschutzallianz im Gleichklang handelt.

Leider gibt es auch Rückschläge. Der weltweit zweitgrößte Verursacher von Treibhaus­gasemissionen, die USA, ist im November aus dem Vertrag von Paris ausgestiegen. Was das bedeutet, ist klar: Die Weltgemeinschaft wird noch mehr leisten müssen, um die USA-Lücke auszugleichen.

Österreich hält dabei an der europäischen Vorreiterrolle fest. Die österreichische Bundesregierung bekennt sich nachdrücklich zu den Zielen des Übereinkommens von Paris. Beim Europäischen Rat im Juni hat sich Frau Bundeskanzlerin Bierlein für ein ambitioniertes Vorgehen bis Mitte des Jahrhunderts ausgesprochen. Österreich will, dass die Europäische Union bis 2050 null Emissionen erreicht. Das Zwischenziel bis 2030 haben wir bereits fixiert: Österreich wird die Treibhausgasemissionen außerhalb des Emissionshandels bis 2030 um mindestens 36 Prozent reduzieren.

Die Aufgabe dieser Übergangsregierung war es, auszuhandeln, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bis Jahresende einen Nationalen Energie- und Klimaplan an die Europäische Kommission zu übermitteln. Die Basis dafür lieferte die Klima- und Energiestrategie Mission 2030, die unter Beteiligung der wichtigsten Partner aus Wirtschaft und Umwelt bereits vergangenes Jahr beschlossen wurde.

Der jetzige Begutachtungsentwurf baut auf den Empfehlungen der Europäischen Kom­mission zum ersten Entwurf des NEKP auf, der vergangenes Jahr vorgelegt wurde. Die Rückmeldung der Kommission zielt vor allem darauf ab, Informationen detaillierter darzustellen und Maßnahmen zu berechnen. Den Zielsetzungen hingegen wurde ein sehr positives Zeugnis ausgestellt.

Ich möchte Ihnen nun unsere Ziele in Zahlen erläutern: Bis 2030 sollen 14 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden. Das ist eine große Herausforderung, und damit dies gelingt, müssen alle Sektoren einen Beitrag leisten. Großes Potenzial besteht im Gebäudesektor, zum Beispiel durch „Raus aus dem Öl“ bei Heizungen und


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der Verbesserung der thermischen Qualität von Gebäuden. Insgesamt soll der Ge­bäudebereich 3 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Auch in den Bereichen Landwirtschaft, Abfall und F-Gase wird die Dekarbonisierung konsequent vorangetrieben. Zusammen mit Gewerbe- und kleineren Industrieanlagen, die nicht im Emissionshandel geregelt sind, werden dort 4 Millionen Tonnen CO2 durch Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energie eingespart.

Am wichtigsten ist aber die Transformation des Verkehrssystems. Der Verkehrssektor ist Hauptemittent und wird daher auch den größten Beitrag leisten: minus 7,2 Millionen Tonnen CO2. Diese Ziele bilden den Rahmen für unser Maßnahmenbündel.

Insgesamt enthält der Nationale Energie- und Klimaplan 253 Maßnahmen. Trotz der aktuell eingeschränkten Handlungsfreiheit der Bundesregierung wurden in den letzten Monaten bereits wichtige Maßnahmen zum Klimaschutz auf den Weg gebracht. Das ist unser gemeinsames Verdienst: Gerade die Unterstützung des Parlaments hat vieles erst möglich gemacht.

Gerne möchte ich ein paar wichtige Vorhaben herausheben. So nehmen die Bun­des­regierung und das Parlament die Notwendigkeit einer Ökologisierung des Steuersys­tems ernst. In einem ersten Schritt wurden im Rahmen des Steuerreformge­set­zes 2020 wichtige Maßnahmen beschlossen. Ich möchte hier zwei Beispiele nennen:

Erstens die Maßnahmen zum Ausbau der E-Mobilität: die Steuerbefreiung für alle Elektrofahrzeuge sowohl im Rahmen der Zulassungssteuer als auch der laufenden Kraftfahrzeugbesteuerung, und das Steuerreformgesetz 2020 sieht nun auch eine zu­sätzliche Berücksichtigung des CO2-Ausstoßes bei der Bemessungsgrundlage der laufenden Kraftfahrzeugbesteuerung ab Oktober 2020 vor. Dadurch wird ein weiterer steuerlicher Anreiz für emissionsärmere Kraftfahrzeuge geschaffen. Die Besteuerung mittels der Normverbrauchsabgabe für Pkws wird angepasst. Dies soll Pkws mit einem höheren CO2-Ausstoß belasten und Fahrzeuge mit geringeren CO2-Emissionen ent­lasten.

Zweitens eine Maßnahme, die uns bei den erneuerbaren Energien weiterbringt: Die Stromerzeugung für den Eigenverbrauch mittels Fotovoltaikanlagen wird gänzlich von der Eigenstromsteuer befreit. Das ist ein wichtiger Anschub für den Ausbau von Foto­voltaik.

Im Bereich erneuerbarer Energie setzen wir einen besonderen Schwerpunkt: Bis 2030 wollen wir 46 bis 50 Prozent erneuerbare Energie erreichen; heute ist es rund ein Drittel. Das Ziel, bis 2030 die Stromversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Ener­gie umzustellen, wurde im NEKP fest verankert. Das sind sehr ambitionierte Ziele, es ist aber auch die Chance, Österreichs Vorreiterrolle auszubauen. (Beifall bei der ÖVP.)

In Österreich gibt es dazu großes Potenzial: Wir haben hochwertige Umwelttech­nologien, leisten großartige Forschung und wir haben innovative Lösungsansätze zum Beispiel im Bereich Wasserstoff oder durch die Bioökonomie. Österreich deckt schon 70 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen – und dabei möchte ich klarstellen: das schaffen wir ganz ohne Atomstrom. Ein Blick nach Europa zeigt, dass hingegen andere Mitgliedstaaten in der Atomenergie die Lösung für die Klimaprobleme sehen. Österreich nicht! Wir lehnen Atomenergie ab und wir stellen uns klar gegen In­vestitionen in Richtung Atomenergie. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Diese Woche legt die Europäische Investitionsbank ihre Energiefinanzierungspolitik der nächsten Jahre fest. Die EU und die Europäische Investitionsbank werden in Zukunft sehr viele Gelder mobilisieren, und geht es nach der EIB wird Atomenergie auch in Zukunft förderfähig sein.


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Den Weg zu den 100 Prozent Stromverbrauch aus erneuerbarer Energie muss das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz aufzeigen. Dabei leisten auch wir in der Übergangs­regierung wichtige Vorarbeiten. Die Finalisierung des Gesetzes sehe ich als prioritäre Aufgabe der neuen Bundesregierung.

Die Ökostromförderung wurde bereits im Oktober hier im Hohen Haus novelliert. Das abgeänderte Ökostromgesetz ist eine wichtige Überbrückung. Insgesamt stehen für Fotovoltaik und Speicher in den kommenden drei Jahren 106 Millionen Euro an Inves­titionsförderungen zur Verfügung.

Großer Handlungsbedarf besteht im Gebäudebereich. Wir wissen, dass mehr Häuser und Anlagen saniert werden und dass fossile Heizsysteme ein Ende finden müssen. Im September wurden hier im Nationalrat erste Weichen gestellt. Der Einbau von Ölkes­seln in Neubauten wird 2020 verboten. Als nächster Schritt sollte die Umsetzung des Erneuerbaren-Gebots folgen: die reduzierte Installation im Bestand und der Vorrang für erneuerbare Heizsysteme. Auch der Einsatz von erneuerbarem Gas hat Potenzial und wird fossiles Erdgas, wo noch nötig, ersetzen.

Im Bereich der Landwirtschaft liegt der Fokus auf den Verhandlungen zur gemein­samen europäischen Agrarpolitik. Wesentliche Klimaschutzmaßnahmen wie etwa der Erhalt von Dauergrünland sollen durch eine europäische Vorgabe im Fördersystem angereizt werden. Im Zuge des GAP-Strategieprozesses, den wir zur Zeit im BMNT leiten, werden solche Maßnahmen Schritt für Schritt erarbeitet.

Ein Kernbereich der Maßnahmen betrifft den Einsatz von Mineraldünger. Es ist das Ziel, diesen um 20 Prozent zu reduzieren. Das kann durch emissionsarme, zum Bei­spiel bodennahe, Ausbringung von Dünger gelingen. Die Landwirtschaft kann darüber hinaus einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten, indem mehr, nämlich mindestens 30 Prozent, agrarische Rest- und Abfallstoffe zur Biomethanerzeugung vergoren werden. Und: Die Landwirtschaft wird der erste Sektor sein, der den Maschi­neneinsatz komplett auf Biodiesel umstellt.

Abschließend zum wichtigsten Bereich, dem Verkehr: Der Umbau des Verkehrs­systems muss durch ein Bündel an Maßnahmen erfolgen und ist eine riesige Aufgabe. Ein Hebel ist die Steigerung der Flotteneffizienz. Die EU-Einigung auf einheitliche Flottenziele im letzten Jahr war ein Meilenstein. Nun gilt es, den Weg für saubere Mobilität zu ebnen, dafür braucht es eine Offensive, vor allem durch den Ausbau der E-Mobilität. Jeder Kilometer, der nicht individuell zurückgelegt wird, ist wichtig, daher schreibt der NEKP klar den Ausbau und die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs fest. Im ÖBB-Rahmenplan ist die Erhöhung auf 3 Milliarden Euro vorgesehen; ich möchte hier vor allem dem BMVIT für den wichtigen Verhandlungsbeitrag danken.

Vielleicht nicht ganz so bedeutend, aber auch ein wichtiger Beitrag ist die angestrebte Erhöhung des Anteiles von Biokraftstoffen, natürlich abhängig von der Verfügbarkeit nachhaltig produzierter Ausgangsstoffe wie Reststoffe. In der Bioökonomie haben wir in diesem Bereich großes, heimisches Potenzial erkannt.

Das war ein Ausschnitt davon, was unserer Ansicht nach gemacht werden soll. Die Frage, wie diese oder auch weitreichendere Maßnahmen finanziert werden sollen, kann im Begutachtungsentwurf noch nicht beantwortet werden. Entscheidungen im Zusammenhang mit erforderlichen Investitionen und öffentlicher Finanzierung können von uns als Übergangsregierung nicht getroffen werden. Bei allem Verständnis für Ihre Kritik, der Mechanismus ist klar: Fördermittel, die zur Zielerreichung notwendig sind, müssen in einem Budget festgeschrieben sein. Da das Budget fortgeschrieben wird, stehen derzeit keine neuen Finanzmittel zur Verfügung. Diese Bundesregierung hat sich darauf verständigt, zu verwalten und mit dem vorhandenen Budget sorgsam um­zu­gehen. Tiefgreifende politische Weichenstellungen wie etwa ein CO2-Mindestpreis


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nach dem deutschen Modell mögen verlockend sein, müssen aber von einer politi­schen Bundesregierung verhandelt werden. Wir schaffen kein Präjudiz, aber wir zeigen Optionen für die Zukunft auf.

Wir empfehlen die regelmäßige Evaluierung der ökologischen Wirksamkeit aller Steuer‑, Förder‑ und Anreizmaßnahmen. Zusätzlich wird eine weitere Ökologisierung des Anreiz‑, Förder‑ und Steuersystems nötig sein. Kontraproduktive Anreize und Subven­tionen müssen evaluiert und abgebaut werden. Eine entsprechende Evaluierung solcher Förderungen ist unter der Leitung des BMF im Laufen. Ebenso kann die Ausweitung des Handelssystems auf weitere Sektoren eine gute Option darstellen. Die neue Kom­missionspräsidentin, die hoffentlich bald ihr Amt antreten wird, hat dies für die Bereiche Gebäude und Verkehr in Aussicht gestellt. Die Finanzmittel, die aus den ETS-Auk­tionserlösen kommen, sollten für klima- und energierelevante Projekte eingesetzt werden und damit wichtige Innovationen der Zukunft möglich machen.

Der Energie- und Klimaplan ist bis Jahresende an die Europäische Kommission zu übermitteln, wobei auch eine Wirkungsfolgenabschätzung beizufügen ist. Wir lassen die Szenarien gerade durch ein wissenschaftliches Konsortium unter der Leitung des Umweltbundesamtes berechnen. Die Ergebnisse dieser Abschätzung werden mit dem finalen Plan bis Jahresende an die Europäische Kommission übermittelt.

In den letzten Wochen haben wir eine unglaublich kontroverse Diskussion zu den Maß­nahmen, die im NEKP vorgeschlagen werden, erlebt. Beim NEKP ist der letzte Satz noch nicht geschrieben. Wir wollen die Zeit der Begutachtung nützen, um alle ein­ge­henden Vorschläge zu prüfen. Einige Beiträge, vor allem der Referenz-NEKP aus der Wissenschaft, sind bereits bekannt, und wir haben die Autoren und Autorinnen dazu eingeladen, ihre Vorschläge mit uns zu diskutieren. Wir sehen bei einigen Maßnahmen im NEKP durchaus Parallelen zum Referenz-NEKP.

Auch Ihre Beiträge, geschätzte Abgeordnete und geschätzte Zuseherinnen und Zu­seher, sind uns wichtig. Ich möchte Sie ausdrücklich dazu einladen, an der öffentlichen Konsultation, die zurzeit läuft, teilzunehmen und uns Ihre Stellungnahme zum Klima­plan zukommen zu lassen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

10.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Köstinger. – Bitte.


10.47.09

Abgeordnete Elisabeth Köstinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vielen herzlichen Dank für die heutige Erklärung zum Nationalen Energie- und Klimaplan, der letzte Woche in Begutachtung gegangen ist. Die Frau Bundesminister hat ja bereits ausgeführt, dass es in den nächsten Wochen ausreichend Zeit geben wird, darüber zu beraten und auch dieses Haus damit zu befassen.

Klimaschutz war nicht nur in den letzten Monaten eines der Hauptthemen, er ist zweifelsfrei die größte Aufgabe und auch Herausforderung unserer Zeit. Jedes Land, jeder Mensch hat Verantwortung, alle müssen einen entsprechenden Rahmen schaffen und selbst dazu beitragen, dass Klimaschutz nachhaltig erfolgreich sein kann. Wir sind aber auch davon überzeugt, dass Klimaschutz, wenn man es richtig macht, wenn man es mit Hausverstand macht, keine Belastung sein muss, sondern – ganz im Gegen­teil – wirklich auch ein Booster für neue Innovationen und vor allem auch für einen starken Standort Österreich sein kann, der es vor allem unserer Jugend ermöglicht, vieles dazu beizutragen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Noch nie war Klimaschutz auf der politischen Agenda so weit oben, wie es jetzt der Fall ist, und dafür gebührt ein ganz herzliches Dankeschön den unzähligen Jugendlichen und ganz vielen Kindern, die in ganz Europa und mittlerweile auch weltweit auf die Straße gehen, um Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Handeln unabdingbar ist und dass wir alle gemeinsam Anstrengungen unternehmen müssen, um den CO2-Ausstoß einzudämmen. Auch wenn wir uns über das Wie noch nicht hundertprozentig einig sind und noch sehr viel an Diskussion vonnöten sein wird, das Was steht vollkommen außer Frage. Es herrscht weitreichender Konsens darüber, auch zwischen allen Parteien hier in diesem Haus, dass die CO2-Emissionen sinken müssen, damit wir die Pariser Klimaziele erreichen können.

Die derzeitige Übergangsregierung hat die Empfehlungen der EU-Kommission weitge­hend in den vorliegenden Nationalen Energie- und Klimaplan eingearbeitet. Es gibt einen entsprechenden Entwurf der Expertenregierung, der auch mehrere Optionen und Maßnahmen anbietet. Evident ist vor allem aber auch, wo die großen Problemfelder liegen: Es braucht Einsparungen ganz massiv im Verkehrsbereich, nämlich 7,2 Millio­nen Tonnen, bei den Gebäuden rund 3 Millionen Tonnen und im Bereich Abfall, Landwirtschaft und Gewerbe noch einmal rund 4 Millionen Tonnen, um unsere Pariser Klimaziele erreichen zu können. Das ist sehr ambitioniert, das wird alle entsprechend beschäftigen, und es wird auch Engagement von allen brauchen.

Vor allem der Verkehr, der gesamte Verkehrsbereich ist unser allergrößtes Sorgenkind in Österreich. Wir haben im Bereich Verkehr speziell in den Jahren 2015, 2016 und 2017 einen eklatanten Anstieg der Treibhausgase verzeichnet, und es liegen natürlich viele Maßnahmen auf dem Tisch, die wir umsetzen müssen. Das ist in den letzten eineinhalb Monaten zum Teil auch schon passiert, es gab beispielsweise eine massive Investition in den öffentlichen Verkehr, auch in ein großes E-Mobilitätspaket, aber es braucht noch viel mehr. Wasserstoff ist auf jeden Fall eine Technologie der Zukunft, auf die wir setzen; alternative Treibstoffe können einen maßgeblichen Anteil an der CO2-Reduktion im Verkehrsbereich leisten.

Im Gebäudebereich geht es um den Ausstieg aus fossilen Heizsystemen, aber vor allem auch um den gesamten Bereich der thermischen Sanierung; und das Schlüs­selwort schlechthin wird in Zukunft Energieeffizienz sein, da ist enorm viel drin. Die aktuellen Empfehlungen der Internationalen Energieagentur zielen eben vor allem auf diesen Bereich. Wir werden weltweit unsere Klimaziele nur erreichen können, wenn wir vor allem im Bereich der Energieeffizienz und durch den Umbau unseres Energie­systems unseren Beitrag leisten, aber dazu sind wir in Österreich fast zu klein.

Wenn man die Meldungen der letzten Wochen verfolgt hat, hat man gesehen: Keiner der G-20-Staaten erreicht zurzeit die Klimaziele, und es ist eben nicht nur eine nationale, sondern vor allem auch eine europäische und eine globale Aufgabe, die wir zu erfüllen haben, um die CO2-Emissionen entsprechend zu reduzieren.

Wir müssen den Blick aber auch ganz kurz darauf richten, was in der Vergangenheit passiert ist, und da können wir aus österreichischer Sicht schon stolz sein. Wir werden eines der ersten Länder der Welt sein, das den Energiemix vollkommen ohne Atom­kraft und – seit dem heurigen Jahr – auch ohne Kohlekraft bestreiten wird. Das ist schon eine enorme Leistung, die uns in der Vergangenheit gelungen ist, und das muss auch ein Auftrag sein, damit wir genau so in die Zukunft weitergehen. Die Erreichung der Klimaziele wird in Österreich auch nur mit einem radikalen Umbau des Energie­systems möglich sein: fossile Energie raus, erneuerbare Energie rein.

Niemand sagt, dass es leicht wird. Es wird zusätzliche Maßnahmen brauchen, es wird vor allem auch eine entsprechende Finanzierung brauchen. All das wird eine der Haupt­aufgaben auch der nächsten Bundesregierung sein, all das ist natürlich auch


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Bestandteil von Regierungsverhandlungen, ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass wir uns hier in diesem Hohen Haus auf einen Grundkonsens einigen. Wir müssen die CO2-Emissionen senken, wir müssen unser Wirtschaftssystem umbauen; wir müssen das aber vor allem mit den Menschen machen und nicht gegen sie. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.


10.53.24

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Politik geht es nicht darum, was uns selbst nützt, sondern darum, dass wir einen Auftrag haben, ein Mandat von den Wählerinnen und den Wählern, um ihre Interessen zu vertreten, um das zu erfüllen, was wir vor einer Wahl versprochen haben, und die Politik, für die wir vor einer Wahl geworben haben, zu machen.

In der Politik gibt es Projekte, die nach dem politischen Kalender immer wieder kom­men und sozusagen politische Routine sind; aber längst nicht jedes Problem – eigent­lich sind es immer weniger Probleme – können wir so behandeln, als wäre es Routine, als hätten wir es vor Jahren geplant. Es gibt nämlich Krisen, es gibt große Verän­de­rungen, die mit immer größerer Geschwindigkeit auf uns zukommen – und diese Ver­änderungen, diese Krisen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, lassen sich nicht verwalten. Solche Krisen erfordern rasche Handlungen, und diese Handlungen sind notwendig und müssen mit Mut und Konsequenz gesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind Kurskorrekturen, es sind Neubewertungen, die notwendig sind. Ja, es sind genau diese Themen, es sind diese Veränderungen – viele wurden heute im Rahmen der Debatte über Europa schon erwähnt –, angesichts derer es eine handlungsfähige Politik ganz besonders braucht. Sie wissen es, eine dieser großen Veränderungen, die vor uns liegt, die eigentlich schon da ist, ist der Klimawandel. Gerade erst vor einer Woche haben uns mehr als 11 000 internationale Wissenschaftlerinnen und Wis­senschaftler gewarnt. Sie haben uns gewarnt und aufgefordert, so rasch wie möglich auf den Klimawandel zu reagieren; und sie haben eindrücklich klargemacht, dass uns die Zeit ausgeht, dass die Zeit drängt, weil das Haus brennt, weil die bisherigen Maß­nahmen eben nicht ausreichen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Und in Österreich? – In Österreich schaut die Situation leider nicht viel besser aus. In Österreich reicht auch der überarbeitete Nationale Energie- und Klimaplan der Übergangsregierung nicht aus, um unsere EU-Ziele nachhaltig erreichen zu können.

Erst gestern haben die Klimaschutzorganisationen Österreichs von einer Klima­schutz­lähmung in Österreich gesprochen. Eine Klimaschutzlähmung, Frau Bundesministerin, ist nicht nur schlecht für das Klima, diese Lähmung ist schlecht für die Menschen, sie ist schlecht für unsere Kinder, für unsere Enkelkinder, sie ist schlecht für unsere Zukunft und letztlich auch schlecht für unsere finanzielle Situation, denn sie könnte uns bis 2030 mehr als 6 Milliarden Euro an Strafzahlungen nach Brüssel kosten.

Vor der Wahl, liebe Kolleginnen und Kollegen, waren wir uns doch alle – bis auf einige Ausnahmen hier im Saal – einig: Klimaschutz kostet Geld, da muss man Geld in die Hand nehmen. Und wir waren uns alle einig, dass es besser ist, zu investieren, als Strafzahlungen zu leisten. Im Gegensatz zu Strafzahlungen helfen Klimaschutz­inves­titionen nämlich auch, unsere Wirtschaft zu transformieren, sie helfen, neue Jobs in der Wirtschaft zu schaffen, sogenannte Green Jobs; sie sichern damit auch unseren Wohl­stand. Das sind Win-win-win-Situationen, die dadurch geschaffen werden. Wir fordern


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daher auch eine flächendeckende Lkw-Maut in ganz Österreich, denn der Schwerver­kehr – Sie wissen es – produziert besonders viel CO2, und dort müssen wir ansetzen. Eine Lkw-Maut würde einen Großteil der so wichtigen Klimaschutzmilliarde, die wir for­dern, finanzieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Erst vor drei Tagen habe ich gehört, das Geld wachse nicht auf den Bäumen. Dazu kann ich sagen: Das stimmt, Geld wächst nicht auf den Bäumen. Ich weiß aber auch: Wenn wir nicht investieren, wird es bald keine Bäume mehr geben, und genau das ist das Problem. (Die Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Stögmüller: ... 30 Jahre!) Wenn unser Haus brennt, haben wir keine Zeit, gemütlich darauf zu warten, bis die Regie­rungsverhandlungen – vielleicht Ende des Jahres, vielleicht Anfang des nächsten Jah­res – endlich abgeschlossen sind, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Vorschlag war deshalb, bereits heute im Nationalrat eine Klimamilliarde zu beschließen, damit schon im kommenden Jahr und nicht erst im Jahr darauf nach­haltige Maßnahmen gesetzt werden können. Leider war das Vorgehen am Montag enttäuschend. Der von uns eingebrachte Antrag betreffend Klimamilliarde wurde am Montag im Budgetausschuss mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen vertagt, auf die lange Bank geschoben, sehr geehrte Damen und Herren – der Klimaschutz in einer Warteschleife, wenn Sie so wollen, wenn es nach Ihnen geht.

Sehr geehrte Damen und Herren, nur weil in Österreich über eine neue Bundes­regierung verhandelt wird, dürfen wir das Parlament in seiner wichtigen Arbeit nicht blockieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Wer blockiert?) Wir alle sind hier, wir alle sind gewählt, um zu arbeiten. Das Parlament ist das Zentrum der politischen Arbeit in Österreich, es ist die Herzkammer unserer Demokratie, und deshalb werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gerade bei diesem Thema nicht lockerlassen, denn Vertagungen retten das Klima nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind davon überzeugt, dass unsere Maßnahmen richtig sind, dass sie wichtig sind, dass sie dringend sind. Jährlich eine Milliarde Euro in den Klimaschutz zu investieren, ist notwendig. Das ist kein Luxus und kein Orchideenthema und das darf auch nicht einer Parteitaktik zum Opfer fallen. Wir wollen damit den notwendigen öffentlichen Verkehr in ganz Österreich ausbauen. Wir wollen ein leistbares Klimaticket für alle Österreicherinnen und Österreicher. In Wien haben wir vor vielen Jahren gemeinsam mit den Grünen das 365-Euro-Ticket – ein Erfolgsprojekt – eingeführt. Setzen wir die­ses Erfolgsprojekt in ganz Österreich um! Rollen wir es endlich aus und blockieren wir nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Klimaschutz muss endlich so ernst genommen wer­den, wie er ist. Die Klimakrise ist ernst, bitterer Ernst. Wir fordern deshalb auch einen Klimaschutzrat – nach dem Beispiel des Fiskalrats –, ein beratendes Gremium, das quasi das Klimaschutzkomitee aufwerten soll, das beraten soll, das Empfehlungen abgeben soll und das eine unabhängige Kontrolle der Klimaschutzmaßnahmen auf nationaler Ebene darstellen soll.

Wir alle hier sind uns einig, dass der Klimawandel ein Thema ist, das wir nur gemein­sam lösen können. Die Herausforderungen sind zu groß für eine Partei, sind zu groß für eine Regierung, die Herausforderungen brauchen einen nationalen Schulterschluss über die politischen Grenzen hinweg, einen Schulterschluss mit unserer Zivilgesell­schaft, mit der Jugend in unserem Land. Nehmen wir die jungen Menschen ernst, handeln wir rasch, handeln wir gemeinsam, handeln wir entschlossen und ehrlich, sehr geehrte Damen und Herren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.01



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.


11.01.52

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! (Abg. Leichtfried: Ministerin!) Hohes Haus! Wir haben hier einen 260 Seiten umfassenden Plan, den Energie- und Klimaplan, vor uns liegen, der aktuell in Begut­achtung ist. Von meinen Vorrednern hat noch niemand gesagt, welche konkreten Maß­nahmen darin enthalten sind, deshalb möchte ich einmal damit beginnen, was da unter anderem konkret drinsteht:

Umsetzung eines Masterplans für den Radverkehr;

mehr Budget für den öffentlichen Verkehr – das ist die Nahverkehrsmilliarde. Diese Nahverkehrsmilliarde wurde vonseiten der Vorgängerregierung ins Leben gerufen, wodurch man den ländlichen Raum stärken und denen, die dort zu Hause sind, auch die Chance geben möchte, dementsprechend mobil zu sein; nicht individuell mit dem Pkw, sondern über den öffentlichen Verkehr. (Präsidentin Bures übernimmt den Vor­sitz.)

Ein weiterer Punkt ist die Verankerung von Umweltschutz und Naturschutz in der Raumordnung. Warum? – Auch da geht es darum, Flächenrecycling in den Mittelpunkt zu rücken. Warum ist das so wichtig? – Um auch wieder Rückbauten vorzunehmen, wenn sie nicht mehr ihrem Ursprungszweck zugeführt werden.

Weiters: die Weiterführung und der Ankauf von emissionsarmen Fahrzeugen. Das heißt: Biogas, E-Mobilität, aber auch Wasserstoffmobilität. All das sind konkrete Punkte, die in diesem Energie- und Klimaplan drinstehen.

Ein weiterer Punkt zum Schluss, den ich erwähnen möchte, ist der Ausbau der er­neuerbaren Energien und dementsprechend auch der Kleinspeicherkraftwerke, die notwendig sind, um energieautark zu werden.

Das bringt mich zu einem weiteren Punkt, nämlich zur Atomkraft. Österreich hat sich einhellig, über alle Parteigrenzen hinweg, dazu entschlossen, auf Atomkraft zu ver­zichten; auch auf die Kohleverstromung. Gleichzeitig aber wird Österreich dafür be­straft, denn alle Staaten rundherum machen genau das Gegenteil und investieren in diese Energieform. Also muss es auch vonseiten der Europäischen Kommission und der Europäischen Union einen Ausgleich und auch Gegenmaßnahmen geben. Wir brauchen einen konkreten Schulterschluss, und ich erwarte mir auch von allen Frak­tionen, dass diesbezüglich eine einhellige und gleiche Sprache gesprochen wird. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Es wird auch immer von neuen Steuern gesprochen. Wir sind ja schon ein Hoch­steuerland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten, und wir haben die Mineral­ölsteuer, wir haben die Normverbrauchsabgabe. All das sind CO2-Steuern, und diese Steuern müssen für Maßnahmen, die dem Umweltschutz und dem Naturschutz dienen, effizient eingesetzt werden. Das ist die Aufgabe der zukünftigen Regierungen Öster­reichs, das auch umzusetzen. Wie auch immer man es bezeichnet, ob das jetzt eine CO2-Bepreisung oder eine CO2-Steuer ist, es bleibt immer eine höhere Abgabe, und das lehnen wir ab.

Wir müssen mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, auskommen. Warum? – Es kann nicht sein, dass man weitere Belastungen auf die Bevölkerung umwälzt. Frau Klubobfrau Rendi-Wagner – bei aller Wertschätzung –, wenn Sie von einer flächen­deckenden Lkw-Maut sprechen, so ist das natürlich möglich, ja, das ist ein politischer Ansatz, nichtsdestotrotz muss man auch dazusagen, was das bedeutet, nämlich selbst­verständlich höhere Preise im Konsum, höhere Preise bei den Transportwegen, denn


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das muss doch jemand bezahlen. Es wird nichts günstiger, wenn eine Steuer erhöht wird. Also auch da ein klarer Ansatz: Umweltschutz, Klimaschutz mit Hausverstand und nicht mit einer Gießkanne Einzelmaßnahmen umsetzen! (Beifall bei der FPÖ.)

Auf einen spannenden Spagat muss ich schon auch noch zu sprechen kommen. Wie meine Vorvorrednerin Elisabeth Köstinger und mein Nachredner Werner Kogler einen Spagat schaffen, einen Einklang für eine zukünftige gemeinsame Regierung finden können, wird für mich sehr, sehr spannend. Ich weiß aus der Zeit, in der ich selbst noch aktiv bei den Verhandlungen dabei und für den Umweltbereich zuständig war, dass die Grundlage für diesen Energie- und Klimaplan die Mission 2030 ist. All das über den Haufen zu schmeißen und neu zu erfinden, das wird ein spannender Spagat, vor allem, wenn man an die Grünen denkt. Werner, du wirst das dann vielleicht komplett revidieren oder auch ergänzen, aber eine CO2-Steuer ist für euch ein Muss, die Abschaffung der Pendlerpauschale steht in eurem Programm drin, ebenso höhere Treibstoffpreise. Fakt ist, dass das auch automatisch unseren Wirtschaftsstandort schädigt.

Wir müssen ein gesamtheitliches Konzept über alle Sektoren machen und haben, wir müssen die Chance haben, auch den Klima- und den Umweltschutz über alle Sektoren dementsprechend drüberzustülpen, um die Menschen zu überzeugen, und zwar nicht mit Verboten, sondern mit Geboten. Das muss der wesentliche Punkt sein, und dafür stehen wir: keine neuen Belastungen für die Menschen! (Beifall bei der FPÖ.)

11.07


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Werner Kogler. – Bitte.


11.07.14

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Meine Damen und Herren! Zweifelsohne ist die Bekämpfung der Klimakrise eine der größten Herausforderungen der Menschheitsgeschichte. Immer stellt sich die Frage: Was kann Österreich dazu tun? – Sie wissen, die Grünen sind der Meinung, Österreich kann da sehr viel tun, vor allem im europäischen Kontext. Deshalb möchte ich das aufgreifen, was die Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt haben: Was werden am Schluss die nationalen Spielräume sein?

Wir sind nicht naiv. – Ganz im Gegenteil: Wir werden genau vermessen – in den ange­sprochenen Regierungsverhandlungen, aber auch hier im Parlament, ich werde später noch etwas dazu sagen –, was alles möglich ist, was sinnvoll ist, was möglich ist und, ja, auch was notwendig ist, damit Österreich von seiner jetzigen Position – Sie wissen, wie ich diese charakterisiert habe – zu den Vorreitern im europäischen Klimaschutz aufschließt. Das wurde ja nicht nur von mir ausgerufen, und ich höre das sehr gern – wie das überhaupt bisher durchaus eine sehr brauchbare, wertschätzende und kon­sensuale Debatte von allen Seiten war. Das ist schon einmal ein guter Beginn.

Wir haben klipp und klar gesagt, nämlich bei der konstituierenden Sitzung hier an die­sem Pult: Unsere Hand ist ausgestreckt!, und das bezieht sich nicht nur auf die Regie­rungsverhandlungen, sondern auf letztlich alle Fraktionen hier herinnen im Parlament, wenn es um die Bewältigung der Klimakrise geht. Wir haben während der Wahlbe­wegung schon entdeckt, dass alle Fraktionen Vorschläge gemacht haben, die jetzt einmal zusammengeführt werden müssen und in Übereinstimmung zu bringen sind.

Aus unserer Sicht, Frau Bundesministerin, ist es auch nicht ausreichend, was der – wenn Sie so wollen – korrigierte nationale Energie- und Klimaplan hergibt, dass wir damit auch nur annähernd den Verpflichtungen aus dem Pariser Vertrag nachkommen können. Dazu mögen wir unterschiedliche Einschätzungen haben, aber deshalb wird


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es in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten genau darum gehen: zu eruieren, wie wir auf einen gemeinsamen Zielpfad, der ja vielleicht noch am ehesten unbestritten ist, kommen. Wir haben einen ambitionierteren als jenen, den die Europäische Union vorgibt, wie Sie wissen, und ich glaube, wir sind auch die Einzigen damit.

Zweitens: Was sind die Zwischenziele in den Sektoren, um dort hinzukommen? Aber auch: Was sind die Maßnahmenbündel, um dort hinzukommen? – Das wird jetzt aus­führlich zu diskutieren, zu besprechen sein.

Was allerdings die jetzige Bundesregierung betrifft, möchte ich schon festhalten: Die Republik Österreich ist der Union verpflichtet, wenigstens diesen Pfad, der dort verein­bart wurde, einzuhalten. Wir haben öfter gehört, dass es so etwas wie eine Verwal­tungsregierung gibt – man weiß nicht, ob das etwas Gutes ist; es ist, glaube ich, gut gemeint –, aber es würde zu Verwaltungshandlungen vielleicht auch gehören, dass sich die Bundesregierung genau überlegt, Pfade in diesen nationalen Energie- und Klimaplan aufzunehmen, die dann auch wirklich zur Zielerreichung führen. Aus dieser Verantwortung können wir sie nicht entlassen.

Jetzt füge ich natürlich hinzu, dass das vor allem damit zu tun hat, dass Sie (in Richtung Bundesministerin Patek) ja auf die bestehenden Gegebenheiten aufbauen müssen, und da haben wir halt Jahre, um nicht zu sagen, das eine oder andere Jahr­zehnt verloren, denn so neu ist das Phänomen Klimawandel, Klimakrise nun auch wieder nicht. Wir haben es da schon mit einem kollektiven und kolossalen Versagen mehrerer Vorgängerregierungen zu tun. Das darf man einfach nicht außer Acht lassen. Jetzt sind wir – ich muss es trotzdem sagen – in Österreich eher hinten nach als vorne voran, aber dort sollten wir und dort müssen wir auch hin. Das ist jedenfalls unser Anliegen auf allen Ebenen, wo wir Einfluss nehmen können.

Schauen wir uns an, wo das überall passieren soll und warum das so wichtig ist! Die Klubobfrau der SPÖ, Kollegin Pamela Rendi-Wagner, hat es ja angesprochen: Wir müssen das allein schon deshalb machen, um die sogenannten Strafzahlungen zu verhindern. Es ist doch zehnmal gescheiter – ich gebe Ihnen recht –, zu investieren beziehungsweise ein Maßnahmenbündel größerer Art zu schnüren, zusammen­zu­schnitzen, als dass wir dann am Schluss mit diesen Zahlungen übrig bleiben, die sich dann über Zwangszertifikatskäufe abspielen. Das ist alles richtig. Wenn es aber so ist, dass wir uns da nur auf einzelne Maßnahmen beschränken und nicht auf das Gesamt­paket konzentrieren, dann werden wir das auch nicht erreichen.

Was ist nun das Gesamtpaket? – Wir brauchen in der Energie-, in der Verkehrspolitik, ja, auch in der Agrarpolitik die Wende. Das wird nicht überall gleich leicht sein, aber wir brauchen sie, und das ist auch eine Riesenchance – ich werde nicht müde, das zu betonen – für die österreichischen Betriebe und für die österreichische Wirtschaft. Dann müssen wir noch schauen, dass das Ganze natürlich unter sozialer Absicherung und – ich habe schon im Wahlkampf dazugelernt – auch unter regionaler Berück­sich­tigung passiert, weil die verschiedenen Lasten, die ja durch solche Pakete durchaus entstehen können, unterschiedlich verteilt sein werden. Es wird aber alles zu kompen­sieren sein. Wir sind ja die, die immer eine ökologisch-soziale Reform predigen. Bei den Steuern beispielsweise, bei den Abgaben muss man immer auch die Entlastung auf der anderen Seite mitberücksichtigen. Das ist völlig logisch. Niemand soll da zurückbleiben, sonst werden wir die Transformation natürlich nie schaffen. Das ist aber möglich, das geht.

Schauen wir uns das einmal an; das kann man ja auch haptisch machen.

Erstens: Investitionen; dazu hat die SPÖ eine Reihe von Vorschlägen gemacht. – Ja­wohl. In unserer Welt ist das das 100 000-Dächer-Programm für die nächsten zehn bis


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15 Jahre. Das geht, das kostet wahrscheinlich gar nicht einmal so viel, wir haben es aber noch nicht auf die Million genau vermessen.

Weiters: der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. – Selbstverständlich; auch das wurde gesagt. Wir müssen ihn einerseits ausbauen – das ist ein Investitionsprojekt –, und gleichzeitig muss er auch billiger werden. Auch darin stimmen wir überein. Wer die Idee zuerst gehabt hat, ist ja an dieser Stelle nicht das Relevanteste.

Wir haben das Gleiche in den Bereichen der Investitionsprojekte sonst wo, und dazu sage ich Ihnen schon etwas: Ich glaube, wir waren die Einzigen, die sich hier im Haus dazu bekannt haben, dass man nicht alle umsetzen kann. Wir können nicht mehr alle Autobahnen in dem Ausmaß ausbauen, wie das gedacht wurde. Wir können nicht mehr herumrennen und sagen: Regionalflughäfen, super, das ist die Zukunft; ich lasse jetzt einmal Wien-Schwechat weg. Da gibt es massive Unterschiede. Das muss man einfach benennen und da muss man jetzt einfach einmal hinkommen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich darf zu Ihrer Beruhigung auch einmal sagen, das ist nicht nur eine Grünen-Sache. In Österreich sind auch die Forschungsinstitute in diese Richtung unterwegs. Nehmen wir einmal die OECD. Dieser Zusammenschluss der Wirtschaftsnationen – das ist jetzt keine linkslinke Veranstaltung, um der FPÖ die Ängste zu nehmen –, abgekürzt OECD, empfiehlt Österreich, massiv in die Reform des Steuersystems einzusteigen, weil bei uns schon längst – das war früher anders – die Umweltsteuern einen relativ geringen Bereich einnehmen.

Nennen wir es CO2-Bepreisung oder sonst wie, das ist nicht das Problem. Wir brauchen dann in der Folge natürlich auch genau die Vermessung, bei welchen Ab­gaben etwas zu passieren hätte, denn wichtig ist, dass die Steuerlast insgesamt nicht steigt. Abgeordneter Rauch, Sie haben vor mir gesprochen: Ja, okay, wir haben eine Steuerquote, die vielleicht höher ist als anderswo, aber es geht ja genau um die Struk­tur. Das ist das Wesen der Reformen: die Strukturen zu verändern. Die OECD emp­fiehlt im Wesentlichen – und das wird in den Medien so rekurriert – lauter Dinge, die eigentlich dem Grünen-Programm entsprechen würden. Das nehmen wir sehr ernst, das werden wir auf allen Ebenen einbringen, und wenn das so ist, dann werden wir dazu kommen müssen, uns alles anzuschauen.

Ein kurzes Wort an die Sozialdemokratie: Ja, in umgekehrten Rollen würde es vielleicht umgekehrt laufen, aber Sie wissen schon, dass es Gründe dafür gibt, dass man während der Regierungsverhandlungen darauf schauen kann, dass man, wenn ein Gesamtpaket geschnürt wird, zumindest den Versuch abwartet, ob es gelingen kann, bevor man sich auf einzelne Dinge festlegt. All das, was in der Klimaschutzmilliarde enthalten ist – ich habe mir das im Nachhinein noch einmal angesehen –, hat die richtigen Überschriften, geht in eine richtige Richtung, aber wenn man das auf zehn Jahre ausrollt, sind es 10 Milliarden Euro, und ich möchte nicht, dass uns der Rechnungshof bei der Gesetzwerdung – das ist ja immerhin ein Initiativantrag – dann wieder ausrichtet, dass wir die Wirkungsorientierung nicht so genau zugeordnet hätten.

Es wird bei all diesen Paketen, zumindest wenn es um höhere Summen geht, den Zielpfad der CO2-Reduktion, die Wirkungsweise zur CO2-Reduktion brauchen und es wird auch definiert sein müssen, was das kostet. Das ist schon auch ein inhaltlicher Grund, warum man da genauer hinschauen sollte. Ich mache dann einen Vorschlag, wie wir das auflösen können; alles auch hier im Haus.

Damit bin ich bei dem Punkt, dass wir letztlich auch die Gesamtbewertung über die Einzelmaßnahme stellen müssen. Das machen wir überall, das gilt auch für die angesprochene – ich glaube, es war in der vorigen Debatte – flächendeckende Lkw-Maut. Ich habe große Sympathien dafür, das ist überhaupt nicht der Punkt, aber auch


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da muss man schauen, wie das insgesamt reinpasst, wie sich das europarechtlich ausgeht. Das sind alles Themen, mit denen Sie sich ja beschäftigt haben. Ich will Ihnen gar keinen Ratschlag geben, aber ich glaube, es ist schon gut, wenn alle Fraktionen, und auch Ihre, darauf aufpassen, dass sie insofern glaubwürdig bleiben, als dass sich jeder in dieser Situation Ähnliches überlegen würde, sonst kommt ja bald irgendjemand daher und sagt: Die Sozialdemokratie war – im Hinblick auf dieses Thema – in den letzten 25 Jahren, seit dem EU-Beitritt, immerhin fast durchgehend in der Regierung – bis auf acht Jahre; also zwei Drittel der Zeit –, und seit damals ist das ein Thema, aber noch nie ist das gekommen.

Wir werden versuchen, dass da etwas weitergeht; genauso wie Sie es hoffentlich ge­meinsam mit uns versuchen werden. Und gemeinsam muss auch heißen, dass wir es hier im Haus machen, und zwar in den entsprechenden Ausschüssen. (Beifall bei den Grünen.) Das kommt noch dazu. Ich glaube, wir werden jetzt die Initiative ergreifen, sei es über die Präsidiale, sei es sonst wie, dass wir jetzt einmal alle Ausschüsse konstituieren, denn ich meine schon, was für die Ausweitung des Klimaschutzkomitees auf Regierungsberatungsebene gilt, muss auch hier im Haus gelten. Es braucht einen zentralen Ausschuss, wo diese Dinge zusammenlaufen und koordiniert werden. Ich bin ausdrücklich dafür, dass wir einen Klima- und Umweltausschuss konstituieren, wo wir das gemeinsam betrachten und diskutieren können, weil wir eben nicht nur Regie­rungsverhandlungen zu führen haben. Dort können alle Fraktionen ihre Vorschläge einbringen und eine Gesamtbewertung machen. Das scheint uns wichtig. Dann können wir uns hinstellen und sagen: Jawohl, wir – also alle, die hier so tun – sind auf der Seite des Klimavolksbegehrens – so wie wir es sind. Ich mache ausdrücklich den Aufruf auch von dieser Stelle aus, das Klimavolksbegehren zu unterschreiben, um diesen Einstieg in den Umstieg zu schaffen, mit Vermessungen, die über zehn Jahre gehen, und da wird es auf drei Tage auch nicht mehr ankommen, wenn wir ohnedies 30 Jahre versäumt haben. Das muss man schon einmal so nehmen dürfen, denke ich. (Beifall bei den Grünen.)

Auch wenn sich die Vorzeichen verschoben haben, ich sage nur: Locker bleiben! Wenn wir uns da verkrampfen, kommt gar nichts raus. Wir wollen aber, dass etwas raus­kommt, und wir werden versuchen, das in großer Gemeinsamkeit auch hier im Haus zustande zu bringen.

Das ist eigentlich die Hauptbotschaft: dass wir gemeinsam vorgehen sollten. Noch einmal: Unsere Hand ist ausgestreckt. Wir wollen das allerdings auch basiert machen, basiert auf Klimaschutzplänen, die uns die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Umweltökonominnen und Umweltökonomen mitgeben. Wir werden sie alle treffen, wir werden sie vielleicht hierher ins Haus einladen, wir werden schauen, dass sie bei den Regierungsverhandlungen eine Rolle spielen.

Wir – und ich brauche nur die Hauptbotschaften zusammenzuzimmern – sind so zurück ins Haus gekommen, genau mit dieser Botschaft. Wir allein haben die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen. Alle haben Vorschläge, aber wir versuchen, uns an den Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftlern zu orientieren. Das ist unser Auftrag. Das sollten halt andere auch tun und am Schluss ein Gesamtpaket bewerten, und ich hoffe, das wird nicht ewig dauern. Jedenfalls werden wir das, wenn wir gut sind, im Nationalrat gemeinsam und parallel machen können – und dann steigen wir doch endlich in die Debatte ein und halten uns nicht gegenseitig auf! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

11.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Michael Bernhard zu Wort. – Bitte.



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11.20.39

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich auf das Gesagte eingehe, möchte ich mit einem Zitat beginnen. Wir haben ja das Nationale Klimaschutzkomitee, das leider in den letzten Monaten nicht tagen konnte, und deshalb hat der wissenschaftliche Beirat dieses Komitees sowohl an die Umwelt­ministerin als auch an die Bundeskanzlerin eine umfassende Stellungnahme gesandt, in der er erklärt, warum wir derzeit unsere österreichischen, unsere euro­päischen und unsere internationalen Ziele verpassen.

Ich habe mir das angesehen und einen Passus gefunden, den ich jetzt auch vorlesen möchte, denn: Warum diskutieren wir, worum geht es eigentlich in der Sache? – Es geht um die physikalische Realität des Klimawandels: „[...] unsere Erde gibt fort­dau­ernd weniger Wärmestrahlungs-Energie zurück in den Weltraum ab als sie an Son­nenstrahlungs-Energie herein bekommt.“ Die Energie, die sozusagen hereinkommt und nicht mehr herausgeht, übersteigt das Zwanzigfache des Weltenergiebedarfs pro Jahr. „Rund 90 % dieser Energie erwärmen die Weltmeere mit allen Folgen. Die verblei­benden immer noch riesigen Mengen lassen die polaren Eisschilde und Gletscher abschmelzen, erwärmen Land und Luft und rufen all jenen Folgewirkungen hervor, die wir gemeinhin unter Klimawandel verstehen“.

Für Österreich ganz konkret bedeutet das im Übrigen, wenn wir nur das 2-Grad-Ziel oder ein 3-Grad- oder 4-Grad-Ziel erreichen, jeweils eine Verdoppelung, weil wir im inneralpinen Raum tatsächlich deutlich schwerere Folgen des Klimawandels haben werden als weltweit.

Jetzt gibt es diese Eingebung der Wissenschaft und es gibt sie jedes Mal aufs Neue, und wenn ich jetzt auf die Vorrednerinnen und Vorredner schaue und zuhöre und versuche, sie ernst zu nehmen, dann krieg’ ich wirklich solche Kabel – bei dem, was eine ÖVP von sich gibt, wenn sie sagt: Wir müssen den Hausverstand einschalten!, der im Übrigen die letzten 12 000 Tage, glaube ich, nicht eingeschaltet war. Wie wollen wir einer ÖVP mit Hausverstand vertrauen, wenn sie die Naturwissenschaften nicht be­rücksichtigt? (Beifall bei den NEOS.)

Im Übrigen unterstelle ich den Freiheitlichen da nicht viel, denn die sind gerade, die haben immer gesagt, sie tun sich recht schwer mit dem Klimawandel (Abg. Kickl: Nicht mit dem Klimawandel!) und haben dementsprechend auch dafür gesorgt, dass die Emissionen wieder steigen. Bei der Sozialdemokratie ist es besonders lässig, die entdecken plötzlich, wenn sie in die Opposition kommen, dass es den Klimawandel wirklich gibt. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Sie waren, abgesehen von acht oder neun Jahren, die letzten 25 Jahre ebenfalls durchgehend in der Regierung. Sie haben nichts gemacht.

Österreich ist innerhalb der Europäischen Union, von 28 Mitgliedstaaten, auf Platz 23. Wir sind eines von fünf Ländern, in dem die Emissionen im Vergleichszeitraum zu 2005 gestiegen sind – 1 Prozent Zunahme der Emissionen. Wie schaut es bei anderen Staaten in West- und Mitteleuropa aus? – Wir haben da: Dänemark minus 36 Prozent, Großbritannien minus 30 Prozent, Schweden, Deutschland, Litauen, Lettland, bis auf fünf Staaten haben tatsächlich alle einen deutlichen Emissionsrückgang. (Abg. Kickl: Großartig! Und wie machen die ihre Energie?!) Österreich ist neben Zypern, Spanien und Kroatien eben am Schluss dabei.

Das alles haben ÖVP, FPÖ und SPÖ in den letzten Dekaden zu verantworten. Wir verpassen die Ziele unseres eigenen Klimaschutzgesetzes – die, die wir uns selbst gesteckt haben, verpassen wir. Normalerweise müsste eine Regierung dann nach-


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bessern – die letzte Bundesregierung und die jetzige haben das nicht getan. Sie verstoßen damit gegen aufrechte Gesetze.

Wir verpassen unsere eigenen europäischen Ziele, die wir selbst mitverhandelt haben, die wir für richtig und sinnvoll erachtet haben und die noch nicht einmal reichen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Wir müssten deutlich mehr machen, um die Pariser Ziele zu erreichen. Wir machen aber nicht einmal das, was sich die Europäische Union selbst vorgenommen hat.

Jetzt kommen wir dann aber auch dazu, dass es ja Beiräte gibt. Es gibt einen Natio­nalen Klimaschutzbeirat, wo die Vertreter der Parteien, der NGOs, der Wissenschaft drinnen sitzen, die ja quasi als beratende Stimme eine Bundesregierung beraten sollen. Was macht man ab dem Moment, ab dem ein Gesetz quasi nicht mehr ein­gehalten wird? – Man beruft den Beirat einfach nicht mehr ein. Die Stellungnahmen, die dann von der Wissenschaft und von allen anderen hereinkommen, werden ignoriert – von gewählten Regierungen wie auch von eingesetzten Regierungen. Die Opposition wird ignoriert. Wenn wir gute Vorschläge machen, wurden wir von der ÖVP ignoriert, wir wurden von der SPÖ ignoriert und von der FPÖ wurden wir für gewöhnlich ausgelacht. All das, dieses Bild zeigt auch der Nationale Energie- und Klimaplan. Die Bundesministerin für Umwelt und Nachhaltigkeit hatte den Mut, genau diese Niederlage zu verschriftlichen und uns auch zuzuleiten.

Was hätten wir gerne, was bräuchte es? – Es bräuchte ein Gesamtpaket dahin gehend, dass wir einmal Transparenz, eine Klimatransparenz brauchen. Wo stehen wir? Wo müssen wir hin? Was ist zu tun? Dafür braucht es zuallererst ein CO2-Budget. So, wie wir ein jährliches Finanzvolumen an Mitteln haben, das wir zur Verfügung haben, braucht es auch das Gleiche für die Emissionen. Wir haben ja internationale Vereinbarungen, wir haben ja auch Strafzahlungen, wenn wir sie nicht einhalten, also brauchen wir im Nationalrat ein entsprechendes CO2-Budget, jährlich verhandelt, beschlossen, und alle müssen sich daran halten. (Beifall bei den NEOS.)

Das Gleiche gilt – weil wir ja föderal sind, ob wir wollen oder nicht – auch für die Bun­desländer, und es sollte in Wirklichkeit auch für alle Gemeinden gelten.

Es gibt noch ganz viel, was meine Kollegen Schellhorn und Shetty nachher noch sagen werden, denn meine Redezeit ist leider beinahe schon am Ende. Ich möchte nur noch zwei Punkte herausstreichen: Das eine ist, dass wir alle umweltschädlichen Förde­rungen ab dem nächsten Jahr stoppen sollten. Der Staat sollte kein Geld mehr dafür ausgeben, dass wir unsere eigenen Ziele nicht erreichen und dann Strafzahlungen leisten. Und ganz klar: Wenn wir ein CO2-Budget mit einer jährlichen Reduktion be­schließen, dann gilt für uns Liberale beim CO2-Budget das Gleiche wie bei den Finanz­mitteln: ein Nulldefizit ist das Ziel. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Weratschnig.)

11.26


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.


11.26.35

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Prinzipiell gilt es, das als positiv festzuhalten, wenn wir die Maßnahmen im Bereich Klimaschutz aus dem Nationalen Energie- und Klimaplan vorantreiben wollen und wenn sich hier auch alle Fraktionen letztendlich einig sind. Wenn es um das Tempo geht, ist die Einigkeit nicht immer da, und wenn dann gerade von der Sozialdemokratie darauf hingewiesen wird, dass wir da jetzt endlich mit erhöhtem Tempo etwas machen müssen, dann möchte ich


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schon darauf verweisen, dass bereits einiges geschehen ist und auch die vorige Regierung einiges getan hat: zum Beispiel im Bereich der Biomasse, beim Biomasse-Grundsatzgesetz. Genau Ihre Fraktion hat dieses Gesetz um ein halbes Jahr verzögert und damit erneuerbare Energien in Österreich blockiert. Daher sollten wir uns schon die Zeit für politische Prozesse nehmen. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Wir sind heute in einer Situation nach einer Neuwahl, in einer Situation einer Neuge­staltung der Regierung. Davor war die Abwahl der bestehenden Regierung erfolgt, und dadurch ist die Übergangsregierung eingesetzt worden. Wir hätten mit einer beste­henden politischen Regierung auch noch einige Maßnahmen umsetzen können. Der positive Effekt Ihrer Strategie war, dass Sie heute weniger Mandate haben; die sind – Gott sei Dank! – an eine Partei gegangen, die als Kernthema Umwelt- und Klimapolitik hat. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Das ist zumindest betreffend den Faktor positiv zu be­merken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Geschätzte Damen und Herren! Wir müssen uns aber auch die Problemfelder ansehen und überlegen, wie wir dem Ganzen letztendlich begegnen können. Wenn wir den Verkehr betrachten, dann können wir eines feststellen: Die Mobilität ist in Österreich, in einem Flächenbundesland natürlich ein ganz wesentlicher Faktor; es müssen öffent­liche Verkehrsmittel zum Einsatz kommen, aber auch der Individualverkehr muss ent­sprechend weiter erhalten bleiben. Ich glaube, es geht da eher um die Frage des Antriebs und der Antriebsform, die wir einsetzen.

Wenn wir nach Deutschland schauen, dann sehen wir, dass dort ein großer Gipfel der Automobilindustrie gemeinsam mit der deutschen Regierung stattgefunden hat, hin zu mehr E-Mobilität. Das ist auch ein wirtschaftlicher Faktor. VW hat ein komplettes Werk umgebaut. Tesla plant nun, in Berlin ein Werk zur Erzeugung von Speicher und Batte­rien für Elektromobilität für 10 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu errichten. Wir diskutieren, ob bei Magna in Graz momentan Arbeitsplätze gefährdet sind. Das heißt: Zukunftstechnologien sind auch positiv für den Arbeitsmarkt, daher gilt es, diese Intensität auch zu steigern.

Ein zweiter Faktor, der immer wieder in der Frage der Klimarelevanz genannt wird, ist auch die Landwirtschaft. Wir sollten aber nicht die Landwirtschaft als Ursache und Verursacherin anprangern, sondern vielmehr sehen, wieso Landwirtschaft überhaupt stattfindet: Da geht es um die Energie, die wir alle zur Lebenserhaltung brauchen, das ist die Ernährung. Wenn wir in der Grundüberlegung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union mit dem European Green Deal unsere Produktion noch verbes­sern und da auch entsprechend nachhaltiger gestalten können, kann das nur positiv sein. Regionale Wertschöpfungskreisläufe in der Produktion müssen erhalten bleiben, aber dann braucht es auch die volle Ausstattung mit Mitteln innerhalb der Gemein­samen Agrarpolitik der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Die Tendenzen zu Freihandelsabkommen wie zum Beispiel Mercosur, die negative Implikationen für unsere Produktion hätten, müssen wir zurückdrängen. Da geht es darum, nachhaltiger zu werden, aber die Produktion absichern zu können. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Die neue Technologie müssen wir auch stattfinden lassen. Das Clean Energy Package der Europäischen Union sieht vor, mit dem 1.1.2020 den Strombinnenmarkt neu zu regeln und Flexibilität hineinzubringen. Ich glaube, mit neuen Technologien in der Energieeinspeisung, aber vor allem auch in der Speichertechnologie und in der Peer-to-Peer-Technologie können wir die Bürgerinnen und Bürger zu Mitbeteiligten innerhalb des Strommarktes machen, nicht nur als Verbraucher, sondern auch als Produzenten.


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Ich glaube, mit diesem Wechsel in der Grundeinstellung werden wir sehr viel entwickeln können. Wir können auch neue Erwerbsmöglichkeiten auf dem Strommarkt in Europa generieren. Das ist ein positiver Weg, den wollen wir gehen. Mit dem Nationalen Energie- und Klimaplan werden wir jetzt zeigen, dass wir mit dieser Planung voran­kommen. Wir müssen die Detailausarbeitung natürlich noch machen, aber wesentlich wird sein, wie sich eine neue Regierung in diesem Bereich aufstellt, und ich glaube, da sind die Vorzeichen sehr, sehr positiv. (Beifall bei der ÖVP.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Julia Herr. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Michael Hammer: Klimasprecherin, na klar!)


11.31.32

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen zu Hause und auf der Galerie! Vor uns liegt der Regierungsentwurf für den Nationalen Energie- und Klimaplan. Er muss bis Jahresende an die Europäische Kommission übermittelt werden, und er soll klarstellen, wie Österreich vorhat, die Klimaziele einzuhalten.

Was wir uns dabei erwartet hätten oder was ich mir dabei erwartet hätte, wären klare Maßnahmen mit abschätzbarer Wirkung, mit einer ausreichenden Gegenfinanzierung und unterm Strich mit einer Garantie gewesen, dass die Klimaziele mit dieser Strategie auch tatsächlich zu erreichen sind. All das ist im vorliegenden Entwurf nicht der Fall.

Umwelt-NGOs, Umweltverbände sprechen von keinem „vernünftigen Fahrplan“, von „gähnender Leere“ und auch von „Bankrotterklärung“. Meiner Meinung nach ist dieser Entwurf ein Schlag ins Gesicht von Zehntausenden jungen Menschen, mit denen ich noch vor Kurzem fürs Klima auf die Straße gegangen bin und die seit Monaten regel­mäßig auf die Straße gehen, um die Zuständigen hier in diesem Haus aufzufordern, nicht länger nur die schönen Schlagzeilen, sondern endlich auch konkrete Maßnahmen in der Klimapolitik auf den Tisch zu bringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Deshalb unterstützen wir natürlich den Antrag der Abgeordneten Hammer, Kollegen und Kolleginnen, denn es muss klargestellt werden, dass mit dem Nationalen Energie- und Klimaplan auch tatsächlich die Klimaziele bis 2030 erreicht werden können. Es müssen aber auch Sofortmaßnahmen gesetzt werden, und es muss klar sein, dass wir es uns einfach nicht mehr leisten können, wichtige Sofortmaßnahmen zu vertagen, wie das letzten Montag im Budgetausschuss passiert ist, und ja – weil Kollege Kogler das vorhin angesprochen hat –, genau in dieser Frage haben wir eben nicht die Zeit, die Regierungsverhandlungen abzuwarten. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringen wir heute einen Entschließungsantrag für eine jährliche Klima­schutz­milliarde ein. Dazu – wir haben es schon gehört – soll der öffentliche Verkehr ausge­baut werden, soll die thermische Gebäudesanierung ausgebaut werden und soll auch mehr Geld für Forschung und für Innovation, für Entwicklung bereitstehen. Warum erwähne ich das nochmals? – Weil das ja Forderungen sind – ich meine, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mehr Geld für Forschung und Entwicklung –, die vor weni­gen Wochen im Nationalratswahlkampf noch durch die Bank von vielen Kollegen und Kolleginnen gestellt wurden. Nur jetzt hören wir plötzlich das Gegenargument, die Klimamilliarde sei nicht leistbar, das Geld wachse ja nicht auf den Bäumen.

Dann will ich darauf verweisen, dass wir bereits jetzt durch die Auswirkungen des Klimawandels jährlich aufgrund von Klimaschäden 1 Milliarde Euro zahlen. Das sind Klimaschäden in Form von Murenabgängen, Überschwemmungen, das sind Ernte­aus-


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fälle, Waldbrände. Für all das zahlen wir ja bereits jetzt. Wäre es nicht sinnvoller, genau diesen Betrag, diese 1 Milliarde, statt sie aufgrund von Klimaschäden ausgeben zu müssen, in den Klimaschutz zu investieren, sodass wir dann vielleicht gar nicht mehr für die Klimaschäden zahlen müssen, nämlich doppelt zahlen müssen? – Auch das haben wir schon gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

Uns drohen 6,6 Milliarden Euro Strafzahlungen. Manche Leute, manche Personen, Experten, Expertinnen gehen auch von 10 Milliarden Euro aus. Bevor wir diese Sum­men in den europäischen Zertifikatehandel stecken, stecken wir diese Summen doch lieber in den öffentlichen Verkehr, in die Sanierung von Gebäuden und in die For­schung und in die Entwicklung! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir hören, dass es darum geht, auch Experten und Expertinnen, NGOs in einen größeren, in einen gesamten Klimaplan einzubinden, dann will ich nur darauf verwei­sen, dass auch NGOs wie Global 2000 sich mit der Bitte um viel Zustimmung zu die­sem vorliegenden Antrag zu Wort gemeldet haben, oder dass sich auch der WWF mit der Botschaft zu Wort gemeldet hat, jetzt nichts zu tun wäre das Teuerste, was über­haupt möglich wäre. Deshalb: Jeden Euro, den wir jetzt nicht investieren, zahlen wir später zehnfach nach, und wer das zahlen wird, wissen wir auch schon – das sind die jungen Menschen, die auf die Straße gehen.

Daher bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zusätzliche Mittel für Klimaschutzmaßnahmen in Form einer jährlichen Klimaschutzmilliarde“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regie­rungs­vorlage zuzuleiten, die zusätzliche Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen in der Höhe von 1 Milliarde Euro pro Jahr – mit u.a. den Schwerpunkten Öffentlicher Ver­kehr, Thermische Sanierung und Energieforschung – sicherstellt.“

*****

Geben wir uns einen Ruck! Ergreifen wir eine Sofortmaßnahme, klar, jetzt und nicht in einem halben Jahr! – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr, Genossinnen und Genossen

betreffend zusätzliche Mittel für Klimaschutzmaßnahmen in Form einer jährlichen Klimaschutzmilliarde

eingebracht im Rahmen der Debatte über die Erklärung der Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus gem. § 19 Abs. 2 GOG-NR zum Thema „Der nationale Energie- und Klimaplan (NEKP)“

Aufgrund der aktuellen Datenlage ist die Erreichung der Klimaziele 2020 nach Ein­schätzung der ExpertInnen des Umweltbundesamtes nicht gesichert. Für zukunfts­fähige Lösungen sind jedenfalls rasch Investitionen in langlebige Infrastrukturen und


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Technologien gefragt, die einen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger ermöglichen. Weitreichende Maßnahmen sind auch für die Erreichung der Energie- und Klimaziele 2030 unerlässlich. Österreich ist hier zu einer Emissionsreduktion von minus 36 % gegenüber 2005 für Emissionsquellen außerhalb des Emissionshandels verpflichtet. Der Entwurf für den Nationalen Energie- und Klimaplan, der im Rahmen der EU-Energieunion verpflichtend ist, stellt die Erreichung dieses Ziels nicht sicher. Selbst wenn die minus 36 % erreicht werden würden, ist nicht sichergestellt, dass das einen ausreichenden Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise darstellt. Um aber in die­sen Bereichen jedenfalls besser und schneller als bisher voranzukommen, und um Strafzahlungen in Höhe von mind. 6,6 Milliarden Euro, wenn Österreich die CO2-Ein­sparungsziele verfehlt, zu vermeiden, soll mit einer jährlichen zusätzlichen Klima­schutzmilliarde gegengelenkt werden. Mit der jährlichen Klimaschutzmilliarde werden Investitionen in den Klimaschutz unterstützt: die Mittel sollen u.a. in die Verbesserung des Öffentlichen Verkehrs (österreichweites Klimaticket, attraktive Verbindungen und Ausbau des Nahverkehrs in den Gemeinden), Thermische Sanierung, Energiefor­schung und zusätzliche Photovoltaikanlagen fließen.

Somit werden rasch wirksame Maßnahme gegen die Klimakrise finanziert und gleich­zeitig sichergestellt, dass Menschen mit geringem Einkommen geholfen wird (durch Senkung der Energiekosten nach einer Thermischen Sanierung und durch Senkung der Mobilitätskosten durch das österreichweite Klimaticket) und durch Investitionen der sich abschwächenden Konjunktur entgegengewirkt wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regie­rungs­vorlage zuzuleiten, die zusätzliche Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen in der Höhe von 1 Milliarde Euro pro Jahr – mit u.a. den Schwerpunkten Öffentlicher Ver­kehr, Thermische Sanierung und Energieforschung - sicherstellt.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Mag. Dr. Axel Kassegger, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


11.37.17

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Rechtsgrundlage für den Nationalen Energie- und Klimaplan ist ja europäisches Recht, nämlich genau die Governanceverordnung – das wissen Sie – im Rahmen des Clean Energy Package, 2018, 2019 von der Europäischen Union beschlossen, die vier Richtlinien und die vier entsprechenden Verordnungen, die auch die drei großen Ziele der Europäischen Union in diesem Bereich festlegen, nämlich die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 1990, die Erhöhung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Energiequellen auf 32 Prozent und die Steigerung der Energie­effizienz im Vergleich zu einem hypothetischen Pfad, wenn nichts getan wird, um mindestens 32,5 Prozent.


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Das sind die Ziele, die für uns selbstverständlich rechtlich relevant sind und die EU-Recht darstellen. Der Nationale Energie- und Klimaplan ist auf Grundlage dieser Governanceverordnung bis Ende des Jahres zu erstellen. Wir sind also noch im Zeitplan, es passt alles. Ich sehe auch nicht, dass da keine Maßnahmen drinnen sind. Da haben Sie ein anderes Papier gelesen oder der Frau Bundesminister oder meinem Kollegen Rauch nicht zugehört. Da ist sehr wohl eine Vielzahl an Maßnahmen drinnen.

Wir Freiheitliche sind immer schon starke Vertreter des Umweltschutzes gewesen – für uns ist Umweltschutz Heimatschutz, das ist eine freiheitliche Tradition –, allerdings mit Maß und Ziel, mit Vernunft, faktenorientiert (Abg. Loacker: Mit Tempo 140!) und ohne Angstmacherei. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Gleichzeitig sind wir auch systemisch denkend: Das ist ein Gesamtsystem, freiheitliche Umwelt- und Energiepolitik ist immer getragen vom umwelt- und energiepolitischen Dreieck. Das sind drei Ziele, die ausgewogen zu verfolgen sind. Selbstverständlich ist ein Ziel der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und der Umstieg auf erneuer­bare. Wir dürfen dabei aber auch die Versorgungssicherheit nicht vergessen. Das sind teilweise Zielkonflikte. Vor allem dürfen wir einerseits die Wirtschaft, die uns Arbeits­plätze bringt, und andererseits den Endverbraucher nicht vergessen.

Das heißt, wir wollen nicht, dass die Kosten für den Endverbraucher – das sind unsere Bürger – durch die Decke gehen, wenn man ein Ziel zu einseitig beziehungsweise überschießend verfolgt. Das ist nicht unser Zugang. Wir wollen eine ausgewogene und vernünftige Umwelt- und Energiepolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Da sind wir schon bei überschießend oder nicht überschießend: Die CO2-Reduktionen im Non-ETS-Bereich – das haben wir schon gehört – sind 36 Prozent. Das ist das Ziel der EU. Man kann sagen, das ist sehr, sehr ambitioniert. Man kann auch sagen, das ist möglicherweise überschießend. Die Grünen werden sagen: Nein, das ist noch viel zu wenig! (Abg. Kogler: Ja, hab ich eh gesagt!)

Es ist jedenfalls im Vergleich zu den minus 16 Prozent eine deutliche Steigerung. Österreich hat sich verpflichtet, 16 Prozent bis 2020 zu reduzieren, und nun sind es 36 Prozent, das ist also mehr als eine Verdoppelung, wobei das ein EU-weites Durch­schnittsziel ist – das wissen die meisten nicht –, das ist das sogenannte Burden-Sharing-System. Da ist es auch eine Frage der europäischen Solidarität, wer was einbringt.

Ich lasse es nicht zu, dass die Republik Österreich hier – inklusive der verantwortlichen Personen – als ein Land dargestellt wird, das nichts für den Klimaschutz tut, denn wir sind in diesem Bereich geradezu Musterschüler, sind immer weit vorne, in diesem Fall bei den 36 Prozent. Sie werden jetzt sagen: Die Schweden haben sogar 40 Prozent eingespart! – Ja, die Schweden haben auch ein bisserl mehr Atomkraftwerke als wir, da kann man dann leicht 40 Prozent einmelden.

Der Durchschnitt in der Europäischen Union liegt bei 30 Prozent, Länder wie Polen haben minus 7 Prozent. Man kann da durchaus auch mehr Solidarität einfordern. Anders formuliert: Ich bin nicht der Meinung, dass Österreich seine Pflichten nicht ausreichend erfüllt, denn Österreich leistet auf europäischer Ebene einen sehr, sehr guten und wichtigen Beitrag.

Aus diesem Grunde werden wir auch dem Entschließungsantrag, den wir in vielen Be­reichen oder fast allen Bereichen unterstützen und gut finden, nicht zustimmen bezie­hungsweise einen Abänderungsantrag dazu einbringen, der sich vom vorliegenden Antrag nur im letzten Satz, der uns nicht gefällt, unterscheidet.


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Da steht: „Ziel soll es sein, die Emissionen ehestmöglich, doch noch vor Mitte des Jahrhunderts, und sozial verträglich über die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens hinaus auf Netto-Null zu reduzieren, um Österreichs angemessenen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C zu leisten.“ – Das ist überschießend und das geht auch über das hinaus, was die EU in ihren Strategiepapieren vorsieht – da reden wir von minus 85 bis 90 Prozent. Das ist überschießend.

Was wäre dann der angemessene Beitrag Österreichs zur Begrenzung der Erd­erwär­mung? – Wir sprechen von einer totalen Reduktion auf null der CO2-Emissionen oder der Treibhausgasemissionen in dem kleinen Land Österreich. Der Beitrag wäre so – ich möchte das bildlich beschreiben –: Sie haben ein Schwimmbad von 8 mal 10 Me­ter, das 2 Meter hoch mit dem bösen CO2 – das ist ja tatsächlich böse – gefüllt ist und das gehört nun abgebaut beziehungsweise die Emissionen gehören verhindert. Bei einer völligen Reduktion auf null wäre der Beitrag Österreichs, einen Teelöffel CO2 aus diesem Schwimmbad herauszunehmen. Gleichzeitig werden in Afrika, China oder den USA jeden Tag Dutzende Kohlekraftwerke gebaut. Das ist doch ein globales Thema, bei dem wir globale Solidarität nicht nur einfordern sollten, sondern die muss auch stattfinden! (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Abänderungsantrag zum Entschließungs­antrag ein. Den muss ich ganz vorlesen, oder?


Präsidentin Doris Bures: Ja.


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (fortsetzend): Ich bringe folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Walter Rauch, Kolleginnen und Kolle­gen

eingebracht zu Tagesordnungspunkt 2: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 36/A(E) der Abgeordneten Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des nationalen Energie- und Klimaplans (2 d.B.) in der 3. Sitzung des Nationalrates am 13.11.2019

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die dem Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 36/A(E) der Abgeordneten Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des nationalen Energie- und Klimaplans (2 d.B.) angeschlossene Entschließung wird wie folgt geän­dert und lautet:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert den unionsrechtlichen Verpflichtungen im Klimaschutz vollumfänglich nachzukommen und den Nationalen Energie- und Klima­plan (NEKP) entsprechend zu überarbeiten, damit Österreich seine Klimaziele mit den darin beschriebenen nationalen Maßnahmen nachvollziehbar erfüllen kann.

Der Plan soll bis zur Fertigstellung Ende 2019 zuerst einer Wirkungsfolgenabschätzung und dann einer öffentlichen Konsultation unterworfen werden.

Im Rahmen der Nachbesserung des NEKP sind umgehend Maßnahmen vorzu­be­reiten, welche den Ausstoß von Treibhausgasen ohne Einsatz von risikoreichen Kom-


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pensationstechnologien, ohne Ankauf von Emissions-Zertifikaten und ohne die Einfüh­rung von neuen CO2-Steuern nachweislich verringern.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.44


Präsidentin Doris Bures: Somit ist dieser Abänderungsantrag ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Leonore Gewessler. – Bitte.


11.45.01

Abgeordnete Leonore Gewessler, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! An sich ist es ja gut, dass wir einem so wichtigen Thema wie der Klimakrise und dem Klimaschutz heute einen so breiten Raum in der politischen Debatte einräumen, jedoch ist der Anlass leider kein freudiger.

Wir sehen in der Diskussion rund um den Nationalen Energie- und Klimaplan leider so etwas wie einen fast ein bissel traurigen Höhepunkt der letzten Jahrzehnte Klimapolitik in Österreich. Gottfried Kirchengast, der Vertreter der Wissenschaft, der Klima­wis­senschaft, im Nationalen Klimaschutzkomitee hat gestern in einer gemeinsamen Pres­sekonferenz mit zivilgesellschaftlichen Organisationen – mit Fridays for Future, mit Ver­tretern des Klimavolksbegehrens – auch sehr deutliche Worte gefunden.

Es tut mir leid, Frau Ministerin Patek, das Urteil der Fachwelt ist tatsächlich eindeutig. In den Reaktionen der letzten Tage war viel von Planlosigkeit die Rede, von Lücken­haftigkeit, von Baustellenpolitik. Es kommt einem so vor, als würde die Baustelle Klima­schutz leider nie fertig.

Unter dem Motto Not my Klimaplan! waren gerade wieder am letzten Freitag unzählige junge Menschen auf der Straße, um zu sagen: Nein, wir brauchen mehr, das reicht nicht! – Das Urteil ist eindeutig, von den Aktivistinnen und Aktivisten, von den Wissen­schaftlern des Climate Change Centre Austria bis hin zu den großen Umweltschutz­organisationen, die auch schon erwähnt wurden.

Es wiegt insofern besonders schwer, weil man sich gerade auch von der derzeitigen Bundesregierung als Expertenregierung zwei Dinge erwarten könnte: Das eine – das ich mir in dieser Debatte wünschen würde – ist, dass wir die Fakten auch Fakten sein lassen und einfach einmal wirklich nüchtern und ehrlich schauen, wo wir in Österreich in der Klimapolitik stehen. Das Zweite ist, dann auch einen Plan vorzulegen, der ge­eignet ist, die Schäden, die auf Österreich zukommen können – auch die wurden viel­fach erwähnt –, von der Republik abzuwenden, und da gibt es einfach noch deutlichen Nachbesserungsbedarf.

Ich möchte kurz bei der ersten Ebene bleiben: Wo stehen wir? – Es war heute schon viel die Rede davon, dass wir Vorreiter sind und einen sehr großen Beitrag zur Ziel­erreichung leisten. Leider schaut es für Österreich derzeit nicht rosig aus, was die Ziel­erreichung betrifft. Wir werden das dritte Jahr in Folge unsere Ziele aus dem Klima­schutzgesetz nicht erreichen. Wir werden die verpflichtenden EU-Ziele 2020 voraus­sichtlich nicht erreichen. Das heißt also, der Status quo ist nicht besonders gut und der Handlungsbedarf ist riesig.

Die Anteile an erneuerbarer Energie waren zuletzt wieder rückläufig, und das, obwohl wir eigentlich von einem besonders guten Ausgangspunkt losgehen. Bei der thermi-


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schen Sanierung sind wir weit unter dem, was notwendig wäre. Wir sind da bei einer Rate von unter einem Prozent, bräuchten aber 3. Der Verkehr ist erwähnt worden. Es sind derzeit noch 700 000 Ölkessel und 900 000 Gasheizungen in Betrieb. Es werden in diesem Land immer noch mehr Ölheizungen als Pelletsheizungen eingebaut.

Das heißt also, wir haben tatsächlich die Fakten, die stehen und die einfach zeigen, wir haben riesigen Handlungsbedarf. Über diesen können wir uns auch nicht mit schönen Worten und mit dem Anschein einer Vorreiterrolle hinwegschummeln. Dort wollen wir aber wieder hin, weil das eine große Chance für unser Land ist. Nur so werden wir die Strafzahlungen vermeiden – ja, da bin ich dabei! –, nur so werden wir unsere Import­abhängigkeit von fossilen Energien reduzieren und nur so werden wir die regionale Wirtschaft fördern. Klimaschutz so gedacht ist auch wirklich eine Überlebens­versiche­rung für Österreich, also auch für Österreich und nicht nur für den globalen Süden.

Daher auch unser Antrag, den Klimaplan umfassend nachzubessern. Das und nicht weniger fordert die Klimawissenschaft in Österreich. Das und nicht weniger fordert dieser Antrag, bei dem der letzte Satz – den der Kollege gerade zitiert hat und streichen wollte – aus einem bereits einstimmig in diesem Hohen Haus beschlossenen Antrag stammt, nämlich aus jenem zum Climate Emergency. (Zwischenruf des Abg. Kassegger. – Abg. Wurm: Genau recherchieren!) Es ist nichts anderes als die Einlösung dessen, was wir hier gemeinsam schon beschlossen haben. Diese Maßnah­men gilt es nun auch tatsächlich umzusetzen, es gilt, in die Gänge zu kommen.

Die Wissenschaft ist bereit, mitzuwirken. Die Wissenschaftler, die den nationalen Re­ferenzplan erstellt haben, haben gestern noch gemeint, sie haben bis dato keine inhalt­liche Reaktion der Bundesregierung bekommen. – Auch das finde ich äußerst bedauer­lich.

Die Wissenschaft ist weiter bereit, mitzuwirken. Ich hoffe, auch die aktuelle Bundes­regierung ist es und sie wird bis zum Jahresende auch unserem Antrag entsprechend noch Nachbesserungen liefern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

11.49


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


11.49.58

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzte Frau Minister! Frau Minister, ich schätze Ihre Rolle, also dass Sie damals die Verantwortung über­nommen haben, als Expertin in eine Übergangsregierung einzutreten und diese Exper­tenrolle auch wahrzunehmen. Jedoch hat es mich jetzt ein bissel überrascht, als Sie in Ihrem Statement gesagt haben, so richtig angekommen ist die Klimakrise erst vor einem Jahr. Ich glaube, das mag Ihre gute Meinung sein, aber im Grunde genommen müssten Sie auch eine gewisse Verantwortung tragen, müssen Sie da auch als Übergangsministerin Ihre Verantwortung wahrnehmen.

Wenn wir vom Nationalen Energie- und Klimaplan ausgehen, den Sie überarbeitet haben und von dem alle Experten sagen, er ist in der Form betreffend Ziele und Maßnahmen unzureichend und nicht viel besser als der erste vorgestellte Plan der damaligen türkis-blauen Regierung, dann ernüchtert mich das schon sehr.

Ich möchte in meiner Rede auch darauf Rücksicht nehmen, was es bedeutet, wenn wir einen nationalen Energie- und Klimaplan bearbeiten und Umwelt und Wirtschaft ge­meinsam denken. Ein wichtiger Punkt, glaube ich, ist: Was passierte in der Vergan­genheit? – In der Vergangenheit hatten wir es mit drei V zu tun: mit dem Versagen, dem Verheizen und dem Verhindern.


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Das Versagen betrifft den Punkt, bei dem wir von einer aufkommensneutralen Steuer­reform sprechen, das Versagen betrifft auch den Verkehr. Es ist auch ein Versagen, nicht den Mut zu haben um zu sagen, wir müssen endlich einmal mit dem Diesel­privileg abfahren, wir müssen eigentlich eine Steuerung machen, das einschleifen lassen und dieses Dieselprivileg auch aufheben (Zwischenruf des Abg. Hörl), wenn es darum geht – was Kollegin Rendi-Wagner auch gesagt hat –, diese vielen Lkw-Fahrten einzudämmen. Da hat der SPÖ der Mut gefehlt, was sich auch gezeigt hat, als wir vor den Nationalratswahlen darüber diskutiert haben, was es heißt, die Pendlerpauschale und andere Dinge zu bearbeiten und das Dieselprivileg abzuschaffen. Wenn wir nur diesen Tanktourismus einmal bearbeiten würden, würde das alleine in Tirol, glaube ich, an die 100 000 Lkw-Fahrten eindämmen. (Abg. Hörl: So ein Blödsinn! Blödsinn!)

Das Verheizen: Ich weiß schon, die SPÖ will gerne wieder Heizkostenzuschüsse lie­fern, aber wenn wir all diese Heizkostenzuschüsse zusammenfassen und damit in eine Sanierung und eine Effizienz des Wohnbaus hineingehen würden, dann würden die Mieten nicht steigen und die Menschen würden sich damit etwas ersparen. Das ist die alte SPÖ-Kultur, dass man dann gerne wieder ein paar Hunderter verteilt und sagt: Wir tun ja etwas für euch! – Alleine diese Milliarden oder Millionen, die da hinausgepulvert werden, verheizt werden, könnten in eine Gebäudesanierung hineingesteckt werden, was am Ende wieder den Mietern zugutekommt. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Wenn man den Klimawandel auch als Chance für die Wirtschaft sieht, dann ist schon auch noch das Beispiel Schweden zu erwähnen. Dort wurde nämlich mit einer CO2-Besteuerung, mit einer Lenkungsabgabe massiv in Green Energy investiert. Da wurde massiv in die Forschung investiert. Nur so gelang es auch, das Wachstum überdurchschnittlich zu steigern und die CO2-Emmissionen zu senken. Das hat nicht alleine mit den AKWs zu tun, sondern genau das Gegenteil ist der Fall: Es wurde in Green Energy und in die Forschung investiert.

Was erleben wir in Österreich? – In Österreich melden sich Unternehmer bei mir, die Folgendes sagen:

Erstes Zitat: Wir haben im Betrieb überschüssigen Ökostrom, aber die Bürokratie verhindert, dass wir einspeisen dürfen. – Zitatende.

Zweites Zitat: Wir würden gerne ein Fernwärmenetz mit unserer überschüssigen Wärme betreiben, bekommen aber keine Genehmigung. – Zitatende.

Drittes Zitat: Wir würden gerne eine Fotovoltaikanlage am Dach montieren, ein ein­zelner Mieter verhindert es. – Zitatende.

Viertes Zitat: Wir wollten eine Erzeugergemeinschaft schaffen. Der Bürgermeister und die Landesenergieversorger sabotieren es. Unsere Bauordnung schreibt zwar Park­plätze vor, aber einen Stromstecker für ein E-Auto zu installieren, das ist ein Spieß­routenlauf. Wir würden gerne eine Leitung legen und direkt verkaufen, die Gemeinde blockiert aber. – Zitatende. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Ich kann Ihnen noch zig Beispiele aufzählen. An einer Problemlösung fehlt es auch in diesem Nationalen Energie- und Klimaplan. Es fehlen auch zentrale Maßnahmen der Entbürokratisierung der Gebäudegenehmigungen.

Ich glaube, wir müssen uns um die Rahmenbedingungen kümmern. Wie schaut es mit der Raumordnung aus? – Wir brauchen ein Bundesraumordnungsrahmengesetz. Wie schaut es mit dem öffentlichen Verkehr aus? (Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Das ist alles dreißig Jahre alte Politik. (Abg. Hörl: Zentralist!) Da haben auch die ÖVP und die SPÖ versagt, denn sie haben den öffentlichen Verkehr ausgedünnt und nun beschwe-


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ren wir uns, dass es keinen mehr gibt. (Abg. Hörl: Zentralist! – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das sind die Probleme, um die wir uns kümmern müssen. Wir müssen uns von dieser Bürokratie befreien, damit wir die Energieziele auch erreichen, und zwar zusammen mit der Wirtschaft. Umwelt und Wirtschaft muss man nämlich gemeinsam denken, das sollte Ihr oberstes Ziel sein! Sie bräuchten den Mut und müssten die Verantwortung übernehmen, auch als Übergangsministerin entsprechende Schritte zu setzen.

Sie tun sich ja besonders leicht, weil Sie nicht mehr wiedergewählt werden. Das ist das Enttäuschende: Wir haben Experten vorgesetzt bekommen – vielleicht aus einer ge­wissen Richtung, einer Partei kommend –, die trotzdem darauf horchen, was die Partei sagt, und nicht darauf, was die nächste Generation, die Bevölkerung und die Wirtschaft brauchen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.56


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


11.56.38

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier und zu Hause! Zuerst darf ich eine Gruppe des Wirtschaftsbundes aus der Steiermark be­grüßen, die trotz des steirischen Wahlkampfes Gelegenheit gefunden hat, nach Wien zu kommen. Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Beifall bei ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Herr Kollege Schellhorn, ich gebe dir in vielen Bereichen recht, aber in einer Sache muss ich etwas zurechtrücken: Es gibt in Österreich über 2 000 Gemeinden, die tagtäglich beim Klimaschutz Gas geben, und nicht nur solche, die irgendetwas blockieren. Zerren wir nicht die hervor, die etwas schlecht machen, sondern zeigen wir auch jene über 2 000, die tagtäglich vieles gut machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wir alle wünschen uns eine politisch aktive Jugend. Dieser Wunsch ist in den letzten Monaten in Erfüllung gegangen. Jugendliche sind auf die Straße gegangen, um für das Klima, für unsere Erde zu demonstrieren. Sie haben für ihre Zukunft aufgeschrien und dieser Aufschrei wurde gehört. Der Klimaschutz ist heute schon seit Stunden allgegenwärtig und er war es auch in den letzten Sitzungen. In dieser Hinsicht haben die Handlungen dieser jungen Menschen viel bewirkt. Auch die Grünen sind wieder im Nationalrat. Ein eigenartiges politisches Zusammenwirken: Das politische Pilz-Sterben bringt die Grünen zurück ins Parlament; das hat auch viel Gutes.

Jedenfalls möchte ich mich ungeachtet unterschiedlicher Meinungen bei diesen jungen Menschen bedanken, weil sie eigentlich hauptverantwortlich dafür sind, dass wir hier in dieser Intensität über den Klimaschutz diskutieren. – Vielen Dank!

Diese Demonstrationen haben auch viel Leidenschaft in das Thema gebracht – eine Leidenschaft, die wir vielleicht bis vor Kurzem noch nicht hatten. Meine Damen und Herren, es geht aber – davon war hier heute auch schon vielfach die Rede – nicht nur darum, Verbote zu schaffen, denn uns, der neuen Volkspartei, geht es vor allem auch darum, Anreize zu schaffen. Wir brauchen Angebote, wir brauchen Gebote und wir brauchen wenig Verbote, um den Klimaschutz auch umsetzen zu können.

Wir müssen das Pferd richtig aufzäumen und an der Basis beginnen. Ich bin da wieder bei den Gemeinden und den Regionen. Wenn dort der Klimaschutz nicht funktioniert, dann wird er auch überörtlich nicht funktionieren. Es braucht das Zutun der Bürge­rin-


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nen und Bürger, aber auch der Gemeinden und der Regionen. Die Regionen und die Gemeinden können da viel tun.

Meine Region zum Beispiel hat mit all ihren Entscheidungsträgerinnen und Entschei­dungsträgern erkannt, dass man Maßnahmen betreffend den Klimaschutz akkordieren muss, dass man die Klimaschutzförderungen akkordieren muss, dass es einen Mikro-ÖV als Alternative für den öffentlichen Verkehr braucht, um Menschen mobil zu halten, und dass es eine Energieraumplanung braucht, um die Weichen für die Zukunft auch in der Raumordnung richtig zu stellen.

Meine Vorredner haben bereits erwähnt, dass es auch die Regionalität ist, die viel für den Klimaschutz tun kann. Ich bin da auch beim Einzelhandel, meine Damen und Herren. Wir alle haben es in der Hand, den europäischen Frachtverkehr einzudämmen, indem wir uns bewusst machen, was Onlineshopping bedeutet und wie viel Gutes hin­gegen das regionale Einkaufen an sich hat. Dementsprechend sollten wir Regionalität mehr als fördern und unterstützen. Wir brauchen vitale Ortskerne. Onlineshopping ent­spricht sicher dem Zeitgeist, es kann aber nicht die einzige Wahrheit sein, auch hinsichtlich des Klimaschutzes.

Es braucht natürlich auch tiefgreifende Maßnahmen – da bin ich auch bei meinen Vorrednern. Diese müssen auf unserer Agenda ganz weit oben stehen, so, wie es die Pariser Ziele auch vorgeben. Da komme ich noch einmal zum Ökostrompaket, das wir vor rund zwei Monaten beschlossen haben, meine Damen und Herren. Mit diesem Ökostrompaket als unmittelbarer Auswirkung der Jugenddemonstrationen schaffen wir es, dass in Österreich Jahr für Jahr Fotovoltaikanlagen in der Größe von 95 Fuß­ballfeldern gefördert errichtet werden können – 95 Fußballfelder, Jahr für Jahr! Das ist ein gewaltiger Impuls in Richtung Klimaschutz, ein gewaltiger Impuls in Richtung erneuerbare Energie, über den und auf den wir uns sehr, sehr freuen können.

Meine Damen und Herren, es braucht wie gesagt viele große, nachhaltige, intelligente Maßnahmen. Es braucht aber auch Tausende kleine Maßnahmen, und da bin ich auch beim 1 000-Dächer-Programm, da bin ich bei den Maßnahmen, die die Regionen set­zen können.

Ich finde, wir sind aufgerufen, etwas für den Klimaschutz zu tun, und ich glaube, dass wir es schaffen; und ich bin überzeugt davon, dass wir es schaffen, das Klima für die Zukunft zu schaffen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.01


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.


12.01.50

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und ZuhöhrerInnen und Zuse­herIn­nen! Ein Nachsatz noch zum Kollegen Stark: Ich bin kein Freund von Amazon und Co, von diesen Monopolbetrieben, die es unserem stationären Handel schwer machen, zu überleben. Ich bin aber nicht ganz sicher, ob Ihre These richtig ist, dass, wenn 100 Kunden in gemischter Form zu einem Fachgeschäft fahren, weniger CO2 anfällt, als wenn die Post – bei mir zu Hause in Wien mit einem Elektrofahrzeug – in einer Straße 100 Pakete ausliefert. Da bin ich nicht ganz sicher, das würde ich einmal nach­prüfen.

Jetzt aber zu unserem Thema: Ich war ja nach diesem Montag im Budgetausschuss eigentlich gerüstet, etwas – sagen wir einmal – heftiger mit den grünen Freundinnen und Freunden zu reden, aber da das heute so konsensual begonnen hat, möchte ich es ein bisschen anders anlegen.


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Ich bin das erste Mal im Jahr 2002 in den Nationalrat gewählt worden. Damals hat ein gewisser Wolfgang Schüssel an der Spitze der ÖVP die FPÖ auf 10 Prozent reduziert und sich von dort so viele Wählerinnen und Wähler geholt, dass er auf 42 Prozent kam. Bereits damals gab es den Versuch, mit dem Budget- und Finanzexperten Werner Kogler im Team mit der ÖVP zu einem Regierungsprogramm zu kommen. Meine Bewunderung und Wertschätzung für den Verhandlungsführer Alexander Van der Bellen kam daher, dass er mit Rückgrat, Anstand und allem, was dazugehört, dann Nein gesagt hat. Das war mit ein Grund dafür, warum ich Sascha Van der Bellen von ganzem Herzen unterstützt habe, Bundespräsident zu werden. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Er hat das mit Anstand gemacht, und diese Haltungsbewahrung ist eines der wesentlichen Dinge, die wir brauchen.

Das menschliche Skelett besteht aus einer Reihe von Wirbeln und Knochen, die man nicht durch einen Gartenschlauch ersetzen kann, weil der aufrechte Gang darunter leiden würde. Dann ist es nicht mehr möglich, auf Augenhöhe zu Gesprächen zu kommen – die Augen wären diese zwei Körperöffnungen, wo diese gläsernen Geräte namens Augen drinnen sind. (Zwischenruf des Abg. Kogler.) Dazu muss man einen aufrechten Gang haben. Alles andere führt an falsche Stellen.

Ehrlich gesagt ist mein Ratschlag (Ruf bei der ÖVP: Märchenstunde!) an die Freun­dinnen und Freunden bei den Grünen: Es nützt euch nichts, wenn ihr im Ausschuss so, als gäbe es schon eine Koalition, in Abstimmung Vertagungsanträge einbringt, wenn der Klubsekretär der ÖVP rübergeht und noch kurz Anweisungen gibt. – Das bringt nichts, es verschlechtert eure Verhandlungsposition! (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ:.. so geht das!) Im Moment gilt: Je härter und fester ihr auftretet, desto besser ist es.

Jetzt greife ich auf, was Werner Kogler hier sehr sympathisch gesagt hat. (Zwischenruf des Abg. Zanger.– Er hat nicht immer sympathisch geredet. Gefühlte 100 000 Mal – wir müssen im Stenographischen Protokoll nachschauen – hat er von der Räuberleiter gesprochen. (Abg. Wurm: Räuberleiter!) Dieses Vokabel, Werner, solltest du dir für die nächsten Jahre nicht einfangen, das solltest du nicht öfter hören müssen.

In diesem Sinne gibt es heute eine Chance für einen Lackmustest. Du hast ausgeführt, dass es nicht möglich sei, dem Initiativantrag zuzustimmen, weil hinsichtlich Wirkungs­abschätzung für zehn Jahre noch geprüft werden muss. Julia Herr hat einen Ent­schließungsantrag eingebracht, der, wenn er angenommen wird, nur dazu führen würde, dass die Bundesregierung jetzt schon konkrete Vorschläge vorlegen muss, wie es im Nahverkehr mit einer Milliarde weitergeht, wie es im Bereich der Energie­forschung weitergeht, wie wir die Dämmung machen. (Abg. Kogler: Es fehlt ja ...!) Wenn man dich, Werner, ernst nimmt, müsst ihr das Rückgrat haben, um nachher aufzustehen. (Beifall bei der SPÖ.) Dafür müssen die Wirbel reichen.

Das wünsche ich mir. Warum? – Weil von den 660 000 Wählerinnen und Wählern, die euch gewählt haben, ein Drittel von uns gekommen ist, und das sind anständige Leute. (Beifall bei der SPÖ sowie Heiterkeit und Beifall des Abg. Wurm.) Sie haben euch gewählt, um etwas zu erreichen, und nicht, damit hier die Räuberleiter gemacht wird. Daher meine Bitte: Zeigt das vor, macht das, habt Rückgrat, steht auf, liebe Freun­dinnen und Freunde! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Die waren ja nur ge­liehen! 2017 war’s ja umgedreht! – Ruf bei der FPÖ: ... haben schwarz gewählt, ja!)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 67

12.06.42

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Zuschauer! Mein Dank gilt einmal Ihnen, Frau Bundes­minis­terin, und natürlich auch den Verantwortlichen der Vorgängerregierungen für die Vor­lage dieses durchaus sehenswerten Papiers. Ich danke vor allem für die Verant­wor­tung, die hierbei auf breiter Ebene gezeigt wird. Dieses Papier wird vor dem Hinter­grund eines Szenarios präsentiert, über das man doch langsam, aber sicher auch einmal nachdenken sollte.

Es geht um die Grundstoffindustrie und um die Autoindustrie. Nehmen wir einmal konkret die Autoindustrie her: Derzeit gehen bei Autofirmen und ihren Zulieferern in Europa circa 50 000 Arbeitsplätze verloren. Das sind bekannte Namen: Bosch, Continental, BMW, VW, Opel. 360 000 weitere Arbeitsplätze sind in den nächsten zwei Jahren in Gefahr, verloren zu gehen. Das sind Jobs, wie es immer so schön heißt, das sind Arbeitsplätze; das bedeutet Geld, das für Familien da ist und ausgegeben wird, für Kinder, für Ernährung, für Wohnen und so weiter.

In der Grundstoffindustrie gehen in Italien wahrscheinlich 10 000 Arbeitsplätze ver­loren. Thyssenkrupp setzt 2 000 Mitarbeiter frei. In Linz können wir darauf warten, dass ein ähnlicher Schritt hoffentlich noch vermieden wird, wahrscheinlich wird er sich aber nicht vermeiden lassen. In Deutschland hält die IG Metall Mahnwachen – Mahnwachen wegen zu hoher Energiekosten und zu hoher Umweltauflagen.

Ja, meine Damen und Herren, darüber sollte man auch einmal nachdenken, wenn man hergeht und diesen Energie- und Umweltplan von Grund auf als schlecht bezeichnet. Ich zitiere den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Eder von der Voestalpine, er sagt: Wer glaubt, in den nächsten 20 Jahren gibt es Änderungen im CO2-Regime, der unterliegt einer Utopie. – Zitatende. Ja, bitte, das zeigt ja ganz genau, woran das System krankt!

Wir haben in der Politik wunderbare Politikwissenschaftler, Juristen, wir haben Jour­nalisten und alles Mögliche, und die erklären uns ex cathedra, also vielleicht mit Unfehlbarkeit, wie das jetzt in der Wirtschaft vor sich zu gehen hat. – So wird es nicht funktionieren, und das ist genau der Grund, warum aus Europa die Betriebe in die USA – in die bösen USA, die teilweise höhere Umweltauflagen als wir in Europa haben – oder nach Asien absiedeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir brauchen Maßnahmen, das ist ganz klar. Die zitierten Maßnahmen, die in diesem Plan enthalten sind, sind nicht schlecht. Ich gehe auch davon aus, dass die SPÖ die Nahverkehrsmilliarde, die Forschungsgelder, die Maß­nahmen betreffend Raumplanung und auch Wasserstoff und Ähnliches nicht ablehnt, sondern sogar ganz konkret befürwortet.

Wir brauchen aber auch mehr Europa, und zwar mehr intelligentes Europa – zum Beispiel, dass man die 10 Prozent der umweltfreundlichsten Betriebe in den Sparten hinsichtlich Zertifikate freistellt, damit sie nicht doppelbelastet sind. Ich weiß, dass das verschiedenen Parteien in Österreich egal ist, aber das bringt unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze um. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte mehr intelligentes Europa, wenn es um den Tanktourismus geht, denn jeder Volksschüler kann zusammenrechnen, wie viel die Lkws, die dann damit in an­dere Länder fahren, an den Tankstellen tanken. Dieser Tanktourismus unterstützt unseren Finanzminister. Wenn wir ihn kurzfristig wegfallen lassen, sind 6 Prozent unserer Finanzmittel weg. Das kann manchen, die immer nur sagen, da muss man Geld in die Hand nehmen, egal sein – aber bitte tun Sie das nicht in Österreich mit dieser eh schon hohen Steuerbelastung, denn die Finanzmittel werden weg sein, wenn es so weit ist!


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Ich erwarte mir natürlich auch, dass in diesem Parlament – wie es immer so schön heißt – Maßnahmen nicht gegen, sondern für die Bevölkerung beschlossen werden. Die Bevölkerung, das Volk, die Österreicher werden nicht durch irgendwelche NGOs repräsentiert, sondern durch dieses Parlament. Wir sollen nicht für die NGOs, sondern für die Menschen etwas beschließen. Wir wollen gute Maßnahmen.

Wir wollen auch, dass man die Demokratie respektiert und beispielsweise die Unter­zeichner des Klimavolksbegehrens berücksichtigt, aber das gilt für alle Volksbegehren und nicht bloß für die, die einem ideologisch gerade unter die Nase passen. Wenn er direkte Demokratie ernst nimmt, dann erwarte ich von Klubobmann Kogler, dass er das auch entsprechend umsetzt – ansonsten müsste man ihn einer Rückgratschwäche zeihen.

Meine Damen und Herren, es braucht vernünftige Maßnahmen, wie sie in diesem Plan enthalten sind, vernünftige Maßnahmen für die Wirtschaft und vor allem für Arbeits­plätze und soziales Auskommen in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.


12.12.12

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr hat die wichtigste Seite des Nationalen Energie- und Klimaplans so ausgeschaut (ein Blatt Papier in die Höhe haltend, das bis auf eine Zeile unbedruckt ist): eine leere A4-Seite. Sie ist nicht ganz leer, oben steht: „Folgenabschätzung zu geplanten Politiken und Maßnahmen“. Ein Jahr später, am 13. November, eineinhalb Monate, bevor wir diesen Plan nach Brüssel schicken müssen, ist die Seite immer noch leer, die Fußnote hat sich etwas geändert. Diese leere Seite ist genauso leer wie die Versprechungen der öster­reichi­schen Klimapolitik in den letzten 30 Jahren. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Herr.)

Immer wieder wurden die notwendigen Maßnahmen verschoben oder blockiert. Öster­reich hat sich zwar vorgenommen, bis zur Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral zu sein, aber das Wie ist noch nicht beantwortet. KlimawissenschafterInnen sagen uns: Unsere Emissionen werden heuer wieder steigen.

Meine Damen und Herren, es geht natürlich auch darum, dass wir unsere EU-recht­lichen Verpflichtungen im Klimaschutz erfüllen, aber es geht diesbezüglich vor allem um eine moralische Verpflichtung. Es geht um eine Verpflichtung unseren Kindern und Enkelkindern gegenüber, um eine Antwort auf die Frage, wie wir verhindern, dass aus der Klimakrise eine Klimakatastrophe wird, wie wir es als Republik Österreich schaffen können, einen angemessenen Beitrag zu leisten, und wie wir unsere Klima­schutz­ziele – und zwar unsere Pariser Klimaschutzziele – erreichen können.

Dieses Papier, das Sie vorgelegt haben, verehrte Ministerin (in Richtung Bundesminis­terin Patek), liefert leider keine ausreichenden Antworten auf diese Fragen. Die EU-Kommission hat im Frühling unseren Plan gerügt, das wissen Sie. Es fehlt zum Beispiel eine Liste der klimaschädlichen Subventionen – ganz abgesehen davon, dass dahinter kein Plan steht, wie wir sie abbauen. Es fehlt sogar die Auflistung dieser klimaschädlichen Subventionen, es fehlt ein Vorschlag, wie wir das alles finanzieren, es fehlt eine Kostenabschätzung. In diesem Entwurf ist das alles nicht enthalten. Und zur Folgenabschätzung legen Sie diese leere A4-Seite vor.

Der Entwurf ist zurzeit in Begutachtung und ich frage mich schon: Wie sollen wir diesen Plan ordentlich begutachten, wenn die wichtigste Information zur Begutachtung dieses


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Plans – nämlich ob die Maßnahmen überhaupt ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen – fehlt? (Beifall bei den Grünen.)

Es wurde schon angesprochen: Es kommt immer dieses Argument, dass es ja nur eine Expertinnen- und Expertenregierung sei – Übergang, verwaltet nur. Ich habe am Anfang gedacht, das sei endlich eine Chance für den Klimaschutz: Eine ExpertIn­nenregierung kann frei von politischen Zwängen rechnen, recherchieren und einen Plan vorlegen, eine sachliche Antwort auf die Frage geben, wie wir unsere Klimaziele erreichen können, konkrete Vorschläge machen. Die führenden Klimawissen­schaf­terIn­nen – auch das wurde angesprochen – haben sich die Mühe gemacht, einen mehrere Hundert Seiten langen Referenzplan auszuarbeiten. Leider sagen uns diese Wissen­schafterinnen und Wissenschafter: Wir werden nicht gehört, es gibt keine Antworten und es wurde schon gar nichts von unseren Vorschlägen integriert!

Sie hätten eigentlich nur abschreiben müssen – auch das haben Sie nicht getan –, stattdessen haben Sie ein Paket vorgelegt, das, das muss ich leider sagen, nicht ausreichen wird. Da sind sich alle Expertinnen und Experten einig.

Wir wissen, es ist gerade im Verkehrsbereich besonders bitter. Da werden wir, so wie es derzeit aussieht, unsere Emissionsziele verfehlen. Ich erkenne an, dass dies­be­züglich nachgebessert wurde, aber so, dass es einfach zu wenig ist – und das zieht sich sozusagen durch den ganzen Plan. Ich möchte da ein Beispiel geben: Sie schla­gen vor, dass Taxis ab dem Jahr 2025 emissionsfrei betrieben werden. Das ist eine gute Maßnahme, aber in Wien sind zum Beispiel nur 0,36 Prozent aller zugelassenen Pkws Taxis. Das reicht nicht aus, würde ich sagen. Andere Länder gehen da weiter: In Norwegen werden ab 2025 und in Schweden ab 2030 nur noch emissionsfreie Pkws neu zugelassen. – Das wäre ein mutiger Schritt. (Beifall bei den Grünen.)

Sie schreiben ja selbst in das Verkehrskapitel des Planes, der eigentlich sagen soll, wie wir unsere Klimaziele ganz konkret erreichen, hinein: Es wird nicht reichen und es wird noch eine Vielzahl von Maßnahmen hoher Intensität brauchen, wie zum Beispiel den Abbau von umweltschädlichen Subventionen und eine Ökologisierung des Steuer­systems. Einfach nur hineinzuschreiben, dass es in der Theorie eine gute Idee wäre, ist mir einfach zu wenig. Da hätte ich mir viel konkretere Vorschläge gewünscht, die man dann auch tatsächlich durchrechnen kann.

Ja, natürlich gibt es bald eine neue Regierung, aber jede Regierung hat zu ihrer Zeit eine Verantwortung. Sie können auch nicht sagen: Ich bin nicht dafür verantwortlich, wenn das Kind auf die Straße läuft, ich bin ja nur die Babysitterin, die Eltern kommen morgen in der Früh, sollen die sich darum kümmern. – Sie haben jetzt eine Verant­wortung, Sie haben bis zum Ende dieses Jahres eine Verantwortung, und ich bitte Sie, dieser Verantwortung auch nachzukommen.

Die Kinder und Jugendlichen, mit denen ich am Freitag wieder auf der Straße war, haben gesagt: This is not my climate plan, das ist nicht unser Klimaplan. – Es kann nicht unser Klimaplan sein, weil dieser Plan unsere Emissionsverpflichtungen nicht erfüllt.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir es im Klimaschutz in Österreich endlich einmal richtig machen: keine Einzelmaßnahmen, von denen wir überhaupt keine Ahnung haben, was sie bringen, sondern ein Gesamtplan, der durchgerechnet ist, in dem es ordnungsrechtliche Maßnahmen, steuerliche Maßnahmen und eben auch För­derungen gibt. Ich freue mich deshalb auch, dass unser Antrag so viel Unterstützung findet, und bedanke mich sehr.

Am Schluss, weil wir ja schon nach dem Ausschuss gesprochen haben, Kollege Matznetter, möchte ich noch einen Verdacht äußern, warum sich dieses Mal viele


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Menschen dazu entschlossen haben, die Grünen zu wählen und nicht die SPÖ: Mein Verdacht wäre, dass die Menschen wissen, dass wir Klimaschutz seit vielen, vielen Jahren mit voller Ernsthaftigkeit gegen alle Widerstände und nicht nur mit billigem Populismus betreiben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.19


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


12.19.28

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Sehr verehrte Kolleginnen, Kollegen, Zuseherinnen und Zuseher! Ich finde es recht passend, dass ich als Sprecher für Jugend und vor allem als jüngster Abge­ordneter hier im Hohen Haus meine erste Rede zu der größten Bedrohung für die jungen Menschen und für meine Generation halten werde.

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel wird oft von einer Bedrohung, von einer Katastrophe, von Kosten gesprochen. Das klingt immer so abstrakt, aber was bedeutet das eigentlich konkret? – Der durchschnittliche Abgeordnete hier im Hohen Haus ist 1972 geboren. Mit etwas Glück werden Sie die 2050er-Jahre erleben. Wenn wir weiter handeln wie bisher, dann rechnet das internationale Klimakomitee vor – es nennt das das Worst-Case-Szenario, das RCP-8.5-Scenario –, dass wir eine Klimaerhitzung von 2,5 Grad haben werden. Diese Erhitzung, dieser Zustand wird eine destabilisierende Wirkung auf die Ökosysteme und auf die Landwirtschaft haben, und unsere Gesund­heit ist dabei ernstlich gefährdet.

Ich bin 1995 geboren. Bei einer gleichbleibenden Lebenserwartung werde ich bis ungefähr 2070 leben. In diesem Worst-Case-Szenario sind wir an einem Punkt ange­langt, an dem der halbe afrikanische Kontinent und der Nahe Osten unbewohnbar sein werden. Wir werden in Europa mit Hunderten Millionen Klimaflüchtlingen konfrontiert sein, aber wir werden in Europa auch genügend eigene Probleme haben: Die Wasser­versorgung in Spanien, Griechenland und Italien ist kollabiert, die Land­wirtschaft ist zerstört. Die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Belgien werden ernsthafte Probleme mit dem Meeresspiegel bekommen. In Österreich ist die Ver­steppung der Donauebene und des Burgenlands voll im Gange. Für ältere Menschen ist mittlerweile jeder Sommer lebensbedrohlich.

Die Generation nach mir, die Enkel des durchschnittlichen Abgeordneten hier, werden mit etwas Glück das Jahr 2100 erleben. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann rechnet das internationale Klimakomitee vor, dass wir eine Klimaerhitzung von 5,5 Grad haben werden. Eine menschliche Zivilisation ist unter diesen Vorausset­zun­gen schwer vorstellbar. Jeder und jede hier, der beziehungsweise die einen Sohn, eine Tochter oder Enkelkinder hat, muss verstehen: Das sind keine Horrorszenarien oder abstrakte Modelle, es ist schlicht und einfach die Fortschreibung von Trends der letzten Jahre und Jahrzehnte. Das, was ich gerade beschrieben habe, ist die Welt, die Sie ohne Umsteuern Ihren Kindern und Enkelkindern hinterlassen. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Obwohl diese Problematik wissenschaftlich gesichert ist, haben die letzten Genera­tionen unser Wirtschaftssystem, die Energieversorgung, die Mobilität auf fossilen Brennstoffen aufgebaut. Meine Generation ist die allerletzte, die die Folgen dieser Politik verhindern kann, aber auch jene, die bereits den Preis dafür zahlen wird. Ich bin überzeugt – um das Ganze positiv abzuschließen –, es ist nicht zu spät. Mit ambi­tionierten Maßnahmen können wir das Ruder herumreißen. Dafür brauchen wir aber unter anderem einen offensiven Nationalen Energie- und Klimaplan.


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Ich möchte meine erste Rede mit einem Appell an die bestehende Expertenregierung, aber vor allem auch an die kommende Regierung abschließen: Sie haben eine histo­rische Chance. Sie können die erste Bundesregierung sein, die wirklich für die nächste Generation eintritt, oder nur die letzte von vielen, die weiterhin Pensionszuckerl verteilt, ohne an ein Übermorgen zu denken, und die uns Junge mit dieser riesigen Heraus­forderung im Stich lässt. Handeln Sie! Wir Junge, unsere Generation, wir zählen auf Sie. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

12.23


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.


12.23.36

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Liebe Zuseher der heutigen Nationalratssitzung! Als Mutter zweier Töchter weiß ich, dass die Jugend optimistisch und zuversichtlich in die Zukunft blickt – und das mit Recht. Für uns Abgeordnete heißt das, diese Zukunftsthemen in der kommenden Ge­setzgebungsperiode in die Hand zu nehmen.

Die Umwelt ist eine Querschnittsmaterie, denn alle Entscheidungen, die von uns dies­bezüglich getroffen werden, betreffen am meisten die nächsten Generationen. Jeder Beschluss, der hier gefällt wird, wirkt sich auf unser Land aus. Die Kon­sequenzen tragen aber die Erwachsenen von morgen und übermorgen. Es liegt also in unserer Verantwortung, nachhaltig für die nächsten Generationen zu arbeiten.

Der Nationale Energie- und Klimaplan sollte Klimaschutz mit Wirtschaft und Land­wirtschaft verbinden. Mit dem Entfall der Eigenstromsteuer für Fotovoltaikstrom wurde hier schon ein erster großer Schritt gesetzt. Weitere Punkte müssen folgen, wie zum Beispiel die Schaffung des 100 000-Dächer-Fotovoltaik- und –Kleinspeicher­programms. Ziel muss es sein, 100 Prozent erneuerbaren Strom bis 2030 zu erreichen. Ziel muss es sein, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Ziel muss es sein, die Emissionen ehestmöglich und sozial verträglich auf netto null zu reduzieren. Um diese Ziele zu erreichen, braucht man aber einen gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss. (Beifall bei der ÖVP.)

Unter dem Motto Eigenverantwortung fängt das Ganze bei jedem Einzelnen selbst an. Seit 2017 habe ich selbst bei meiner kleinen Landwirtschaft auf Eigenstromversorgung umgestellt. Für mich sind das also keine leeren Worte, sondern Taten, die jeder Einzelne von uns setzen kann. Wir haben die Welt nicht von den Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dr.in Sonja Hammerschmid ist die nächste Rednerin. – Bitte.


12.26.25

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es recht spannend, dass wir beim Thema Klimaschutz und Klimawandel immer von den Kindern reden. Es wird uns alle treffen, würde ich meinen, und darum möchte ich das Gedanken­experiment, das Kollege Shetty begonnen hat, noch ein Stück weiterführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich die Welt, Europa, Österreich, Ihre Heimatgemeinde in 30 Jahren vor! Was sehen Sie da? Blühende Wiesen? Schnee­bedeckte Berge? Gesellschaftlichen Wohlstand und Zusammenhalt? – Ich glaube nicht. Ich sehe das nicht mehr.


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Mein Bild sieht so aus: Dürre, Stürme und Überschwemmungen machen viele Gebiete der Welt unbewohnbar. Landwirtschaft, Ackerbau und Gemüsebau sind vielerorts nicht mehr möglich, werden auch in Österreich schwierig werden. Der Weinbau wird sich Richtung Skandinavien verabschieden. 400 000 Millionen Menschen sind auf der Flucht – das sind nicht meine Zahlen, sie sind gut belegt. Die Erwärmung der Erde führt zum sechsten Massensterben von Lebewesen. Die Pole schmelzen, der Perma­frostboden taut auf und viele, viele weitere unumkehrbare Entwicklungen treten ein.

Warum bin ich so pessimistisch? – Liebe Frau Ministerin, ich habe Ihre Worte wohl ge­hört; es müssen eben Taten folgen. Und wenn ich Frau Kollegin Köstinger aufmerk­sam zugehört und sie richtig verstanden habe, dann hat sie die Ausrede dafür, warum wir die Ziele des zukünftigen Klima- und Energieplans nicht erreichen, gleich mitgelie­fert, denn sie sagt: Die anderen erreichen es auch nicht, also müssen wir es auch nicht schaffen!

So geht es nicht, denn die Treibhausgase in Österreich sind in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge gestiegen. Aufgrund unseres Produktions- und Konsumverhaltens würden wir derzeit 3,3 Erden benötigen. Die Erde wird es überleben, liebe Kolleginnen und Kollegen – wir nicht. 3,3 Erden: Wir tun weiter so, als wäre nichts, business as usual, die Bundesregierung legt einen unzureichenden Aktionsplan vor – das haben wir heute schon mehrfach gehört –, und am Montag wurde als Sahnehäubchen im Budgetaus­schuss auch noch ein Mauterlass für fünf Regionen durch ÖVP, FPÖ und Grüne ge­nehmigt, und das in Zeiten, in denen wir den Klimanotstand hier im Parlament aus­gerufen haben.

Als Biologin, liebe Kolleginnen und Kollegen, appelliere ich an Sie: Nehmen Sie die Wissenschaft ernst! Vor einer Woche – das haben wir heute schon gehört – haben wir von 11 000 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern den Appell erhalten, besser gestern als morgen zu handeln. Das ist das Papier (ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe haltend), fünf Seiten, nicht schwer zu lesen und gut verständlich. Nehmen wir diese Wissenschafter ernst! Sie sagen uns auch klar: Es braucht radikale Maß­nahmen, nicht ein bisschen Klein-Klein. Radikale Maßnahmen brauchen wir im Bereich der Energieeffizienz, bei der Reduktion der Emissionen und zum Schutz der natür­lichen Ressourcen. Wenn wir es nicht tun, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dann stehen wir selbst vor viel, viel größeren Problemen als 6,6 Milliarden Euro Straf­zahlungen – nicht nur unsere Kinder, wir selbst werden es erleben; unsere Kinder und Enkelkinder umso mehr.

Ich weiß, dass das ein drastisches Bild ist, aber es ist notwendig, damit endlich einmal etwas getan wird, damit Aktion hineinkommt, und all unser Handeln hier im Hohen Haus, in der Politik – das ist unsere Verantwortung als Politikerin, als Politiker – haben wir dem Ziel der Klimaneutralität unterzuordnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Wir haben heute schon einen Entschließungsantrag eingebracht und ich bringe jetzt einen zweiten ein. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, es ist ein Ent­schließungsantrag, und damit Sie es besonders leicht haben, diesen Antrag – damit wir ins Handeln kommen – mitzutragen, haben wir ihn von Ihnen abgeschrieben, von Ihnen selbst aus dem Jahr 2014, damals von Georg Willi eingebracht. (Abg. Stögmüller: Wir wissen’s!)

Ich lese den Entschließungsantrag vor:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein­führung des 1-2-3-Klimatickets und einer flächendeckenden LKW-Bemautung“


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen im Zusam­menwirken mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Umsetzung einer flächendeckenden LKW-Maut in Österreich ohne weiteren Aufschub einzuleiten.“

*****

Was ist so schwierig? – Der Klimanotstand ist da, wir können nicht länger zuwarten. Also bitte, ich lade Sie ein, zum Handeln, in Aktion zu kommen! Natürlich braucht es einen gesamten und abgestimmten Plan, aber fangen wir doch endlich an und warten wir nicht, bis Sie mit den Verhandlungen fertig sind, ein Budget haben und vielleicht in einem Jahr beginnen können, darüber nachzudenken, einen Gesamtplan zu machen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger diplomé, Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

betreffend Einführung des 1-2-3-Klimatickets und einer flächendeckenden LKW-Bemautung

eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärung der Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus gem. § 19 Abs. 2 GOG-NR „Der nationale Energie-und Klimaplan (NEKP)“

Aus Gründen des Klimaschutzes ist es wichtig, die tatsächlichen ökologischen Kosten des LKW-Verkehrs entsprechend zu vergebühren, um gegenüber der umweltfreund­lichen Alternative Schiene eine Kostenwahrheit zu erzeugen und damit den Modal-Split zu Gunsten der Schiene zu verlagern.

Diesbezüglich ist es notwendig, Kraftfahrzeuge über 3,5 Tonnen auch auf dem niederrangigen Straßennetz flächendeckend zu bemauten und diese Maßnahme, die bereits seit mehreren Jahren politisch gefordert wird (z.B. Entschließungsantrag der Abg. Georg Willi, Freundinnen und Freunde, 233/AE vom 24.2.2014) ohne weiteren Aufschub einzuleiten.

Aus den Einnahmen der flächendeckenden LKW-Maut soll das 1-2-3 Klimaticket finan­ziert werden.

Damit klimafreundliche öffentliche Verkehrsmittel für noch mehr Menschen eine echte Alternative zum Auto werden, muss das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln güns­tiger, schneller und einfacher werden. Dazu soll ein österreichweites Klimaticket ein­geführt werden, das es ermöglicht, um 3,-- Euro am Tag alle öffentlichen Verkehrs­mittel, also Bahn, Bus und U-Bahn zu benutzen. Wesentlich erscheint ein mehrstufiges Modell, um alle Bedürfnisse abzudecken: Für 2,-- Euro am Tag sind drei Bundesländer abgedeckt und um

1,-- Euro am Tag ein Bundesland.

Sohin soll ein Ein-Bundesland-Ticket 365,-- Euro, ein Drei-Bundesländer-Ticket 730,-- Euro und ein Gesamt-Österreich-Klimaticket 1.095,-- Euro jeweils pro Jahr kosten.


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Durch die Einführung dieses Klimatickets sollen die Österreicherinnen und Österreicher die Möglichkeit haben, auf umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen und zwar mit einem einzigen Ticket, das auch leistbar ist. Die Mehrstufigkeit des Modells soll dazu führen, dass alle Bedürfnisse an öffentlichen Verkehrsmitteln abge­deckt werden. Das Modell ist unkompliziert und soll damit viele Menschen bewegen, auf saubere und leistbare öffentliche Verkehrsmittel – ohne Verzicht – umzusteigen.

Aus diesem Grund muss auch die Infrastruktur massiv ausgebaut werden: neue Verbindungen am Land und in der Stadt, moderne Bahnhöfe und Haltestellen sowie intelligente Mikro-Verkehrssysteme.

Durch diese Maßnahme ist es auch möglich, die teuren finanziellen Folgeschäden, nämlich Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe, zu verhindern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen im Zusam­menwirken mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Umsetzung einer flächendeckenden LKW-Maut in Österreich ohne weiteren Aufschub einzuleiten.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher auch mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Dr.in Astrid Rössler, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


12.32.07

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat! Zuseherinnen und Zuseher! Sehr unterschiedliche Stimmungen sind hier heute zum Thema Klima­schutz spürbar, von einer bedrückenden Vision der Kollegin Hammerschmid bis zu einem sehr positiven Appell des Abgeordneten Yannick Shetty. Es hat mir sehr impo­niert, das Spektrum der Emotion und der Verantwortung zu spüren.

Trotzdem ist über allem eine hohe Unzufriedenheit und Ungeduld betreffend den vor­liegenden Nationalen Energie- und Klimaplan, der – die Kritik ist natürlich berechtigt – erhebliche Lücken aufweist, bei dem Nachbesserungsbedarf besteht und der auch bezüglich der Wertschätzung und Würdigung der vorangegangenen Beteiligung nicht das zum Ausdruck bringt, was wir uns wünschen würden. – Das ist die eine Seite.

Nach viel Kritik und auch vielen Argumenten dahin gehend, was noch fehlt, möchte ich aber doch auch einen Blick darauf werfen, was schon da ist und was das Gemeinsame ist. Es gibt viele Aussagen, an denen man weiterarbeiten muss, es gibt vieles, das zu vervollständigen ist. Am Wochenende hat die österreichische Jugendklimakonferenz in Wien stattgefunden, bei der ich auch einen Kollegen und eine Kollegin der NEOS und der SPÖ getroffen habe, und die Frage der Jugendlichen war vor allem: Was macht denn die Demokratie für den Klimaschutz? Wie kommen denn Mehrheiten und genau jene Entscheidungspfade zustande, von denen wir heute sprechen, die notwendig sind, die wir derzeit noch nicht erreichen, bei denen wir nachbessern müssen? – Da führt an einem Aufeinanderzugehen kein Weg vorbei.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, ich verstehe die Ungeduld. Ich verstehe natürlich auch das Gefühl, wenn man solche Anträge einbringt und sagt: Grüne, jetzt zeigt doch einmal, wie und ob ihr dazu steht! – Ja, wir stehen zu den Inhalten – zum richtigen Zeitpunkt.

Die allerdringlichste Aufgabe ist jetzt, diesen Nationalen Energie- und Klimaplan nach­zubessern und zu vervollständigen, aber sich auch in den kommenden Wochen in den künftigen Verhandlungen auf die Erreichung der Klimaziele zu verständigen – und damit meine ich jetzt nicht nur die EU-Verpflichtungen, sondern auch die Verpflich­tungen nach den Pariser Klimazielen – und auch da gilt es genau hinzuschauen.

Der Auftrag der Bundesregierung heißt, Klimaschutz hat höchste Priorität – das war auch die Ausgangslage für den Entschließungsantrag vom 26. September dieses Jah­res –, heißt auch, auf die Bevölkerung zuzugehen, sie zu informieren und miteinzu­binden. Auch das ist Teil des Klimaplans und braucht mehr Sichtbarwerden der beteiligten Gruppen, der NGOs, aber natürlich auch aller Interessenvertretungen, die sich bisher eingebracht haben. (Beifall bei den Grünen.)

Der wahrscheinlich kontroverseste Bereich, der insgesamt auf uns zukommen wird, ist, glaube ich, nach wie vor das Thema Mobilität und Transport. Ich möchte da auch gerade an die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ appellieren und ihnen die Hand reichen, denn es war der Sachstandsbericht Mobilität ihres Klubobmanns und ehe­maligen Verkehrsministers Norbert Hofer, in dem auf einem sehr hohen Niveau viele, viele Vorschläge gemacht wurden. Natürlich sollten diese Vorschläge in den Natio­nalen Energie- und Klimaplan aufgenommen werden. Es wäre uns sehr geholfen, wenn Sie sich dem anschließen könnten, gerade dieser Bereich wird uns besonders fordern.

Ich möchte den Jugendlichen der Jugendklimakonferenz gerne eine Antwort geben. Demokratie und Klimaschutz werden auch künftig wesentlich mehr gefordert sein, aufeinander zuzugehen, sich zum richtigen Zeitpunkt, aber dann mit voller Kraft und Leidenschaft für den Klimaschutz und für die nächsten Generationen, die heute mit uns hier stehen, einzusetzen und einen guten Klimaplan vorzulegen. (Beifall bei den Grünen.)

12.36


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.


12.36.50

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer zu Hause und auf der Galerie! Besten Dank vorweg einmal an Bundesministerin Patek für ihre Erklärung und ihre Ausführungen zum Nationalen Energie- und Klimaplan. Das Thema Klimaschutz ist ein ungemein wichtiges Thema. Es bewegt uns alle, es beschäftigt uns alle und es fordert uns auch alle. Wir stehen beim Klimaschutz sowohl in Europa als auch weltweit vor großen Herausforderungen, denen wir uns sowohl global als auch national gemeinsam stellen müssen. Österreich muss sich aber nicht verstecken, denn Österreich ist in der Europäischen Union Bahnland Nummer eins. Österreich ist bei den Zulassungen von E-Autos führend, und Österreich wird das erste Land sein, das ohne Kohle und Atomkraft auskommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt auch noch andere Beispiele, bei denen wir bereits mit Hausverstand und mit Anreizen die Österreicherinnen und Österreicher zum bewussten Energiesparen und zu Maßnahmen bewegen, die für den Klimaschutz von großer Wichtigkeit sind.


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Wie gesagt, es ist schon einiges getan worden, aber wir wissen auch, dass noch viel zu tun ist. Wie heute bereits mehrmals gehört und erwähnt, befindet sich der Nationale Energie- und Klimaplan derzeit in Begutachtung, und weitere Vorschläge und Ideen werden da noch einfließen. Es muss uns aber auch ganz klar sein, dass die von der Übergangsregierung vorgeschlagenen Maßnahmen nicht jedes Detail enthalten kön­nen. Welche Maßnahmen schlussendlich getroffen werden, sind politische Entschei­dungen, die von der nächsten Bundesregierung und von uns Abgeordneten im Parla­ment beschlossen werden.

Wir von der ÖVP – und auch ich als Vertreterin der Wirtschaft – bekennen uns selbst­verständlich klar und deutlich zum Umweltschutz (Beifall bei der ÖVP), und wir beken­nen uns daher ganz klar und mit vollem Nachdruck zum Ziel der Klimaneutralität. Es sollte uns aber auch klar sein, dass wir bei den weiteren Maßnahmen zum Klimaschutz vor allem auch ein gezieltes Maß an Hausverstand einsetzen müssen, das heißt Anreize und Förderungen statt Verbote und Sanktionen, denn wir können dieses Thema nur gemeinsam anpacken und gemeinsam lösen. Das heißt, wir können das nur gemeinsam mit der Wirtschaft und nicht gegen die Wirtschaft machen.

Was heißt das im Konkreten? – Das heißt, wir müssen ein Gleichgewicht zwischen den Klimaschutzzielen und den wichtigen Zielen einer dynamischen und wettbewerbs­fähigen Wirtschaft schaffen. Dieses Gleichgewicht zu finden, ist wahrscheinlich unsere größte Herausforderung und die wichtigste politische Aufgabe der nächsten Jahre.

Daher – und ich denke, da sind wir alle einer Meinung – kann und darf eine moderne und effektive Klimaschutzpolitik nicht die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes und damit unsere Arbeitsplätze gefährden. Niemand hat etwas davon, wenn Betriebe abwandern oder ihr Engagement in Österreich oder in Europa reduzieren müssen. Es wird uns auch nicht weiterbringen, wenn Maßnahmen gesetzt werden, welche mittelbar oder unmittelbar Arbeitsplätze kosten. Für Menschen, die ihren Job verloren haben, zählt nämlich dann der Klimaschutz hier nichts mehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus meiner Sicht sollte daher der zukünftige Schwerpunkt einer ökosozialen Markt­wirtschaft positive Anreize haben und eine verstärkte Innovationsstrategie beinhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Hier haben wir auch schon etwas Gutes getan, etwa mit dem Ökostrompaket, im Rahmen dessen wir bereits gezielte Förderungen für die Fotovoltaik, für Windräder und Biomasse im Umfang von 540 Millionen Euro beschlossen haben. Das ist der richtige Weg! Der falsche Weg wäre: neue Steuern, Belastung und komplizierte Bürokratie. Das kann nicht unser Weg sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Der größte Hebel für eine gute Klimazukunft ergibt sich dann, wenn wir Betriebe för­dern und unterstützen – in kreativen Ideen und innovativen Umsetzungen. Die öko­soziale Marktwirtschaft ist dafür der beste Rahmen. Und wer könnte das besser als wir von der ÖVP, denn wir sind nämlich die Erfinder dieses Wirtschaftsmodells! (Beifall bei der ÖVP.)

Es muss uns wirklich allen klar sein: Es muss etwas geschehen, wir haben uns den Fakten zu stellen, und diese sagen, dass wir unsere gesellschaftlichen und wirtschaft­lichen Prozesse klimatauglich machen müssen. Dazu gehört auch die Eigenverant­wor­tung, denn jede und jeder von uns kann ihren oder seinen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dafür brauchen wir keine Gesetze, dazu braucht es Einsicht und entsprechenden Willen.

Abschließend möchte ich noch aus meiner innersten Überzeugung heraus sagen: Österreichs Unternehmerinnen und Unternehmer sind in dieser Frage längst weiter, als Sie glauben. Die Wirtschaft wird sich auch weiterhin der Aufgabe des Klimaschutzes


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 77

nicht entziehen. Die Formel für unseren Erfolg sollte daher lauten: Innovation plus Wertschöpfung plus Klimaschutz. Das ist die richtige Formel! (Beifall bei der ÖVP.)

12.42


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Olga Voglauer gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.


12.42.49

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­ehrte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spoštovana visoka hiša! Es geht um nicht viel weniger als unser aller gemeinsame Zukunft, die wir anzupacken haben und für die wir endlich beginnen müssen, zu handeln. Der vom Menschen gemachte Klima­wandel ist nämlich nicht einfach ein Umweltproblem, er berührt alle Teilbereiche unseres Lebens, er ist hier, jetzt und nicht woanders. Während wir hier sitzen und ich hier stehe, geht Venedig unter, die Eiskappen schmelzen schneller, als wir gedacht haben, und im Waldviertel fressen sich die Schädlinge schneller durch den Wald, als wir denken, weil wir seit drei Jahren weniger Niederschlag haben, als wir brauchen. Das ist Alltag in der österreichischen Forstwirtschaft; und Alltag in der Landwirtschaft ist, dass wir Dürre, dass wir Wetterkapriolen und letztendlich auch Totalausfälle schultern müssen, weil es keine Instrumente gibt, die uns da behilflich wären. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn wir die Pariser Klimaziele ernst nehmen, dann braucht es jetzt einen Klimaplan, der Instrumente und Maßnahmen verankert. Gerade aus der Forstwirtschaft ereilte mich gestern die Information, dass es, wenn wir diese Ziele nicht erreichen, kein einziges Modell gibt, das berechnen kann, was der Forstwirtschaft in Österreich blüht. Kein einziges Modell kann berechnen, was passiert, wenn wir diese Ziele nicht erreichen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Es ist aber sehr wohl so, dass die Landwirtschaft auch ihre Hausaufgaben zu machen hat. Wir wissen es von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern: 71 Prozent des CO2-Ausstoßes sind einzusparen. Das muss uns gemeinsam gelingen: Es muss gelingen, die Landwirtschaft als Lösung zu positionieren, und nicht als das Problem. Eine visionäre Landwirtschaft wird auch CO2 einsparen, eine visionäre Landwirtschaft der Zukunft wird auch biologisch sein.

Es ist nicht der landwirtschaftlich geprägte Alpenraum, der unserem Klima zusetzt, nein, es sind die intensive Agroindustrie und die Massentierhaltung, die dem Klima schaden und die enorme externe Kosten verursachen und sie dann nicht selbst tragen – denn tragen müssen sie wir, wir alle. (Beifall bei den Grünen.)

Wir brauchen ein klares Ja zur klimaschonenden Landwirtschaft, und das ist dann auch ein klares Ja zur biologischen Landwirtschaft, zur Bodenverbesserung, zum Humus­aufbau, zur CO2-Bindung vor Ort – dafür braucht es keine Gülleseen, sondern frucht­baren Humus. Es ist eine artgerechte Tierhaltung, die wir wollen, die sowohl den Ansprüchen der Tiere als auch jenen der Umwelt als Lebensraum von uns allen gerecht wird – und die gerade von den pflichtbewussten österreichischen Bäuerinnen und Bauern oft als selbstverständlich erachtet wird, aber in den Massentierfabriken in Übersee umgangen wird.

Wir unterstützen derzeit ein Agrarsystem, welches unserer Umwelt schadet, unserer

Gesundheit schadet, unserem gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt schadet, unseren Bäuerinnen und Bauern schadet und nicht zuletzt den Menschen in diesem Land schadet. Ja, zum Klimaschutz müssen die Hausaufgaben auch in der Landwirt­schaft gemacht werden! Dafür sind wir als Gesetzgeber und auch das Ministerium gefordert, weil wir konkrete Maßnahmen brauchen, konkrete Instrumente brauchen –


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ohne diese wird es keine visionäre Landwirtschaft in der Zukunft geben. Vor allem braucht es aber auch ein klares Umdenken, denn die Zukunft hat heute begonnen. Handeln wir jetzt danach! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.47

12.47.14


Präsidentin Doris Bures: Nun liegt mir dazu keine Wortmeldung mehr vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir nun zu den Abstimmungen.

Zunächst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zusätzliche Mittel für Klimaschutz­maßnah­men in Form einer jährlichen Klimaschutzmilliarde“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den ersuche ich um ein zu­stim­mendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung des 1-2-3 Klimatickets und einer flächendeckenden LKW-Bemautung“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „Umsetzung des nationalen Energie- und Klima­plans“.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Dr. Kassegger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Abänderungsantrag und im Falle seiner Ablehnung über die dem Ausschussbericht 2 der Beilagen angeschlossene Entschließung abstimmen lassen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag Dr. Kassegger die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Damit kommt wir wie angekündigt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Umsetzung des nationalen Energie- und Klimaplans“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (1/E)

12.49.223. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 7/A der Abgeordneten Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (3 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Müller in unseren Reihen und erteile als Erstem Herrn Abgeordneten Alois Stöger das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 79

12.50.01

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Wir haben ein Thema, bei dem es um Straßenverkehr, um Bemautung von Bundesstraßen, von Autobahnen geht. Da ist eine Mehrheit im Budgetausschuss angetreten und möchte einen Fleckerlteppich in Österreich einführen, in dem fünf Bereiche der Autobahn von der Maut ausgenommen werden sollen, und zwar mit dem Argument, dass Umgehungsverkehre damit hintangehalten werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe eine Frage: Wenn man den Pkw-Verkehr billiger macht, wird dann mehr oder weniger Verkehr produziert? – Wenn man es ermöglicht, gratis zu fahren, so ist die Erfahrung, dass mehr Menschen diese Möglichkeit nutzen werden und dass das Ziel, nämlich weniger Belastung für die Bewohnerinnen und Bewohner, gar nicht erreicht werden kann. (Abg. Haubner: Ihr seid immer für gratis, nur heute nicht!)

Was wir damit auslösen, ist also genau das Gegenteil von dem, was wir in der vorigen Debatte besprochen haben: Wir haben besprochen, dass wir Klimamaßnahmen setzen wollen, wir haben besprochen, dass Verkehr ein wichtiges Element im Bereich des Klimas ist, und jetzt macht man genau das Gegenteil.

Die Sozialdemokratie (Abg. Haubner: Ist nicht geschlossen! – Abg. Strasser: Salzburg und Tirol sind dafür!) steht auch nach der Wahl zu dem, was wir vor der Wahl gesagt haben. Insbesondere wenn man möchte, dass Ausweichverkehr verhindert wird, muss man auch entsprechende Maßnahmen setzen. Da sind die Landeshauptleute, die Landesregierungen aufgefordert, entsprechende Verkehrsverbote zu erlassen, und sie sind auch aufgefordert, diese Verkehrsverbote mit geeignetem Personal, mit geeig­neten Mitteln zu kontrollieren. Dann kann eine Entlastung für die Menschen zustande kommen. Das ist das, was die Bevölkerung von uns will.

Ich möchte Ihnen Folgendes nicht vorenthalten: In meinem Wahlkreis (Ruf bei der ÖVP: Wo ist denn der?) – im Mühlviertel, in Linz – hat man Straßenstücke aufge­nommen, die sind noch gar nicht gebaut, und die werden ausgenommen. Das heißt, da geht es um reinen Populismus, darum, die einen Menschen gegen die anderen auszu­spielen, und nicht darum, Lösungen zu finden, wie man in Zukunft eine vernünftige Verkehrsplanung machen kann.

Daher haben wir klar gesagt, wir wollen da temporär mitgehen und wir sind dazu auch bereit. Wenn man sagt, wir wollen das bis zum 30.6.2021 testen, sind wir bereit, es zu probieren und Erfahrungen zu sammeln, um zu sehen, ob das nützt. Im Ausschuss hat man dazu Nein gesagt, daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Bud­getausschusses über den Antrag 7/A der Abgeordneten Hermann Gahr, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (3 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1.: In § 13 entfällt Abs. 1b.

2.: In § 15 Abs. 1 Z 3 wird im Klammerausdruck der Ausdruck „13 Abs. 1“ durch den Ausdruck „13 Abs. 1 und 1a“ ersetzt.


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3.: In § 33 wird nach dem Absatz 15 nachfolgender Absatz 16 angefügt:

„(16) § 13 Abs. 1a tritt mit 30.6.2021 außer Kraft.“

4.: entfällt.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit wäre sichergestellt, dass eine befristete Mautausnahme möglich ist und wir hier im Parlament auch dann darüber entscheiden können.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es verfassungsrechtlich höchst problematisch ist, einerseits einige Ausnahmen im Gesetz festzulegen und andererseits dem Minister eine generelle Verordnungsermächtigung, die nicht bestimmt ist, zu geben. Das ist aus unserer Sicht verfassungswidrig.

Ich bringe auch einen Entschließungsantrag ein, in dem es um geeignete Maßnahmen zu Ausweichverkehren in Form von Maut geht:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Be­mautung von Ausweichrouten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, eine Novelle zum Bundesstraßenmautgesetz 2002 vor­zulegen, wonach der Landeshauptmann für bestimmte Streckenabschnitte von Straßen, die keine Bundesstraßen sind, eine fahrleistungsabhängige und zeitabhän­gige Bemau­tung im Sinne dieses Bundesgesetzes durch Verordnung festlegen kann, um Maut-Umgehungsverkehre zu verhindern. Für die Abwicklung der Bemautung dieser Streckenabschnitte soll der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die Autobahnen – und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft des Bundes betrauen. Entsprechende Ausnahmen für Ziel- und Quellverkehre sowie für Anrainer­verkehre sollen ebenso in dieser Novelle enthalten sein.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.56

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger diplomé, Mag. Selma Yildirim, Cornelia Ecker, Ing. Reinhold Einwallner

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 7/A der Abgeordneten Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­straßenmautgesetz 2002 geändert wird (3 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1.: In § 13 entfällt Abs. 1b.

2.: In § 15 Abs. 1 Z 3 wird im Klammerausdruck der Ausdruck „13 Abs. 1“ durch den Ausdruck „13 Abs. 1 und 1a“ ersetzt.

3.: In § 33 wird nach dem Absatz 15 nachfolgender Absatz 16 angefügt:

„(16) § 13 Abs. 1a tritt mit 30.6.2021 außer Kraft.“

4.: entfällt.

Begründung

Durch diesen Abänderungsantrag sollen die Ausnahmen von der zeitabhängigen Maut befristet umgesetzt werden, sodass nach dem Vorliegen eines Evaluierungsberichtes die Mautausnahmen auslaufen und mögliche neue Maßnahmen an den belasteten Routen gesetzt werden können.

Durch den Entfall des § 13 Abs. 1b wird eine Verordnungsermächtigung, die Mautaus­nahmen für nahezu alle Abschnitte des hochrangigen Straßensystems ermöglicht, zurückgenommen, da mit dieser Verordnungsermächtigung idente Sachverhalte auf verschiedene Arten geregelt werden und diese daher verfassungsrechtlich bedenklich erscheint.

*****

Unselbständiger Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger diplomé,

Genossinnen und Genossen

betreffend die Bemautung von Ausweichrouten

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über den Antrag der Abgeordneten Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesstraßenmautgesetz 2002 geändert wird (3 d.B.)

Mit der Bemautung von Ausweichrouten von mautpflichtigen Streckenabschnitten soll eine Möglichkeit geschaffen werden, dass Straßen des niederrangigen Straßennetzes in die Bemautungsmechanik des Bundesstraßenmautgesetzes – auf Wunsch der Bun­desländer - einbezogen werden können, um Umgehungsverkehre zu verhindern.

Damit wird den Landeshauptleuten die Möglichkeit eingeräumt, aktive Maßnahmen gegen sogenannte Mautflüchtlinge umzusetzen.

Die technische und organisatorische Bemautung durch die ASFINAG entspricht dem Gedanken der Verwaltungseffizienz, aber auch dem Prinzip, dass durch Ausweich­verkehre der ASFINAG Einnahmenausfälle entstehen und durch eine entsprechende Regelung diese kompensiert werden.

Durch diese Norm wird nicht in Länderkompetenzen eingegriffen. Die Entscheidung über eine entsprechende Vorgangsweise obliegt ausschließlich dem jeweiligen Bun­des­land.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, eine Novelle zum Bundesstraßenmautgesetz 2002 vor­zulegen, wonach der Landeshauptmann für bestimmte Streckenabschnitte von Straßen, die keine Bundesstraßen sind, eine fahrleistungsabhängige und zeitabhängige Be­mautung im Sinne dieses Bundesgesetzes durch Verordnung festlegen kann, um Maut-Umgehungsverkehre zu verhindern. Für die Abwicklung der Bemautung dieser Streckenabschnitte soll der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die Autobahnen – und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft des Bundes betrauen.

Entsprechende Ausnahmen für Ziel- und Quellverkehre sowie für Anrainerverkehre sollen ebenso in dieser Novelle enthalten sein.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Sowohl der Abänderungsantrag als auch der Entschließungs­antrag sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.


12.56.55

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Geschätzte Zuschauer vor den Fernsehbildschirmen! Ich denke, da unterscheidet uns schon wieder sehr viel, Herr Kollege Stöger. Heute ist ein guter Tag für die Regionen und für die Gemeinden, die in den letzten Jahren die Last der Pkw-Autobahnmautflüchtlinge schultern mussten. Wir beschließen nämlich heute hier eine für diese Regionen und Gemeinden ganz wichtige Maßnahme: die Mautfreistellung für grenznahe Autobahnabschnitte. (Abg. Leichtfried: Seit wann ... an der Grenze?)

Herr Kollege Stöger, wir schließen mit dem heutigen Parlamentsbeschluss ein Kapitel ab, das eine 22-jährige Geschichte hat! Seit 22 Jahren beschäftigen wir uns im Hohen Haus mit diesem Thema, nämlich mit den Menschen in den grenznahen Regionen und dem Ansinnen, sie von diesem Ausweichverkehr zu entlasten. Alle Parteien – außer den NEOS, die sind noch ein bisschen zu kurz dabei – haben in dieser Zeit die Wichtigkeit dieses Themas erkannt und Anträge dazu eingebracht. Der erste, den ich gefunden habe, von Kollegin Haller von der FPÖ, ist aus dem Jahr 1997, und es sind in den letzten Jahren 30 bis 40 Anträge zu diesem Thema eingebracht worden. (Zwi­schenruf des Abg. Vogl.)

Drei kann ich exemplarisch herausgreifen: 17.12.2013, Georg Willi von den Grünen zur Mautbefreiung, 4.7.2018, Max Unterrainer von der SPÖ zur Mautbefreiung, 27.1.2016, Carmen Gartelgruber von der FPÖ zur Mautbefreiung – von unseren Anträgen spreche ich gar nicht. Warum Sie von der SPÖ heute einem Antrag nicht zustimmen, den Sie in den letzten zwei Jahrzehnten mehrmals selber gestellt haben, müssen Sie in den Regionen erklären, meine Damen und Herren, und nicht wir. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das hat der Kollege Stöger sehr gut erklärt, im Gegensatz zu Ihnen!)

Herr Kollege Stöger, Sie waren selber eineinhalb Jahre Verkehrsminister, Sie hätten es in der Hand gehabt, diese Thematik zu lösen. Sie haben es nicht getan! Wenn Sie sich jetzt hier herausstellen, um jene zu kritisieren, die es machen und die dieses Problem


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lösen, dann halte ich das für eine besondere Chuzpe, Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP.  Zwischenruf des Abg. Stöger.)

Sie haben sogar noch bei der letzten Sondersitzung einen Antrag gestellt, mit dem Sie die Ausweitung der Maut auf die Landesstraßen – eine fahrleistungs- und zeitab­hän­gige Maut für bestimmte Streckenabschnitte von Straßen – einführen wollten. (Präsi­dent Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, ich glaube, man weiß also, wo die Belaster sitzen und wo die Entlaster sitzen. Dieser Beweis macht uns heute wieder einmal ganz sicher. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Vogl.)

Ich glaube, es ist schon sehr eigenartig, wenn Sie hier dagegen sind, der SPÖ-Vize­bürger­meister der Stadt Salzburg spricht von einer der vernünftigsten Verkehrsideen für Salzburg, welche auch Heinz Schaden jahrelang gefordert hat. Es gibt also Dinge, die man nicht verstehen muss, ich glaube aber, es gibt auch Dinge, die nicht einmal die SPÖ versteht, meine Damen und Herren.

Kommen wir also zum Antrag, nämlich zu einem ganz wichtigen Thema: Ich komme aus Salzburg, aus einem grenznahen Wahlkreis, aus dem schönen Flachgau/Tennen­gau, in dem der Verkehr die größte Herausforderung darstellt. Der Vignettenausweich­verkehr ist da ein großes Problem (Zwischenruf des Abg. Vogl), durch den deutschen Grenzverkehr beträgt in manchen Ortsteilen der Stadt Salzburg und in den Umlandgemeinden die Tagestourismusausweichquote bis zu 40 Prozent. Ich glaube, wenn man dort wohnt und täglich im Verkehr erstickt, und wenn man aus einer Hauseinfahrt herausfahren will und nicht herauskommt, weil der Ausweichverkehr die Gemeinde verstopft (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Vogl), dann ist es richtig und wichtig, wenn wir heute diese Maßnahme einer freien Fahrt auf der Autobahn für einen gewissen Abschnitt beschließen, meine Damen und Herren.

Wir in Salzburg haben auch 15 Jahre dafür gebraucht, dass wir heute diesen Antrag hier zu einem guten Finale bringen. Unser Landeshauptmann Wilfried Haslauer und auch Landesrat Stefan Schnöll haben sich sehr für diese Maßnahme eingesetzt. Des­halb ist es eine gute Maßnahme, wenn wir heute gemeinsam diesen Beschluss fassen.

Ich möchte mich auch ganz besonders bei den Grünen, vor allem bei ihrem Ver­kehrssprecher Hermann Weratschnig, für die konstruktiven Gespräche und auch für die Unterstützung bedanken. Auch bei den NEOS möchte ich mich bedanken, die diesen Antrag, bei dem es darum geht, den Menschen in grenznahen Regionen das tägliche Leben ein wenig angenehmer zu gestalten, ebenfalls unterstützen. Wir sind für die Menschen in Österreich immer gerne da – dieser Antrag zur Mautbefreiung ist das beste Beispiel dafür, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

13.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.02.12

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben es schon eingangs der Diskussion gehört, wir sprechen heute über ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz ge­ändert werden soll.

Ich möchte eines vorausschicken: Es geht wohl allen Parteien hier im Hohen Haus darum, einen Lösungsansatz zu finden, um die verkehrsgeplagte Bevölkerung in die­sen Hotspotbereichen entsprechend zu entlasten. Deswegen sind wir im vergangenen Jahr der Einladung des Landeshauptmannes Platter gefolgt und haben einen gemein-


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samen Verkehrsausschuss in Tirol abgehalten, wobei erstmals in der Geschichte des Parlaments ein parlamentarischer Ausschuss des Nationalrates zu einem Landtag gefahren ist, um dort Lösungsansätze zu finden. Ich habe es spannend gefunden, was dort besprochen worden ist. Wir haben gesagt: Wir müssen gemeinsame Ansätze finden. Wir haben uns darauf geeinigt, dass im Verkehrsministerium evaluiert werden soll, wie diese Ansätze ausschauen können.

Dann kam der Wahlkampf. Ich muss dem Kollegen aus Tirol schon vorwerfen, dass dann auf einmal die Polemik eingesetzt hat und man nicht einmal abgewartet hat, bis der Bericht des Verkehrsministers übermittelt worden ist – das war am 31. Oktober. Man ist sofort in die Offensive gegangen und hat gesagt: Wir müssen jetzt diese Mautbefreiung durchsetzen! Man hat das einfach nur als billige Wahlkampfpolemik verwendet und versucht, die Gunst der Stunde zu nützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Ärgerliche daran ist, dass gerade Landeshauptmann Platter aus Tirol es selbst in der Hand gehabt hätte, das Problem Kufstein Süd mit einem Abfahrtsverbot von der Autobahn zu regeln. Das hat er nicht gemacht. Er hat dieses Problem immer nach Wien delegiert, und daran hält offenbar auch die ÖVP fest. (Abg. Leichtfried: So schaut’s aus, interessant!) Am Ende des Tages kommt doch ein gewisser Husch-pfusch-Antrag zustande, den Sie, von der ÖVP, glaube ich, nicht mit Ihren Kollegen in Vorarlberg besprochen haben. Wozu führt dieser Ansatz nämlich, den Sie jetzt hier präsentieren? – Er führt dazu, dass das Problem nicht gelöst, sondern lediglich verlagert wird. Schaut man sich die Situation Bregenz–Hohenems an – das ist ein Punkt, der bei Ihnen im Antrag steht und auch erwähnt worden ist –, dann sieht man, dass es dort einen Beschluss der ÖVP Hohenems, der mitgetragen wird, eine Resolution gibt, in der gesagt worden ist: Das verlagert das Problem von Bregenz zu uns. – Das heißt, Sie haben damit niemandem geholfen, im Prinzip haben Sie nur billige Wahlkampfpolemik gemacht.

Nichtsdestotrotz stehen wir natürlich nicht an, mitzuhelfen, das Problem zu lösen. Der Ansatz aber, den Sie präsentieren, ist weit weg von jeder Vernunft. In Ihrem Antrag steht, es soll eine Verordnungsermächtigung für den Bundesminister beschlossen werden. Was aber passiert denn dann in Zukunft mit dem Bundesminister für Verkehr? – Dann wird er hier in Wien sitzend für erweiterte Kommunalpolitik haftbar gemacht, und es wird jede Landtagswahl, jede Gemeinderatswahl mit einem Ruf an den Bundesminister – wer auch immer das dann in Zukunft sein wird – enden: Man muss dann diese Kommunalpolitik am Ende des Tages im Ministerium umsetzen.

Der Antrag, den Sie heute präsentieren, ist der Anfang vom Ende – dessen müssen Sie sich bewusst sein – des österreichischen Mautsystems. Es sind die Kosten, mit denen wir uns hier auseinandersetzen müssen – vorsichtig geschätzt 35 Millionen Euro im Jahr. Das sind 35 Millionen Euro, die uns dann am Ende des Tages fehlen werden, wenn es darum geht, Lärmschutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn es darum geht, Tunnels zu bauen, wenn es darum geht, den Verkehr vernünftig umzuleiten. Wir fürchten, dass das Problem nur verlagert wird. Wir wissen, dass uns diese Maßnahme Mittel kostet, die wir andererseits irgendwo dann wieder hereinbringen müssen.

Perfide an der Geschichte ist auch, dass damit kein Österreicher entlastet wird. 90 Prozent der betroffenen Bevölkerung haben Autobahnvignetten. Was Sie machen, ist ein Kniefall vor den Touristen, die nach Österreich kommen. Diese sponsern Sie mit österreichischen Geldern, die wir dann nicht mehr für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung haben. (Abg. Haubner: Das ist für die Anrainer! Die Anrainer sind Öster­reicher!)

Nichtsdestotrotz passiert da offenbar eine Vorleistung – die Grünen sind ja schon fest dabei und auch die NEOS haben mitgemacht – für das, was man auch schon im


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Westen Österreichs hört. Man hört ja schon, das Mautsystem hat mehr oder weniger ausgedient. Diese Finanzmittel werden in Zukunft anders einzutreiben sein, es wird eine CO2-Steuer oder eine flächendeckende Lkw-Maut kommen, wie auch immer. Ich bitte Sie aber, seien Sie so ehrlich und sagen Sie das den Pendlern und Österreichern auch ins Gesicht, dass Sie sich schon vor den Grünen auf den Bauch schmeißen und da schon Vorleistungen für eine etwaige Koalition treffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben eine Allianz gegen die Pendler, gegen den ländlichen Raum geschmiedet. Eines schreibe ich Ihnen noch ins Stamm­buch, und vielleicht spricht man dann noch mit dem Herrn Bundesminister darüber: Haben Sie von der ÖVP – über die Grünen diskutiere ich ja gar nicht – sich schon damit auseinandergesetzt, was das für die Maastrichtkriterien bedeutet, wenn diese Einnahmen ausbleiben, wenn das Mautsystem zerschossen ist? Das ist wirklich ein riesengroßes Problem, das auf uns zukommt.

Deswegen zum Abschluss: Wir bekennen uns zu einer Entlastung für die verkehrs­geplagten Bürger. Wir würden aber trotzdem befürworten, dass wir uns wirklich im Detail damit auseinandersetzen, dass wir keine generalisierten Lösungen treffen.

Deswegen auch unser Abänderungsantrag, den ich hiermit einbringen möchte:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 7/A der Abgeordneten Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (3 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem oben stehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

„1. In Ziffer 1 § 13 Abs. 1a wird die Ziffer 4 gestrichen und Ziffer 5 wird zu Ziffer 4.

2. In Ziffer 1 § 13 wird der Abs. 1b gestrichen.

3. In Ziffer 2 § 15 Abs. 1 Z 3 wird der der Ausdruck „13 Abs. 1, 1a und 1b“ durch „13 Abs. 1 und 1a“ ersetzt.

4. In Ziffer 3 § 33 Abs. 13 lautet der erste Satz:

§ 13 Abs. 1a Z 1 und 3, § 15 Abs. 1 Z 3 und § 38 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 treten mit 15. Dezember 2019 in Kraft und am 30.6.2021 außer Kraft“

5. Ziffer 4 entfällt.“

*****

Damit ist gewährleistet, dass dieser Antrag, den Sie heute beschließen wollen, auch evaluiert und dann nicht wieder aufgehoben werden muss, sollte der gewünschte Erfolg ausbleiben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 86

Abänderungs-/Zusatzantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 7/A der Abgeordneten Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­des­straßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (3 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem oben stehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt ge­ändert:

„1. In Ziffer 1 § 13 Abs. 1a wird die Ziffer 4 gestrichen und Ziffer 5 wird zu Ziffer 4.

2. In Ziffer 1 § 13 wird der Abs. 1b gestrichen.

3. In Ziffer 2 § 15 Abs. 1 Z 3 wird der der Ausdruck „13 Abs. 1, 1a und 1b“ durch „13 Abs. 1 und 1a“ ersetzt.

4. In Ziffer 3 § 33 Abs. 13 lautet der erste Satz:

§ 13 Abs. 1a Z 1 und 3, § 15 Abs. 1 Z 3 und § 38 Z 1 in der Fassung des Bun­desgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 treten mit 15. Dezember 2019 in Kraft und am 30.6.2021 außer Kraft“

5. Ziffer 4 entfällt.“

Begründung

Zu Ziffer 1:

Eine Mautbefreiung zwischen Hohenems und Hörbanz löst kein Verkehrsproblem, sondern verlagert es nur von einer Gemeinde in die andere.

Zu Ziffer 2:

Da die Gefahr droht, dass nach ersten Ausnahmen von der Mautpflicht viele Städte und Länder mobil machen, um weitere Ausnahmen durchzuboxen, ist eine verantwor­tungsbewusste Lösung notwendig und die Ausnahmen auf die § 13 Abs 1a ange­führten zu beschränken. Eine Verordnungsermächtigung würde das erfolgreiche Maut­system gefährden.

Zu Ziffer 3 und 5:

Durch den Wegfall § 13 Abs. 1a Z 4 und § 13 Abs. 1b ist eine entsprechende Anpassung notwendig

Zu Ziffer 4:

Nach der Evaluierung sollen die Mautausnahmen bei einem negativen Ergebnis dieser mit 30.6.2021 außer Kraft gesetzt werden.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt und ordnungs­gemäß eingebracht.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte, Herr Abgeord­neter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 87

13.09.18

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Abgeordnete! Es freut mich heute besonders, dass ich mit meinem ersten Redebeitrag den lärm- und staugeplagten Anrainern in den Gebieten in vier Regionen in Österreich mitteilen kann, dass wir eine Lösung haben, dass wir den Lebensalltag vor allem in Bregenz und in Kufstein positiv verändern. Wir reduzieren heute mit dieser wichtigen Lösung belastenden und nicht notwendigen Ausweichverkehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es würde die betroffenen BürgerInnen bestärken, wenn dieser Beschluss einstimmig ausfallen würde. Wir hätten heute die Chance, als Nationalrat am Anfang dieser Legislaturperiode da ein klares Zeichen zu setzen: Deshalb mein Appell an alle Par­teien, diesem Antrag die Zustimmung zu erteilen.

Wir wollen auf jeden Fall die BürgerInnen nicht mehr warten lassen. Wir wissen, dass es kurzfristig nur eine Vignettenbefreiung sein kann, damit vor der Wintersaison dieses Jahres noch die notwendigen Maßnahmen gesetzt werden können. Seit 2013 sind die Auswirkungen bekannt, werden Vorschläge diskutiert, kommen und gehen Verkehrs­minister und -ministerinnen, die sagen, sie können nichts tun, weil die gesetzlichen Grundlagen fehlen. Diese Grundlagen beschließen wir heute. Diese Notwendigkeiten brauchen wir, um die BürgerInnen rasch zu entlasten.

Werte Abgeordnete! Was sich auf jeden Fall in dieser Diskussion um die Vignetten­befreiung auch zeigt, ist, dass die Vignette – ob geklebt oder digital – kein Instrument der Steuerung ist, sondern zu einer falschen Navigation führt. Am Beispiel Kufstein wird das ganz klar und deutlich: Über 4 500 Autos fahren täglich durch die Ortschaften und belasten dort die Bevölkerung.

Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Der Vignettenman hat längst ausgedient. Der Vig­nettenman, Herr Bundesminister, war auch nie ein Superheld, das wissen wir. Wir brauchen in Zukunft Superhelden, wenn es darum geht, ein europäisches Mautsystem zu installieren, ein europäisches Mautsystem, in dem es einen fairen, fahrleis­tungs­abhängigen Beitrag für alle gibt, der auch für alle in allen europäischen Staaten gilt.

Was wir allerdings schon machen können, ist, dass wir in einer Gesamtschau über Steuerungsmöglichkeiten – über die Mineralölsteuer und auch über andere Möglich­keiten – versuchen, diese Problematik, mit der nämlich auch die Problematik des Tank­tourismus verbunden ist, dementsprechend zu lösen. (Beifall bei den Grünen.) Wir brauchen Superheldinnen und Superhelden auf europäischer Ebene und vor allem KlimabotschafterInnen in Österreich aus allen Parteien, die uns helfen, diese Lösung auch zu installieren.

Wir beschließen heute fünf Regionen, in denen wir bis 2021 testen, prüfen können, ob diese Maßnahme der Befreiung wirkt, und wir haben die Zeit, Alternativen zu ent­wickeln und auszuarbeiten. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir erlösen auch die BürgerInnen aus sechs Jahren Wartezeit, indem wir heute diese rasch umsetzbare Möglichkeit beschließen; natürlich gibt es dann auch eine rasche Umsetzung in diesen Regionen. Es gibt dazu noch Begehrlichkeiten aus anderen Regionen, die man sich sachlich anschauen muss, die man prüfen muss. Ich sehe da keine Gefahr, dass das österreichische System ins Wanken kommt.

Was wir auf jeden Fall brauchen, ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Möglichkeit für PendlerInnen, umzusteigen. Wir brauchen, wie bereits gesagt, eine ökosoziale Steuerreform, in der wir das Thema Mineralölsteuer mitbedenken, in der wir auch eine Bemautung für alle Teilnehmer mitbedenken. Wir brauchen eine ökosoziale Wende, und wir brauchen da eine Menge an Maßnahmen, die auch die Maut betreffen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 88

Dieser Mautantrag und diese Diskussion machen uns jetzt klar, dass es da Handlungs­bedarf gibt.

Ein letzter Nachsatz noch zur Sozialdemokratie: Ich glaube, dass wir auch eine Erneu­erung der politischen Kultur brauchen. Wir Grünen haben unsere Wahlprogramme, unsere Parteiprogramme in Zukunft bei jeder Verhandlung in jeglicher Untergruppe natürlich mit dabei, und wir brauchen uns dafür nicht jede Seite als SPÖ-Antrag hier beschließen zu lassen. Wir wissen ganz genau, was wir mitnehmen. Wir wissen, was wir verhandeln, und wir werden schauen, dass wir da gemeinsame Regelungen finden, und dazu braucht es nicht jede Seite in einen SPÖ-Antrag gefasst. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.14.47

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Stöger hat versucht, den großen Bogen zu spannen und auch die sehr kritischen Aspekte dieses Antrages auszuführen. Lassen Sie mich aber von meiner Seite auf die Mautflucht und auf die Problematik in einer betroffenen Region eingehen.

Kollege Haubner, Sie haben in einem Punkt recht, wir diskutieren das schon seit vie­len, vielen Jahren, und es hat in der Tat schon aus allen politischen Lagern Initiativen gegeben, dieses Abfahren, diese Problematik, dass es eine Verschiebung des Ver­kehrs auf das niederrangige Straßennetz gibt, zu beheben.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es eine Entlastung braucht. Es braucht eine Ent­lastung in den Regionen, die besonders betroffen sind. Fünf Regionen oder fünf Teil­bereiche in Österreich sind angeführt. Ich glaube, dass es gerade in den Grenzbe­reichen – egal, ob es jetzt in Vorarlberg, in Salzburg oder in Tirol ist – immer zu einer verschärften Problematik in dieser Mautfluchtfrage kommt.

Die Frage ist nur: Wie löst man das im Detail? – Im Detail, meine Damen und Herren, ist dieser Antrag mangelhaft und schlecht – im Detail! Ich versuche, Ihnen zu erklären, wo die zwei wesentlichen Kritikpunkte dieses Antrages sind und warum wir uns mit der bestehenden Form des ÖVP-Antrages auch so schwertun.

Das Erste ist – Kollege Stöger und auch der Vorredner von der FPÖ haben es schon ausgeführt –: Es ist zutiefst fragwürdig, ob die Verordnungsermächtigung für einen Bundesminister verfassungsrechtlich hält.

Meine Damen und Herren, ich bin da schon dafür, dass wir, wenn wir etwas machen und wir uns das Ziel setzen, die Bevölkerung vor Ort zu entlasten, das dann ordentlich machen müssen und nicht so, dass es wieder einen Passus drinnen gibt, der wahr­schein­lich – ziemlich sicher – verfassungsmäßig nicht halten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich spreche jetzt gar nicht davon, welcher Druck auf die künftigen Verkehrsminister entstehen wird – ich möchte jetzt von diesem Druck gar nicht sprechen –, aber wir machen damit dieses Mautsystem wirklich löchrig. Wir machen es damit löchrig und nicht das, was wir eigentlich mit diesem Antrag im Sinn haben, nämlich eine Entlastung für eine besonders betroffene Bevölkerung und für eine besonders betroffene Region zu schaffen. Das gelingt uns dann eben in weiterer Folge nicht.

Ich bin also der Meinung, wir sollten diesen einen Passus – wie es in unserem Abän­derungsantrag steht  – herausnehmen, um diesen verfassungsmäßig schwierigen Part zu verhindern.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 89

Das Zweite ist – und da irren die Grünen leider in der Argumentation, weil diese Evaluierung in diesem Gesetz nirgends festgeschrieben ist –: Wir wollen, und ich glaube, das ist auch unsere Verantwortung, dass die Maßnahme evaluiert wird. Wir wollen, dass wir uns das anschauen: Wirkt es oder wirkt es nicht? (Abg. Gahr: Wird ja! Wird ja bis 2021 ...!) – Da brauchen Sie gar nicht dazwischenzurufen, lesen Sie unseren Abänderungsantrag und stimmen Sie zu, weil es dann drinnen ist! Wir wollen diese Evaluierung, wir wollen diese Befristung haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Also ganz einfach: Was braucht es denn? – Es braucht eine Maßnahme, die die Bevölkerung und die Regionen vom Ausweichverkehr vor Ort entlastet. Das Zweite, was es braucht, ist eine verfassungsrechtliche Sicherheit, sodass diese Maßnahme auch hält, und das Dritte, was es braucht, ist eine ordentliche Evaluierung; eine ordent­liche Evaluierung, ob diese Maßnahme auch greift. Und es braucht auch den Mut, es zu sagen, wenn es nicht hilft. Wenn es die falsche Geschichte ist, dann müssen wir auch wieder den Mut haben, zu sagen: Es hat nicht gewirkt! – Wenn es wirkt, ist es klar, dass es fortgesetzt wird.

Es gilt also, die betroffene Bevölkerung vom Ausweichverkehr zu entlasten, eine Re­gelung zu schaffen, die hält, und als Drittes zu evaluieren und auch den Gemeinden, die jetzt die Sorge haben, dann wieder am Rand der mautpflichtigen Bereiche zu sein, eine Sicherheit zu geben, dass es ordentlich evaluiert und angeschaut wird.

Daher appelliere ich – wenn man schon die Frage stellt, wie wir einen möglichst breiten Konsens schaffen können – an Grüne und ÖVP, sich unseren Abänderungsantrag anzuschauen, der genau die von mir ausgeführten zwei Punkte, die wir kritisch sehen, beheben und so wirklich eine breite Mehrheit für eine Entlastung der betroffenen Bevölkerung schaffen würde. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.20.02

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­he­rinnen und Zuseher! Ich beginne mit Europa. Das Problem, das wir mit dieser ge­plan­ten Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes angehen wollen, wird sich letztlich nur auf europäischer Ebene nachhaltig und endgültig lösen lassen.

Was wir jetzt beschließen, ist für mich eine Sofortmaßnahme, die angesichts der massiven Belastung, die für die Bevölkerung in den betroffenen Regionen gegeben ist, einfach nicht so intensiv und eingehend diskutiert werden kann. Es haben Vorredner schon erwähnt, wie sehr sich die Situation in einer belastenden Weise darstellt. Ich kenne die Situation in Kufstein, ich habe sie mir ganz genau angeschaut. An den Urlauberwochenenden, wenn der Urlauberschichtwechsel stattfindet, ist es teilweise nicht einmal mehr möglich, dass Einsatzfahrzeuge zu ihren Zielen fahren können, weil das niederrangige Straßennetz durch den Umgehungsverkehr von der Autobahn ein­fach dermaßen belastet ist.

Angesichts dieser Situation verblassen alle anderen Argumente. Die sind gegeben, ich will sie gar nicht kleinreden, und wir haben uns die Situation im Klub auch sehr genau angeschaut. Wir haben uns auch die Argumente des Verkehrsministers angeschaut. Die haben Gewicht, das ist gar keine Frage, aber auf der anderen Seite ist eben die Belastung der Bevölkerung, die wirklich ein Ausmaß erreicht hat, dass eine sofortige Maßnahme notwendig ist. Ich bin als Tiroler wirklich sehr froh darüber, dass insbe­sondere die Situation in Kufstein jetzt durch diese Gesetzesänderung bereinigt wird,


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möchte aber schon anschließen, dass es letztlich – und das passt ja sehr treffend zum heutigen Thema der Aktuellen Stunde – ein europäisches Problem ist.

Drei dieser Regionen, die von dieser Gesetzesänderung betroffen sind, sind Grenz­regionen. Ich spreche gar nicht so gerne von Grenzregionen, denn es sind ja Binnen­grenzen. Wir sind im gemeinsamen Europa, aber dennoch sind es faktische Grenzen, da wir in Europa einfach kein einheitliches Mautsystem haben. Wenn wir heute davon gehört haben, wie wichtig es wäre, dass wir die europäische Bevölkerung wieder mehr ins Boot holen und diese gemeinsame europäische Idee beflügeln, so bin ich der Mei­nung, dass das am besten dadurch funktioniert, dass wir Maßnahmen setzen, wodurch die Bevölkerung Europas das gemeinsame Europa spüren kann, so wie das mit der gemeinsamen Währung war oder als die Grenzkontrollen gefallen sind. Das sind Mehr­werte für die Bevölkerung.

Es wäre eben auch ein gemeinsames europäisches Mautsystem ein Thema, ein ein­heitliches System, wodurch es dann nicht mehr notwendig wäre, dass man sich die Windschutzscheibe, wenn man viel in Europa unterwegs ist, mit den diversen Maut­pickerln zupicken muss. Das sollte das Ziel einer europäischen Politik sein, und dafür sollten wir uns als Österreicher, als Transitland, ganz besonders starkmachen.

Ich bitte aber trotzdem darum, dem Antrag in der vorliegenden Form zuzustimmen, damit die Bevölkerung angesichts dieser akuten Belastung – gerade wenn jetzt die Wintersaison losgeht – in dieser Situation entlastet wird. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Gahr.)


13.24.00

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernseh­schirmen! Eines scheinen alle Parteien zu wollen, nämlich die transitgeplagte Bevölke­rung zu entlasten, aber was heute von der ÖVP initiiert wurde und dem Nationalrat mit Unterstützung der NEOS und der Grünen zur Beschlussfassung vorgelegt wird, er­reicht das nicht.

Kollege Haubner, du kommst heute hier ans Rednerpult und sagst, es ist ein histo­rischer Tag, es ist ein großer Tag, wir beschließen einen Meilenstein. Bevor wir diesen Beschluss fassen, gibt es gegen eure Initiative bereits massivsten Widerstand in Vorarlberg. Das kann nicht historisch sein! Das heißt, Sie fahren über die Betroffenen drüber und stellen sich dann hierher und sagen, wir machen etwas Historisches.

Ich darf aus der APA zitieren: „Bei einigen Rheintalgemeinden sorgt das für Entrüs­tung:“ – nämlich euer Vorschlag – „Hohenems, Altach, Götzis, Dornbirn, Lustenau und auch die grenznahe Schweizer Gemeinde Diepoldsau wollen ‚sofort alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel prüfen und gegen diese Entscheidung [...] vorgehen‘“, falls das heute hier beschlossen wird. (Abg. Wöginger: Das fällt ihnen jetzt ein!)

Ein Teil eures Antrages ist also schon einmal ein Husch-Pfusch, nämlich in Bezug auf die Situation in Vorarlberg. In Oberösterreich werden Autobahnstrecken ausgenom­men, die noch nicht gebaut werden. Das können wir gleich ad acta legen.

Was bleibt übrig? – Das brennende Problem Kufstein, Kufstein Süd und Salzburg. Des­wegen haben wir als Freiheitliche Partei heute einen Abänderungsantrag eingebracht – vorgetragen vom Kollegen Hafenecker –, der genau diese Punkte berücksichtigt. Das heißt, für alle Zuseherinnen und Zuseher: Wir als Freiheitliche Partei stehen zu unserer Verantwortung und wollen die transitgeplagte Kufsteiner Bevölkerung und die Salzbur-


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ger Bevölkerung von der Vignettenpflicht ausnehmen. Das heißt, wir wollen diese Bevölkerung entlasten. (Abg. Haubner: Ihr braucht ja nur zustimmen, Kollege Hauser! Zustimmen! Zustimmen!)

Was wir nicht wollen, ist, ein Gesetz mitzutragen, das eben andere Regionen, wie zum Beispiel in Vorarlberg, belastet und das österreichische Mautsystem in seinen Grund­festen erschüttert. Euer Antrag bewirkt, dass es zu einem geschätzten Einnah­men­entfall von 35 bis 40 Millionen Euro für die Asfinag kommen wird. Das muss man auch der Tiroler Bevölkerung sagen, weil Tiroler Mandatare diesen Antrag vehement ein­bringen und fordern. Die Konsequenz wird sein, dass man einerseits weniger Lärm­schutzwände bauen kann und andererseits möglicherweise der Bau des Tschirgant­tunnels im Tiroler Oberland gefährdet ist, wenn die Finanzmittel nicht vorhanden sind. Das müsst ihr auch dazusagen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Und bitte, sagt auch dazu, dass euer Partner bei dieser Beschlussfassung, die Grünen, sagen, es ist das Ende der Vignette ausgerufen. Das muss heute hier klar festgestellt werden: Ihr wollt das Roadpricing, ihr wollt mit dieser Beschlussfassung heute eine kilo­meterbezogene Maut herbeiführen, was die Bevölkerung zusätzlich belasten wird.

Wir als Freiheitliche Partei sagen, wir wollen keine neue Steuern, wir wollen keine zusätzlichen Belastungen. Das Gegenteil ist der Fall! Wir haben ein Ausgabenproblem, wir müssen schauen, dass wir die Ausgaben in den Griff bekommen und dass nicht permanent für neue Einnahmen in die Taschen der Bevölkerung hineingegriffen wird.

Kufstein Süd: Das Problem bei Kufstein Süd ist einzigartig, das ist hart. Vor dem Beitritt zur Europäischen Union – da war ich im Tiroler Landtag – ist Tirol beschwichtigt wor­den, und es wurde festgestellt, wir haben einen Transitvertrag mit maximal 850 000 Transit­fahrten durch Tirol. Wir haben das damals schon bezweifelt und kritisiert. Wie schaut es heute aus? – Heute haben wir 2,5 Millionen Transitfahrten, Nord-Süd-Transit, an Kufstein vorbei, durch Tirol durch! Wir haben 10 bis 11 Millionen Pkws, die diese Fläche transitierend befahren. Es kommt – Gott sei Dank, sage ich – der Urlauber­verkehr dazu, speziell im Winter. Es ist ja erfreulich, es sind Tourismuseinnahmen. In Summe ist es aber eine maximale Belastung der Kufsteiner Bevölkerung, die zu ent­lasten ist.

Damit ist klargestellt: Wenn unser Abänderungsantrag nicht durchgeht und damit auch medial nicht das Gegenteil berichtet werden kann, haben wir uns als Freiheitliche Partei zu folgendem Vorgehen entschlossen: Wir lassen über unseren Abänderungs­antrag abstimmen – wie erwähnt, Kufstein Süd, Kufstein, Salzburg sind aufgenom­men –, wir wollen haben, dass dieser heutige Beschluss evaluiert wird und wir wollen vor allem auch haben, dass der Herr Minister keine Verordnungsermächtigung hat, damit nicht vor Wahlen jede Gemeinde, jeder Bürgermeister zum Herrn Minister laufen kann, um eine Vignettenfreiheit herbeizuführen.

Wenn unser Abänderungsantrag – liebe Kufsteinerinnen, liebe Kufsteiner, liebe Tiroler – heute und hier von der Mehrheit abgelehnt wird, werden wir dem Antrag von ÖVP, Grünen und NEOS in dritter Lesung zustimmen, damit nicht übrig bleibt, dass die Freiheitliche Partei gegen eine Entlastung der transitgeplagten Bevölkerung ist. – Ich danke.

Bitte überdenkt aber trotzdem unseren Antrag, das ist ein gescheiter, vernünftiger Antrag! Die Baustellen, geschätzter Kollege Haubner, hast du schon aufgemacht, denn in Vorarlberg gibt es schon massiven Protest gegen diesen Beschluss, der noch nicht einmal gefasst wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

13.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haubner: Hermann, sag, wie es ist!)



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13.29.53

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir führen eine intensive Debatte über einen Antrag zum Mautgesetz. Kollege Stöger, die Länder können keine Verbote nach ihrem Wunsch erlassen, sondern wir haben uns seit sechs Jahren bemüht, zwischen Asfinag und Land Lösungen für die Dörfer zu finden, was leider nicht möglich war. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Kollege Hafenecker hat behauptet, es werden keine Österreicher entlastet. Jawohl, es werden Österreicher entlastet, es werden viele Bürgerinnen und Bürger in den Ge­meinden Ebbs, Niederndorf – auf deutscher Seite Kiefersfelden – und die Stadt Kufstein entlastet. Kollege Einwallner, der Antrag beinhaltet sehr wohl eine Evaluierung, und ich glaube, bis zum Frühjahr 2021 werden wir evaluieren und berichten können, was das für Auswirkungen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir kämpfen seit vielen Jahren für diese Mautbefreiung, weil es ganz einfach Probleme gibt, und es war uns auch ein Anliegen, dass wir auch andere Regionen ernst nehmen. Ich glaube, wir können nur Schlüsse daraus ziehen, wenn wir insgesamt ein Bild davon haben. Ausgelöst wurde es natürlich durch Kufstein – von unserem Landeshauptmann Günther Platter massiv eingefordert –, und heute wird einmal ein Beschluss gefasst, damit wir möglichst schnell bis zum 15. Dezember die Bevölkerung entlasten. (Abg. Einwallner: Können wir eh machen!)

Es hat ja früher eine Regelung gegeben, die ohne lange gesetzliche Kontrollen geneh­migt war. Die hat ja funktioniert! Da hat es keine Probleme gegeben, nach sechs Jahren gemeinsamem Einsatz. Kollege Haubner hat es heute schon wiedergegeben, es hat ja wirklich von allen politischen Parteien eine Vielzahl an Anträgen gegeben. (Abg. Einwallner: Ja, den Abänderungsantrag! Stimmt zu!)

Wir sind uns ja insgesamt am Schluss einig, es ist vielleicht der Weg unterschiedlich, aber das Ziel sollte für uns alle das gleiche sein: Es geht um die Entlastung der Bevöl­kerung.

Zwei Gründe sind für diesen Beschluss maßgeblich ausschlaggebend. Einerseits gibt es gerade an den Wochenenden eben in Tirol – zum Glück – insgesamt einen starken Autoverkehr durch den Tourismus. Unsere Gäste wollen halt staufrei anreisen, wir haben aber auch Tagestouristen und es sind auch viele Einheimische, die am Wochen­ende Erholung suchen und somit im Stau stehen. Daher glaube ich, es ist nicht zumutbar, dass wir gerade am Wochenende, das der Erholung dienen sollte, unsere Bevölkerung belasten.

Das zweite spezifische Problem ist das Krankenhaus Kufstein. Es hat da durchaus riesige Probleme durch die Verstopfung der Straßen in der Stadt Kufstein gegeben. Das hat die Erreichbarkeit dieses öffentlichen Spitals betroffen. Gerade in Notfällen sollte es ja so sein, dass man möglichst schnell und sicher das Krankenhaus erreichen kann. Das ist ein wichtiger Beschluss für die Regionen, ab 15. Dezember, glaube ich, können wir dann hier die Schlüsse daraus ziehen.

Ich möchte mich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die sich im Vorfeld massiv dafür eingesetzt haben. Das war auch zum Beispiel die Kollegin Schimanek, das war aber auch mein Kollege Josef Lettenbichler, auch unser Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger und alle, die sich in den letzten Wochen intensiv bemüht haben, dass wir heute darüber einen Beschluss fassen können.

Zum Schluss: Fakt ist, es geht um die Entlastung der regionalen Bevölkerung. Fakt ist, wir schaffen die Maut nicht ab, die Vignette bleibt. Fakt ist, wir evaluieren bis An­fang 2021 die betroffenen Ausnahmen. Fakt ist, wir geben aber auch einen Auftrag und


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wir haben eine sogenannte Ausschussfeststellung eingebracht, dass wir insgesamt die Auswirkungen dieses Verkehrs noch einmal bewerten und Alternativen aufzeigen. Fakt ist aber zum Schluss: Es geht um die Entlastung der Bevölkerung, und dem kommen wir mit diesem Beschluss nach. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek gelangt zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.34.14

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich freue mich heute zuerst einmal mit den betroffenen Tirolern und Salzburgern, dass eine Lösung gefunden wird, dass eine Lösung umgesetzt wird und dass eine Entlastung für die Bewohner dieser Gebiete kommt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin recht froh darüber, dass von der ÖVP heute schon ein bisschen die Geschichte aufgearbeitet worden ist. Ich nehme nur die letzten Anträge von Carmen Schimanek beziehungsweise Gartelgruber und die Art und Weise, wie sie behandelt wurden: eingebracht im Jahr 2013, im März 2014 vertagt, im November 2014 vertagt, im April 2015 vertagt, im März 2016 vertagt – mit dem Argument, man müsse eine gemeinsame große Lösung finden, man müsse eine Lösung für ganz Österreich fin­den, man müsse Lösungen finden, die die Asfinag und ihren Zweck im Sinne der Finanzen der Republik Österreich schützen. Jetzt ist es offenbar egal, oder doch nicht. Ich bin gespannt, was die Konsequenzen sein werden. Ich bin vor allem für eine Diskussion nicht offen, und zwar ist das die Vignettendiskussion.

Meine lieben Kollegen von der ÖVP, wenn Sie sich den ÖAMTC in den vergangenen zehn Jahren angehört haben, so hieß es immer wieder: kein Roadpricing. Auch die Anträge und Versuche der etwas unglücklich agierenden slowenischen EU-Verkehrs­kommissarin, das europaweit durchzudrücken, sind ein Schaden für Österreich. Ich hoffe, Sie bleiben da hart, auch wenn die selbsternannten grünen Verkehrsexperten sagen, der Vignettenman ist vorbei. Halten Sie hier die Fahne Österreichs hoch!

Die Versuche und die Experimente der Grünen kennen wir aus Salzburg mit dem Achtziger rund um die Stadt Salzburg, der angeblich so notwendig und wichtig war und den jetzt – Gott sei Dank! – die ÖVP rechtzeitig zur Landtagswahl eh wieder ab­schaf­fen will. Das ist ein Schaden für das ganze Bundesland, und ich hoffe, Sie können diesen Schaden, der in Konsequenz bei der Asfinag entstehen würde, für Österreich abwenden. (Beifall bei der FPÖ.)

13.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli gelangt zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.37.02

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche mich hier heute als Wahrsagerin und sage Ihnen eines: Ich glaube, dieser heutige Beschluss wird ein leiser Abschied von der Vignette sein. Dieses leise Servus ist ein sehr, sehr guter Abschied, denn tatsächlich ist die Vignette vor allem ein Geldbeschaffungsmittel. Sie hat zwar einen Lenkungseffekt, aber leider einen falschen. Die Vignette hält Auto­fahrerinnen und Autofahrer davon ab, das hochrangige Straßennetz zu benutzen.

Das ist seit 20 Jahren der Strickfehler dieses Instrumentes. Es ist einfach unlogisch, wenn wir mit einem Instrument zulassen, dass die Autofahrerinnen und Autofahrer, anstatt die Autobahn zu benutzen, über die Landgemeinden fahren und dort Verkehr


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verursachen, Staub verursachen, Unfälle verursachen und Lärm fördern. Ich verstehe nicht, wieso Sie immer noch hergehen und an diesem veralteten Konzept festhalten.

Tatsächlich, wenn Sie sich die Vignette anschauen – Herr Kollege Stöger, Sie haben uns in der Umweltpolitik belehrt –, ist sie deshalb ein einziger Blödsinn, weil die Auto­fahrer, die besonders viel fahren, mit der Vignette belohnt werden, während diejenigen, die wenig fahren, mehr zahlen müssen. Wer mehr fährt, zahlt weniger für den Kilo­meter. Das ist doch einfach unlogisch. (Abg. Deimek: Gott sei Dank ist das nur eure Meinung!)

Was wir heute machen, ist eine reine Notlösung für die Situation der besonders ver­kehrsgeplagten Grenzstädte, denn die ist erst durch dieses unökologische Instrument der Vignette entstanden. Wenn ich mich recht daran erinnere, war das ein schwarz-rotes Projekt, und es würde Ihnen auch anstehen, dass Sie heute zugeben, dass Sie einfach aufs falsche Pferd gesetzt haben.

Nochmals: Es geht im Grunde genommen um die Reparatur eines schlechten Zustands. Ich werde auch deshalb hier nicht in Jubelschreie ausbrechen, wenn es um den heutigen Beschluss geht. Die Abschaffung der Maut – das kann man ruhig auch zugeben – ist gewissermaßen eine Verlagerung des Verkehrs. Diese Befreiung der einzelnen Teilstrecken der Autobahn ist nur eine Second-best-Lösung, aber es gäbe eine viel, viel bessere Lösung. Eine sehr, sehr gute Lösung wäre nämlich, im gleichen Ausmaß die Mineralölsteuer zu erhöhen und die Vignette gleich abzuschaffen.

Die Mineralölsteuer wurde nie zu diesem Zweck eingeführt, ist aber trotzdem eines der besten und effizientesten umweltpolitischen Instrumente überhaupt. Sie sorgt dafür, dass die Energie effizient genutzt wird, und ja, sie sorgt auch dafür, dass der Verkehr nur auf das Notwendige beschränkt wird.

Wir haben heute über die Bewältigung der Klimakrise sehr, sehr viel gehört. Und ja, das ist die Menschheitsaufgabe des 21. Jahrhunderts, aber damit wir das hinbe­kom­men, müssen wir alle Register ziehen. Wir müssen ordnungspolitische Instrumente hernehmen, wir müssen die schädlichen Förderungen komplett streichen, wir brauchen aber auch einen klugen Einsatz von Steuern. Wenn wir die Mineralölsteuer nur um ein bisschen, nur um 5 Cent erhöhen, könnten wir sehr, sehr viel vom Verkehr zurück­drehen, sehr, sehr viel an Emissionen verhindern und wahnsinnig viel für die Umwelt tun. Die Vignette hingegen tut für die Umwelt genau gar nichts. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer gelangt zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.40.57

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Werter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und hier bei uns auf der Galerie! Tirol sagt Danke – und das mit lautstarker Stimme. Die lautstarke Stimme kam auch von unserem Landeshauptmann, der sich schon seit einem Jahrzehnt für diese Thematik in Kufstein–Kiefersfelden einsetzt.

Ich möchte ganz kurz erläutern, was das für die Bevölkerung in Kufstein bedeutet: Die Menschen können nämlich aufatmen, richtig atmen, denn tagtäglich fahren in einem kleinen Dorf wie Niederndorf bei Kufstein, das eine Einwohnerzahl von 2 700 Ein­wohnerinnen und Einwohner hat, 4 500 Pkws. Das heißt, sie fahren dort Stoßstange an Stoßstange; man muss sich schwer überlegen, ob man aus einer Garage herausfährt, zum Einkaufen fährt. Das größte Problem aber haben die Einsatzkräfte, weder Feuer-


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wehr noch Rettung noch andere schaffen es, normal zu einem Notfall zu kommen, und das ist das größte Problem, das wir eigentlich dabei haben.

Transitverkehr ist in Tirol ein massives Problem. Wir wissen nicht mehr, wohin mit dem Verkehr, wir ersticken im Verkehr. Eines möchte ich auch noch zu der Aussage anmerken, dass wir hierbei Geld verlieren. Also bei mir zu Hause – und ich bin mit sechs Jahren in die Volksschule gegangen – ist null null. Wenn ich keine Vignette verkaufe, kann mir auch keine Einnahme entgehen. Wie da die Asfinag auf einen Einnahmenentgang kommt, verstehe ich persönlich nicht, denn die Menschen, die dort fahren, kaufen keine Zehntagesvignette für über 9 Euro. Sie fahren nicht 5 Kilometer auf der Autobahn, sondern sie fahren im niederrangigen Straßennetz, sie kaufen keine Zehntagesvignette, daher ist auch kein Einnahmenentgang vorhanden.

Ich möchte mich abschließend noch einmal bei allen bedanken, die sich hier massiv eingesetzt haben. Ich danke auch der FPÖ, dass sie jetzt diesem Antrag zustimmt. Vielen Dank! (Abg. Deimek: Weil ihr unserem besseren nicht zugestimmt habt!) Ich möchte den Appell noch einmal an die SPÖ richten, denn Max Unterrainer hat sehr, sehr oft versucht, dass eine Lösung für das Tiroler Unterland kommt. Hoffentlich gehen Sie in sich und stimmen auch zu! Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kai Jan Krainer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.43.42

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kam gerade und auch schon vorher vom Kollegen Weratschnig der Ruf nach Einstimmigkeit in dieser Frage, und das zu Recht, denn wir sind ja alle sehr, sehr nahe beisammen. Wir wollen ja alle für diese vier Regionen – Linz ist keine Grenz­region, das ist noch ein Sonderfall, über den man diskutieren könnte –, dass diese Mautflüchtlinge nicht durch Kleinstädte oder durch Dörfer fahren. Das wollen ja alle hier, aber es gibt ein paar Punkte, in denen wir uns unterscheiden.

Das Erste ist, dass wir gesagt haben, dass nach einer gesetzlichen Evaluierung – das heißt, dass gesetzlich festgeschrieben wird, dass evaluiert werden muss – entschieden wird, ob diese Maßnahme vernünftig oder nicht vernünftig war, und man daher diese Maßnahme befristet. Sie tritt dann genauso am 15. Dezember in Kraft, die Frage ist nur, ob sie auf Ewigkeiten einbetoniert wird, auch wenn sie keinen Sinn ergibt. Es gibt in allen Fraktionen Befürchtungen, es ist ja niemand hier sicher, dass diese Lösung die ideale ist. In allen Fraktionen gibt es genügend Personen – wir haben das ja im Bud­get­ausschuss diskutiert –, die Befürchtungen haben, dass diese Lösung vielleicht nicht so gut ist und nicht funktioniert. Das heißt, die Befristung und die gesetzliche Evaluie­rung sind notwendig.

Was sind die Bedenken, die es in allen Fraktionen gibt, was negativ sein könnte? – Das eine wurde bereits gesagt, dass es eben nicht ein Problem löst, sondern ein Problem verschiebt. Das heißt, dass man dann das Problem nicht in Bregenz hat, sondern in Hohenems oder in Altach oder vermehrt dort, wo man es heute nicht hat. Das heißt, dass wir kein Problem lösen, sondern es nur verschieben. Das möchte hier niemand, aber diese Befürchtungen gibt es quer durch alle Fraktionen – deswegen bitte befristen!

Das Nächste ist, ja, es wird gezählt, wie viele Autos jetzt durch Dörfer fahren. Aber da sagt selbst die Asfinag, dass sie schätzt, dass nur die Hälfte Mautflüchtlinge sind und die andere Hälfte Stauflüchtlinge. Und die Stauflüchtlinge werden Sie nicht auf die Autobahn bringen, wenn sie keine Maut zahlen müssen. Die flüchten ja nicht vor der


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Maut, sondern vor dem Stau, und der Stau auf der Autobahn wird ja dadurch nicht geringer, sondern eher größer – die Stauflüchtlinge kriegen Sie dadurch nicht weg. Das heißt, wenn wir uns nach einem Jahr anschauen, ob das überhaupt irgendetwas ge­bracht hat oder nicht, dann ist es vernünftig, das zu befristen und auch diese ge­setzliche Evaluierung hineinzuschreiben.

Der andere Punkt, der angesprochen wurde, sind die Kosten. Jetzt hat die Kollegin von der ÖVP gesagt, es gebe gar keinen Einnahmenentfall. Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, dass die ÖVP selbst im Ausschuss gesagt hat, sie rechnet mit 28 Millio­nen Euro Mautentfall für die Asfinag. Das heißt, die Antragsteller selbst sagen, wir werden circa 28 Millionen Euro weniger von vor allem deutschen Autofahrern bekom­men, und dieses Geld fehlt natürlich. Dieses Geld wird uns bei Lärmschutzwänden fehlen, dieses Geld wird uns bei der Tunnelsicherheit fehlen. Es gibt auch andere, die sagen, das kostet wesentlich mehr, das kostet 30 oder 40 Millionen Euro, und es gibt Berechnungen bis zu 75 Millionen Euro. Das halte ich auch für zu hoch, ich bin ja eher bei den 30 Millionen Euro, aber diese Berechnungen gibt es. Deswegen diese Eva­luierung, dass wir wirklich anschauen: Was kostet das? Was bringt das? Haben wir den gewünschten Effekt oder müssen wir andere Maßnahmen setzen?

Es gibt ja auch eine Reihe von anderen Vorschlägen, wie wir diese Dörfer vor Maut­flüchtlingen und vor viel zu viel Durchzugsverkehr schützen können. Deswegen noch einmal der Appell: Einstimmigkeit gerne, aber nur, wenn es eine gesetzliche Evalu­ierung gibt und auch eine Befristung, damit wir uns wirklich anschauen: Bringt es das, was sich manche erhoffen, oder führt das zu dem, was manche befürchten? Dann haben wir Einstimmigkeit, die zwei Punkte, dann sind wir dabei. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.48

13.48.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 3 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen vor.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Hafenecker vor.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsanträgen sowie dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend den Entfall der Ziffer 4 und daraus resultierender Umnummerierung in § 13 Abs. 1a eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur getrennten Abstimmung über § 13 Abs. 1a Z 4 in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 97

Die Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen sowie die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben jeweils einen Zusatz- beziehungsweise Ab­änderungsantrag betreffend Streichung des Abs. 1b in § 13 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur getrennten Abstimmung über diesen Teil des Gesetzent­wurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, das heißt, das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen sowie die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben jeweils einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Ziffer 2 gleichen Inhaltes eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Abgeordneten, die sich dafür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungs­antrag betreffend Z 3 Abs. 13 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung eines Abs. 16 in Z 3 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen sowie die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben jeweils einen Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrag betreffend Streichung der Ziffer 4 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.


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Wir kommen nun zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich ange­nommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Alois Stöger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Bemautung von Aus­weichrouten“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

13.52.444. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­ge­setz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 194/1999, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 57/2019, geändert wird (9/A)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Susanne Fürst. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.53.10

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei hat einen Antrag auf Änderung des Artikels 41 Bundes-Verfassungsgesetz eingebracht, in dessen Absatz 2 nunmehr geregelt ist, dass Volksbegehren, die von mindestens 100 000 Stimmberechtigten unterstützt werden, im Nationalrat behandelt werden müssen. Da wurden sie dann meist diskutiert, zerredet und dann leider schubladisiert.

Deshalb haben wir uns entschlossen, hier anzuregen, ergänzend einen Absatz 2a ein­zufügen, in dem vorgesehen ist, dass Volksbegehren, die mindestens eine vierprozen­tige Unterstützung der Stimmberechtigten haben, also ungefähr 250 000 Stimmen erhalten haben, in einem zweiten Schritt einer verpflichtenden Volksabstimmung zu unterziehen sind, sofern sich der Nationalrat nicht binnen eines Jahres entschließt, den Inhalt des Volksbegehrens in ein Gesetz zu gießen.

Es geht da also wirklich um eine echte Volksinitiative, um ein Bürgerrecht, auf dessen Grundlage die Bürger ein Gesetz aufgrund eines erfolgreichen Volksbegehrens und einer mehrheitlichen Volksabstimmung durchsetzen können. Dies bedarf einer verfas­sungsgesetzlichen Änderung. Wir halten es aber wirklich für ein sehr ernsthaftes, legitimes Anliegen, dass die Partizipation der Bürger an der Gesetzwerdung wieder gestärkt wird, denn wenn Politiker zu abgehoben, zu eigenmächtig agieren, dann muss man schon auch die politische Elite wieder daran erinnern, dass die Bevölkerung der Boss ist. Die Bevölkerung soll der Auftraggeber an die Politik sein, denn die Bevöl­kerung ist nicht der Befehlsempfänger von – wie dann oft gesprochen wird – alter­nativlosen Anweisungen.

Es geht hier also um die Bindung der Politik an den Volkswillen, an die Wahlver­sprechen und um die Nähe zu den Wählern und die Verbundenheit mit dem Mehrheits­willen der Wähler. Es rächt sich, wenn diese Nähe und Verbundenheit ignoriert wird. Wir haben ja auch heute in der Aktuellen Stunde zwei internationale Ereignisse disku­tiert, die beide direktdemokratischen Charakter haben: den Brexit und den Mauer­fall 1989. Der Brexit wird jetzt sehr gerne als Argument gegen den Ausbau der direkten


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Demokratie verwendet, so quasi: Da seht ihr, was dabei herauskommt, wenn man das Volk fragt.

Dem möchte ich ganz klar und entschieden entgegentreten: Nein, die Bevölkerung hat klar entschieden, sie hat gute, nachvollziehbare Gründe gehabt. Jede Umfrage macht klar, dass die Migrationskrise 2015, der politische Kontrollverlust in Deutschland und auch die Entwicklung der EU zu einem Zentralstaat, der eben keine Nähe und Verbundenheit zu den EU-Bürgern hat, die hauptsächlichen Gründe dafür waren, um für den Brexit zu stimmen. Es war vielmehr dann das Versagen der rein repräsen­tativen Demokratie, dass der Wille der britischen Bevölkerung nicht umgesetzt wurde, und vor allen Dingen das Versagen der Brüsseler Elite, die ja im Vorfeld des Referen­dums die berechtigten Anliegen der Briten schon hätte berücksichtigen müssen und diese zum Anlass für eine Reform hätte nehmen sollen, um die EU wieder demo­kratischer zu machen, damit sie wieder die Nähe und Verbundenheit der Mehrheit der EU-Bevölkerung an sich zieht.

Ursula von der Leyen wundert sich, dass Europas Stimme in der Welt nicht gehört wird. Ja, natürlich nicht. Russland, die USA, China, Indien wissen alle, dass die Mehr­heit der EU-Bevölkerung nicht hinter diesem gewollten Zentralstaat steht. Und ein Gebilde, das nicht einmal seine Grenzen schützen kann und will, wird nicht ernst genommen. Ich würde daher anregen, dass sich die Kommissionspräsidentin, bevor sie auch nur daran denkt, einen Euro von der einen Billion, die sie für den Klimaschutz auszugeben gedenkt, auszugeben, einmal auf den Außengrenzschutz konzentriert, denn das will die überwältigende Mehrheit der EU-Bevölkerung und es wäre ein direktdemokratischer Akt. (Beifall bei der FPÖ.)

Der zweite Vorfall, der Mauerfall 1989 ist eigentlich der größte direktdemokratische Akt der letzten Jahrzehnte. Es war ein Durchbruch des Volkswillens, und die Bevölkerung war da im Recht. Sie hat ihren Wunsch nach dem Wegfegen der innerdeutschen Grenze friedlich durchgesetzt. Sie war da vollkommen im Recht, im Unterschied zu unseren Grenzen, den EU-Außengrenzen und unseren nationalen Grenzen, die nicht hinweggefegt werden sollen, wie das derzeit leider bewirkt wird, sondern die geschützt werden müssen. Wir freuen uns sehr auf die weiteren Diskussionen zum Ausbau der direkten Demokratie. (Beifall bei der FPÖ.)

13.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.58.48

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren im Rahmen einer sogenannten ersten Lesung grundsätzlich über eine Änderung der Bundesverfassung betreffend Volksabstimmungen und Volksbegehren.

Dabei grundsätzlich einmal vorweg: Die neue Volkspartei steht für zivilgesellschaft­liches Engagement, für das Freiwilligenwesen, für Mitgestaltung durch Bürgerbe­teili­gung. Das geschieht tagtäglich in den vielfältigsten Vereinen, aber auch bei den Pro­zessen in Gemeinden, wie zum Beispiel Dorf- und Stadterneuerung oder Gemeinde21, wo die Menschen ihr unmittelbares Umfeld aktiv mitgestalten. Die Österreichische Volkspartei steht deshalb auch zur direkten Demokratie und sie hat das Ohr an den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur vor, sondern auch nach Wahlen.

Nun haben wir hier einen Gesetzesvorschlag, mit dem die direkte Demokratie aufge­wertet werden soll. Und wie? – Indem ein Volksbegehren, das im Nationalrat nicht umgesetzt wurde, nach einem Jahr zu einer Volksabstimmung wird.


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Das ist meiner Ansicht nach nicht wirklich eine Aufwertung, sondern eine schlichte Um­benennung: ein zweites Mal fragen, eine Verlängerung, eine Erhöhung des Aufwandes für jene, die in erster Linie mit der Abwicklung solcher Vorgänge befasst sind – in erster Linie unsere Gemeinden. Ich denke, das kann nicht das Ziel sein.

Eine Stärkung, eine wirkliche Stärkung solcher direktdemokratischer Instrumente ge­lingt meiner Meinung nach durch eine entsprechende objektive Information aller, vor allem auch der Bürgerinnen und Bürger, durch eine breite Diskussion eines Themas; denn ansonsten besteht die Gefahr, dass Themen populistisch missbraucht werden und bloß zur Legitimation einer eigenen politischen Agenda oder eigener politischer Meinungen dienen.

Das Beispiel der Brexitabstimmung wurde bereits genannt. Ich ergänze das zum Bei­spiel um die Vorfälle rund um Cambridge Analytica, oder um die Beeinflussung von Meinungen durch Werbung, durch politische Werbung, die als solche nicht erkennbar ist.

Ein weiterer Kritikpunkt an dieser Vorlage ist auch, dass es keine Ausnahmen gibt. Ich denke, es kann und darf nicht sein, dass alle Bereiche einer Volksabstimmung oder einem Volksbegehren unterzogen werden können. Denken Sie nur an die Menschen­rechte oder die Minderheitenrechte! Ich denke, da muss es Schranken geben, und die sieht dieses Gesetz, die sieht diese Vorlage nicht vor. Auch 4 Prozent der Wahl­be­rechtigten, das wären bei aktuellem Stand circa 256 000 Personen, scheint mir etwas wenig zu sein.

Ein weiterer Kritikpunkt wäre, dass ein Volksbegehren auf die Erlassung eines Geset­zes abzielt. Bei einer Volksabstimmung allerdings stimmt das Volk über einen Geset­zesbeschluss des Nationalrates ab, das heißt, diese Abstimmung muss als eine Ja- oder Nein-Frage formuliert sein. Aber einfach über den Inhalt eines Volksbegehrens abzustimmen, ohne dass es überhaupt einen Gesetzesbeschluss gibt, das funktioniert irgendwie nicht. Da fehlt etwas.

Ein weiterer Punkt: Wenn ein Volksbegehren schon einen Gesetzesvorschlag enthält, und darüber wird dann eine Volksabstimmung abgehalten, und der sollte dann in Kraft treten, dann wäre das eine Gesamtänderung der Bundesverfassung, weil nicht mehr der Nationalrat das Gesetz beschließt, sondern dies direkt durch dieses Volks­begeh­ren, durch diese Volksabstimmung erfolgen soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Legitimation politischer Meinungen, dessen, was passiert ist, und dessen, was geschehen soll, denke ich, geschieht bei den Wahlen. Und da haben die Bürger und Bürgerinnen am 29. September dieses Jahres genau gezeigt, wem der Vorzug gegeben wurde. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.02.43

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren, die zuhören oder zusehen! Ich möchte mit einem Zitat unseres Bundespräsidenten in diese Debatte einsteigen. Er hat nach dem Bekanntwerden der Vorgänge rund um Ibiza einen Begriff geprägt, der sehr elegant war, er hat von der Schönheit der österreichischen Bundesverfassung (Abg. Meinl-Reisinger: Eleganz, Eleganz hat er gesagt!), von der Eleganz der österreichi­schen Bundesverfassung gesprochen. – Und es stimmt! Unsere Verfassung trägt diese Attribute in sich, geschätzte Damen und Herren. Sie garantiert sehr gut die Balance im


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politischen System. Sie zeigt auch, dass die direkte Demokratie auf der einen Seite und die repräsentative parlamentarische Demokratie auf der anderen Seite nicht unbedingt im Gegensatz zueinander stehen, sondern eine gute Symbiose bilden können. Wir sind uns zweifelsfrei einig, dass wir auch jetzt schon Instrumente der direkten Demokratie in unserem Verfassungssystem haben, die sich sehr gut in unsere gesamte Rechtsordnung einfügen.

Mir ist es wichtig, auch klarzustellen, dass wir Sozialdemokraten beide Elemente die­ses demokratischen Systems, einerseits das Repräsentative, andererseits das Direkt­demo­kratische, für sehr wichtig halten – aber immer in einer gewissen Ausgewogen­heit. Aus dieser Haltung heraus muss ich jetzt schon sagen, dass der Vorschlag der FPÖ kein guter, man könnte sogar sagen, ein schlechter Vorschlag ist, geschätzte Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Bösch.) Sie greifen eine Einzelmaßnahme heraus, die – und mein Vorredner hat es schon ausgeführt – im Extremfall dazu führen kann, dass 3 bis 4 Prozent der Wahlberechtigten in Österreich über die Köpfe des Rests, also über 96 bis 97 Prozent, entscheiden können, und das auch in Belangen, die gegen EU-Recht, die gegen Freiheitsrechte verstoßen können und die dazu geeig­net sind, wirklich Sorgen verfassungsrechtlicher Art zu entwickeln.

Geschätzte Damen und Herren! Wir werden daher Ihrem Antrag so nicht zustimmen. Erlauben Sie mir eine Anmerkung zum Schluss: Hätten Sie Ihr direktdemokratisches Engagement in der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung etwas gelebt, dann wären Sie in dieser Frage jetzt einen Hauch glaubwürdiger. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Amesbauer: ... im Regierungsprogramm ...!)

14.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Alma Zadić. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.05.35

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Stärkung der direkten Demokratie war uns Grünen immer ein sehr wichtiges Anliegen, daher begrüßen wir natürlich auch jede Stärkung der direkten Demokratie. Die direkte Demokratie kann auch dazu beitragen, dass die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern gestärkt wird. Sie kann Bürgerinnen und Bürger dazu bewegen, ihren Unmut auch wirklich direkt ins Parlament zu tragen und auch wirklich direkt einen Auftrag an die Regierung zu erteilen.

Es gibt viele Ideen und Konzepte, wie man die direkte Demokratie stärken kann und Ideen und Konzepte, die man entwickeln kann, gerade auch hinsichtlich der Einbin­dung des Internets – alles interessante, innovative Ideen, die man auch gemeinsam diskutieren sollte.

Aber wenn wir die direkte Demokratie stärken wollen, müssen wir bedenken, dass sie auch Gefahren in sich birgt. Sie eignet sich nämlich auch für den illiberalen Gebrauch, und diesen illiberalen Gebrauch sollten wir nicht unterschätzen. Daher müssen wir uns überlegen, dass diese Instrumente auch zum Beispiel zum Nachteil von Minderheiten genutzt werden können. Wir müssen uns auch überlegen, dass sie dazu benützt wer­den können, notwendige Machtbeschränkungen auszuhöhlen. In diesem Zusammen­hang muss ich auch die Boulevardmedien und deren Macht erwähnen, denn wir wis­sen ganz genau, dass Boulevardmedien teilweise manche Diskussionen in die eine oder in die andere Richtung lenken können. Wir wollen uns natürlich nicht ausmalen, was es heißt, wenn bestimmte Personen gewisse Medien übernehmen und dann ver­suchen, bestimmte Volksabstimmungen in die eine oder in die andere ihnen genehme Richtung zu lenken.


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Daher muss jede Maßnahme zur Stärkung der direkten Demokratie auch notwendige und angemessene Vorkehrungen enthalten. So ist es notwendig, dass es klare Ver­fahrensregeln gibt, und es ist notwendig, dass diese Initiativen auf ihre Gesetzmäßig­keit geprüft werden. Es braucht ein ganz klares Bekenntnis, dass Grundrechte und Menschenrechte dadurch nicht ausgehöhlt werden. Es braucht auch ein ganz klares Bekenntnis, dass diese Initiativen nicht gegen EU-Recht oder völkerrechtliche Ver­pflich­tungen verstoßen. Es darf selbstverständlich auch nicht zu einer Verschlechte­rung der Rechtsstellung von Minderheiten führen. Und selbstverständlich müssen sich diese Begehren im Rahmen des Budgets bewegen.

All das, meine Damen und Herren, enthält aber der Antrag der Freiheitlichen Partei nicht. Daher braucht es da wesentlich mehr Regelungen, und über diese Regelungen müssen wir diskutieren. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.08.51

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Bei dem Vorschlag der Frei­heitlichen handelt es sich quasi um einen Evergreen der FPÖ, einen Vorschlag, der immer wieder eingebracht wird, was per se nichts Schlechtes ist, da wir ja das Ziel der Stärkung direkter Demokratie teilen.

Der Vorschlag, der hier vorliegt, ist, dass man dann, wenn ein Volksbegehren – das von mindestens 4 Prozent der Stimmberechtigten unterstützt wird – im Nationalrat nicht entsprechend behandelt wird, auch eine Volksabstimmung macht.

Ich finde, die Freiheitlichen machen es sich ein wenig einfach, nämlich aus zwei Grün­den: Erstens hätte man ja damals, als es das berühmte Antirauchervolksbegehren gab, auch sagen können: Da ist eine gewisse Zahl da, wir machen eine verpflichtende Volks­abstimmung. – Das ist damals leider nicht passiert. Es wirkt ein wenig so wie: Wenn es einem nicht passt, dann macht man es vielleicht doch nicht. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Deimek.)

Das Zweite ist – es wurde auch schon von Kollegen Amesbauer reingerufen –: Das stand ja schon im Regierungsprogramm drinnen. – Ich habe das mehrmals in der Zeit, als ÖVP und FPÖ eine Regierung gebildet haben, angesprochen. Das fand ich sehr interessant, dass das bei Ihnen im Regierungsprogramm drinnen stand. Sie wissen aber auch, dass es für so eine Änderung eine Zweidrittelmehrheit braucht. Wir als NEOS haben immer gesagt: Selbstverständlich stehen wir für Verhandlungen bereit. Ich sage Ihnen: Ich glaube, in den eindreiviertel Jahren, die Sie gemeinsam eine Regierung gebildet haben, ist niemand jemals auf uns zugekommen, um mit uns in Verhandlungen zu treten. Somit glaube ich doch, dass es nicht ganz so ernst gemeint gewesen sein kann, denn sonst würde man Verhandlungen einmal aufnehmen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Frau Kollegin Fürst, es gibt ja sogar schon einen Kompromiss, damals aus der Enquete-Kommission betreffend Demokratie. Sie waren, glaube ich, in Ihrer Funktion als ORF-Stiftungsrätin oder -Publikumsrätin auch bei dieser Enquete-Kommission dabei. Es gibt einen gemeinsamen Minderheitenbericht von damals, von FPÖ, Grünen, dem Team Stronach, glaube ich, und NEOS, in dem wir gemeinsam Kompromisse ausgehandelt haben, wie wir denn direkte Demokratie weiterentwickeln können, denn das, was Sie hier vorschlagen, ist eben nicht unser Modell von NEOS.


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Ich glaube, wir sollten uns einerseits anschauen, dass wir an diesem Kompromiss wei­terarbeiten und vielleicht Lösungen finden. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Meine Hand ist ausgestreckt. Schauen wir, dass wir Lösungen finden, die für alle oder zumindest für eine Mehrheit dieses Hauses, für eine Zweidrittelmehrheit, tragbar sind, aber dazu müssen wir uns zusammensetzen!

Wir haben als NEOS zum Beispiel vorgeschlagen, dass es einen Stufenplan braucht. Wir glauben, direkte Demokratie ist gut und wir müssen sie aufbauen, aber ich glaube, wir müssen auf Ebenen anfangen, wo es unter Umständen einfacher ist, ent­sprechen­de Fragen zu stellen, weil die Themenlage nicht so komplex ist. Fangen wir auf Ge­meindeebene an, gehen über die Landesebene und dann schauen wir uns am Schluss an, wie das auf Bundesebene funktionieren kann!

Wir können darüber diskutieren, wie hoch die Prozentzahl sein soll – 4 Prozent, wie Sie vorgeschlagen, wir schlagen 10 Prozent vor. Das sind aber alles Dinge, über die man reden muss, um zu einem Ergebnis zu kommen.

Wir sind zum Beispiel auch der Meinung, dass es eine Cooling-off-Phase zwischen dem entsprechenden Volksbegehren und der Volksabstimmung bräuchte; dass man danach auch ernsthaft einen Diskurs in der Öffentlichkeit führen kann, um die positiven und negativen Argumente auszutauschen.

Wir glauben auch, zum Beispiel, weil Sie das Schweizer Modell ja auch immer wieder ansprechen, dass es die Möglichkeit für den Nationalrat geben sollte, Gegen­vor­schläge zu machen; wenn da ein Gesetzesantrag kommt, dass wir als Nationalrat sagen: unser Gegenvorschlag wäre ein anderer! – und beide werden zur Abstimmung gebracht.

Ich denke, man muss darüber diskutieren, wie die Initiativen, die etwas hineinbringen und solche Volksbegehren starten, finanziert werden und das regeln. Es braucht, wie auch schon vorhin angesprochen, No-go-Materien. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir hier Fragen über grundlegende Grund- und Freiheitsrechte oder über Europarechte einfach so abstimmen sollten. Das sind alles Dinge, die nicht funktionieren. Im Übrigen braucht es auch, wenn man solche Abstimmungen macht, ein entsprechendes Abstim­mungsbüchlein. Ich erinnere mich an Schlussverhandlungen nach der Enquete-Kom­mission betreffend Demokratie, wo irgendwie die Grundfrage war: Na, wer schreibt denn das dann? Also wir sind in Österreich, leider Gottes  und ich gebe Ihnen recht, dass wir hier etwas tun müssen –, so weit entfernt davon, eine gute Lösung, die hier eine breite Mehrheit findet, zustande zu bringen.

Von unserer Seite ist die Tür aber immer gerne offen. Sie stand auch die zwei Jahre von schwarz-blauer Regierungszeit immer offen. Es ist nur leider nie jemand auf uns zugekommen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Leichtfried – in Richtung des das Red­nerpult verlassenden Abg. Scherak –: Also die Rede war jetzt in Ordnung!)

14.12

14.12.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 9/A dem Budgetausschuss zu.

14.13.055. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird (20/A)



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Kollege MMag. DDr. Hubert Fuchs. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.13.26

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Das Bargeld hat für die Österreicher, wie eine jüngst erschienene Studie besagt, eine sehr große Bedeutung. Ein Alltag ohne Bargeld wird nirgendwo sonst auf der Welt so massiv abgelehnt wie in Österreich. Diesen gerecht­fertigten Wunsch der Bevölkerung sehen wir natürlich als Auftrag an das Parlament, und daher hat Herr Klubobmann Kickl mit mir einen entsprechenden Initiativantrag eingebracht, der das Recht auf Barzahlung als Staatszielbestimmung vorsieht.

Diese Staatszielbestimmung stellt klar, dass die Beschränkung der Verwendung von Bargeld im Zahlungsverkehr einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Freiheits­rechte der Bürger – nämlich in die Vertragsfreiheit beziehungsweise in die Privatauto­nomie – und in das Recht auf Datenschutz darstellt.

Im Sinne eines modernen Verfassungsstaates und eines wirksamen Konsumen­ten­schutzes sollen wir weder auf österreichischer Ebene noch auf Ebene der Euro­päischen Union Maßnahmen setzen, die das Vertrauen der Bürger in die Bargeld­bereitstellung und in das Recht auf Barzahlung erschüttern könnten. Unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wird im­mer wieder versucht, die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken. So hat man es auch bei den Sparvereinen, denen man das Leben schwer gemacht hat, versucht. Das wurde Gott sei Dank saniert. Beim Bargeld wird aber immer so getan, als gäbe es in der digitalen Welt keine Kriminellen und keine Terroristen.

Ohne Bargeld könnten per Knopfdruck Zwangssteuern eingeführt werden, so wie wir es damals im Jahr 2013 in Zypern erlebt haben. Ohne Bargeld sind aber die Sparer auch den Negativzinsen der Banken schutzlos ausgeliefert, weil die Sparer das Geld nicht mehr beheben könnten, und anstatt Zinsen für die Schulden zahlen zu müssen, erhalten die hoch verschuldeten Staaten aufgrund der Negativzinsen Geld von den Sparern, und die Schulden werden paradoxerweise nicht mehr vom Schuldner getilgt, sondern vom Sparer. Durch die Negativzinsen kommt es somit zu einer Umverteilung des Vermögens von den Gläubigern beziehungsweise von den Sparern zu den Schuld­nern, und das lehnen wir massiv ab. (Beifall bei der FPÖ.)

In einer Welt ohne Bargeld, in der alles, was man bargeldlos kauft und konsumiert, verfolgbar ist, gibt es keine Freiheit und auch keine Privatheit mehr, denn der bargeld­lose Zahlungsverkehr, die bargeldlose Zahlung ermöglicht die totale Kontrolle durch die Europäische Union beziehungsweise durch die Nationalstaaten.

Das Ergebnis einer Welt ohne Bargeld sind finanziell entmündigte und gläserne Bürger, der Bevormundung des Bürgers wären keine Grenzen mehr gesetzt. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob ein Bürger freiwillig einen digitalen Fingerabdruck hinterlässt, oder ob er mangels Bargeld gar keine Alternative mehr hat. Diese Wahl­freiheit, ich betone, diese Wahlfreiheit muss auch in Zukunft gegeben sein. Bargeld ist gelebter Datenschutz, Bargeld ist aber auch gedruckte Freiheit.

Ein weiterer Aspekt soll nicht unerwähnt bleiben: Wie sollen Kinder in einer Welt ohne Bargeld den Umgang mit Geld, das Wirtschaften mit Geld lernen? Geld zum Angrei­fen ist auch für die Kinder sehr wichtig.

Im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm ist der verfassungsrechtliche Schutz des Rechts auf Bargeld vorgesehen gewesen. Die ÖVP hat sich auch im Wahlkampf für die Ver-


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ankerung von Bargeld in der Verfassung ausgesprochen. Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass die ÖVP dieses Wahlkampfversprechen auch einlösen wird und die­sen Initiativantrag von Klubobmann Herbert Kickl zum Schutze des Bargeldes auch entsprechend unterstützen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Scherak: Jetzt bin ich gespannt!)


14.18.21

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es kann ja kein Zweifel darüber bestehen, dass der digitale Zahlungsverkehr zunehmend an Bedeutung gewinnt, weil er, no na, einfach ist, weil er praktisch ist, weil er auch sinnvoll ist, und umgekehrt Bargeldzahlungen bei Großbeträgen oder größeren Beträgen inzwischen ohnedies einer Reihe von Restriktionen, Überwachungen – Stichwort Geldwäsche – unterliegen.

Nichtsdestotrotz hat dieser Zahlungsverkehr auch Begleiterscheinungen im täglichen Leben: Es macht den Bürger ein Stück weit gläserner, was seine Konsumge­wohn­heiten anbelangt; und auch – das wurde gerade in letzter Zeit da oder dort diskutiert – was den Handel mit Daten der Bürgerinnen und Bürger aus diesem digitalen Zah­lungsverkehr anbelangt.

Es ist daher kein Wunder, dass sich das Bargeld in Österreich nach wie vor einer ungebrochenen Beliebtheit in der Bevölkerung erfreut. No na, bei Kleinbeträgen ist es schnell, es ist einfach, es ist beliebig handhabbar und es gewährt auch einen Schutz der Privatsphäre im täglichen Leben. Die generelle Abschaffung dieses Zahlungs­mit­tels wäre für viele Menschen daher schlicht und einfach ein Eingriff in die Privatauto­nomie und damit auch eine grundsätzliche Frage der Gewährung von Freiheiten für unsere Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus all diesen Überlegungen heraus haben wir schon in der vergangenen Legislatur­periode und auch kurz nach der Wahl selbst einen Antrag auf eine staatsgrundge­setzliche Verankerung eines Rechts auf Barzahlung gestellt. Wir hatten, wie Kollege Fuchs bereits ausgeführt hat, auch im gemeinsamen Regierungsprogramm verankert, dieses Recht einführen zu wollen. Wir bleiben bei dieser Meinung und unterstützen daher auch die Intention, eine diesbezügliche Wahlfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger im Grundgesetz festzuhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Fuchs und Wurm.)

Wir sind jetzt in der ersten Lesung. Es wird noch ausreichend Zeit und Gelegenheit sein, darüber im Ausschuss zu diskutieren. Ich freue mich auf diese Diskussion. Ich denke, es bedarf einer sorgfältigen Abwägung der zuvor angeführten Argumente. Die Privatautonomie, der Schutz der Privatsphäre für die Bürgerinnen und Bürger steht aber für uns ganz weit oben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Kai Jan Krainer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.21.52

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema ist ja nicht neu; ich glaube, wir haben vier Tage vor der Nationalratswahl einen sehr ähnlichen Antrag der Freiheitlichen gehabt, der hier diskutiert wurde. Die grundlegende Bereitschaft von allen, Bargeld nicht abschaffen, sondern sichern zu wollen, damit jeder entscheiden kann, ob er mit Bargeld zahlt oder nicht, ist ja nach wie vor gegeben.


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Ein Punkt, der nur am Rande vorkommt, den ich aber für wesentlich für die Öster­reicherinnen und Österreicher im realen Leben halte, ist die Bargeldbereitstellung im ländlichen Raum. Immer weniger Bankomaten, immer weniger Bankfilialen, also immer weniger Möglichkeiten, zu Bargeld zu kommen – das wird immer schwieriger. Das ist eine politische Frage. Es gibt schon Gemeinden, die auf Gemeindekosten Bankomaten von Banken mehr oder weniger anmieten. Banken behaupten, es rentiert sich nicht, und die Gemeinde muss dann extra zahlen, damit die Bürger in dieser Kleinstadt oder in diesem Dorf überhaupt Zugang zu Bargeld haben. Das heißt, die wesentliche politische Frage ist der Zugang zu Bargeld, denn andere Einschränkungen existieren in der Realität kaum.

Ich kann Ihnen gleich sagen, dass das Problem bei diesem Antrag, den die Frei­heitlichen vorlegen, sehr ähnlich dem beim Antrag ist, den sie vor der Wahl einge­bracht haben, nämlich dass die Auswirkung nicht die ist, dass das Bargeld geschützt wäre, sondern dass das Schwarzgeld geschützt wäre, dass sie die Möglichkeit von Schwarzgeld wieder in die Verfassung schreiben wollen. Wir haben eine Reihe von Gesetzen nicht nur zur Terrorismusbekämpfung, nicht nur zur Bekämpfung von Geldwäsche, sondern auch von Steuerhinterziehung, Lohn- und Sozialdumping, ille­galer Parteienfinanzierung und so weiter, die durch diese gesetzliche Maßnahme alle nichtig und ausgehebelt würden. Da sage ich Ihnen: Das wollen wir nicht.

Wir sind nach wie vor der Meinung, dass Steuerhinterziehung bekämpft werden soll. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die die Verwendung von Bargeld einschränken, wenn es um Steuerhinterziehung geht. Zum Beispiel im Bauwesen dürfen Sie nicht mehr als 5 000 Euro bar bezahlen. Das ist eine einfachgesetzliche Einschränkung der Verwendung von Bargeld, und das halten wir für richtig. Der durchschnittliche Bürger rennt ja auch nicht mit 20 000 Euro durch die Gegend. So etwas macht nur ein ehe­maliger Finanzminister von Ihnen, der jetzt vor Gericht steht. Sonst ist das an und für sich ein eher unübliches Verhalten, dass man immer mit Tausenden Euro bar bezahlen will. Das betrifft den durchschnittlichen Österreicher nicht.

Das Dritte ist eine technische Frage. Justizminister Jabloner hat wenige Tage vor der Wahl zum Thema gesagt: Wenn Sie Bargeld in der Verfassung verankert haben wollen, dann tun Sie das bitte in den Artikel 13a B-VG oder wo auch immer hin, aber bitte nicht ins Staatsgrundgesetz von 1967 – Entschuldigung, 1867. Ich glaube, ein derartiger Appell von einem Fachmann, wie Justizminister Jabloner ohne Zweifel einer ist, sollte auch auf Sie eine gewisse Wirkung haben. Bei uns hat er die Auswirkung – wir haben damals auch einen Antrag eingebracht –, dass wir das nicht mehr ins Staats­grundgesetz hineinschreiben würden.

Auch das Zweite, das er gesagt hat, stimmt immer noch, nämlich dass die Formu­lierung, die Sie gewählt haben, vollkommen überschießend ist und viele wichtige rechtliche Maßnahmen gegen illegale Parteienfinanzierung und gegen Steuerhinter­zie­hung verhindern würde. Das wollen wir nicht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.25.46

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause! Eine langjährige Forderung von uns Freiheitlichen, ein Wunsch der überwie­genden Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher und ein ganz, ganz wichtiges Konsumentenschutzanliegen ist der Erhalt des Bargeldes. Nachdem ich mir die heutige Diskussion und vor allem die Ausführungen seitens der ÖVP angehört habe, gehe ich davon aus, dass so wie im Regierungsprogramm mit uns auch im Regierungs­pro-


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gramm mit den Grünen der Erhalt des Bargeldes mit Sicherheit drinstehen wird. Damit haben wir dann schon die notwendige Zweidrittelmehrheit für dieses Verfassungs­ge­setz; da bin ich jetzt sehr optimistisch.

Ich wundere mich schon ein bisschen, dass die SPÖ da offensichtlich nicht mitgehen will, denn es gibt sehr deutliche und ausführliche Studien in Österreich, von der Münze Österreich im Übrigen, in denen eindeutig festgehalten wird, dass Bargeld für sozial schwache Gruppen extrem wichtig ist. Deren Interessenvertreter war die Sozialdemo­kratie ehemals, jetzt offensichtlich nicht mehr. Vor allem für ältere Menschen, für ärmere Menschen oder auch für Frauen ist Bargeld ein ganz, ganz wichtiger Teil ihres Lebens und sollte daher auch erhalten bleiben.

Kollege Fuchs hat schon ausgeführt, dass es sehr, sehr viele Vorteile des Bargeldes gibt. Ich weise nur noch einmal auf einige hin: Bargeld ist auch da, wenn wir zum Beispiel einmal einen Stromausfall haben, und das Szenario eines Blackouts ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich habe Bargeld, auch wenn ich kein Handy oder keinen Computer habe. Das heißt, jeder kann auf Bargeld zugreifen. Ich kann auch zwischen Konsumenten einfach Bargeld austauschen, wenn ich etwas bezahlen will. Eine sichere Aufbewahrung ist möglich.

Für mich der wichtigste Punkt beim Bargeld, und ich glaube, das ist auch der Grund dafür, warum die Österreicher und Österreicherinnen es haben wollen, ist eben die Anonymität, mein ganz persönlicher Freiraum, die Freiheit, zu entscheiden, dass ich mir dieses oder jenes kaufen möchte, ohne dass ich registriert bin, dass es nach­vollziehbar ist, was ich mit diesen 100 oder 200 Euro gekauft habe.

Ich weise wie schon des Öfteren darauf hin – und ich möchte das schon noch einmal in Erinnerung rufen –, dass der Iban nicht eingeführt wurde, weil es notwendig war. Der Iban wurde eingeführt, liebe Zuseher und Zuseherinnen, damit alle Iban-Transaktionen weltweit kontrolliert werden können, und das wird auch gemacht. Die Europäische Union hat den USA dieses Recht eingeräumt, und der zentrale Rechner, der alle Iban-Überweisungen registriert, steht in den USA. (Abg. Meinl-Reisinger: Das stimmt doch nicht!) Darauf möchte ich nur noch einmal für alle hinweisen, die Iban-Zahlungen tätigen.

Gerade deshalb ist es notwendig, das Bargeld in Österreich zu erhalten und das auch verfassungsmäßig zu garantieren. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, Kollege Fuchs hat es bereits getan: Alles, was uns vielleicht noch an Bankenkrisen und sons­tigen Krisen blüht, bedeutet für die Konsumenten mit elektronischem Geld dann schlicht den Bankrott.

Noch ein Hinweis für alle, die das bereits vergessen haben sollten: Es gibt die staatliche Absicherung für Kontoguthaben bei Banken nicht mehr. Die betrug einmal 100 000 Euro. Das wurde abgeschafft. Es gibt jetzt ein Versicherungssystem, und im Krisenfall wünsche ich uns allen miteinander viel Glück. Da ist mir mein Bargeld unter meinem Kopfpolster – bildlich gesprochen – wesentlich lieber. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich gehe, wie gesagt, davon aus, dass die Regierungsverhandlungen zwischen Schwarz und Grün das im Regierungsprogramm verankern werden. Wir werden dann sicherlich dem Verfassungsgesetz zustimmen. Vielleicht kann auch die SPÖ noch einmal in sich gehen und endlich einmal für sozial schwächere Gruppen in Österreich tätig werden. Dann sollte die Verfassungsmehrheit kein Problem sein. Wir Freiheitliche stehen so wie in der Vergangenheit für freie und mündige Bürger, die eigenver­ant­wortlich und ohne staatliche Kontrolle und Gängelei über ihr selbst verdientes Bargeld verfügen dürfen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.30



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Nina Tomaselli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.30.36

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Freiheit, selbstbestimmt über das eigene Leben zu entscheiden, ist seit jeher ein grünes Anliegen. Dazu gehört zum Beispiel, darüber zu entscheiden, welchen Lebensentwurf man praktizieren möchte. Freiheit heißt aber auch Schutz der Lebens­grundlagen. Freiheit heißt für uns Grüne aber auch, frei von Datenspuren leben zu kön­nen. Wenn ich mein ganzes Leben lang alles nur mit Bargeld bezahle, dann habe ich die Freiheit, keinerlei Daten zu meinen Produktvorlieben preiszugegeben, und dieses Recht, diese Wahl, darüber zu entscheiden, ob ich mit oder ohne Datenverkehr zahlen will, soll, wenn es nach uns geht, jedenfalls erhalten bleiben. (Beifall bei den Grünen.)

Damit stehen wir sicherlich nicht alleine da. Ich bin mir sicher, dass 100 Prozent der hier Anwesenden das so unterschreiben würden. Genau deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, ist meine Frage: Warum denn überhaupt die ganze Auf­regung um das Bargeld und warum dieser Antrag? Niemand hat die Absicht, das Bargeld abzuschaffen! (Abg. Wurm: Aufwachen! Recherchieren und nachdenken!)

Was wollen Sie damit erreichen? – Entweder wollen Sie den Österreicherinnen und Österreichern, die tatsächlich weltweit zu den größten Bargeldliebhaberinnen und -liebhabern gehören, Angst machen oder aber – ich unterstelle Ihnen jetzt eine gute Absicht – Sie wollen wirklich das Bargeld schützen. Dann brauchen wir dafür doch keine Verfassungsbestimmung. (Abg. Wurm: Ja, natürlich!) Nur weil man etwas für gut befindet, muss es noch lange nicht in die Verfassung. Eis im Sommer mögen wir auch alle und schreiben wir trotzdem nicht in die Verfassung, oder? (Beifall bei den Grünen.)

Wenn wir über Bargeld reden, können wir als Gesetzgeber nicht so tun, also ob mit dem Bargeld alles super in Ordnung wäre. Fakt ist, dass 90 Prozent des Bargelds überhaupt gar nicht benutzt, sondern irgendwo gehortet werden. Fakt ist auch: Wo es große Mengen an Bargeld gibt, wird oftmals Schindluder damit getrieben. Für Krimi­nelle ist nichts so gut wie Cash. Geldwäsche, Korruption, Steuerhinterziehung, organi­sierte Kriminalität – für all das braucht man Bargeld, viel, viel Bargeld. Und das, bitte, müssen Sie doch einfach zur Kenntnis nehmen. (Abg. Wurm: Studien lesen!) Wenn Sie zulassen, dass jeder endlos viel mit Bargeld bezahlt, dann schützen Sie letzten Endes die Schmarotzer und Kriminellen dieser Gesellschaft. Das ist so. (Abg. Kickl: Gerade kriminelle Geschäfte werden doch immer mehr in Kryptowährungen abge­wickelt!) – Nein, das ist so. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb sollten wir darüber reden, was eine sinnvolle Obergrenze für die Verwendung von Bargeld wäre. Würden nicht 5 000-, 3 000-, 1 000-Euro-Zahlungen ausreichen, um 99,9 Prozent aller Transaktionen von 99 Prozent der Bürgerinnen und Bürger problem­los durchzuführen? Wäre es nicht so? – Natürlich wäre es so.

Deshalb unser Appell zum Schluss: Jeder hat die Freiheit, zu bezahlen, wie er möchte, und das soll auch so bleiben. Da sind wir uns alle einig, aber es gibt keinen Grund, es denjenigen, die die Gesellschaft mit kriminellen Methoden ausnützen, besonders leicht zu machen.(Abg. Wurm: Aber!) – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loacker. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.34.02

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Jetzt kommt endlich ein bisschen Fahrt in die Debatte heute, die sich ja etwas dahingeschleppt hat. Die Antrag-


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steller der FPÖ haben in einem Punkt recht: Bargeld ist ein ganz wesentlicher Ausdruck von Freiheit. Bargeld hilft dem Bürger, sich vor lückenloser Überwachung zu schützen. Wer ihr Konto kennt, kennt ihr Leben. Der weiß nicht nur, was Sie verdienen, der weiß, wo Sie einkaufen, um welche Uhrzeit Sie einkaufen. Wenn Sie alles übers Konto machen, weiß man auch, in welches Fitnesscenter Sie gehen, welches Zei­tungsabo Sie haben und welche Vereine Sie unterstützen. – Also ja, immer wieder mit Bargeld zu bezahlen, hilft gegen lückenlose Überwachung.

Bemerkenswert ist aber schon, dass sich genau die FPÖ jetzt mit Überwachungs­themen beschäftigt. In der Regierungszeit haben Sie sich auch mit Überwachungs­the­men beschäftigt, Herr Kickl, aber aus einer ganz anderen Perspektive, nicht? (Beifall bei den NEOS.) Da ist es um den Bundestrojaner gegangen, da ist es um Lausch- und Spähangriffe gegangen, um das Eindringen in Privatwohnungen ohne richterlichen Beschluss. (Abg. Kickl: Ohne richterlichen Beschluss? Wo haben Sie das denn her?) Da war die Privatsphäre nicht mehr so wichtig, also kaufe ich Ihnen das Schauspiel heute nicht ab.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass eine eigene Verfassungsbestimmung sinnvoll wäre. Es steht ohnehin schon so viel Kram in der Verfassung, der dort nicht hingehört. Da müssen wir nicht noch mehr hineinpacken. Wenn vom Kollegen Wurm die Sorge vor der Europäischen Union angesprochen wird, dann muss man die Dinge natürlich schon ein bisschen geradebiegen und sagen: Na ja, wenn es denn so wäre, wie Sie den Teufel an die Wand malen, dann ginge europäisches Recht dem österreichischen halt doch vor, egal, wo Sie es hinschreiben. (Abg. Wurm: Eine bemerkenswerte Aussage!) Dann hätte das Verfassungsgesetz auch nicht die Wirkung, die Sie sich wünschen.

Im Übrigen kann ich Ihnen verraten: Der Iban hat mit Überwachung nichts zu tun. Das ist eine europäische Standardkontonummer, und da geht es nur darum, dass die Transaktionen schneller und problemloser durchgeführt werden können.

Ja, kommen wir also zum Punkt zurück: Ja, Bargeld ist die gedruckte Privatsphäre. Das Beste, was die Bürgerinnen und Bürger machen können, um das Bargeld zu behalten, ist, das Bargeld einfach regelmäßig zu verwenden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.36

14.36.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 20/A dem Budgetausschuss zu.

14.36.386. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über den Zugang zu Informationen (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) erlassen wird (25/A)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.37.03

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Ja, anstatt das Bargeld in die Verfassung zu schreiben, könnten wir wirklich sinnvolle Dinge in die Verfassung schreiben, nämlich ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf


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Informationen. Österreich ist in kaum einem Bereich so rückständig wie in der Frage der Informationsfreiheit. Wir sind eines der letzten Länder, die das Amtsgeheimnis noch in der Verfassung haben, das Amtsgeheimnis, das aus der Monarchie stammt und grundlegend festlegt, dass eigentlich nichts veröffentlicht werden muss und alles grundsätzlich geheim ist. – Das, obwohl wir eigentlich wissen, dass Transparenz in so vielen Bereichen eine wesentliche Hilfestellung ist, eine Hilfestellung als Mittel gegen Korruption, als Mittel gegen Steuergeldverschwendung. Es ist eigentlich etwas ganz Selbstverständliches, dass die Bürgerin/der Bürger ein Recht darauf hat, Informationen über staatliches Handeln zu bekommen.

Wir sind extrem rückständig, viele andere Länder auf der Welt sind uns schon weit voraus. So hat Schweden beispielsweise schon im Jahr 1766 in der Verfassung das Prinzip der Informationsfreiheit festgelegt. Andere Länder sind gefolgt, Österreich hat das bis heute nicht zustande gebracht. Wir sind im sogenannten Global Right to Information Rating von 128 Staaten auf dem großartigen – im negativen Sinn – 128. Platz. Das ist hochnotpeinlich, und das ist deswegen hochnotpeinlich, weil es sich die Bürgerinnen und Bürger einfach verdient haben, dass sie Informationen bekom­men, weil es selbstverständlich sein müsste, dass der Bürger die Chance hat, zu einer staatlichen Stelle zu gehen und gewisse Dinge zu hinterfragen.

An dieser Stelle muss ich immer das eine Beispiel dafür bringen, wie ausgeprägt die Absurdität in diesem Zusammenhang ist: Es gab einmal den Fall, dass bei einer nie­derösterreichischen Gemeinderatswahl ein Wahlwerber danach bei der Gemeinde angefragt hat, wie viele Vorzugsstimmen er denn bekommen hat. Die Gemeinde hat geantwortet: Das dürfen wir Ihnen leider nicht sagen; das unterliegt dem Amtsge­heimnis. – Zu solch absurden Blüten führt also das Amtsgeheimnis in Österreich.

Wir sind übrigens auch rechtlich bis zu einem gewissen Grad schon längst verpflichtet. Es gibt Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass es ein Recht auf Information nach Artikel 10 gibt. Wir sind nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte eigentlich dazu verpflichtet. Deswegen haben wir als NEOS ein umfassendes Informationsfreiheitsgesetz erarbeitet. Es ist im Übrigen jedes Mal aufs Neue am Anfang jeder Legislaturperiode der erste Antrag, den wir einbringen, weil wir glauben, dass wir mit diesem Amtsgeheimnis aus der Monarchie endlich abfahren müssen.

Es geht im Wesentlichen um zwei Dinge. Erstens: Staatliche Stellen sollen dazu ver­pflichtet werden, Informationen von Allgemeininteresse proaktiv zu veröffentlichen. Zweitens: Wir brauchen ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, dass Men­schen ein subjektives Recht haben, Informationen von staatlichen Stellen zu bekom­men. Das müsste ja eigentlich alles ganz einfach sein.

Ich schaue zuerst in diese Richtung. Es ist der ÖVP-Obmann Sebastian Kurz ge­wesen, der 2013 ein Recht auf Informationsfreiheit gefordert hat. Ich überspringe jetzt die FPÖ, weil die sich da nie ganz so sicher ist. 

Die SPÖ ist mit Thomas Drozda als Minister immer dahinter gewesen, dass es dieses Recht gibt, die Grünen waren auch immer dafür, wir NEOS auch. Die Zweidrittel­mehr­heit ist ganz einfach zu kriegen, wir müssen es nur machen. Deswegen haben wir diesen Gesetzesantrag schon eingebracht. Ich hoffe, dass alle ernsthaft bereit sind, das Amtsgeheimnis endlich der Vergangenheit angehören zu lassen. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

14.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Kollege Mag. Wolfgang Gerstl. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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14.40.23

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf gleich nahtlos an Niki Scherak anschließen. Viele hier in diesem Hause sind für Informationsfreiheit, viele in diesem Hause sind sich einig darüber, dass es auch Datenschutz geben muss. Viele, vielleicht nicht mehr alle, sind sich, glaube ich, auch einig darüber, dass österreichische Unternehmungen, auch wenn sie eine staatliche Beteiligung haben, im Wettbewerb mit anderen eine Chance haben müssen.

Wenn ich jetzt neben der Informationsfreiheit auch von Datenschutz und von der Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen spreche, dann sieht man schon das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum wir in den vergangenen Jahren im Detail noch zu keiner Lösung gekommen sind. Daher darf ich die Worte aufgreifen, die du, lieber Niki Scherak, beim vorherigen Tagesordnungspunkt erwähnt hast. Auch meine Hand ist ausgestreckt, dass wir das zustande bringen.

Betreffend Formalpunkte hast du vollkommen recht: Hinsichtlich der Diktion sind wir sehr veraltet, aber hinsichtlich der Rechtsprechung sind wir schon viel, viel weiter. Wir haben neun Auskunftspflichtgesetze, wir haben ein  Auskunftspflichtgesetz auf Bun­desebene und wir haben höchstrichterliche Entscheidungen, die eigentlich das sicher­stellen, was wir mit dem Informationsfreiheitsgesetz auch wollen. Das heißt nicht, dass wir das Gesetz nicht wollen, auch wenn der materielle Zustand heute schon der ist, den wir eigentlich erreichen möchten. Es geht dabei auch darum, ein Zeichen zu set­zen, es geht auch darum, von der letzten Stelle der Liste, die du angesprochen hast, wegzukommen, aber es geht vor allem auch darum, den Datenschutz, das heißt be­rechtigte Interessen anderer, immer sicherzustellen.

In diesem Sinne greife ich deinen Vorschlag auf, gehe aber auch davon aus, dass dieser Vorschlag in manchen Bereichen vielleicht zu überschießend ist. Ich denke jetzt nur an das Beispiel, dass alle vom Rechnungshof geprüften Unternehmungen der Auskunftspflicht unterliegen sollten. Ich bringe zwei Beispiele, zuerst eines, das, glaube ich, ein gutes internationales ist: Anbieter von elektrischem Strom, bei denen es eine österreichische Beteiligung gibt, können mit ihrer Offenlegungspflicht sehr leicht im Nachteil gegenüber ausländischen Stromunternehmungen sein, die in Österreich viel­leicht sogar Atomstrom anbieten, den wir nicht wollen. Wir wollen ja unseren CO2-freien Strom auch leichter anbieten können als Strom aus anderen Bereichen von anderen Energieanbietern. Also das ist schon sehr, sehr wichtig für österreichische Unternehmungen. (Abg. Meinl-Reisinger: Das wird ja kein Betriebsgeheimnis sein! Warum?) – Natürlich, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, wenn Sie österreichische Unter­neh­mungen dazu zwingen wollen, bestimmte betriebswirtschaftliche Rahmenbedin­gun­gen bekannt zu machen (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist regulierter Bereich!), wozu ein anderer ausländischer Anbieter nicht verpflichtet ist, dann schaden Sie den österreichi­schen CO2-freien Anbietern. Das wäre der falsche Weg, Frau Kollegin Meinl-Reisinger. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Meinl-Reisinger: Zeigen Sie mir genau dieses Beispiel!)

Ein anderes Beispiel wäre die Statistik Austria, die Sie genauso dieser Pflicht unter­legen wollen. Wenn ein Privater einen Auftrag an die Statistik Austria gibt und sagt, sie soll ihm eine Studie zu dem oder dem Thema machen, dann müsste ja die Statistik Austria – so wie dein Gesetzestext jetzt wäre – diese Studie sofort veröffentlichen. Das wäre auch vollkommen verkehrt, denn dann würde man verbieten, dass die Statistik Austria private Aufträge entgegennehmen kann. (Abg. Meinl-Reisinger: Wieso? Man kann immer einen Punkt finden! Oder man kann gewillt sein, etwas zu machen! Das ist ja lächerlich!)


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Also in diesem Sinne: Meine Hand ist ausgestreckt, wir können das gerne weiter verhandeln und darüber diskutieren. Nicht zuletzt haben wir auch im Cluster für die Regierungsverhandlungen unseren Themenblock 1 festgeschrieben, der lautet: Staat, Gesellschaft, Transparenz, denn Transparenz ist die Voraussetzung für Demokratie. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Thomas Drozda. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.44.34

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Das war jetzt natürlich ein eindrucksvolles Plädoyer dafür, so weiterzumachen, wie es bisher gelaufen ist, selbstverständlich bei ausgestreckter Hand. (Abg. Meinl-Reisinger: An der du dann verhungern kannst!) Ich finde, es ist irgendwie alles eher unernst und ein flammendes Plädoyer für das Amtsgeheimnis. Warum das alles wichtig ist und warum man das alles braucht, habe ich in keinem Verfassungsausschuss von Ihnen gehört, Kollege Gerstl. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Stögmüller, Meinl-Reisinger und Scherak.)

Das ist vor allem deshalb problematisch, weil uns als Demokraten und in Kenntnis des Wahlergebnisses natürlich vollkommen klar ist, dass eine Beschlussfassung über diese wichtige Materie ohne die ÖVP nicht möglich ist, da die ÖVP da eine Sperrminorität hat.

Klar ist jedenfalls, das sage ich jetzt auch als Mediensprecher meiner Partei, dass es eine ganze Reihe von Journalisten gibt, die diese Informationsfreiheit einmahnen, und dass die Medienfreiheit natürlich auch unter den Bedingungen der Informationsfreiheit leichter zu leben ist.

Wir haben von Niki Scherak die traurigen Daten gehört, ich habe uns noch auf dem 122. Platz, du hast uns schon auf dem 128. und letzten. Klar ist aber, wir wurden mittlerweile von Georgien abgehängt, die waren immer das Schlusslicht, jetzt sind wir noch schlechter. Vielleicht können wir an diesem Beispiel – ich weiß nicht, ob Kollege Gerstl noch im Saal ist – Maß nehmen und vielleicht doch eine Kurskorrektur zur Beendigung der Geheimnistuerei vornehmen.

Natürlich ist es so, dass es eine ganze Reihe von Vorschlägen gibt. Ich habe als Minister dazu Vorschläge gemacht und unterbreitet, es gibt den Vorschlag der NEOS, also im Grunde genommen müsste man diese ausgestreckte Hand jetzt nur ergreifen. Man könnte auch abseits der Koalitionsverhandlungen ganz rasch zu einer Lösung kommen, denn die Vorschläge liegen wirklich auf dem Tisch und das seit Jahren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

14.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Er ist nicht im Saal, deswegen gelangt nun Frau Kollegin Dr.in Alma Zadić zu Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin.


14.47.02

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Zuseherinnen und Zuseher! Das Informationsfreiheitsgesetz steht immer wieder zur Debatte und so auch zu Beginn dieser Legislaturperiode. Es ist immer so ein fancy word, ich würde aber gern kurz verdeutlichen, was denn wirklich dahinter steckt.


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Beim Informationsfreiheitsgesetz geht es tatsächlich um echte Transparenz und um unser Recht auf Informationen von staatlichen Stellen. Dieses Recht auf Informationen und diese Transparenz sind absolut notwendig, wenn wir wirklich Korruption und Steuergeldverschwendung bekämpfen wollen.

Es geht aber auch um demokratische Kontrolle, und zwar um demokratische Kontrolle der gesamten Verwaltung, und die kann es nicht geben, wenn sich Behörden immer wieder auf ein sehr antiquiertes Amtsgeheimnis berufen können. Meine Damen und Herren, ein Informationsfreiheitsgesetz, das diese Transparenz und das Recht auf Informationen wirklich gewährleistet, wäre ein wichtiger Schritt, um zu dem von uns schon lange geforderten gläsernen Staat zu kommen.

Die NEOS haben es ja schon gesagt, in kaum einem anderen Bereich ist die Republik dermaßen rückständig wie im Umgang der staatlichen Stellen mit Informationen. Im Global Right to Information Rating befinden wir uns natürlich auf einem der letzten Plätze und deswegen gibt es da Nachholbedarf.

Ich möchte auch eine Gruppe des Europarates zitieren, die schon im Jahr 2008 einen Bericht zu Österreich und Transparenz vorgelegt hat. Sie hält fest:

„Diese Situation ist vom Standpunkt der Transparenz der staatlichen Behörden be­trachtet nicht befriedigend und erschwert es Bürgern und den Medien, Kontrolle über die Verwaltung auszuüben, was zu einer Verhinderung der Korruption beitragen würde.“

Meine Damen und Herren, wir brauchen einen Systemwandel! Die derzeit bestehende Auskunftspflicht reicht bei Weitem nicht aus und es braucht ein Recht, ein subjektives Recht auf Informationen. Daher können wir dem Antrag der NEOS und den Forde­rungen, dass Informationen von öffentlichen Stellen, die dem allgemeinen Interesse dienen, veröffentlicht werden, auch viel abgewinnen. Wir können auch der Forderung viel abgewinnen, dass das Recht auf Informationen gewährleistet werden soll, da es eine alte Forderung der Grünen ist.

Es muss aber natürlich auch ins Gesetz geschrieben werden, dass dieses Gesetz gewisse Ausnahmen braucht, gerade wenn es um Datenschutz und um die nationale Sicherheit geht.

Der Antrag bietet, wie gesagt, eine gute Grundlage, wir können diesem Antrag viel abgewinnen. Es braucht das subjektive Recht auf Information. Wir stehen für weitere Diskussionen natürlich jederzeit zur Verfügung. (Beifall bei den Grünen. Abg. Kickl: Zustimmung oder Ablehnung? Zustimmung? Abg. Zadić: Diskussion!)

14.50

14.50.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 25/A dem Budgetausschuss zu.

14.50.277. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanz­rahmen­gesetz 2019 bis 2022 geändert wird (10/A)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Als Erster zu Wort gelangt Dr. Reinhard Eugen Bösch. – Bitte schön, Herr Abgeord­neter.


14.50.48

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen erkennen in der sicherheitspolitischen Herausforderung dieser Zeit die Notwendigkeit, dass wir uns, so wie in der vergangenen Legislatur­pe­riode auch, ganz besonders um die Sicherheitspolitik bemühen. Es geht uns im Detail um das österreichische Bundesheer und seine Finanzierung.

Wir entnehmen den Äußerungen der jetzt koalitionsverhandelnden Parteien in diese Richtung nichts Gutes. Der Parteiobmann der ÖVP hat klar ausgesprochen, dass es keine Erhöhung des Verteidigungsbudgets geben wird, wenn er Kanzler wird, und bei den Grünen ist das Spektrum groß: Von der Abschaffung des Bundesheeres bis zur dramatischen Einschränkung der Funktionen des österreichischen Bundesheeres ist dort alles zu finden.

Deshalb sehen wir uns gezwungen, diesen Antrag einzubringen, der die Finanzierung des österreichischen Bundesheeres sicherstellen soll, damit der Wiederaufbau unserer Armee, der unter Hans Peter Doskozil begonnen hat und unter Mario Kunasek weiter­geführt worden ist, lückenlos weitergeführt werden kann.

Wir stellen deshalb einen Antrag, die Budgetzahlen in Bezug auf die Finanzierung des österreichischen Bundesheeres festzuschreiben. Wir wollen für das Jahr 2020 2,9 Mil­liarden Euro, 3,3 Milliarden Euro für das Jahr 2021 und für das Jahr 2022 3,6 Milliar­den Euro im Bundesfinanzrahmengesetz festgeschrieben haben.

Wenn das bestehende Bundesfinanzrahmengesetz ohne Korrektur weitergeführt wird, fällt das Verteidigungsbudget ab dem kommenden Jahr dramatisch hinunter. Wir wer­den nicht einmal in der Lage sein, die Grundbedürfnisse des österreichischen Bundes­heeres zu decken. Deshalb halten wir es für notwendig, diesen Antrag jetzt, zu Beginn dieser Legislaturperiode, zu stellen, aufbauend auf den Antrag, den wir gegen Ende der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam mit der SPÖ gestellt haben und der vom österreichischen Nationalrat beschlossen worden ist.

Wir glauben, dass es notwendig ist, dass wir das gesamte Aufgabenspektrum des österreichischen Bundesheeres sicherstellen. Ich erinnere Sie an unseren gemein­samen einstimmigen Beschluss aus dem Jahre 2015, mit dem Inhalt, dass die öster­reichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, durchgeführt vom österreichischen Bundesheer, dramatisch modernisiert und verbessert werden muss. Damals haben alle Parteien zugestimmt, da waren die Grünen auch im Nationalrat.

Ich erinnere Sie an die Situation des Jahres 2015. Ich erinnere Sie auch an die gemeinsam mit der Polizei durchgeführten Übungen an der Grenze unter der Führung des damaligen Innenministers Herbert Kickl und des Verteidigungsministers Mario Kunasek, die uns vor Augen geführt haben, wie wichtig es ist, dass sich diese beiden Sicherheitskörper vernetzen und für die Situation, in die die Republik an ihren Grenzen jederzeit wieder geraten kann, gerüstet sind.

Das österreichische Bundesheer ist neben der Polizei ein wesentlicher Faktor für diese Sicherheit, und wir halten es deshalb für unbedingt notwendig, dass wir diese strate­gische Handlungsreserve, wie wir das österreichische Bundesheer in verschiedenen strategischen Papieren nennen, auch wirklich als eine Handlungsreserve aufbauen, damit wir sie einsetzen können, wenn es notwendig sein sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Situation in Bezug auf die Sicherheit der EU-Außengrenze ist eine prekäre und hat sich seit dem Jahr 2015 in keiner Weise verbessert. Der Druck an der EU-Außen­grenze ist nach wie vor ein großer. Die EU-Außengrenze ist löchrig, deshalb sind die


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Mitgliedsländer der Europäischen Union gut beraten, wenn sie sich für einen neuen Ansturm rüsten und für die Sicherheit ihrer Länder sorgen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer. – Herr Abgeordneter, ich darf darauf aufmerksam machen, dass ich die Debatte um 15 Uhr unterbreche. (Abg. Michael Hammer: Das geht sich aus!) – Sie werden sicherlich eine Punktlandung schaffen. Vielen Dank. – Bitte.


14.55.12

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ja, wir befassen uns grundsätzlich mit einem wichtigen Thema, bei dem es um die Zukunft der österreichischen Landesverteidigung, des österreichischen Bundesheeres, um die budgetäre Ausstattung geht. Ich finde allerdings den Zeitpunkt ein bisschen eigenartig.

Wir haben eine Nationalratswahl hinter uns, wir stehen vor Regierungsverhandlungen, die zu führen sind, und wir haben in den nächsten Monaten natürlich auch das Budget für das nächste Jahr und für die Folgejahre mit dem Budgetfinanzrahmen zu be­schließen – und dann ist der günstigste und der richtige Zeitpunkt, um das wichtige Thema des Landesverteidigungsbudgets zu diskutieren.

Vor der Wahl wurde der schon zitierte Entschließungsantrag mit der damaligen Mehr­heit von SPÖ und FPÖ beschlossen. Solch ein Antrag wird wahrscheinlich nicht mehr eingebracht, denn diese Mehrheit gibt es zum Glück nicht mehr. Jetzt stehen Perso­nalvertretungswahlen an, daher wird dieses Thema wieder hergenommen, um auch hier im Plenum darüber zu diskutieren.

Schaut man sich den Antrag an – bei aller Ernsthaftigkeit, Wichtigkeit und Notwendig­keit, das Verteidigungsbudget zu erhöhen –, dann muss man sagen, das ist schon ein bisschen so, wie sich der kleine Maxi Budgetpolitik vorstellt: Man nimmt einfach den Bundesfinanzrahmen, der beschlossen ist, und setzt beim Kapitel Landesverteidigung nicht die bisherigen Werte ein, sondern gibt überall 1 Milliarde oder größere Beträge dazu. Würde das in allen Bereichen so vor sich gehen, wie sollte man dann eine ge­samt­staatliche Budgetpolitik sicherstellen? Das ist genau das, was dem österreichi­schen Bundesheer langfristig nicht die notwendigen Mittel sichert und auch nicht seriös ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bitte vor allem die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ, damit aufzuhören, nur Panik, Gerüchte und Kaffeesudlesereien zu verbreiten, denn aus der Zeitungsente, weder die eine noch die andere Partei wolle das Verteidigungsministerium – was überhaupt noch nicht diskutiert worden ist! –, abzuleiten, das Interesse für die Landesverteidigung sei nicht gegeben, das ist schon sehr hanebüchen. (Abg. Belakowitsch: Das hat euch in der Vergangenheit auch nicht interessiert! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist wirklich der Personalvertretungswahl geschuldet und hat mit seriöser Arbeit nichts zu tun. Ich bitte Sie daher, damit aufzuhören. (Beifall bei der ÖVP.)

Für uns als ÖVP ist klar und gilt immer auch das Bekenntnis, dass es ein starkes österreichisches Bundesheer und auch die entsprechenden budgetären Mittel braucht. Unser Parteiobmann – Sie haben ihn zitiert – hat das auch immer ganz klar gesagt, und wir haben das in der Wahlauseinandersetzung auch mehrmals klargestellt, da man immer auf ein Sommergespräch repliziert hat. Der Bundesparteiobmann und damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz hat dort ganz klar gesagt, dass das österreichische Bundesheer mehr finanzielle Mittel braucht und diese auch bekommen wird.

Was er dort auch gesagt hat: Er stellt es sich schwierig vor, sofort 1 Prozent des BIP zu erreichen. Er hat aber ganz klar gesagt – und das ist das Bekenntnis der ÖVP –,


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dass es für die Landesverteidigung und das österreichische Bundesheer deutlich mehr Geld braucht. Dazu stehen wir bis zum heutigen Tage und wir werden das auch einbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist eine gute Grundlage und ich lade alle ein, in diese Gespräche einzutreten. Wir kennen den Zustandsbericht des Generalstabs, des derzeitigen Übergangsministers über den Zustand des österreichischen Bundesheers. – Und ja, wir nehmen das auch ernst und wir müssen daraus auch die entsprechenden Schritte ableiten, da es für uns einfach wichtig ist, den flächendeckenden Schutz durch das österreichische Bundes­heer sicherzustellen.

Damit wir für Herausforderungen, neue Bedrohungslagen, die durchaus vielfältiger werden, auch entsprechend gerüstet sind und auf diese reagieren können, brauchen wir entsprechende finanzielle, personelle und auch materielle Ressourcen. Wir werden das im Rahmen der Regierungsverhandlungen ganz klar einbringen und auch dafür sorgen, dass es für das österreichische Bundesheer – und das ist das Wichtigste – nicht nur mehr Geld gibt, sondern auch die entsprechende Planbarkeit für die nächsten Jahre. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich darf alle einladen – wir haben ja vor einigen Jahren gemeinsam hier im Parlament für das österreichische Bundesheer mehr Mittel auf die Beine gestellt –, hier gemein­sam zu arbeiten, anstatt uns mit Anträgen zu beschäftigen. Die Regierungsverhand­lungen und die Umsetzung ihrer Inhalte bieten viel Gelegenheit, für das österreichische Bundesheer, für mehr Geld und für den Schutz der Österreicherinnen und Österreicher zu arbeiten. Ich lade alle ein, dabei positiv mitzuwirken. (Beifall bei der ÖVP.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich bedanke mich für die Zeitdisziplin und unterbreche nunmehr die Verhandlungen zum Tagesordnungspunkt 7.

14.59.29Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur Durchführung einer kurzen Debatte betreffend den Antrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungs­an­trag 1/A(E) eine Frist bis 10. Dezember 2019 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundes­re­gie­rung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Zu Wort gelangt zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. Bitte schön.


15.00.34

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Regierungsmitglieder kommen vielleicht noch. „Lassen Sie die Finger von in Österreich lebenden Familien und nehmen sie den Kindern nicht von Beginn an alle Zukunftschancen, Herr Kurz!“ – So Werner Kogler am 13.3.2019 zu den Sozialeinschnitten für Familien. Leider sind beide Herren jetzt nicht da.


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Ich glaube, dass es wichtig ist, daran zu erinnern, dass die Grünen nicht nur im Wahlkampf das Thema Klimaschutz auf einer Skala von eins bis zehn ganz vorne auf Platz 1 gesehen haben. Ich glaube, dass die Grünen bisher, sogar noch am Sonntag, auch das Thema Kinderschutz in Aussagen auf Platz 1 gesehen haben und dass die Kritik, die im März gekommen ist, heute irgendwie verpufft und verblasst, wenn ich daran denke, dass wir am Montag im Budgetausschuss als einem der wenigen Aus­schüsse, in dem wir Themen diskutieren können, versucht haben, zu erwirken, dass ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut nicht vertagt wird, sondern dass unser Be­kenntnis, das Bekenntnis aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier dahin gehend da ist, dass wir uns entschließen, darüber zu diskutieren – und zwar bald –, wie es mit dem Leben von Kindern in Österreich ausschaut.

Wenn ich nämlich bis zum Regierungswechsel 2017 zurückschaue, sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen, bemerke ich, dass von der Armutsstatistik her gesehen doch einiges zur Besserstellung von Kindern passiert ist, was auch messbar ist. Ich erinnere nur an einige wenige Bereiche, damit Sie nicht wieder sagen können, in der Vergan­genheit wäre zu wenig passiert. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben von 2015 an im Laufe mehrerer Jahre Mittel in Höhe von 350 Millionen Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung stellen können. Als 2017 Türkis-Blau gekommen ist, war zunächst einmal monatelang Stillstand. Die Gemeinden, die ja diese Kindereinrichtungen bauen und ausbauen sollten, haben nicht gewusst, ob sie Planungssicherheit haben, woher sie Förderungen und Subventionen bekommen. Nach einem Dreivierteljahr wurde das gleiche Geld wieder zur Verfügung gestellt, also sehr spät.

Wir haben vor dem Regierungswechsel versucht, Kinder mit nicht deutscher Mutter­sprache, die zugewandert sind, die unsere Sprache noch nicht so gut können, durch ein Integrationsjahr schneller an die deutsche Sprache heranzuführen, damit sie in der Schule keine Nachteile haben und nicht wie in Niederösterreich – meinem Bundesland, in dem es fast 100 Sonderschulen gibt, dafür schäme ich mich besonders – sehr schnell in die Sonderschule abgeschoben werden, nur weil sie die deutsche Sprache nicht beherrschen. Das Integrationsjahr hat Türkis-Blau wieder abgeschafft.

Wir haben unter Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Ausbildungspflicht bis 18 be­schlossen, während der junge Menschen begleitet werden, in irgendeine Maßnahme kommen, damit sie dem Arbeitsmarkt oder der Schule nicht verloren gehen. Die gibt es noch immer, auf die sind wir ganz stolz; die haben Sie nicht abgeschafft.

Wir haben ein Kindergartenjahr, das gratis ist, eingeführt, nämlich das letzte Kindergar­tenjahr. Ein zweites Gratiskindergartenjahr steht noch aus. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam schaffen können.

Vor Türkis-Blau haben wir aus der Bankenmilliarde 750 Millionen Euro für den Ausbau der Ganztagsschulen zur Verfügung stellen können. – Das haben Sie wieder abge­schafft! – Türkis-Blau hat die Mittel halbiert und die Auszahlung bis 2024 erstreckt, das heißt, es ist die Hälfte da und die muss man auf viele Jahre aufteilen.

Vor Türkis-Blau haben wir die Frühen Hilfen eingeführt, das sind gesundheitspolitische Maßnahmen, psychotherapeutische Unterstützungsmaßnahmen für junge Eltern. Auch in der Zeit, in der Kinder noch gar nicht geboren sind, werden Eltern, vielleicht auch alleinerziehende Mütter begleitet, bis die Entwicklung der ersten Lebensjahre des Kindes es zulässt, dass Eltern sich gut und selbstständig um ihre Kinder kümmern können.

Vor Türkis-Blau gab es auch eine Regelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die – egal ob Einkind- oder Mehrkindfamilie – sichergestellt hat, dass jedes Kind in


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Österreich gleich viel wert ist und Unterstützung bekommt. – Auch das haben Sie abgeschafft. – So viel zum Zitat von Werner Kogler, das ich eingangs erwähnt habe, zu den Sozialeinschnitten für Familien, die unter der Regierung Kurz eingeführt wurden.

Darüber hinaus, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben Sie in der türkis-blauen Regierung einen Familienbonus eingeführt, der zwischen Kindern aus Familien, in denen gut verdient wird – diese Kinder bekommen ihn –, und solchen, in denen wenig verdient wird, unterscheidet – diese Kinder bekommen nichts, denn 257 Euro im Jahr sind ein bisschen wenig, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel das Mittagessen in der Schule für ein Kind im Durchschnitt 700 Euro pro Jahr kostet.

Als ich unterwegs war, habe ich insbesondere von sehr belasteten Familien, in denen es zwei oder drei Kinder gibt, gehört: Ich würde das Kind wirklich gerne in die Nach­mittagsbetreuung geben, aber ich kann mir nicht einmal das Mittagessen für meine drei Kinder leisten. – Und wenn es dann auch noch dazu kommt – auch wenn Sie mich ungläubig anschauen –, dass in einer Familie der Vater durch einen Unfall stirbt und die Mutter mit den Kindern alleine dasteht, vielleicht ihre Vollzeittätigkeit aufgeben muss und nur mehr Teilzeit arbeitet, dann kann sie sich den Familienbonus aufmalen, den kriegt sie nämlich nicht.

Unser Anliegen ist, dass wir über diese Ungleichbehandlung von Kindern in Österreich reden sollten – deshalb die Fristsetzung bis 10. Dezember. Reden wir am 11. Dezem­ber noch einmal darüber, denn wenn wir warten, bis wir eine Regierung haben, bis wir ein Budget haben, bis Kinder so versorgt sind, wie sie versorgt sein sollten, vergeht ja wertvolle Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher sagen nicht nur die Armutskonferenz und Vereine für Kinderschutz und Kinder­rechte, dass sich die Situation von Kindern in den letzten Jahren – es hätte immer mehr passieren können – leicht verbessert hat. Die europäischen Vergleiche gehen aber nur bis zum Jahr 2016, und ab dann war Türkis-Blau da. Ich glaube, sagen zu können – das war auch heute im Morgenjournal von den Institutionen, die mit Kindern arbeiten, zu hören –, dass sich die Situation und die Chancen von Kindern ver­schlech­tert und nicht verbessert haben.

Jetzt komme ich zu unserem Maßnahmenpaket, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen: Ich glaube, dass sich Eltern schon oft gefragt haben, warum es darauf ankommt, wo man lebt. In der Stadt Wien ist es garantiert, dass Kinder einen Kindergarten gratis besuchen können, es ist garantiert, dass Kinder, deren Eltern berufstätig sind, einen Platz bekommen. Auch in Wien kann man nicht schneller bauen, als es Zuzug gibt, aber in Wien ist sichergestellt, dass die erste wichtige elementare Bildung für Kinder kostenfrei angeboten werden kann und dass Kinder gut unterkommen und gut betreut sind.

Eltern können schon ins Strudeln kommen, wenn kein Kindergartenplatz zur Verfügung steht. Daher: Was können wir tun? – Über ganz Österreich Kindergartenplätze gratis anbieten, allen Kindern gleiche Öffnungszeiten und Schließtage zur Verfügung stellen, nämlich wenig Schließtage, lange Öffnungszeiten, damit Kinder von Vorarlberg bis ins Burgenland gut begleitet werden. Wenn nämlich die erste Bildungseinrichtung im Leben eines Kindes nicht gut passt, dann kann sich das ein Leben lang negativ auswirken, Kinder können das mitschleppen.

Genauso wäre es wichtig – das ist ein weiterer Punkt unseres Maßnahmenpaketes –, in den Schulen ein Mittagessen gratis anzubieten; diese 700 Euro pro Jahr sind für manche Eltern leider zu viel. Und natürlich sollen sich Kinder auch bewegen können.

Wir haben Kinder, die in Schulen sind, in denen sie weniger Chancen als andere Kinder haben. Wir kennen diese Schulen. Wir könnten mithilfe eines Index, wenn wir


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nur wollten, genau für jene Schulen, die das brauchen, mehr Personal, mehr LehrerIn­nen, mehr SozialarbeiterInnen zur Verfügung stellen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), um die Chancen für Kinder gerechter zu verteilen. Wir haben aus allen Schulen in ganz Österreich diese Zahlen, Daten und Fakten, weil sie erhoben werden. Wir können hier nicht davor die Augen verschließen, dass manche Kinder vielleicht mehr brauchen und andere Kinder in diesem Zusammenhang vielleicht nicht so viel Unterstützung benötigen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (fortsetzend): Danke schön, der Schlusssatz: Wir brauchen nicht nur ein therapeutisches Angebot für Kinder, wir brauchen auch Änderungen bei der Mindestsicherung. Jedes Kind ist gleich viel wert. Wir brauchen eine Unterhaltsgarantie für Kinder bis zum 24. Lebensjahr, wenn sie in Ausbildung sind. Wir brauchen vor allem Ihre Zustimmung dazu, dass wir hier im Hohen Haus nicht zulassen, dass Kinder ungleich behandelt werden und dass Kinderarmut überhaupt ein Thema in Österreich ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten El-Nagashi und Zadić.)

15.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Bogner-Strauß. Ich mache darauf aufmerksam, dass die folgenden Redner nur mehr 5 Minuten Redezeit haben. – Bitte.


15.11.24

Abgeordnete Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschir­men! Eines vorweg, meine sehr geehrten Damen und Herren: Mir als dreifache Mutter und uns als neue Volkspartei ist das Wohl der Familien und Kinder in Österreich besonders wichtig. Wir möchten sie stärken, wir möchten sie unterstützen und wir möchten sie entlasten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf hier aber eines sagen: Die Familienleistungen in Österreich sind sehr, sehr treffsicher. Ich darf die Familienbeihilfe erwähnen und das Kinderbetreuungsgeld für die Babys. Ich möchte auch den Familienbonus nicht unerwähnt lassen, den wir als letzte Bundesregierung eingeführt haben, der über 960 000 Familien, vor allem jene mit kleinen und mittleren Einkommen, entlastet. Wir haben aber auch ganz großartige Sachleistungen (Zwischenruf der Abg. Greiner), zum Beispiel die Schülerfreifahrt und die Schulbuchaktion.

Die Treffsicherheit der Familienleistungen ist aber auch durch Daten und Fakten belegt. Berechnungen des Österreichischen Instituts für Familienforschung haben ge­zeigt, dass die Gesamtaufwendungen für die Familien in den letzten zwei Jahrzehnten wesentlich stärker gestiegen sind als die Inflationsrate. Auch die aktuellen Zahlen der Statistik Austria und der EU-Silc 2018 haben gezeigt, dass die Armuts- und Aus­grenzungsgefährdung in Österreich glücklicherweise stark im Sinken begriffen ist. (Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt nicht!) Während im Jahr 2008 noch 21 Prozent armuts- und ausgrenzungsgefährdet waren, waren es 2018 nur noch 17 Prozent. Auch eine Studie des Budgetdienstes hat gezeigt, dass die Armutsbekämpfung in Österreich Weltspitze ist.

Ich sage es Ihnen aber ehrlich: Ich möchte diesbezüglich gar nichts schönreden. Es gibt Armut in Österreich, es gibt Familienarmut – und Familienarmut führt zu Kinder­armut. Das sind persönliche Schicksale, die haben persönliche Auswirkungen auf die Zukunft, aber auch auf die Gegenwart der Kinder und der Familien, die von Armut betroffen sind.


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Es ist Aufgabe der Politik, es ist Aufgabe der Gesellschaft, da Rahmenbedingungen zu entwickeln, Strategien zu entwickeln und Maßnahmen zu schaffen, die Kinder und Familien unterstützen. Sie wissen: Die wirksamste Methode zur Vorbeugung von Kin­derarmut ist, wenn beide Elternteile – in den Fällen, in denen es beide Elternteile gibt – arbeiten gehen. Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöhen.

Wir haben es schon gehört: In den letzten zehn Jahren wurden 70 000 Kin­derbetreu­ungsplätze geschaffen. Mit der letzten 15a-Vereinbarung haben wir gemeinsam mit den Ländern wieder 720 Millionen Euro für vier Jahre in die Hand genommen, um Kin­derbetreuungsplätze auszubauen, um die Öffnungszeiten zu flexibilisieren. Leider haben allerdings sowohl nationale als auch internationale Studien gezeigt, dass der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze nicht im erhofften Ausmaß zur Erhöhung der Erwerbsarbeitsstunden bei Frauen geführt hat – und das, obwohl bekannt ist, dass in Mehrpersonenhaushalten die Erwerbstätigkeit von Frauen signifikant dazu beitragen würde, die Familien- und Kinderarmut zu senken.

Auch im Bereich des Unterhaltsvorschusses haben wir Verbesserungen vorgesehen. In den letzten zwei Jahren haben sich Experten und Expertinnen damit auseinan­der­gesetzt. Es wurde im Juli dieses Jahres auch ein Antrag von uns eingebracht. Dieser sieht vor, Unterhaltsverfahren zu beschleunigen und Akontozusprüche von Unterhalts­richtsätzen zu ermöglichen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Verbesserung des Mutter-Kind-Passes. Auch da konnten in der letzten Regierungsperiode Maßnahmen getroffen werden, die zur Um­setzung kommen werden. (Zwischenruf der Abgeordneten Heinisch-Hosek. – Abg. Kucharowits: ... keine Maßnahmen! Was genau?!) Es geht darum, Kinder und Jugendliche im diagnostischen, im präventiven und im therapeutischen Bereich we­sentlich besser zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, wir arbeiten intensiv daran, Kin­derarmut, Familienarmut in Österreich weiter zu bekämpfen. Die Politik muss die nöti­gen Rahmenbedingungen dafür schaffen (Abg. Heinisch-Hosek: Stimmen Sie zu!), aber auch die Gesellschaft ist gefordert. (Abg. Heinisch-Hosek: Stimmen Sie zu!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß (fortsetzend): Als neue Volkspartei werden wir auch in Zukunft für Familien und Kinder Sorge tragen. Wir werden uns starkmachen, wir werden zielgerichtet und faktenbasiert arbeiten, aber nicht mit Schnellschüssen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kucharowits: Was für Schnellschüsse? Das ist kein Schnellschuss!)

15.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Holzleitner ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.17.02

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident – zum zweiten Male heute! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kennen Sie dieses Formular? (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.)  Das konkret ist jetzt aus Oberösterreich. (Abg. Belakowitsch: Ich kann es nicht einmal lesen!) – Vermutlich viele nicht. Es ist nämlich ein Formular, mit dem man um finanzielle Unter­stützung für Schulveranstaltungen ansuchen kann; hinten muss die Schule unter­schreiben. Das ist ein Formular, das bei vielen Kindern und Jugendlichen Scham, Exklusion und Stigmatisierung durch andere hervorruft. (Abg. Kickl: Das kenne ich noch aus Zeiten der sozialistischen Regierungsbeteiligung!)


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Viele Kinder und Jugendliche in Österreich sind nach wie vor von Armut betroffen oder bedroht, konkret sogar jedes fünfte. (Abg. Kickl: Eine Errungenschaft der sozialis­tischen Sozialpolitik!)  Herr Kollege Kickl, wenn Sie zum Beispiel der Bundesjugend­vertretung zugehört hätten: In der letzten GP, das war 2018, hat es nämlich eine wirklich hervorragende Kampagne mit dem Titel „Armut ist kein Kinderspiel“ gegeben. (Abg. Belakowitsch: In den Jahren davor!) – Ich rede von dieser Studie, die eben 2018 von der Bundesjugendvertretung herausgegeben wurde. (Abg. Kickl: Hat alles einen Vorlauf!) Als gesetzlich verankerte Vertretung aller Kinder und Jugendlichen in Österreich, glaube ich, kann man ihr durchaus auch zuhören. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schallmeiner.)

Auch gestern hat die Bundesjugendvertretung gemeinsam mit dem Kinderrechte­netz­werk eine Pressekonferenz veranstaltet und auf dieses Thema hingewiesen, denn eines muss man schon sagen: Die letzte Bundesregierung – Türkis-Blau – hat auf jeden Fall noch verschärfend auf die Kinderarmut gewirkt, und zwar durch die am Vor­mittag schon angesprochene Indexierung der Familienbeihilfe, durch den ungerechten Familienbonus und vor allem durch die Kürzung der Mindestsicherung beziehungs­weise Sozialhilfe Neu, denn als Familie mit mehreren Kindern bekommt man ab dem dritten Kind nur mehr 1,50 Euro. Eine der vier Vorsitzenden der Bundesjugend­ver­tretung, Caroline Pavitsits, hat gesagt, Kinder werden aufgrund der Anzahl ihrer Geschwister ungleich behandelt. – Das ist eigentlich total unverständlich und absurd. 1,50 Euro, wie soll man davon leben und auch wirklich Zukunftschancen bekommen? Ich kann das nicht nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Deswegen haben wir zum Thema Kinderarmut einen Siebenpunkteplan eingebracht, und ich lade auch gerne die Freiheitliche Partei ein, mitzustimmen – falls es für Sie wirklich so ein Herzensthema ist, denn die Zuseherinnen und Zuseher vor den Bild­schirmen bekommen es ja nicht mit, aber es gibt durchaus ein bisschen Aufregung bei den Freiheitlichen –, wenn es wirklich auch um konkrete Maßnahmen geht. Es geht einerseits um gratis gesundes Essen, um die tägliche Turnstunde. Es geht darum, Kindern auch wirklich kostenfreien und ausreichenden Zugang zu diagnostischen und therapeutischen Leistungen zu garantieren, es geht um die Verdoppelung des Schul­startgeldes und eben die vorhin angesprochene Rücknahme der Kürzungen bei der Sozialhilfe.

Eines sei Ihnen versichert, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in dieser Gesetz­ge­bungsperiode bleiben wir dran, wenn es heißt: Kinderkostenanalyse Neu – bringen wir sie endlich ins 21. Jahrhundert! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte wirklich an Sie appellieren, wir können dieses Thema nicht mehr länger auf die lange Bank schieben, denn jede Minute und jeden Tag, den wir einfach nur zu­warten, berauben wir Kinder um Zukunftschancen, um Teilhabemöglichkeiten. Soziale und gesellschaftliche Teilhabe werden verbaut, ob beim Sportverein, ob bei Schul­veranstaltungen oder einfach nur bei Treffen mit Freundinnen und Freunden. In der Kinderrechtskonvention, die heuer ihr 30-jähriges Bestehen feiert, steht geschrieben, dass jedes Kind das Recht hat, in einer sicheren Umgebung ohne Diskriminierung zu leben, Zugang zu medizinischer Versorgung und Ausbildung zu erhalten und ein Mitspracherecht bei Entscheidungen, die sein eigenes Wohlergehen betreffen, zu haben. Ich glaube, das ist wirklich unfassbar wichtig.

Die Bundesregierung hat sich jedenfalls im Jänner 2020 einem Hearing vor der UNO zu stellen, und ich bin mir sicher, dass die Empfehlungen nicht ausschließlich positiv ausfallen werden. Wahrhafte Bekämpfung der Kinderarmut sieht anders aus. Wir hier im Hohen Haus tragen massive Verantwortung, und – das möchte ich auch noch sagen – es genügt nicht, in der vorweihnachtlichen Zeit etwas zu spenden, sondern wir


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müssen die Verantwortung, die wir heute im Hohen Haus tragen, auch ernst nehmen, sie wahrnehmen und Kinderarmut tatsächlich mit Maßnahmen bekämpfen und besei­tigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der 30. Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention sollte uns auf jeden Fall Anlass genug sein, um Kinderrechte ernst zu nehmen, und vor allem auch Anlass sein, nicht ruhig hier zu sitzen und Ungerechtigkeiten zu akzeptieren. Kinderrechte dürfen keine Rechte zweiter Klasse bleiben. Als SPÖ werden wir nicht müde, das zu betonen und den Finger in die offene Wunde zu legen – am 20. November, genauso wie heute und vor allem auch darüber hinaus. Allen Kindern alle Chancen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Belakowitsch ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


15.22.27

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu meiner Vorrednerin: Sie haben gesagt, es gibt das Sieben­punkteprogramm, das Sie hier dargelegt haben. – Ja das stimmt. Sie haben daraus kurz zitiert, nämlich das gesunde Essen, die tägliche Turnstunde. Das sind durchaus Forderungen, die berechtigt sind. Ich glaube, es gibt viele Eltern, die sich auch die Schuljause nicht leisten können. Selbstverständlich kann man andenken, ob man das mit einem gemeinsamen Essen löst, ob es dann die gesunde Jause jeden Tag gibt. All diese Möglichkeiten gibt es, aber Sie haben auch ganz andere Forderungen darin, und ich fange einmal gleich mit Punkt eins an, das ist der „Rechtsanspruch auf einen ganztägigen kostenfreien Kindergarten- sowie Schulplatz“.

Wissen Sie, wenn das von der SPÖ kommt, kommt mir gleich die ehemalige Wiener Staatschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl in den Sinn, die den verpflichtenden ganztägigen Kindergartenbesuch ab dem ersten Geburtstag gefordert hat. Meine Damen und Herren der SPÖ, damit werden Sie bei uns überhaupt nichts gewinnen können, da sind wir absolut dagegen. Ich glaube, es braucht keine Zwangs­maßnah­men für Kinder, sondern es muss die freie Entscheidung der Eltern bleiben, in welche Schule und in welchen Kindergarten sie ihre Kinder bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Punkt drei ist auch eine sehr spannende Geschichte, Sie schreiben: „Nur 6 von 10 SchülerInnen in der 4. Volksschulklasse können sinnerfassend lesen“. Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie waren so lange Bildungsministerin (Zwischenrufe bei der SPÖ), das ist ein Zeugnis, das Sie sich selbst ausstellen! Da haben ja Sie als Bildungs­ministerin versagt – wenn man sich genau durchliest, erkennt man, was das bedeutet! (Beifall bei der FPÖ.)

Dann sagen Sie, Sie wollen 5 000 Lehrer mehr. Was haben Sie denn in Ihrer Zeit als Bildungsministerin gemacht? – Offensichtlich haben Sie nichts gemacht, denn sonst gäbe es heute nicht diese Auswirkungen Ihres Wirkens. Das ist natürlich wirklich eine Schande, dass das passiert.

Ich sage Ihnen aber auch, meine Damen und Herren von der SPÖ, was Sie hier machen: Sie fordern noch mehr Transferleistungen. – Österreich ist im Spitzenfeld, aber Kinderarmut kann man nicht nur mit Transferleistungen bekämpfen. Kinderarmut ist ein multimorbides Problem. (Abg. Stöger: Multimorbid!) Gerade Eltern, bei denen es vielleicht Alkoholismus gibt, Eltern, die selbst von Bildung nichts halten, werden ihren Kindern auch keine Werte vermitteln. Wir wissen ganz genau, dass Kinder von finanziell armen Eltern, die aber sehr wohl Humankapital haben, die ihren Kindern Kultur beibringen, mit ihren Kindern sprechen und eine Werthaltung vermitteln, die


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gleichen Chancen auf dem Bildungsweg haben, wie Kinder aus wohlhabenden Fami­lien. Das heißt, jetzt zu glauben, man könne dieses Problem nur mit Geld in den Griff bekommen, ist ein Ansatz, der einmal hinterfragt werden müsste. (Beifall bei der FPÖ).

Wir wissen ganz genau, meine Damen und Herren, dass es Eltern gibt, die von Leh­rern darauf hingewiesen werden, die sich nicht darum kümmern, die auch nicht zu Sprechstunden in die Schule kommen, obwohl sie vorgeladen werden. All das sind Probleme, die letztlich am Rücken der Kinder landen werden. Diesbezüglich sollte man einmal den umgekehrten Weg denken, ob man diesen Eltern nicht einmal eine Trans­ferleistung kürzt, denn das ist wahrscheinlich die einzige Sprache, die solche Eltern, denen Bildung überhaupt nichts bedeutet, verstehen. Das, glaube ich, wäre auch einmal anzudenken, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang ist schon auch spannend, wie viele SPÖ-Politiker – vor allem in Wien – ihre Kinder in Privatschulen schicken. Überlegen Sie sich das einmal! Warum ist denn das so, dieses Faktum? Gehen Sie in sich und überlegen Sie, was im öffentlichen Bereich wirklich schiefläuft und ob die SPÖ nicht Mitschuld an diesem ganzen Wahnsinn, der da stattfindet, trägt!

Jetzt komme ich zu Punkt fünf. – Punkt vier haben wir ausgelassen, das war: „kosten­freier und ausreichender Zugang zu diagnostischen und therapeutischen Leistun­gen“. – Ja, dem stimme ich zu, selbstverständlich haben alle Kinder ein Recht darauf.

In Punkt fünf sprechen Sie die Mindestsicherung und den Familienbonus Plus an. Ich glaube, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, Sie haben es bis heute nicht verstanden: Der Familienbonus Plus ist eine Steuerleistung, es geht um Steuergerech­tigkeit für die Eltern, darum, zwischen jenen Menschen, die verdienen, die Steuern zahlen und keine Kinder haben, und jenen, die Kinder haben, einen Ausgleich zu schaffen. Das ist ja nicht die Familienleistung. Trotzdem hat sich die letzte Bundes­regierung auch dazu entschlossen, vor allem AlleinerzieherInnen und Menschen mit sehr geringem Einkommen (Zwischenruf bei der SPÖ) zusätzliches Geld auszube­zah­len. Das heißt, da ist ja etwas passiert. Sie negieren das immer so, Sie schieben das immer so weg.

Sie fordern die Einführung der Unterhaltsgarantie, und dann fordern Sie noch etwas, das gefällt mir besonders gut: die „Erhöhung des Schulstartgeldes“. Wissen Sie, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, von 2008 bis 2010 gab es eine 13. Familienbeihilfe. Und wann wurde diese gekürzt? Wer war damals Bundeskanzler und wer war damals Sozialminister? – Das waren beides SPÖ-Männer, nämlich Faymann und Hundstorfer. Damals wurde schlicht und einfach die 13. Familienbeihilfe gestrichen. Es wurde ein Schulstartgeld eingeführt. Es wurde übrigens auch die Familienbeihilfe für Studierende gekürzt, diese wird nur mehr bis zum 24. Lebensjahr ausbezahlt; Jugendliche, die die Ausbildung abgeschlossen haben, haben sie sofort verloren (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), davor gab es sie mit drei Monaten Überhang. All diese Kürzungen, all das hat die SPÖ eingeführt. Jetzt stellen Sie sich her und bejammern das. Wissen Sie, das ist einfach eine unredliche Debatte, die Sie hier führen!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (fortsetzend): Wir sind der Meinung, Kin­derarmut darf und soll in Österreich nicht sein, aber Kinderarmut kann man nicht nur mit Transferleistungen in den Griff bekommen (Abg. Leichtfried: Redezeit! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), weil Kinderarmut eben nicht nur finanzielle, son­dern sehr, sehr viele Ursachen und Gründe hat. (Beifall bei der FPÖ.)

15.27



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 124

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Kaineder ist zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


15.28.03

Abgeordneter Stefan Kaineder (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Die Bekämpfung von Kinderarmut ist in einem der reichsten Länder der Welt eine zivilisatorische Selbstverständlichkeit. Da braucht es bei der Sozialdemokratie auch keine Zweifel zu geben, ob die Grünen das auf der Prioritätenliste ganz oben haben oder nicht. Das ist auf unserer Prioritätenliste ganz oben, darauf könnt ihr euch verlassen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es gibt zwei wesentliche Gründe dafür, warum die Bekämpfung der Kinderarmut auf unserer Prioritätenliste ganz oben steht. Der erste ist: Es ist moralisch geboten. Kinder können sich nicht aussuchen, welche Hautfarbe sie haben, sie können sich nicht aussuchen, welche Muttersprache sie haben. Sie können nichts dafür, wenn ihre Eltern aus einem anderen Land kommen, sie können nichts dafür, wenn ihre Eltern arbeitslos sind. Kinder können sich nicht aussuchen, wie viele Geschwister sie haben. Das alles hat aber Auswirkungen auf ihre ökonomische Situation. – Da es moralisch geboten ist, müssen wir die Bekämpfung von Kinderarmut sehr, sehr ernst nehmen.

Der zweite Grund ist – und das ist vielleicht eher in diese Richtung (sich in Richtung ÖVP wendend) zu sagen –: Es ist ökonomisch sinnvoll. Kinderarmut zu bekämpfen ist ökonomisch sinnvoll, es gibt Dutzende sozialwissenschaftliche Studien, die sagen: Für jedes Kind, das man aus der Kinderarmutsfalle bringt, bekommt man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit am Ende des Weges eine Steuerzahlerin beziehungsweise einen Steuerzahler. Das ist ökonomische Vernunft. Laut den meisten Studien gibt es diesen social return on investment schon nach zehn, fünfzehn Jahren. Es ist ökonomisch sinn­voll, und es ist moralisch geboten.

In den letzten zwei Jahren ist vieles in die falsche Richtung gegangen. Wir haben jetzt ein Sozialhilfe-Grundsatzgesetz – und das kann ich nicht beschönigen –, welches den Landtagen in Österreich verbietet, Kinderarmut effizient zu bekämpfen. Das ist ein Problem. Wir brauchen bei der Bekämpfung der Kinderarmut eine Schubumkehr – das ist uns bewusst –, und dafür braucht es Mehrheiten, liebe Sozialdemokratie. Das ist jetzt der Punkt, an dem wir über diesen Entschließungsantrag und dann natürlich auch über den Fristsetzungsantrag diskutieren müssen, denn inhaltlich kann ich mit diesem Antrag sehr gut leben, da ist vieles drinnen, was ich für gut und sinnvoll halte – allein, wir brauchen dafür Mehrheiten, und die gibt es hier und heute nicht. Ich kann diesen Fristsetzungsantrag deshalb mit gutem Gewissen ablehnen, weil wir zuerst Mehrheiten finden müssen. (Abg. Heinisch-Hosek: Geh, bitte ...!)

Das Interessante ist ja, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, in Ihrem Entschließungsantrag geht es um viele verschiedene Gesetzesmaterien. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Haben Sie sich einmal überlegt, wie viele 15a-Vereinbarungen davon betroffen sind? – Wenn ich das ernst nehme, wenn es euch darum geht, Kinderarmut effizient zu bekämpfen, dann müssen wir bei den Maßnahmen, die in eurem Antrag stehen (Zwischenruf des Abg. Wurm), neun verschiedene 15a-Vereinbarungen ändern. Wisst ihr, wie viele parlamentarische Beschlüsse das sind? – 90 Stück, und für alle diese Beschlüsse brauchen wir Mehr­heiten. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glocken­zeichen.) Auf eines könnt ihr euch verlassen: Wir werden diese Mehrheiten suchen und für diese Mehrheiten kämpfen. (Beifall bei den Grünen.) 90 Parlamentsbeschlüsse, das ist nicht nichts, aber das kann man hinkriegen, wenn man will. Das kann man hin­kriegen.


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Kollegin Evi Holzleitner möchte ich noch sagen: Auch ich habe der Bundesjugend­ver­tretung heute im „Morgenjournal“ sehr, sehr gut zugehört. Dort wurde gesagt, für die nächste Regierung müsse die Bekämpfung der Kinderarmut eine hohe Priorität haben. Das sehen wir genauso, und daran werden wir arbeiten; darauf könnt ihr euch verlas­sen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Loacker ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.32.33

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Eines ist, glaube ich, unstrittig: Jedes Kind, das in Armut aufwachsen muss, ist eines zu viel, und das Engagement aller hier herinnen gilt der Bekämpfung von Kinderarmut. Das kann ich, glaube ich, außer Streit stellen.

Zum Inhaltlichen möchte ich dennoch etwas Erfreuliches hervorheben: Am 17. Oktober sind die neuen Eurostat-Daten zur Armut in Europa publiziert worden, und für Öster­reich weisen sie eine sehr schöne Entwicklung auf. Es ist nämlich die Zahl jener Per­sonen, die von erheblicher materieller Deprivation, also von Armut im engeren Sinne betroffen sind, um 50 Prozent zurückgegangen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Das ist – innerhalb von zehn Jahren – schon eine Leistung, und da könnten sich die Sozial­demokraten natürlich hierherstellen und sagen: Von 2008 bis 2018 – das könnte auf gute sozialdemokratische Politik zurückzuführen sein! (Abg. Belakowitsch: Das glau­ben sie ja selber nicht!) – Das aber glauben sie selber nicht.

Auch die Zahl der armutsgefährdeten Personen in Österreich geht zurück. Sie geht ein bisschen langsamer zurück, weil Armutsgefährdung sich immer am Medianeinkommen bemisst; wenn das Medianeinkommen steigt, müssen sich die Geringverdiener noch ein bisschen mehr steigern, damit die Armutsgefährdung zurückgehen kann. – Also auch da erfreuliche Zahlen.

Warum schauen die Zahlen für die armutsgefährdeten Kinder nicht so schön aus? – Professor Badelt hat es kürzlich in der „Presse“ herausgearbeitet und schreibt wörtlich: „dass die Zahl der (statistisch) armutsgefährdeten Kinder in den letzten Jahren vor allem deshalb steigt, weil es den Pensionistenhaushalten deutlich besser geht als im Vergleichszeitpunkt. Kombiniert mit demografischen Verschiebungen kam es zu einer Erhöhung des für die Armutsmessung relevanten Medianeinkommens. Mit der ökono­mischen Situation der Kinder hat das jedoch nichts zu tun.“ – Also mit der großzügigen Pensionistenpolitik, die Sie betreiben, erhöhen Sie statistisch die Kinderarmut, die Sie dann am anderen Ende beklagen.

Laut Badelt – und da kann ich mich im Wesentlichen anschließen – gibt es wesentliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut. Er sagt, mehr „Förderung von Brenn­punktschulen“, „frühzeitige Eingliederung von ausländischen Kindern in den Kinder­garten bzw. entsprechende Deutschkurse“ sind die „effektivsten Mittel der Armutsbe­kämpfung“. (Ruf bei der SPÖ: Steht alles im Siebenpunkteplan!)

Was allerdings am allerwenigsten bringt, sind einige von der SPÖ vorgeschlagene Maßnahmen, nach dem Motto: alles gratis für alle: gratis Kindergarten ganztags für alle, gratis Ganztagsschule für alle, gratis Mittagessen für alle (Abg. Leichtfried: Wo ist das Problem?!), ob sie bedürftig sind oder nicht, ob sie es finanziell brauchen oder nicht – für alle! –; und oben drauf natürlich doppeltes Schulstartgeld – Sie ahnen es schon – für alle. Natürlich sieht die SPÖ für diese ganzen Wohltaten, die hier vorge­schlagen werden, keine Finanzierung vor. Ich würde vorschlagen, wieder einmal Ko-


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alitionsverhandlungen mit der ÖVP zu führen, denn da haben auch die Grünen schnell gelernt: Das Geld wächst nicht auf den Bäumen. (Ruf bei der SPÖ: Folgekosten!)

Fällig wäre allerdings eine Aktualisierung der Kinderkostenstudie; die ist zuletzt 1964 gemacht worden. Auch die Sozialminister Hundstorfer und Stöger haben die Kinder­kostenstudie nicht aktualisiert, was sie hätten machen können. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, sie haben es nicht gemacht. Aus dieser aktualisierten Studie könnte man evidenzbasiert ableiten, welche konkreten Maßnahmen zu setzen sind, um Kinder­ar­mut genau dort treffsicher zu bekämpfen, wo sie am schlimmsten ist. (Abg. Leichtfried: Es spricht der Unsozialsprecher!)  Ja, Kollege Leichtfried, der Schmäh hat schon einen relativ langen Bart, ich muss schauen, dass ich beim Zurückgehen nicht drüber­stol­pere.

Wir könnten also evidenzbasiert statt populistisch (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), finanziell verantwortungsvoll statt zukunftsvergessen und zielgerichtet, anstatt mit der Gießkanne über alle drüberzugießen, arbeiten. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lausch.)

15.36

15.36.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolle­ginnen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Ent­schließungsantrag 1/A(E) eine Frist bis 10. Dezember 2019 zu setzen.

Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Min­derheit, abgelehnt.

15.37.13Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Verhandlungen über Punkt 7 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Laimer. – Bitte.


15.37.30

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vielleicht „ist der Panzerkampf im Weinvier­tel nicht mehr das Zukunftsbedrohungsszenario“, so Sebastian Kurz im ORF-„Som­mergespräch“ in diesem Jahr. Auch wenn es ironisch gemeint war, so sind unsere umfassende Landesverteidigung und die immerwährende Neutralität nicht gerade der richtige Anlass, den Ernst der Lage zu verkennen. Vielmehr geht es um neue Bedro­hungsszenarien für unsere Republik: sei es die Gefahr eines Blackouts – wobei sich kaum mehr die Frage stellt, ob es zu einem Blackout kommen wird, sondern vielmehr, wann ein Blackout eintritt – oder auch von Cyberattacken, gerade in einer militärisch hoch technisierten Welt. Es geht aber auch um zeitgemäße Kasernen und die not­wendige Ausstattung des Bundesheeres.

Meine Damen und Herren! SPÖ und FPÖ haben bereits in der abgelaufenen Legis­laturperiode Entschließungsanträge im Nationalrat, aber auch im Bundesrat einge­bracht, um die notwendigen finanziellen Mittel für das Bundesheer bereitzustellen, damit es seine Aufgaben verfassungskonform erfüllen kann. Die Appelle des Gene­ralstabes sowie der Bericht von Verteidigungsminister Starlinger „Unser Heer 2030“ gelten als profunde Grundlage hinsichtlich der dringend notwendigen Mittel für eine funktionierende Landesverteidigung.


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Es ist unsere historische Verantwortung als Nachgeborene, die umfassende Landes­verteidigung und die immerwährende Neutralität Österreichs im Sinne unserer Verfas­sung zu schützen und daher auch finanziell abzusichern. Wenn es nach Kriegsende Karl Renner, der in langen und schwierigen Verhandlungen für die Freiheit und Selbstbestimmung Österreichs kämpfte, und große Politiker wie Raab, Schärf, Figl und Kreisky waren, die nach zehn Jahren Besatzungszeit unserer Befreiung endgültig zum Durchbruch verhalfen, so haben wir heute die Verantwortung, ein funktionsfähiges und leistungstaugliches Bundesheer wiederherzustellen beziehungsweise aufrechtzuer­hal­ten. Alles andere wäre eine staats- und sicherheitspolitische Bankrotterklärung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

15.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Reifenberger ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


15.40.23

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Hohes Haus! Gemäß Bundes­finanzrahmengesetz wird das Budget für unser Bundesheer nicht steigen, sondern ab dem Jahr 2021 sogar unter das derzeitige Niveau fallen. Anstatt also den Forderungen aller Experten und sogar den mahnenden Worten des Bundespräsidenten zu folgen und das Verteidigungsbudget deutlich zu erhöhen, soll genau das Gegenteil passieren. Dagegen werden wir Freiheitliche uns aber zur Wehr setzen, und zwar mit Händen und Füßen, das kann ich den Zuschauern zu Hause vor den Bildschirmen versprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sollte es wirklich zu dieser apokalyptischen schwarz-grünen Koalition kommen, dann gehen unserem Bundesheer auch die letzten noch verbliebenen Lichter aus. Schon im Stadium des Sondierens hat sich gezeigt, dass weder die Schwarzen noch die Grünen das Verteidigungsressort übernehmen wollen, dieses ist quasi eine heiße Kartoffel. Wenn das die Einstellung der künftigen Regierung zur Sicherheit in unserem Land ist, dann: Gute Nacht Österreich!

Wir stellen mit dem vorliegenden Antrag keine überzogenen Forderungen auf. Wir fordern nur das absolut Notwendigste, um langsam eine Kehrtwende beim österreichi­schen Bundesheer einzuleiten. In Wahrheit bräuchte es noch viel mehr Geld, dazu stehen wir auch. Heute aber legen wir die Latte für die nächsten drei Jahre bewusst nicht allzu hoch, um auch den anderen Fraktionen zu ermöglichen, bei diesem Antrag mitzugehen.

Wer sogar dieser moderaten Budgetentwicklung seine Zustimmung verweigern möchte – und ich blicke hier ganz bewusst in die lichten Reihen der Türkisen, sowohl der Wehr­sprecher als auch der Klubobmann sind nicht anwesend (Zwischenruf der Abg. Köstinger) –, der soll wenigstens so ehrlich sein, zuzugeben, dass er kein Interesse an einem einsatzfähigen Bundesheer hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Geht es nach den Türkisen, dann würde das Bundesheer nur aus einer Abteilung für Cybersicherheit und einem bewaffneten technischen Hilfswerk bestehen; vielleicht gäbe es noch ein paar international prestigeträchtige Auslandseinsätze zum Drüber­streuen. Wie sich die Grünen ein Bundesheer vorstellen, möchte ich mir nicht einmal ausmalen. Dabei mangelt es beim Heer an allen Ecken und Enden.

Ich selbst konnte mir letzte Woche in Aigen im Ennstal ein Bild verschaffen und die dort noch im Einsatz befindlichen Alouette-III-Hubschrauber begutachten. Dieses Modell hat in anderen Ländern bereits seinen verdienten Platz in wehrhistorischen Museen gefunden. Nur dem österreichischen Bundesheer gelingt es noch, diese Oldtimer ein­satztauglich zu halten, und dafür sei den Technikern herzlich gedankt.


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Die Mangelwirtschaft setzt sich aber auch bei den betagten Fahrzeugen und den baufälligen Unterkünften fort, welche zwar für unsere Grundwehrdiener ausreichen müs­sen, aber als mögliche Flüchtlingsunterkünfte als zu minder empfunden werden.

Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Das Bundesheer ist bereits ge­brochen, und zwar am politischen Unwillen roter und schwarzer Politik der vergan­genen Jahre und Jahrzehnte. Insoweit wird die zu erwartende Zerstörungswut eines möglichen grünen Verteidigungsministers lediglich einer politischen Nekrophilie gleichen, wenn wir nicht eine sofortige Trendumkehr schaffen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.


15.43.38

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir brauchen in Österreich ein Bundesheer, das schlagfertig und auch gut ausgestattet ist; das ist unabdingbar. (Abg. Kickl: Schlagkräftig!) Doch dieser Antrag von der FPÖ spricht die Probleme und die Mängel im Bereich des Bundesheers überhaupt nicht an. Die alte Begebenheit, dass irgendwo oben das Geld reingepumpt wird und unten dann irgendetwas herauskommt, das eh halbwegs okay ist, ohne auch nur irgendeine Idee einer Gegenfinanzierung zu haben: So wird es halt nicht gehen, so wird das nicht funktionieren. Das ist das Problem.

Dabei sollte jedem bewusst sein, dass das Bundesheer schon längst reformfällig ist. Die Mängel und Probleme, die das Heer hat, sind ja auch auf Ihre und auf eure Fehl­politik zurückzuführen. Da gebe ich nur ein Beispiel: Erinnern Sie sich an den Kauf der Eurofighter! Das beschäftigt uns ja noch immer, bis zum Status quo. Es ist ein Paradebeispiel für die Art der Fehlinvestitionen Ihrer Partei, ein Milliardengrab (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch), in dem es nach irgendwelchen Schmiergeldern gerochen hat, etwas, worum sich die Justiz noch immer kümmern muss. Das ist aber eh nichts Neues! Nach einer Regierungsbeteiligung der FPÖ gibt es ja immer ein bisschen Justizskandal, auch da wieder. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Man hätte Millionen für das Bundesheer nachhaltig gespart, wenn man da schon vor­weg richtig gehandelt hätte. Das waren falsche Investitionen in Bereiche, die den Soldatinnen und Soldaten einfach nicht helfen. Da wurden Millionen in irgendwelche nicht mehr zeitgemäßen Waffengattungen gesteckt.

Was wir wirklich brauchen, ist eine Reform des Bundesheers. Wir brauchen ein Heer, das für die großen Katastrophen und Gefahren, die wir in Österreich haben, top ausge­rüstet und ausgestattet ist. Wer hilft den Menschen, wenn eine Mure abgegangen ist? Wer hilft den Menschen, wenn ganze Dörfer und Städte unter Schneemassen begra­ben worden sind? Wer schützt uns vor Cyberattacken und Cyberangriffen? – Ja, da braucht es ein funktionierendes Bundesheer.

Da können Sie in den eigenen Reihen schauen und die Augen verdrehen – ich weiß, dass ein paar Deutschnationale hier herinnen sind und wahrscheinlich noch glauben, dass wir in Zeiten vor 1950 sind –, aber die Welt dreht sich weiter. Vor 30 Jahren schon waren der Mauerfall und die Angriffe, und die Welt hat sich weitergedreht. Da gibt es neue Herausforderungen, sehr geehrte Damen und Herren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Lausch.)

Es muss nicht mehr Pulver in die Luft geschossen werden. Das Bundesheer muss mit der Zeit gehen und neue Probleme und Herausforderungen erkennen und lösen. Das sind nicht mehr Kriege an unseren Grenzen, sondern es sind Cyberattacken und


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Hackerangriffe auf unser Rechtssystem, auf unser demokratisches Wahlsystem. Es muss in den Bereich des Zivilschutzes und in jenen der Informationsaufklärung inves­tiert werden. Es braucht Profis und nicht mehr irgendwelche zwangsrekrutierten Ju­gendlichen im Bundesheer, die für einen Niedriglohn irgendwo sechs Monate ableisten müssen. (Abg. Lausch: Sagen Sie es gleich, Sie wollen ein Berufsheer!)

Es braucht eine Bundesregierung, die die richtigen Schritte setzt und die Trans­for­mation im Bundesheer auch endlich in Gang bringt. Darüber sollten wir reden. Wir sollten Qualität vor Quantität stellen, umschichten statt Millionen in das System zu pumpen. Das wäre für ein modernes Bundesheer notwendig. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

15.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


15.47.15

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! (Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Abg. Stögmüller – in Richtung Abg. Hafenecker –: Für die Bevölkerung ist die Polizei zuständig, Herr Kollege! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Es ist sehr schön, dass wir heute über das Thema Bundesheer diskutieren. Sehr schön finde ich es auch, dass es hier durchaus breite Zustimmung dazu gibt, dass das österreichische Bundesheer mehr Geld braucht. Das ist ja eine Situation, die wir hoffentlich alle hier kennen. Auch hat es dazu in der letzten Gesetzgebungsperiode schon von diversen Parteien Entschließungsanträge gegeben, sodass wir immer wieder dieselbe Diskussion führen müssen.

Erstaunlich ist aus meiner Sicht, dass sich die FPÖ heute hier als jemand positioniert, der das Bundesheer retten muss. Die FPÖ betont, wie großartig großzügig sie da ist und dass sie den Budgetrahmen wieder erhöhen will. Man vergisst dabei ein bisschen, wer die letzten eineinhalb Jahre in diesem Ministerium gesessen ist und wer den letzten Budgetrahmen, den ihr heute ändern wollt, ausverhandelt hat. Ihr werft dann den anderen vor, dass sie sich nicht durchsetzen können und ähnliche Dinge: Die Einzigen, die sich bei diesen Themen nicht durchgesetzt haben, wart ihr, liebe Kolle­gen von der FPÖ. Ihr habt es nicht zustande gebracht, den notwendigen Finanzrahmen zu schaffen, mit dem das Bundesheer erfolgreich in die Zukunft gehen kann. Das müsst ihr euch selber umhängen, anstatt euch jetzt hier hinzustellen und zu sagen: Na, großartig, wir reparieren das Bundesheer! (Beifall bei den NEOS.)

Ihr sprengt euch selber aus der Regierung und dann kommt ihr drauf, dass eigentlich alles, was ihr in der Regierung gemacht habt, falsch war. (Abg. Kickl: Sind wir alle per du? Ich weiß nicht!) Es ist großartig, dass ihr diese Erkenntnis habt. Und dann stellt ihr euch hierher und wollt alles wieder ändern – also ganz nachvollziehbar ist das nicht.

Grundsätzlich haben wir in Österreich die Situation, dass das Bundesheer immer warten muss. Wenn es um das Budget geht, muss man auf den nächsten Minister warten; dann muss man darauf warten, dass irgendwelche Landtagswahlen vorbei­gehen, weil der Minister dort vielleicht kandidiert; dann muss man auf die nächste Regierung warten. Es herrscht also die ganze Zeit ein Wartemechanismus. Dasselbe gilt für die Luftraumsicherung. Auch da müssen wir auf den ersten Bericht warten; dann müssen wir wieder auf einen neuen Minister warten; dann müssen wir wieder auf den zweiten Bericht warten; dann müssen wir auf die neue Regierung warten. Beim Bundesheer geht es immer ums Warten.


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Die Frage, die ich mir stelle, ist: Warum warten wir eigentlich? Wir sind die Volks­vertreter. Wir sind gewählt und haben ein Mandat, auch aktiv zu werden. Das ist etwas, das wir eigentlich machen sollten: aufstehen und die notwendigen Maßnahmen setzen.

Es gibt die Einschätzungen des Generalstabs – die wurden vom aktuellen Minister schon erwähnt –, dass dringend Finanzierungsbedarf gegeben ist. In diesem Punkt gebe ich der FPÖ durchaus recht. Auch ich finde, dass wir dringend Maßnahmen setzen müssen, um diesen Finanzierungsstau, der da vorhanden ist, schleunigst zu reduzieren, weil er es über lange Zeit teurer machen wird, was natürlich auch nicht unser Anliegen sein kann.

Auch glaube ich, dass die Situation nicht eine ist, die man belächeln sollte. Wenn ein Verteidigungsminister sich hinstellt und sagt, es ist zehn nach zwölf, dann ist das schon eine ernste Lage. Das macht er, glaube ich, nicht aus Jux und Tollerei, sondern um wirklich darauf aufmerksam zu machen.

Es wird so sein – nicht aufgrund des Inhalts, ich glaube, das habe ich vorhin schon gesagt, sondern einfach aufgrund der politischen Begebenheiten –, dass dieser Initia­tivantrag dann in den Ausschüssen und so weiter wahrscheinlich keine Mehrheit finden wird. Das wissen wir alle. Warum schaffen wir es aber bei diesem Thema nicht – und das habe ich schon in der letzten GP immer wieder gesagt –, dass wir uns endlich alle zusammensetzen und einen gemeinsamen Initiativantrag schreiben, dass wir es uns gemäß der Stärke des Parlaments herausnehmen und sagen: Ja, wir sind gewählte Vertreter und wir haben die Möglichkeit!, und das über Initiativanträge machen und nicht über einfache Entschließungsanträge, von denen wir wissen, dass da leider nicht viel herauskommt?

Da nehme ich insbesondere die ÖVP in die Pflicht. Auch ihr wart in der letzten Re­gierung. Ihr nennt euch selber immer wieder die Sicherheitspartei Nummer eins, bezie­hungsweise habt ihr euch so genannt; beim Bundesheer habt ihr aber in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass ihr das nicht seid und dass ihr hier null Möglich­keiten seht, Investitionsstau abzubauen.

Ich glaube, wir sollten aus dem gesamten Thema Bundesheer keinen Wettbewerb da­rum machen, wer der bessere Vertreter des Bundesheers ist. Vielmehr sollten wir uns wirklich herstellen und sagen: Arbeiten wir gemeinsam, finden wir Lösungen, finden wir Möglichkeiten, wie die ausreichenden Budgetmittel bereitgestellt werden können! – Dann gewinnen nämlich am Ende jene, die es brauchen, oder die, die gewinnen sollten, und das sind die Österreicherinnen und Österreicher und deren Sicherheit. Das wäre mein großer Wunsch. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

15.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Kaniak ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.51.37

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Liebe Kollegen, Kolleginnen und Zuhörer! (Der Redner stellt eine Tafel mit einem Kurvendiagramm und der Überschrift „LV-Budget in Relation zum BIP“ auf das Rednerpult.) Es ist tatsächlich erstaunlich, dass wir heute hier so kontrovers über eine Erhöhung des Bundesheerbudgets diskutieren müssen, obwohl wir diese bereits 2015 einstimmig beschlossen und eine Zielquote von 1 Prozent des BIPs für das österreichische Bundesheer als mehr als angemessen tituliert haben.

Jetzt haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem wir das Budget für 2020 auf 2,9 Milliarden Euro, für 2021 auf 3,3 Milliarden Euro und für 2022 auf 3,6 Mil-


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liar­den Euro erhöhen wollen. Das ist eine Annäherung an circa 0,8 Prozent des Brutto­inlandsprodukts, wie wir sie vor 15 Jahren bereits hatten.

Ich habe Ihnen eine etwas desolate Tafel mitgebracht, sie ist aber nicht annähernd so desolat wie das österreichische Bundesheer. Sie können sehen, dass wir seit 1986 ein kontinuierliches Absinken des Verteidigungsbudgets haben. Diese Einsparungen ha­ben zu einer deutlichen Reduktion der aktiven Vollbeschäftigungsäquivalente ge­führt – um bis zu 16 Prozent.

Noch schlimmer hat dieser Sparkurs die Ausrüstung und Infrastruktur des österreichi­schen Bundesheers getroffen: Die geschützte und ungeschützte Mobilität ist um insge­samt 60 Prozent reduziert worden; an Luftfahrzeugen haben wir heute um 41 Prozent weniger als noch vor 15 Jahren. Bei den schweren Waffensystemen – und, Herr Stögmüller, das ist keine Investition in falsche Waffensysteme, da wurde nichts inves­tiert – haben wir ein Minus von 62 Prozent in den letzten 15 Jahren.

Auch bei der militärischen Infrastruktur ist eine Reduktion zu verzeichnen. Die genutz­ten Standorte sind in den letzten 15 Jahren um 39 Prozent reduziert worden – und das alles bei gleicher und steigender Auftragslage. Wie unser österreichisches Bundesheer und die tapferen Soldaten und Soldatinnen mit deutlich weniger Personal und drastisch reduzierter Ausrüstung den aktuellen Anforderungen gewachsen sein sollen, müssen Sie mir erklären! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der verfassungsgemäße Auftrag an das österreichische Bundesheer zur umfassenden Landesverteidigung hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht geändert. Die letzten Jahre haben gezeigt, wie schnell sich die Sicherheitslagen ändern können, wie schnell unerwartete Ereignisse auch Öster­reich treffen können: Aufstieg und Fall des Islamischen Staates, die Krimannexion und die Ukrainekrise, der Syrienkrieg und die aktuelle Invasion der Türkei in Nordsyrien, die Migrationskrise 2015 und die anstehenden Migrationsströme, die in den nächsten Jahren noch auf uns zukommen werden, die aktuelle Cyberbedrohung, die Sorge vor einem flächendeckenden Blackout in ganz Europa und vieles mehr. Unsere nationalen Versorgungs- und Führungsstrukturen sind verletzlicher als je zuvor.

Als Milizoffizier und Abgeordneter sage ich Ihnen: Es ist unsere Aufgabe und unsere Verantwortung hier als Abgeordnete im Nationalrat, die erforderlichen Gesetze zur ordentlichen Finanzierung des österreichischen Bundesheers zu beschließen. Ich ersuche Sie alle inständig, diese Verantwortung wahrzunehmen und den vorliegenden Entschließungsantrag an die österreichische Bundesregierung zu unterstützen – als ersten Schritt für eine ordentliche Finanzierung des österreichischen Bundesheers, denn wenn wir jetzt nicht handeln, sind wir in Zukunft handlungsunfähig. (Beifall bei der FPÖ.)

15.55

15.55.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf den Antrag 10/A dem Budgetausschuss zuweisen.

15.55.338. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichi­sche Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl. I Nr. 61/2018, geändert wird (17/A)



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich darf dem Antragsteller das Wort erteilen. – Bitte.


15.55.46

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Antrag, der jetzt zur Debatte steht, behandelt ein sehr, sehr ernstes und für den Be­reich der inneren Sicherheit in Österreich wichtiges Thema.

Wir alle kennen ja die schockierenden Bilder, insbesondere aus dem Nahen Osten: Massenhinrichtungen, teilweise von Kindern durchgeführt, Vergewaltigungen, Sklaven­märkte, abgeschlagene Köpfe, mit denen Fußball gespielt wird, und so weiter und so fort, allesamt bestialische Verbrechen, von denen man eigentlich nicht gedacht hätte, dass sie im 21. Jahrhundert noch möglich sind.

Mit diesen Bildern zeigt der Islamische Staat seine hässliche Fratze. Er zeigt, wie dünn der Firnis der Zivilisation sein kann, und er zeigt, wie enthemmt Menschen sein kön­nen, die sich unter einer Ideologie zusammenrotten, in diesem Fall der fanatisch-totali­tären Auslegung einer Religion.

Wenn man glaubt, dass das ein lokales Ereignis, ein lokales Problem wäre, dann irrt man ganz gewaltig, denn aus der ganzen Welt sind Verrückte, möchte ich sagen, in diese Kriegsregionen gereist, um an diesen Kampfhandlungen und an diesen bes­tialischen Verbrechen teilzunehmen – leider auch aus Österreich, muss man dazu­sagen. Das zeigt mir, dass es in der Vergangenheit sehr, sehr viele Versäumnisse im Bereich der Integration und im Bereich der Vorbeugung gegeben hat.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Mir wird einigermaßen übel, wenn ich jetzt nur daran denke, dass der Integrationsbereich möglicherweise in die Hände der Grünen fallen könnte. (Beifall bei der FPÖ.) Dann wissen wir, was uns allen droht. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Dann werden falsche Toleranz und eine Naivität, die sich als Humanität ausgibt, zum Maß der Dinge, und dann werden sich diese Entwicklungen multiplizieren und vervielfachen, anstatt dass wir ihnen entschlossen den Kampf ansagen. Zu viel fördern ist der falsche Weg – fordern, das ist das, was wir tun müs­sen, wenn Leute zu uns kommen und sich unser Land ausgesucht haben.

Neben den Brandbeschleunigern im Internet, die im Bereich der Radikalisierung eine ganz, ganz maßgebliche Rolle spielen, müssen wir natürlich die Augen auch dort auf­machen, wo wir es mit Moscheen und Gebetshäusern zu tun haben, die leider zu einem Teil auch regelrechte Rekrutierungsbüros für diese islamistischen Kämpfer ge­worden sind.

Ende letzten Jahres waren es 320 Personen, die den Behörden bekannt waren, die ins syrisch-irakische Kriegsgebiet ausreisen wollten oder ausgereist sind. Wir haben ja heute am Vormittag schon gehört, dass sich gut zwei Dutzend von ihnen derzeit in Gefangenschaft befinden. Jeder von ihnen ist eine tickende Zeitbombe, anders kann man das nicht bezeichnen. Die Entscheidung dieser Personen, für den Islamischen Staat in den Krieg zu ziehen, ist eine Kampfansage an Österreich und eine Kriegs­erklärung an unsere gesellschaftlichen Werte, an den Rechtsstaat und selbstverständ­lich an die Demokratie. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb ist es für uns vollkommen klar, dass diese Personen ihr Recht auf die öster­reichische Staatsbürgerschaft ein für alle Mal verwirkt haben. Ich bin schon gespannt, wie sich die anderen Parteien im Zusammenhang mit diesem Antrag in weiterer Folge verhalten werden. Für uns ist vollkommen klar: Personen, die im Dienst des Islami­schen Staates Verbrechen verübt haben oder an Kampfhandlungen teilgenommen


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haben, ist die Staatsbürgerschaft zu entziehen – aber nicht nur das: Die österreichi­sche Staatsbürgerschaft haben auch diejenigen zu verlieren, die mit diesen Mördern gemeinsam gearbeitet und ihre Infrastruktur betrieben haben. Die darf man nicht ver­gessen: die Handlanger in der Etappe, wenn man sie so bezeichnen will, das Herz-Kreislauf-System dieser Mörderbanden, die Leute, die ihnen die Munition gebracht haben, die Leute, die sie bekocht haben.

Vielleicht dämmert es jetzt auch bei dem einen oder anderen im linken Sektor, wenn ich Bertolt Brecht zitiere, eine Passage aus dem Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“. Dort heißt es unter anderem: „Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“ Und genau um diese Infrastruktur und genau um diese Logistik im Hintergrund geht es, denn das tausendfache Morden, das Verge­waltigen, das Versklaven, das Verstümmeln und das Entwürdigen wären ohne diese Infrastruktur, nur allein durch kämpfende Truppen nicht möglich gewesen.

Deshalb sagen wir als Freiheitliche Partei klipp und klar: Wir holen nicht diese ticken­den Zeitbomben zurück und geben dafür auch nur einen Euro Steuergeld aus, sondern wir holen uns nur ihre Staatsbürgerschaft zurück. Das ist die konsequente Vorgangs­weise in diesem Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

Dafür müssen wir nur drei Dinge tun: Wir müssen das Staatsbürgerschaftsgesetz reformieren und wir müssen zwei Kündigungen vornehmen. Die erste betrifft die Kün­digung des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit seitens der UNO und die zweite die Kündigung des Europäischen Übereinkommens über Staats­ange­hörigkeit. Österreich hat sich zwar bei der Unterzeichnung des zuerst genannten UN-Übereinkommens einen Vorbehalt herausverhandelt, aber dieser Vorbehalt betrifft leider nur die Möglichkeit zur Entziehung von Staatsbürgerschaften bei Personen, die freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates eingetreten sind oder die im Dienst eines fremden Staates dem Ansehen Österreichs schweren Schaden zugefügt haben. Das bringt uns in die paradoxe Situation, dass etwa ein Fremdenlegionär, der aus Österreich stammt und in Mali gegen islamistische Terroristen kämpft, die österreichi­sche Staatsbürgerschaft verliert (Zwischenruf des Abg. Matznetter), während der Islamist auf der anderen Seite, wenn er aus Österreich kommt, die österreichische Staatsbürgerschaft behalten kann. Das ist aus unserer Sicht ein Unsinn. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Problem an den bestehenden Regelungen ist, dass der Islamische Staat völker­rechtlich kein Staatsgebilde ist, und ich glaube nicht, dass wir das Problem dadurch lösen sollten, dass wir ihm diese Ehre und Anerkennung zuteilwerden lassen. Deswe­gen schlagen wir den anderen Weg vor. Und weil ich jetzt schon weiß, dass die ÖVP immer besonderes Muffensausen hat, wenn es darum geht, internationale Vereinba­rungen zu hinterfragen oder gar aufzukündigen, zu irgendetwas, was fast alle machen, Nein zu sagen – ich weiß das noch vom Migrationspakt, das war eine Steißgeburt –: Sie brauchen sich nicht zu fürchten, liebe Freunde von der ÖVP, denn wir wären mit einer solchen Kündigung nicht allein in Europa. Estland, Frankreich, Griechenland, Malta, Polen, Slowenien und Zypern haben dieses UN-Abkommen nicht übernommen, und die Iren haben es wie die Briten gemacht, sie haben sich ganz weitreichende Ausnahmen in diesem Bereich gesichert. – Das ist der eine Teil.

Ein zweiter wichtiger Teil ist, dass wir schon seit Langem darauf drängen, dass zur Verurteilung dieser Kriminellen, dieser Terroristen, dieser Verbrecher entsprechende Gerichtshöfe, ein Sondergerichtshof etwa, vergleichbar mit jenem in Den Haag oder mit Lösungen, wie man sie im Zusammenhang mit dem Ruanda-Konflikt und dem Völkermord, der dort stattgefunden hat, etabliert hat, auch in Syrien oder im Irak ein­gerichtet werden. Die Verhandlungen gegen diese Personen sollen dort geführt


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werden, und ihre Strafen sollen diese Verbrecher auch vor Ort absitzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist die billigste Lösung, das ist auch die effizienteste Lösung, denn man muss sich einmal vorstellen, wie aufwendig es ist, ein solches Verfahren inklusive der Beweismit­tel­sicherstellung von möglichen Zeugen et cetera durchzuführen, wenn wir das hier bei uns vor Ort veranstalten – das ist fast ein Ding der Unmöglichkeit –, und es ist vor allem ein Garant für die Sicherheit – das betrifft nicht nur die österreichischen Staats­bürger, sondern das betrifft alle europäischen Länder, von denen aus Personen für den Islamischen Staat in diese kriegerischen Auseinandersetzungen gezogen sind.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich Sie darum ersuchen, wenn es Ihnen mit der Sicherheit Österreichs ernst ist, diesen Antrag in weiterer Folge zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Mahrer. – Bitte.


16.04.24

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Und – jetzt sage ich es am Beginn ganz bewusst – liebe Öster­reicherinnen und Österreicher! Ich betone das deshalb so sehr, weil für viele von uns die österreichische Staatsbürgerschaft eine Selbstverständlichkeit ist. Ich glaube aber auch, dass die österreichische Staatsbürgerschaft ein ganz besonderes Privileg ist, verbunden mit Rechten, verbunden mit Pflichten. Ich meine auch, dass die Staatsbür­gerschaft und die Materie, die die Staatsbürgerschaft regelt, eine äußerst sensible Materie ist.

Die Grundintentionen des vorliegenden Antrages, Herr Klubobmann Kickl, sind für mich durchaus nachvollziehbar. Viele Österreicherinnen und Österreicher können es über­haupt nicht verstehen, warum Menschen, die sich dem sogenannten Islamischen Staat, einer Terrororganisation, anschließen, das Privileg der österreichischen Staats­bür­gerschaft weiter genießen sollen. Die jetzige Rechtslage bietet aber durchaus Möglichkeiten, die Staatsbürgerschaft zu entziehen – Beispiele sind angeführt wor­den –, etwa wenn jemand freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates eintritt oder freiwillig für eine organisierte bewaffnete Gruppe aktiv an Kampfhandlungen im Ausland teilnimmt. Eine Einschränkung gibt es aber schon, nämlich: Die betroffene Person darf dadurch nicht staatenlos werden. (Abg. Kickl: Die Hascherl!)

Warum also kompliziert, denken sich Klubobmann Kickl und die FPÖ, wenn es doch so einfach ist? Machen wir doch einfach eine Streichung des Satzes im Staats­bürger­schaftsgesetz, in dem es um diese Staatenlosigkeit geht, und das Problem ist gelöst! – Ich verstehe es ja, aber so einfach ist es nicht, dazu braucht es mehr. Herr Klub­obmann, Sie haben es angeführt, es gibt internationale Verträge. Es gibt derzeit auch einen parlamentarischen Prozess zur Hinterfragung dieser Verträge, auch das gibt es bereits im österreichischen Parlament.

Andererseits aber, und darauf sollten wir jetzt noch eingehen, gibt es ein Problem, nämlich dass Staatenlose ja de facto, wenn wir das machen, nicht mehr abgeschoben werden können, wenn sie im Inland sind. (Abg. Kickl: Wollen Sie den Österreicher nach Österreich abschieben, oder was?) Derzeit, das wissen wir alle, weisen wir zum Beispiel, Herr Klubobmann Kickl, zahlreiche straffällige türkische Staatsbürger in die Türkei aus. Denken wir es also durch: Wenn die Türkei als Reaktion auf unseren möglichen Schritt diesen türkischen Staatsbürgern ebenfalls ihre Staatsbürgerschaft aberkennen würde, dann würde das ja ein neues und zusätzlich schwerwiegendes Problem bedeuten. Ausweisungen ins Heimatland wären nicht mehr möglich, denn


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Staatenlose, meine Damen und Herren, haben ja keine Heimat. Kein Staat würde dann seine ungeliebten Staatsbürger zurücknehmen, sondern einfach die Staatsbürgerschaft aberkennen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Sinne der Antragsteller ist.

Wir sind am Beginn, der Antrag befindet sich in erster Lesung, wir werden viele Aspekte zu berücksichtigen und zu prüfen haben. Darüber muss in den Ausschüssen diskutiert und die Vor- und die Nachteile der Maßnahmen müssen auch abgewogen werden.

Meine Damen und Herren, geben Sie mir die Gelegenheit, da noch einen Gedanken anzuschließen: Für all diese Abwägungen brauchen wir immer wieder Experten, in dem Fall Experten des Bundesministeriums für Inneres. Ich möchte am Ende dieser Rede einmal die Gelegenheit nutzen, diesen Expertinnen und Experten des Innen­ministeriums, beispielhaft für alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, für ihre tägliche Arbeit, für ihren täglichen Einsatz und für ihre Expertise im Namen unserer Sprecherin für den öffentlichen Dienst, Gertraud Salzmann, im Namen der Volkspartei und, ich hoffe, in unser aller Namen ganz herzlich zu danken. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Schön, Herr Kollege, aber in diesem Fall sind es die Experten des Außen­ministeriums!)

Sie alle, die öffentlich Bediensteten, meine Damen und Herren – das möchte ich auch noch anbringen –, stehen am 27. und 28. November vor einem ganz besonderen Wahlgang, vor der Bundes-Personalvertretungswahl. Ich wünsche den öffentlich Be­diensteten eine Personalvertretung, die ihnen gemeinsam mit uns als politisch Verant­wortlichen den Rücken stärkt (Abg. Kickl – auf den Redner weisend –: Er war ja be­sonders beliebt bei der Polizei!) und dafür arbeitet, dass ihre Leistungen anerkannt und entsprechend honoriert werden.

Mein Appell zum Schluss, damit es auch versöhnlich wird: Lassen Sie uns gemeinsam ausführlich in den Ausschüssen diskutieren, Expertinnen und Experten aller Ministe­rien, Herr Klubobmann Kickl, einbinden und letztendlich eine wohlüberlegte, eine nachhaltige und eine international tragfähige Lösung finden, im Sinne und im Interesse der Republik Österreich! (Beifall bei der ÖVP.)

16.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Einwallner. – Bitte.


16.09.48

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Herr Klubobmann Kickl, in der Tat, es ist ein ernstes Thema, das Sie mit Ihrem Antrag behandeln, ein Thema, dem man sich auch mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit und Seriosität nähern muss.

Bevor ich auf den Antrag eingehe, möchte ich sagen, wir müssen uns vor allem eines vor Augen führen, nämlich dass es eine ganz wichtige und zentrale Frage, auch für die Politik und für uns Politiker, gibt: Wie können wir überhaupt verhindern oder wie können wir eindämmen, dass sich Menschen, Staatsbürger so radikalisieren, dass sie diesen Schritt gehen und in den islamischen Krieg, in den Kampf ziehen und dort zu Verbrechern werden?

Das muss die oberste Priorität sein, die wir parteiübergreifend setzen müssen, nämlich dass wir verhindern, dass gerade junge Menschen und Sie haben gesagt, dass nicht einsehbar und auch nicht nachvollziehbar ist, was in diesen Köpfen vorgeht – sich radi­kalisieren und sich entschließen, sich anzuschließen und an einem bewaffneten Kon­flikt teilzunehmen.


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Das zeigt aber auch, dass es ganz, ganz große Bemühungen im Bereich der Integration und der Deradikalisierung braucht. Da sind wir gefordert, und da waren Sie, Herr Klubobmann, in den letzten Jahren in der Pflicht. Und da muss man sich auch die Frage gefallen lassen: Was ist in der Zeit Ihrer Ministerschaft dafür passiert, dass die Radikalisierung zurückgeschraubt wird, dass die Deradikalisierung und die Integration vorangetrieben werden? Das ist eine der zentralen Fragen. Eine weitere Frage ist: Was haben Sie auf europäischer Ebene getan?, denn das ist natürlich ein internationales Thema, ein Thema, das uns überall betrifft. (Abg. Kickl: Dann schauen Sie einmal nach, was wir im Internetbereich erreicht haben! Schauen Sie einmal nach!)

Jetzt zum Antrag: Es ist halt wieder die alte Masche der FPÖ: Sie machen uns vor, mit einem einfachen Antrag ein komplexes Problem zu lösen. – Das geht eben nicht! Da machen Sie den Menschen etwas vor, und das ist das Unseriöse. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.) Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas (Abg. Kickl: Ich kenne das schon: Das geht nicht! Das war immer so!): Sie glauben, so ruck, zuck lösen wir das Problem, oder vielleicht soll ich lieber sagen, zack, zack, zack lösen wir das Problem. (Abg. Kickl: Manches muss man zack, zack, zack lösen, nicht zickzack!) Das ist leider nicht so einfach zu lösen.

Nein, Ihr Antrag führt nicht zu einer Lösung der Probleme, er stellt uns vor neue Prob­leme, denn was erreichen wir dadurch? – Das führt zu einer vermehrten Staatenlosig­keit. Es kann doch nicht unser Ziel sein, dass wir staatenlose Menschen haben, die in weiterer Folge überhaupt außerhalb jeglicher staatlicher Kontrolle agieren können. Es kann doch nicht das Ziel sein, dass das dann die letzte Konsequenz ist.

Außerdem müssten wir auch – Sie haben es gesagt – völkerrechtlich zwei Abkommen aufkündigen. Zwei Abkommen, die die Republik Österreich abgeschlossen hat, müss­ten wir aufkündigen, um überhaupt in den Vollzug dieser von Ihrer Seite vorgeschla­genen Novelle kommen zu können.

Ich sage Ihnen eines: Sich in einer Frage, die in ganz Europa ein Thema ist, in einer internationalen Frage aus internationalen Abkommen zurückzuziehen ist aus meiner Sicht eindeutig der falsche Weg. Wir brauchen mehr Internationalität, mehr Zusam­menarbeit in dieser Frage und nicht weniger. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Krisper.)

16.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amesbauer. – Bitte.


16.13.54

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! In den Ausführungen meiner Vorredner von ÖVP und SPÖ ist mir ein bisschen zu viel Beschwichtigen dabei, und der Ernst der Lage und die Dramatik der Situation werden nicht richtig zur Kenntnis genommen.

Meine Damen und Herren! Wir sprechen ja nicht von Menschen, die aus dem Aben­teuerurlaub nach Österreich zurückkommen. Wir sprechen hier über Terroristen, über mutmaßliche Mörder, Kopfabschneider und Vergewaltiger. Und wir wollen eine Lösung aufzeigen, wir wollen einen Weg aufzeigen, wie wir solche Menschen loswerden.

Da brauche ich mir auch vom Kollegen von der SPÖ nichts anzuhören, der Herbert Kickl vorwirft – das ist ja absurd –, bei der Integration und der Deradikalisierung versagt zu haben. (Zwischenruf des Abg. Einwallner.) Meine Damen und Herren! Mörder, Terroristen und Vergewaltiger, die brauche ich nicht mehr zu deradikalisieren und die will ich schon gar nicht mehr in Österreich integrieren! (Beifall bei der FPÖ.) Die brauchen wir nicht in österreichischen Gefängnissen, und die brauchen wir schon


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gar nicht in der österreichischen Gesellschaft. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Da müssen wir schauen, dass wir diese Menschen, die ein enormes Gefährdungspotenzial für unsere Bürger, für unsere Sicherheit darstellen, so schnell wie möglich loswerden.

Jetzt zum Kollegen Mahrer: Du hast es ja angesprochen, das ist die erste Lesung, und wir werden im parlamentarischen Prozess, in den Ausschüssen noch Gelegenheit haben, darüber zu reden. Na selbstverständlich, wenn du einen Vorschlag hast und wenn es dir ernst ist, kann man sich das anschauen. Wichtig ist, dass wir diese Men­schen loswerden.

Das Beste, was wir tun können, ist natürlich, dass wir jemandem, der noch nicht nach Österreich zurückgekommen ist und von dem wir wissen, dass er sich in einem Kriegs- oder Kampfgebiet aufhält, so schnell wie möglich die Staatsbürgerschaft aberkennen, denn das ist dann auch nicht mehr unser Problem, ob der jetzt in Syrien, Afghanistan oder sonst irgendwo als Staatenloser unterwegs ist. Das könnten wir uns ernsthaft anschauen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, das sollte eine Materie sein, die wir von ideo­logischen Debatten lösen sollten. Ich weiß, manche werden sich da schwertun, weil sie glauben, man kann mit solchen Menschen noch reden und den Dialog und das Ge­spräch suchen, wie auch immer. Wir glauben nicht, dass es möglich ist, dass man Menschen, die sich an solchen Handlungen und solchen Aktivitäten, die der Islamische Staat setzt, als aktive Kämpfer oder als Unterstützer, in welcher Form auch immer, beteiligt haben, in unsere Gesellschaft in irgendeiner Form reintegriert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich auf die Beratungen im zustän­digen Ausschuss und hoffe, dass wir einer vernünftigen Lösung im Sinne der Sicher­heit Österreichs näherkommen, denn eines sollte uns klar sein: IS-Terroristen, deren Unterstützer und Sympathisanten haben in Österreich nichts verloren! (Beifall bei der FPÖ.)

16.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reimon. – Bitte.


16.16.41

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein wichtiges Thema.

Ich war im Jänner das letzte Mal in Syrien, habe mir die kurdischen Gebiete dort angeschaut, habe dort recherchiert, habe mir auch die Gefängnisse angeschaut oder zu denen mit den IS-Kämpfern recherchiert – hinein kommt man ja nicht.

Das ist ein enorm wichtiges Thema. Wir haben uns damit auseinandergesetzt, haben versucht, zu dem Antrag eine ausgewogene, differenzierte Position zu finden. Ich glaube, das ist uns gelungen: Er ist ziemlich wurscht. Das, was Sie da machen wollen, ändert exakt überhaupt nichts, bringt null. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der NEOS.)

Der einfache Grund ist: Es ist jetzt möglich, Kämpfern für einen anderen Staat die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Das geht alles. Die Leute in die Staatenlosigkeit zu werfen, das hilft exakt gar nichts. Das verhindert nur zwischen den Rechtsstaaten, dass man sie vernünftig betreut und mit ihnen rechtsstaatlich umgeht. Im Zweifelsfall unterstützen Sie sogar noch den IS damit, dass die Rechtsstaaten mit den Kämpfern nicht vernünftig umgehen können. Das ist ja als solches völlig gaga. (Beifall bei den Grünen.)


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Was allerdings wirklich ein Problem ist – und ich bitte Sie, darauf in Zukunft Rücksicht zu nehmen; das ist ein ernstes Thema –: Sie weiten die ganze Sache mit einem Absatz so weit aus, dass auch Menschen in der Infrastruktur, in den ganzen Systemen rund­herum in solchen Gebieten, in solchen Kampfgebieten, die Staatsbürgerschaft entzo­gen werden kann. Das bedeutet, wenn ein österreichischer Arzt dort im Krankenhaus arbeitet und hilft und diese Stadt vom IS erobert wird (Abg. Kickl: Nein, nein, nein, nein, nein!), dann arbeitet dieser Mensch unter der Herrschaft des IS, arbeitet unter der Verwaltung des IS und ist Mitarbeiter der IS-Verwaltung, oder er packt zusammen und hilft den Leuten nicht mehr. (Abg. Kassegger: Sinnerfassend lesen!) Denen wollen Sie automatisch die Staatsbürgerschaft aberkennen? Das ist das Schlimmste, was Sie in diesem Fall überhaupt anrichten können. Bitte ziehen Sie zumindest diesen Absatz zurück, er ist extrem schädlich! Alles andere ist, wie gesagt, einfach nur wurscht. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Wenn es eh wurscht ist, können Sie ja zustimmen!)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Krisper ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.18.38

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FPÖ stellt, wie hier eben schon diskutiert, einen Antrag auf Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Öster­reiche­rinnen und Österreicher, die sich einer Organisation, einer bewaffneten Gruppe angeschlossen haben, mit Stoßrichtung Islamischer Staat.

Dieser Antrag ist unserer Meinung nach aus mehreren Gründen eine gravierend schlechte Idee zu einem Thema, das eigentlich eine sehr ernste Frage beinhaltet, nämlich: Wie gehen wir mit Menschen um, die ihrem Land derart den Rücken kehren, und eignet sich der Verlust der Staatsbürgerschaft zur Terrorismusbekämpfung?

Um das zahlenmäßig noch einmal in den Kontext zu stellen: Laut dem Verfas­sungs­schutzbericht vom Ende des Jahres 2018 sind dem BVT 320 Personen bekannt, die aus Österreich stammen und aktiv am Dschihad in Syrien und im Irak teilgenommen haben oder teilnehmen wollten. 58 Personen kamen in der Region ums Leben, 93 Per­sonen sind wieder retour und stehen in Österreich vor dem Richter. Da sind die Gerichte und Staatsanwaltschaften sehr aktiv, so aktiv sie bei den budgetären Schwie­rigkeiten sein können – Stichwort stiller Tod der Justiz nach der letzten Bundes­regie­rung.

107 dieser Personen dürften sich laut BVT noch im Kriegsgebiet befinden, und um diese Personen geht es in diesem Antrag. Auch wenn es sich dabei nicht um viele handelt, ist es trotzdem eine ernsthafte Problematik.

Das Problem ist jetzt aber, dass die FPÖ in ihrem Antrag die Aberkennung der Staats­bürgerschaft auch für Personen vorsieht, die dann staatenlos werden. Die Staaten­losigkeit versuchen wir aber mit internationalen und auch europäischen Abkommen, Herr Kickl, zu vermeiden. Und diese europäischen Abkommen haben Sie in Ihrem Antrag nicht berücksichtigt. Staatenlose fallen dann durch jeden rechtlichen Raster, und davon hat niemand etwas, weder die betroffenen Krisenregionen noch wir. Was machen wir dann mit einer staatenlosen Person, die vielleicht doch wieder retour nach Österreich kommt, weil sie hier Familie hat, weil sie hier Freunde hat und es schafft, zurückzukehren? Mit dieser haben wir dann noch zusätzlich das Problem der Staatenlosigkeit, und abschieben kann man eine solche Person, wie Kollege Mahrer schon ausgeführt hat, dann nicht mehr – wohin denn? (Abg. Kickl: Als Österreicher können Sie ihn auch nicht abschieben!)


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Die Staatenlosigkeit von solchen radikalisierten Menschen und auch deren Kindern – und um die geht es auch – schafft mehr Probleme, als sie löst.

Richtig wäre unserer Meinung nach, internationale Abkommen einzuhalten, Beweise an den Schlachtorten zu sichern – darum kümmert sich Europol, so gut es geht –, die Staatsbürger und Staatsbürgerinnen durch Geheimdienste und europäische Partner­dienste im Auge zu behalten und, wenn sie zurückkommen, ihnen im Sinne des Rechtsstaates den Prozess zu machen, Deradikalisierungsmaßnahmen zu setzen. Es gibt auch die Maßnahme der Meldepflicht, der Beobachtung potenzieller Gefährder – dafür braucht man wieder ein effektives BVT, Herr Kickl.

Führende Terrorismusexperten wie Peter Neumann warnen immer wieder davor, dass Personen, die Staaten aus den Augen verlieren, weil sie nicht kontrolliert zurückgeholt werden oder weil wir ihnen den konsularischen Schutz verweigern und deswegen den Kontakt verlieren, gefährlicher für uns sind, weil sie dann unkontrolliert und ohne unser Wissen zurückkommen. Und wer weiß dann, was sie im Schilde führen? – Wir wissen es dann nicht.

Dieser Antrag der FPÖ ist daher für uns ein Schaustück blauer Symbolpolitik im Sicherheitsbereich. Eine solche Maßnahme klingt aufs Erste gut, wie viele FPÖ-Vor­schläge, so, als würde man es damit irgendjemandem wirklich zeigen, aber sie bringt nicht mehr Sicherheit, sondern weniger. Daher werden wir NEOS uns dagegen aus­sprechen. (Beifall bei den NEOS.)

16.22

16.22.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich weise den Antrag 17/A dem Budgetausschuss zu.

16.22.509. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 86/2019, geändert wird (21/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 9. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Antragsteller Brückl gelangt zu Wort. – Bitte.


16.23.26

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Im Juli dieses Jahres hat der Nationalrat, haben wir hier das Verbot des Tragens von weltanschaulich und religiös geprägter Bekleidung, die mit einer Verhüllung des Hauptes verbunden ist, für unsere Schülerinnen und Schüler bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres beschlossen. Bereits vorher, im November vergangenen Jahres, haben wir einen gleichlautenden Beschluss gefasst, der für unsere Kinder in den Kindergärten gilt. Nunmehr beantragen wir Freiheitliche die Ausweitung dieser Regelung auf Schülerinnen und Schüler bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres sowie auch auf Lehrerinnen und Lehrer.

Hohes Haus! Die Ausweitung ist eine logische Konsequenz bisheriger freiheitlicher Politik und freiheitlicher Forderungen. Dieser Antrag – und da bin ich auch gespannt – bietet auch der Österreichischen Volkspartei die Möglichkeit, ihre Wahlversprechen,


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ihre Aussagen im Wahlkampf durch ihre Unterstützung, durch ihre Mitarbeit, durch ihre Zustimmung einzulösen.

Hohes Haus! Das Kopftuch als Zeichen, als Symbol des politischen Islams steht für Gleichmacherei und steht für Unterdrückung – und widerspricht damit den klaren Vorstellungen einer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung, zu deren wichtigsten Säulen Individualität und Freiheit gehören. (Beifall bei der FPÖ.)

Oder um es mit den Worten von Professor Taschner, dem Bildungssprecher der Volkspartei, zu sagen, der vor ziemlich genau sechs Monaten hier von dieser Stelle aus gemeint hat: Das Kopftuch steht für ein „Verbot, sein Haar frei zu zeigen“, und es steht für ein „Verbot, sich selbst zu verwirklichen“. So gesehen ist ein solches Gesetz eine Befreiung, nennen wir es „Kopftuchbefreiung“. 

Hohes Haus! Die Trennung von Religion und Staat ist eines der wichtigsten Funda­mente unserer aufgeklärten Gesellschaftsordnung, und der politische Islam kann und darf niemals Teil unserer Gesellschaftsordnung sein, er darf sie nicht infrage stellen und er darf sie niemals untergraben. (Beifall bei der FPÖ.)

Hohes Haus! Die Scharia kann niemals Teil unserer Rechtsordnung werden, und so gesehen soll dieses Gesetz, soll dieses Kopftuchverbot bewirken, dass wir die inte­grationspolitischen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können. Ich hoffe, dass es im Gesetzwerdungsprozess eine breite Mitarbeit aller Parteien gibt und schlussend­lich dann, wenn es so weit ist, dass wir das Gesetz in dritter Lesung zur Beschlussfas­sung bringen können, dass es eine breite Zustimmung finden wird. (Beifall bei der FPÖ.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.


16.26.30

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Wir teilen ja die Grundintention dieses Antrages, ich glaube nur, auf dem Weg dorthin ist die FPÖ jetzt einmal falsch abgebogen, und ich erkläre auch gerne, warum.

Wir, der eben erwähnte Bildungssprecher Rudi Taschner und der damalige Bildungs­sprecher Wendelin Mölzer, haben am 25.9. gemeinsam einen Antrag eingebracht, mit einigen gravierenden Unterschieden. Die Strategie ist jetzt ein bisschen, einen Antrag zu einem Thema, bei dem wir grundsätzlich einen ähnlichen politischen Willen haben, mit ein paar Fehlern zu versehen, um sich dann darüber zu empören, dass die Volks­partei dem nicht zustimmen kann.

Ein Beispiel: Wir haben damals, am 25.9., den gemeinsamen Antrag eingebracht, dass bei den Lehrerinnen ein Kopftuchverbot im Rahmen des Dienstrechtes verankert werden soll, wie das auch üblich ist, und das ist ja auch das richtige Materiengesetz dafür. Jetzt steht in diesem Antrag drinnen, dass dieses Verbot im Schulunter­richts­gesetz niedergeschrieben werden soll. Das ist einfach technisch-sachlich das falsche Materiengesetz, und ich verstehe nicht, was sich da zwischen dem 25.9. und heute bei Ihnen verändert hat, dass Sie diese Einschätzungen nicht mehr teilen.

Nächster Punkt: Wir haben ja, wie schon erwähnt, das Kopftuchverbot, besser gesagt das Verbot des Kinderkopftuchs, in den Kindergärten und den Volksschulen be­schlos­sen. Das war auch deswegen legistisch recht gut möglich, weil ja laut Auffassung des gemäßigten Islams Mädchen vor der Geschlechtsreife kein Kopftuch tragen. Des­wegen konnte man hier sehr gut darstellen, dass das eine extreme Form der Religion ist, und Extreme kann man da auch recht gut abgrenzen.


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Wenn wir jetzt aber sagen, wir weiten das Verbot bis zum 14. Lebensjahr aus, dann ist das natürlich nicht mehr das Argument, das man da ziehen kann, sondern man muss dessen gewahr sein, dass das in gewissen Bereichen möglicherweise ein Eingriff in die Religionsfreiheit ist. Und wenn man bei Grundrechten eingreift, dann muss man, damit das vor einem Verfassungsgerichtshof auch haltbar ist und überhaupt in Kraft treten kann, die Verhältnismäßigkeit wahren, auch eine gute Begründung liefern und das sehr gut überlegen.

Deswegen haben wir am 25.9. gemeinsam in einem Antrag gesagt, dass wir das in Begutachtung schicken wollen, dass wir da mit Verfassungsjuristen Rücksprache hal­ten wollen und das genau austarieren wollen, damit das vor dem Verfassungs­ge­richtshof auch haltbar ist und tatsächlich Realität werden kann.

Ich fasse zusammen: Wir teilen die Grundintention, wir halten es für richtig, dass genau diese Dinge auch angegangen werden, deswegen haben wir sie auch beschlossen und, wie gesagt, auch diese Ausweitung in einen gemeinsamen Antrag gegossen.

Herr Klubobmann Kickl hat gesagt, die FPÖ ist die einzige Partei, die in diesem Bereich Lösungen bietet. Okay, so schaut aber dieser Antrag nicht aus. Wenn Sie wirklich Lösungen bieten wollen, dann müssen Sie das auch sachlich und technisch gescheit machen, denn es bringt niemandem da draußen etwas, wenn man nur populistisch irgendeinen Antrag stellt, der keine Chance auf Umsetzung hat. Also begeben wir uns wieder auf den Weg zurück!

Der Antrag vom 25.9., den wir gemeinsam beschlossen haben, ist der richtige Weg, das ist auch der sachlich haltbare Weg, da zu einem Ergebnis zu kommen. Dies­bezüglich haben wir unsere Meinung nicht geändert, ganz im Gegenteil, wir sind noch immer der festen Überzeugung, dass wir das so machen sollen. Also machen wir das bitte gescheit und gemeinsam, und legen Sie da nicht einen Antrag mit sachlichen Fehlern vor, bei dem Sie sich dann wundern, dass er keine Zustimmung findet. (Beifall bei der ÖVP.)

16.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Hammerschmid ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.30.21

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem auch Herr Brückl! Ich bin immer wieder darüber erstaunt, dass Sie Kopftuch und politischen Islam gleichsetzen, als gäbe es da keine Unterscheidung. (Abg. Wurm: Das haben die Experten so ausgeführt! Frau Kollegin, Sie waren ja dabei! Die Experten haben das so festgehalten!) Ich glaube, Sie waren noch nie in Kontakt mit der Gruppe von Musliminnen, die Kopftuch trägt – und zwar ganz freiwillig, mit Selbstbewusstsein und auch mit großer Würde. Aber das ist noch einmal eine andere Diskussion. (Abg. Wurm: Die Experten haben das definiert! – Zwischenruf des Abg. Schrangl.)

Die heutige Debatte ist für mich echt ein Déjà-vu zum Frühjahr und zum Frühsommer dieses Jahres, als es auch um das Kopftuchverbot gegangen ist. (Abg. Wurm: Sie waren ja dabei im Ausschuss!) Heute geht es um die Ausweitung desselben.

Ich habe mir Ihre Argumentation genau angeschaut: Dazumal haben Sie mit dem Thema Kinderrechte argumentiert. Das habe ich schon sehr zynisch gefunden, nämlich in dem Kontext, dass Sie zeitgleich die Kinderrechte beschnitten haben, indem Sie die Sozialhilfe Neu auf 1,50 Euro für das dritte Kind reduziert haben. Da mit Kinderrechten zu argumentieren ist echter Hohn. Und jetzt weiten Sie diese Argumentation aus, man höre und staune: „Die vorliegende Regelung soll [...] den Schutz von Musliminnen [...],


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die die Verhüllung aus persönlicher Überzeugung nicht praktizieren [...]“, ebenso garantieren wie den Schutz „jener Anhänger von Richtungen des Islam, in welchen die Verhüllung keine Praxis ist und damit eine freie Entscheidung über die Religionsaus­übung sichern [...]“.

Seit wann sind Sie denn der Anwalt der Musliminnen? (Abg. Wurm: Da haben Sie nicht aufgepasst, Frau Kollegin! Wir sind für Frauenrechte, Frau Kollegin, das sollten Sie schon einmal verstanden haben, für eine freie, offene, tolerante Gesellschaft!) Das ist ungeheuerlich. Noch dazu betonen Sie die frühe geschlechtliche Segregation, während Sie beim Thema Deutschklassen keine Sekunde gezögert haben, Kindern diesen Stempel aufzudrücken. – Glaube ich das noch?! Das ist ungeheuerlich! (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Es ist wirklich ungeheuerlich!

Natürlich sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zutiefst überzeugt, dass kein Mädchen gezwungen werden darf, ein Kopftuch zu tragen. – Das ist ganz klar.

Mit diesem Verbot als Einzelmaßnahme erreichen Sie allerdings gar nichts im Bereich der gesellschaftlichen Herausforderungen Integration oder Gleichberechtigung von Frauen in unserer Gesellschaft. Ganz im Gegenteil: Sie missbrauchen dieses Thema für Populismus, für Ihre populistischen Anliegen – und dazu ist es für uns Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten viel zu wichtig. Das darf nicht geschehen.

Gesagt sei auch noch: Ich bezweifle, dass das Verbot am Ende des Tages wirklich wirksam sein wird, denn es gibt in Österreich noch den häuslichen Unterricht und auch Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht. Ich befürchte, dass wirklich radikale Eltern ihre Kinder dann dorthin schicken – und dann haben wir, was die Wahrung der Kinder­rechte anbelangt, überhaupt keine Kontrolle durch die öffentlichen Einrichtungen mehr.

Was es zum Integrationsmotor Schule zu sagen gibt: Ja, da gab es wirklich viele Maßnahmen, die wir im Integrationspaket immer wieder gefordert und auch umgesetzt haben. Da geht es um Sprachstartgruppen, um mehr Deutschlehrerinnen und Deutsch­lehrer, um Integrationspädagogen, um Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, um Psychologinnen und Psychologen in den Schulen – vor allem in jenen Schulen, in denen die größten Herausforderungen bestehen. Was haben Sie getan? – Sie haben dieses Integrationspaket abgeschafft.

Die heutige Diskussion über die Kinderrechte hat ja auch wieder einiges offenbart.

Das heißt, Ihr Vorschlag trägt überhaupt nichts zur Lösung der gesellschaftlichen Prob­leme bei. Ich lade einmal mehr ein, den Diskurs zu suchen, ihn ehrlich in der Breite zu suchen, sodass wir wirklich hier im Parlament für das Thema Integration und für das Thema Gleichstellung der Frau gute Lösungen finden. – Das Kopftuchverbot ist es ganz sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Camillo Sitte Bautechnikums recht herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Hamann. – Bitte.


16.34.40

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Lieber Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich stehe hier zum allerersten Mal, und ich finde es ganz inter­essant, dass ich es gleich mit einem Antrag des Abgeordneten Kickl zu tun bekomme, in dem etwas steht, was ich richtig finde. Es ist allerdings nur eine sehr kurze Passage, die ich richtig finde. Darin steht nämlich, wie wichtig die freie Selbstbestimmung von Mädchen ist. – Völlig richtig.


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Wie fördern wir die freie Selbstbestimmung von Mädchen? Ich stelle mir gerade ein 13-jähriges Mädchen vor. Man kann sich erinnern, wie man selbst einmal war – oder Sie haben vielleicht so jemanden zu Hause. Sie hat Wickel mit den Eltern, fühlt sich unverstanden, ist unsicher, fühlt sich vielleicht nicht ganz wohl in ihrem eigenen Körper. Wie lässt sich eine 13-Jährige dazu bringen, ihr Kopftuch abzulegen, und wie hilft man ihr, frei und selbstbestimmt zu entscheiden? – Indem man droht, verbietet, Geldstrafen verhängt, mit dem Finger auf sie zeigt, permanent auf ihr herumhackt und die­ses Mädchen die ganze Zeit immer wieder durch die öffentliche Arena zerrt? – So macht man das ganz sicher nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich kann Ihnen schon sagen, wie man freie Selbstbestimmung fördern kann – ich weiß nicht, ob Sie bei der FPÖ sich da auch so gut auskennen –: durch Zuwendung zum Beispiel, durch Beziehung, durch Wertschätzung, indem Mädchen ernst genommen werden, indem ihnen Sicherheit gegeben wird, indem in der Schule zum Beispiel feministische Burschenarbeit und feministische Mädchenarbeit gemacht wird (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Herr), indem man mit den Eltern permanent im Gespräch bleibt und auch ihnen das Gefühl gibt, dass man sie ernst nimmt.

Ein Mädchen wird sich frei und selbstbestimmt entscheiden können, wenn ihrer Per­sönlichkeit ganz, ganz viel und ihrer Kleidung ganz, ganz wenig Beachtung geschenkt wird. Mit Ihrem Gesetzesvorschlag tun Sie leider genau das Gegenteil, und mit jedem Mal, wo Sie wieder und immer wieder nur über das Kopftuch und nicht über den Menschen reden, laden Sie das Kopftuch mit noch mehr Bedeutung auf und machen es noch stärker zum Symbol, als es das ohnedies schon ist. Sie erzeugen damit Trotz, Verhärtung und Kulturkampf, und damit – das ist das besonders Tragische – erledigen Sie eigentlich das Geschäft der religiösen Fundamentalisten. (Beifall bei den Grünen.)

Ich weiß nicht, ob Sie das wirklich wollen. Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist jedenfalls: Wir wollen das ganz sicher nicht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte.


16.38.07

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Schülerinnen und Schüler! Es ist jetzt fast acht Jahre her, dass wir beschlossen haben, eine neue Bewegung, eine neue Partei zu gründen: die NEOS.

Warum war ich da von Anfang an dabei, was war da mein Treiber? – Ich war von Anfang an dabei, weil es uns NEOS immer schon ein ganz, ganz großes Anliegen gewesen ist, Themen ganzheitlich und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, evidenzbasierte politische Entscheidungen zu treffen, Inhalte mit Zahlen und Fakten zu hinterlegen. Das war einer der Beweggründe bei unserer Gründung.

Ein weiterer wichtiger Punkt für uns war und ist es immer noch, dass wir in einer Ge­sellschaft leben wollen, die offen und tolerant ist und in der es allen Menschen gut gehen soll.

Ich freue mich, dass ich heute meine erste Rede hier im Hohen Haus halten darf. Es freut mich sehr, dass ich als neue Bildungssprecherin von NEOS die erste Rede zum Thema Kopftuchverbot halten darf, weil ich finde, dass es zum eben Gesagten sehr gut passt.

Das Kopftuchverbot wird von der FPÖ als Symbol verwendet. Symbole sind gut und schön – dort, wo sie hinpassen. Meiner Meinung nach sind sie beim Thema Integration fehl am Platz.


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Meines Wissens gibt es keine aussagekräftigen Zahlen und Fakten oder Studien, die belegen oder zeigen, wie viele Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Lehrerin­nen überhaupt betroffen sind, und in meiner Welt kommen zuerst die Zahlen und Fakten auf den Tisch, und erst dann können wir über sinnvolle Maßnahmen sprechen.

Wir NEOS wollen die Frage Integration neu und größer denken, und für uns geht es da um Chancengerechtigkeit und Zukunftsperspektiven für Kinder und junge Menschen, Jugendliche und junge Erwachsene. Es geht um alle Kinder und nicht nur um unsere Kinder, um alle Kinder, die hier in Österreich leben. Wir brauchen Maßnahmen, die die Gesellschaft nicht spalten, Maßnahmen, die eine pluralistische, offene und tolerante, freie Gesellschaft fördern.

In Österreich wird Bildung nach wie vor vererbt. Das war schon so, als ich vor 20 Jahren Jugendstudien zum Thema Bildung gemacht habe, und das ist auch heute noch so. Wenn es Jugendliche gibt, die auf die Frage, was sie einmal werden wollen, antworten: AMS!, dann ist das eigentlich nur deprimierend für unser Land.

Der sozioökonomische Aufstieg ist in fast keinem anderen Land länger als in Öster­reich: Er braucht Generationen. Wir schlagen daher ein umfassendes Maßnahmen­paket zur Integration und Förderung von Kindern und Jugendlichen aus sozial benach­teiligten und bildungsfernen Schichten vor – und das sind nicht verpflichtende Deutsch­klassen, sondern das sind zum Beispiel zwei verpflichtende Kindergartenjahre, das ist die Einführung eines Ethik- und Religionenunterrichts oder auch ein Chancenbonus für Schulen, die die Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, angehen. Auch der OECD-Wirtschaftsbericht von heute zeigt eindrucksvoll auf, was alles zu tun ist.

Ich kann Ihnen versichern, ich freue mich auf die Arbeit und auf die Diskussionen im Ausschuss, und ich kann Ihnen auch versichern, dass wir NEOS zahlreiche weitere gute evidenzbasierte Vorschläge zu diesem Thema haben. Wenn uns die Kinder wichtig sind, dann sollten wir über dieses symbolische Verbot hinausgehen und in Inte­gration, Bildung und Schulen, die Herausforderungen angehen, investieren. Ich freue mich auf den Ausschuss. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.42

16.42.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler der HAK aus Spittal recht herzlich hier im Hohen Haus begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall. – Abg. Kickl: Welches Spittal?)

Die Debatte zum Tagesordnungspunkt 9 ist geschlossen, weil sich niemand mehr dazu zu Wort gemeldet hat.

Ich darf den Antrag 21/A dem Budgetausschuss zuweisen.

16.42.4810. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geän­dert wird (30/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 10.

Wir gehen in die Debatte ein und die Antragstellerin erhält das Wort. – Frau Klub­obfrau, bitte.



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16.43.09

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Saubere Politik, eine Politik, die nicht in Verdacht steht, anderen Interessen als den Interessen der Österreicherinnen und Österreicher zu folgen, ist ein Thema, das wir durchaus sehr intensiv – und zu recht intensiv – über die letzten Monate diskutiert haben, und wenn ich heute und wahrscheinlich auch morgen in die Zeitungen schaue und lese, was derzeit alles rund um Novomatic und die Casinos Austria und die Vorstandsbestellung dort passiert, würde ich sagen, es ist aktueller denn je.

Anlässlich der Enthüllungen rund um das Ibizavideo haben wir NEOS ganz klar gesagt, dass es eine urliberale Einstellung ist, Machtkonzentration zu begrenzen. Macht braucht Kontrolle! Ich habe, glaube ich, an dieser Stelle auch gesagt – und es ist mir schon wichtig, das zu bemerken –, es ist ja nicht so, dass wir als NEOS uns hinstellen und sagen: Wir sind die besseren Menschen! Wir sind die saubere Partei! Wir sind die Partei, bei der nichts passieren kann, weil wir an sich die besseren Menschen sind! – Wir haben aber gesagt, es braucht Kontrolle und es braucht Transparenz, um möglichst zu verhindern, dass es in irgendeiner Weise eine Beeinflussung der Politik, illegale Praktiken oder sonst irgendetwas gibt.

Wir haben die Frage der Parteienfinanzierung und die Frage, wie wir Kontrolle und Transparenz ermöglichen können, im Wahlkampf intensiv diskutiert, und ich glaube, die Österreicherinnen und Österreicher haben in den doch sehr zahlreichen TV-De­batten zur Genüge gehört, wie viele Vorhaben geäußert wurden, und genügend gera­dezu Beschwörungen auch und gerade der Spitzenkandidaten gehört, dass man hier doch endlich aktiv werden müsste. Es geht meines Erachtens um nichts Geringeres als um die Glaubwürdigkeit der Politik, indem wir sagen, wir liefern in diesem Bereich endlich. – Macht braucht Kontrolle, Parteimacht braucht Kontrolle und Parteifinanzen brauchen Kontrolle und natürlich auch Transparenz. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Maurer.)

Was wir nicht brauchen, sind zahnlose Pseudomaßnahmen, die letztlich nicht funk­tio­nieren, sondern wir brauchen möglichst scharfe Gesetze, die praktikabel sind – das muss ich auch sagen, das ist aber ohnehin klar –, aber möglichst nahe an das heran­kommen, was wir wollen, nämlich dass wir jegliche Umgehung im Keim ersticken kön­nen, sodass es diese nicht mehr geben kann.

Da gibt es einen ganz, ganz wesentlichen Punkt: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser, also den Rechenschaftsberichten der Parteien, die veröffentlicht werden, zu vertrauen, ist in Ordnung (Heiterkeit der Rednerin), aber noch besser ist es, wenn der Rechnungshof auch kontrollieren kann, ob das, was da gemeldet wird, auch wirklich den Tatsachen entspricht. Ich kann mich gut daran erinnern – es sind keine Kollegen da, die gemeinsam mit mir die Spitzenkandidatur bestritten haben, oder übersehe ich jetzt gerade jemanden? –, dass wir alle in der Elefantenrunde gestanden sind und zum wiederholten Mal die Frage gestellt wurde: Sind Sie dafür, dass der Rechnungshof die Parteifinanzen kontrollieren soll? – Fast alle haben das Taferl mit Ja in die Höhe gehalten.

Ich nehme Sie beim Wort, und ich frage auch: Worauf warten wir eigentlich? Die Frage der Parteifinanzen, der Transparenz der Parteifinanzen, der Kontrolle der Partei­finan­zen ist eine der ureigensten Aufgaben, über die sich die Parteien einigen müssen, und zwar nirgendwo sonst als hier im Hohen Haus. Wir haben meiner Meinung nach nicht darauf zu warten, dass es eine Regierung gibt, die dann sozusagen allen Parteien hier mit der Mehrheit vorschreibt, wie das zu passieren hat, sondern da geht es um die Spielregeln der Parteien, der Demokratie in Österreich an sich, und damit ist das die ureigenste Aufgabe unseres Parlaments hier.


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Wir NEOS haben eine ganze Reihe von Anträgen eingebracht. Ich habe mich jetzt einmal auf die Kontrolle durch den Rechnungshof konzentriert, weil es meines Erach­tens die einfachste Möglichkeit ist. Ich habe gehört, die SPÖ schlägt vor, dass man dafür vielleicht ein anderes Gremium wählen könnte. Ganz ehrlich: Wozu? – Es gibt einen Rechnungshof, der funktioniert. Wir bringen die Rechenschaftsberichte dort hin, dort gibt es Beamtinnen und Beamte, die sich mit der Materie beschäftigen, die damit vertraut sind. Es ist ein Kontrollgremium des Parlaments, es ist auch per Gesetz für die Parteifinanzen zuständig, also warum sollten wir uns jetzt monatelang darüber unter­halten, welche andere Institution, die es in Österreich gibt oder die etwa neu zu grün­den wäre, das übernehmen sollte? – Das ist ja lächerlich!

Wir als Politiker müssen liefern, und liefern und das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederherstellen heißt, dass wir in diesem Punkt Nägel mit Köpfen machen und diese Gesetze endlich beschließen – und selbstverständlich ist, wie ich glaube, der Rechnungshof der geeignete Ort.

Wir haben aber auch andere Vorschläge auf den Tisch gelegt, die zum Teil auch den Empfehlungen des Rechnungshofes, zum Teil auch dem, was Expertinnen und Exper­ten in die Debatte eingebracht haben, entsprechen.

Ein Punkt ist – das möchte ich schon auch aus aktuellem Anlass ansprechen –, den Versuch zu verhindern, dass in Österreich illegale Parteienfinanzierung über Vereine funktionieren kann – übrigens etwas, auf das wir immer wieder hingewiesen haben. Ich kann mich erinnern, dass ich einen Tag, bevor dieses Ibizavideo ans Tageslicht ge­kommen ist, hier gestanden bin und den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz gefragt habe, ob wir eigentlich aufgrund unserer Parteienfinanzierungsgesetze aus­schließen können, dass es solche dubiosen Finanzierungen gibt. – Er hat damals gesagt: Selbstverständlich, wir haben ein so scharfes Gesetz! – Das ist nicht wahr! Wir können es nicht ausschließen, also müssen wir – und das zu machen ist wohl am cleversten – im Vereinsgesetz dafür Sorge tragen und sicherstellen, dass nicht über solche Vereinskonstruktionen Finanzierungen passieren, die eigentlich nichts anderes sind als illegal.

In diesem Zusammenhang möchte ich schon noch einmal darauf hinweisen, dass in diesem ganzen Konvolut rund um Ibiza, aber auch bei der Diskussion, die wir jetzt über einen vermuteten Tatbestand der Bestechlichkeit auch des ehemaligen ÖVP-Finanz­ministers haben, aber auch betreffend der Vorstandsbestellung in den Casinos Austria, dieser Satz des Ibizavideos: „Novomatic zahlt alle“ – damit sind alle drei Großen ge­meint, ich habe es nachgelesen; ich möchte zu Protokoll geben, dass explizit gesagt wurde, dass es nicht die Grünen und nicht die NEOS sind, sondern die drei großen beziehungsweise die drei mittelgroßen Parteien –, schon hier im Raum steht.

Das Ganze passiert in einem Verfahren, das zurzeit läuft, bei dem gerade Haus­durch­suchungen stattgefunden haben, in dem es um Postenbesetzungen und um den Ver­dacht der Bestechlichkeit von keinen Geringeren als zwei ehemaligen ÖVP-Finanz­ministern – einer davon ein enger Vertrauter in der Regierung unter Sebastian Kurz – geht.

Wir als Politik müssen liefern! Wenn wir die Glaubwürdigkeit der Politik wiederher­stel­len wollen und den Österreicherinnen und Österreichern in die Augen schauen können wollen und ihnen sagen können wollen: Wir sind ausschließlich euch ver­pflichtet und sonst niemandem, und wir werden nach bestem Wissen und Gewissen die unter­schiedlichen Interessen abwägen und in eurem Sinne und nicht im Sinne von irgend­welchen Institutionen, Unternehmen, Personen oder Vereinen, die sonst im Hinter­grund stehen – noch dazu meistens verdeckt –, Entscheidungen treffen!, dann müssen wir als Politik liefern! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Heute wurde viel über die ausgestreckte Hand geredet – das finde ich gut. Ich komme noch einmal darauf zurück, dass ich gesagt habe, es ist eine der ureigensten Aufgaben des Parlaments, der Parteien, sich auszumachen, wie man miteinander leben will, welche Regeln für die Parteien gelten sollen.

Vorschläge von uns liegen auf dem Tisch. Wir werden jetzt bezüglich der ver­schie­denen Bereiche – Kontrolle durch den Rechnungshof, mehr Transparenz, höhere Stra­fen, schärfere Sanktionen, aber eben auch die Möglichkeit, Vereine zu erfassen – auf alle Fraktionen mit der Bitte, in Gespräche einzutreten, zugehen. Es gibt ja auch die Möglichkeit, Ausschussbegutachtungen oder Ähnliches zu machen und Expertinnen und Experten in den Ausschuss zu laden.

Sehr geehrte Damen und Herren, machen wir da Nägel mit Köpfen und schauen wir, dass wir liefern! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der Grünen.)

16.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte.


16.52.04

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Es ist schon angesprochen worden: Wir haben in letzter Zeit sehr viel über die Par­teienfinanzierung diskutiert, hier im Haus, in den Medien und in der Öffentlichkeit.

Am 3. Juli dieses Jahres wurde die letzte Novelle zum Parteiengesetz beschlossen. Heute liegt ein Antrag der NEOS vor, der von der Frau Klubobfrau gerade ent­sprechend erläutert wurde. Die NEOS schreiben in diesem Antrag: „Die Regelungen zum Parteiengesetz sind reformbedürftig, weil sie dem Rechnungshof derzeit nur Aufgaben ohne echte Kontrollbefugnis zuweisen.“

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, aber aus meiner Sicht braucht es mehr als nur die Ausweitung der Kontrollbefugnisse. Die ÖVP hat das in einem Antrag vom 12. Juni dieses Jahres unter dem Gesichtspunkt festgeschrieben, „Umgehungshandlungen zu verhindern, eine bessere Kontrolle über die Wahlwerbungsausgaben zu erhalten sowie für mehr Transparenz zu sorgen“.

Auf ein paar Punkte darf ich eingehen: Die Frau Klubobfrau hat schon auf Vereine hingewiesen, die im Zusammenhang mit einem Wahlkampf Spenden leisten. Diese müssten in das Parteiengesetz genauso miteinbezogen werden wie die den Parteien nahestehenden Organisationen – übrigens eine Empfehlung des Rechnungshofes, der damit eine mögliche Auslagerung von Wahlkampfkosten verhindern will.

Laut Medienberichten wurde der Nationalratswahlkampf 2019 der SPÖ vom Verein GewerkschafterInnen in der SPÖ mit sechsstelligen Eurobeträgen – etwa durch die Ausrichtung von Großveranstaltungen – unterstützt. Im Sinne des Rechnungshofes sind solche Umgehungen abzustellen.

Ein weiterer Punkt ist die Angleichung der den Parteien nahestehenden Organisa­tionen an die politischen Parteien. Um es höflich zu formulieren: Es ist offensichtlich bei der Novelle im Juli dieses Jahres eine Lücke entstanden. So unterliegt der Pensionis­tenverband der SPÖ nicht dem Regime des Parteiengesetzes, sehr wohl aber der Seniorenbund der ÖVP. Ich gehe davon aus, dass diese Ungleichheit aufgrund der kurzen Zeit der Vorbereitung der Gesetzesnovelle passiert ist. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Ein Schelm, sehr geehrte Damen und Herren, der anderes denkt!


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Weitere Punkte sind zum Beispiel ein Spendenannahmeverbot von Vereinen, deren Aktivitäten gegen die demokratische Grundordnung gerichtet sind, wie zum Beispiel die Identitären, oder die Erstellung und Veröffentlichung eines eigenen Berichtes über die Wahlkampfkostengebarung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, eine neuerliche Novellierung des Parteien­geset­zes ist notwendig! Der Verfassungsausschuss wird sich damit auseinandersetzen. (Abg. Meinl-Reisinger: Wenn er konstituiert wäre! Ja, wenn er doch schon konstituiert wäre!) – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Matznetter; jetzt nicht aus der Bank, sondern hier vom Pult aus. – Bitte.


16.55.45

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen und ZuseherInnen! Das ist ein heikles Thema, und es ist gut, dass wir uns damit beschäftigen. Kollegen Singer mit seinen unter dem Schutz der Immunität hier getätigten Aussagen sei Folgendes ins Stammbuch ge­schrieben: Glauben Sie mir, Herr Kollege, ich kenne genügend Veranstaltungen, viel­leicht sogar nicht von privaten Vereinen, sondern von gesetzlichen Körperschaften, bei denen thematisch viele Dinge, die ich dann von der Volkspartei höre, verbreitet wer­den. Ich würde das nicht als Wahlspende interpretieren. (Zwischenruf des Abg. Singer.) – Für den Fall, dass Sie noch einmal so etwas sagen wollen, lautet mein Ratschlag, das einfach im Hinterkopf zu behalten.

Nun aber zu den NEOS: Frau Kollegin Meinl-Reisinger, ich verstehe das! Hier stand vor kurzer Zeit noch Peter Pilz und hat die Frage der Knackwurst und des Salatdackels behandelt. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie vermischen da zwei Sachen!) Ich verstehe daher, dass Sie das jetzt versuchen: Wir sind doch die Sauberen! – Das ist okay, das gehört dazu! Das ist okay. Ich will ja nur andeuten: Reden wir darüber! (Abg. Meinl-Reisinger: Was meinen Sie mit unsauber? Was, glauben Sie, ist unsauber? Was werfen Sie mir vor?)

Wir haben eine erste Lesung, reden wir darüber, dass man hier über Regeln spricht, die den Bürger und die Bürgerin sicher machen, dass Politik nicht durch Großspenden kaufbar ist! (Abg. Meinl-Reisinger: Das haben Sie eh schon geregelt!) – Genau, aber die Frage der Überprüfung ist eine - - (Abg. Meinl-Reisinger: Und was ist mit euren Vereinen?) – Ich weiß schon, dass Sie nervös sind, Frau Klubobmann, aber es ändert ja nichts. Ich sage Ihnen ja etwas Positives. (Abg. Meinl-Reisinger: Wenn Sie einen Vorwurf haben, ...!) Reden wir doch darüber!

Ich möchte nur ein paar Dinge in Erinnerung rufen. Erstens: Wie ist die derzeitige Gesetzeslage? (Abg. Meinl-Reisinger: Schlecht!) – Dann sollten Sie vielleicht zuerst hineinschauen! Das wäre super gewesen, denn dann würden Sie nämlich draufkommen: Derzeit werden jene Wirtschaftsprüfer, die die Parteien kontrollieren, von wem ausgewählt? Von den Parteien? – Nein, Frau Kollegin! Vom Rechnungshof! (Abg. Loacker: Der Begriff Oberlehrer ist bei einer Matznetter-Rede erfunden worden!) Und von wem wird ein zweiter Wirtschaftsprüfer ausgesucht? – Sie können der Frau Klubobfrau helfen, wenn sie es nicht weiß! (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Wieder vom Rechnungshof, sprich von der Präsidentin!

Wenn jetzt der Rechnungshof einer Angabe im Rechenschaftsbericht misstraut, was ist dann? Muss der Rechnungshof das einfach akzeptieren? – Nein, er kann der Partei vorschreiben, das aufzuklären! Muss sich der Rechnungshof damit zufriedengeben? (Abg. Maurer: Ja!) – Nein, er kann, wenn die Antwort der Partei ihm weiterhin unklar


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oder falsch erscheint, von den vom Rechnungshof ausgewählten Prüfern verlangen, dass sie die Angabe testieren.

Muss sich der Rechnungshof damit zufriedengeben, Frau Kollegin Maurer? (Abg. Maurer: Ja!) – Nein! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Maurer.) – Nein, er kann sa­gen: Ich bestelle einen weiteren Prüfer, den der Präsident der Kammer der Steuer­be­rater und Wirtschaftsprüfer aussucht. Er kann den als Dritten mit der Prüfung beauf­tragen. (Heiterkeit der Abg. Maurer.) Es ist also nicht so, dass wir da keinen Prüfungs­raum haben. Darüber müssen wir diskutieren, wenn der Vorschlag dann behandelt wird.

Wir müssen auch über etwas Zweites sprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Rechnungshof ist ein Organ des Parlaments. Es ist, sagen wir einmal, nicht ganz unproblematisch, wenn durch ein Organ des eigenen Hauses eine vollständige Allmacht hergestellt wird. Wir müssen darüber reden, ob die Balancen da stimmen. Das sage ich bewusst in Richtung jener Kolleginnen und Kollegen, die bei diesem un­säglichen Schauspiel der Nachbesetzung des Postens des Rechnungshofpräsidenten oder auch – wo ist Kollege Moser? – bei der zwölf Jahre davor erfolgten dabei waren. Es ist ja nicht so, dass da ein unpolitischer Vorgang stattfindet, das hat uns ja mehr an ein basarmäßiges Vorgehen erinnert.

Ich erinnere an den guten Kandidaten, den es vonseiten der Grünen für das Rech­nungshofpräsidium gegeben hat. Ich sage daher, dass das auch ein damit zusam­menhängender Sachverhalt ist. Der Rechnungshof ist kein Gericht. Es gibt natürlich Interessenlagen. Schauen wir, dass wir eine vernünftige Lösung erreichen, diskutieren wir darüber! Wir müssen es nicht auf der Wurstebene machen. Die Großspenden sind zum Glück beendet, und das hilft der österreichischen Demokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

17.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.


17.00.26

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Juli ein sehr strenges Parteiengesetz beschlossen und dabei die Grenzen für die Einzelspenden drastisch gesenkt. Wir haben auch die Melde­pflich­ten an den Rechnungshof entsprechend adaptiert. Es sind die Finanzen der Parteien durch zwei Wirtschaftsprüfer zu prüfen, die – da schließe ich jetzt bei Kollegen Matznetter an – tatsächlich vom Rechnungshof aus einer Liste ausgesucht werden, Frau Kollegin Meinl-Reisinger. Außerdem haben wir ja auch noch den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat, und jetzt wollen wir den Rechnungshof auch noch prüfen lassen. Das ist eine Idee, darüber kann man diskutieren, gar keine Frage. Selbstverständlich werden wir das tun, wir werden uns einer solchen Diskussion nicht verschließen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Meine Meinung dazu ist, dass, wie gesagt, der Rechnungshof ein Organ des Parla­ments ist, den wir zum Teil beauftragen können, der sich aber seine Prüfaufgaben ohnehin selbst stellt und per se die Verwaltung prüft. Er ist ein Organ, das für uns Einsparungspotenziale in nicht unerheblicher Höhe erhebt. Er zeigt Reibungen im System auf und ist sozusagen die Interne Revision des Staates Österreich.

Ich glaube, wenn wir jetzt – auch schon immer dazu passend – die fehlenden Res­sourcen und die mangelnde finanzielle Ausstattung des Rechnungshofes diskutieren, dann wäre es sinnvoll, dass man, wenn man schon irgendwo ansetzt, einmal wirklich im System schaut, dass man die Ressourcen entsprechend einsetzt, die Finanzierung


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dort sicherstellt, damit wir auch wirklich bessere Ergebnisse hinsichtlich einer effizien­ten finanziellen Gebarung unseres Staates haben.

Das wäre meine Meinung dazu, aber, wie gesagt: Wir können gerne diskutieren, ob wir, obwohl wir ohnehin schon zweimal kontrolliert werden – nämlich durch die Wirt­schaftsprüfer und durch den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat –, noch ein drittes Organ brauchen, das die Parteien prüft, wobei dieses Prüforgan dann doch wieder ein Organ des Parlaments ist. Aber, wie es Kollege Matznetter so schön gesagt hat, reden wir darüber! (Beifall bei der FPÖ.)

17.02


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Sigrid Maurer zu Wort. – Bitte.


17.02.56

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Ja, Parteienfinanzierung in Österreich, das ist ein ziemliches Trauerspiel. Wir brauchen immer einen Skandal nach dem anderen, damit wir zizerlweis wieder etwas ändern und verbessern. Der große Wurf fehlt.

In diesem Fall bin ich den NEOS durchaus dankbar für das Einbringen dieser An­träge – das ist jetzt die erste Lesung zu einem davon –, denn aus unserer Sicht braucht es nicht das, was die SPÖ gerne hätte: eine weitere Kommission, eine weitere Arbeitsgruppe, wo diskutiert wird, wo Papierln erstellt werden. Wir wissen ganz genau, was im Transparenzbereich beziehungsweise bei der Parteienfinanzierung geändert werden muss, damit die Tricksereien und Betrügereien in diesem Feld nicht mehr so funktionieren.

Herr Matznetter! Ich war bei dem anderen Trauerspiel, jenem, das die Bestellung der Rechnungshofpräsidentin das letzte Mal betroffen hat, dabei. Auch da gab es viele Tricksereien. Ich kann Ihnen aber sagen, der Rechnungshof hat so viele Beamtinnen und Beamte, die mit absolut reinstem Gewissen und bestem Vorsatz und absolut korrekt arbeiten, dass ich mir keine Sorgen darüber mache, dass eine Rechnungs­hofpräsidentschaftsbestellung dazu führt, dass etwa die Berichte einer bestimmten Partei weniger streng geprüft werden würden.

Das, was Sie gesagt haben, nämlich dass sich der Rechnungshof ja so großartig weh­ren könne, ist schlicht falsch. Der Rechnungshof hat keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, wenn Parteien einen Rechenschaftsbericht abgeben. Er kann nicht selbst­ständig kontrollieren, er kann nicht selbstständig in die Bücher, in die Buchhaltung schauen, ob das, was die Parteien angeben, auch tatsächlich richtig ist.

Der Antrag, der vorliegt, würde es ermöglichen, dass wirklich alle Geldflüsse zwischen Partei, Akademie und Klub anzuführen sind. Bisher hat man sich darauf verlassen müssen, dass die Darstellung stimmt.

Es gibt auch noch andere Dinge, beispielsweise die Mittelflüsse von Vereinen. Da hat der Rechnungshof sehr große Skepsis, ob die ihm vorgelegten Berichte denn der Wahrheit entsprechen, zuletzt zum Beispiel im Rechenschaftsbericht 2017 der FPÖ, Stichwort Ibizavideo. Da hat der Rechnungshof auch mit Bezugnahme auf das Ibizavideo nachgefragt, ob denn Vereine Geld bekommen hätten, konkret der Verein Austria in Motion und der Verein Wirtschaft für Österreich, und die FPÖ hat dem Rechnungshof dazu Berichte vorgelegt (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), in denen es sinngemäß heißt, dass es zu keinen Leistungen an politische Parteien oder Vor­feldorganisationen gekommen sei. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Für den Rechnungshof, das sagt er in seiner eigenen Pressemeldung, sind diese


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Zweifel überhaupt nicht ausgeräumt, denn die Berichte der Wirtschaftsprüfer-GmbH waren auf bestimmte Vereine beschränkt und dort sind diese nicht dabei gewesen.

Es stimmt also einfach nicht, was Herr Matznetter da behauptet, dass nämlich der Rechnungshof ausreichende Befugnisse hätte – hat er nicht. In diesem Fall hat die FPÖ den Rechnungshof einfach papierlt. Mit einer Einsichtnahme in die Buchhaltung wäre das in Zukunft nicht mehr möglich.

Noch ein weiterer Punkt, der mit diesem Antrag erfüllt werden würde: Es gibt auch so Tricksereien, dass man den Rechenschaftsbericht einfach einmal abgibt und schaut, ob der Rechnungshof eh auf nichts draufkommt. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Wenn er dann doch auf etwas draufkommt, zum Beispiel auf Spenden, die in Presse­aussendungen oder so verkündet worden sind, dann kann straffrei nachgebessert werden. Diese Trickserei wäre mit diesem Antrag auch beendet, und wir unterstützen das auf jeden Fall.

Ganz grundsätzlich sind wir auch der Meinung, dass es die Aufgabe des Parlaments ist, jetzt an diesem großen Transparenzpaket zu arbeiten. Es wurde zitiert, die Hand ist ausgestreckt. Ja, die Hand ist ausgestreckt. Wir sind überzeugt davon, dass wir in diesem Bereich substanziell etwas weiterbringen müssen, und dafür werden wir uns auch einsetzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.07

17.07.19


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 30/A dem Budgetausschuss zu.

17.07.3211. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz vom 6. Feber 1968 über elek­trische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken geändert wird (33/A)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Frau Abgeordnete Doppelbauer, Sie sind dazu zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.08.02

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause! Wir NEOS nehmen Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern sehr ernst. Partizipation ist uns wichtig und ist auch seit unserer Gründung 2013 einer unserer Kernwerte.

Nach mehreren Treffen mit einer Bürgerinitiative aus Oberösterreich, konkret aus dem Mühlviertel, haben wir uns entschieden, diese Initiative politisch zu unterstützen. Warum? – Weil diese engagierten Menschen richtigerweise auf ein Problem, auf ein Versäumnis hinweisen, das in vielen europäischen Ländern schon gelöst wurde, in Österreich aber von der Politik ignoriert wird. Trotz lautstarker Proteste von Betroffe­nen, von Bürgerinitiativen, von Experten ist bis jetzt nichts passiert; ich bin aber durch­aus zuversichtlich, dass wir in diesem Haus vielleicht doch etwas zustande bringen.

Worum geht es? – Es geht darum, dass international 110-kV-Leitungen bereits als Standard nur mehr als Erdleitungen gebaut werden – wir reden von diesen Strom­leitungen, die bei uns in der wunderschönen Landschaft herumstehen. In Österreich ist es nämlich noch Usus, dass man eben diese Freileitungen plant und baut, weil man sagt, dass sie viel kostengünstiger wären als die Erdleitungen. Da ist es aus unserer


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Sicht ganz wichtig, dass man natürlich auch auf die Kosten schaut; die Kosten sind wichtig. Wir alle wollen ja schauen, dass man in diesem Bereich nicht zu viel Geld ausgibt. Wenn man sich dann aber genauer mit dieser Thematik beschäftigt, dann sieht man, dass diese Daten, die hier zur Berechnung der Kosten herangezogen werden, veraltet sind.

Mittlerweile gibt es im Ausland bereits standardmäßig angewendete Methoden, welche die Kosten für den Bau und auch für den Erhalt dieser Erdleitungen erheblich reduziert haben. Die Zahlen dazu kann man nachlesen. Trotzdem fährt die Landespolitik da vollkommen über die Bevölkerung, über die Bürgerinitiativen drüber. Es wird blockiert und internationale Evidenz wird einfach vom Tisch gewischt.

Dem nicht genug, nimmt man unnötige Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes in Kauf, genauso wie Beeinträchtigungen der Umwelt. Es werden Trassen gebaut, die 40 Meter breit sind, und es wird in Wälder hineingeschlagen, um diese Freileitungen zu bauen. Das ist nicht nur nicht schön, es ist auch wirklich schlecht für die Umwelt.

Man ignoriert so auch die Wertverluste von Anrainerliegenschaften, schafft also un­nötige Konflikte und damit im schlimmsten Fall Verzögerungen für die wirtschafts­politisch so wichtigen Energieinfrastrukturprojekte.

Liebe Grüße auch an die Menschen in den 3 000 Haushalten, die heute früh – man hat es ja in der Zeitung gelesen – ohne Strom aufgewacht sind. Die Ursache war, dass durch den starken Schneefall Bäume umgefallen und auf Leitungen draufgeknallt sind. Bei einer Erdleitung wäre das nicht passiert. Ich hoffe aber natürlich und wünsche allen, dass das inzwischen behoben ist.

Würde man sich all diese Kosten anschauen und sie im Sinne von Kostenwahrheit und Kostentransparenz wirklich einberechnen, dann würde man natürlich merken, dass Freileitungen insgesamt sogar teurer sind als Erdleitungen. Deshalb haben wir, basie­rend auf internationaler Evidenz, auf Beispielen vor allem aus Deutschland und aus der Schweiz, die wir herangezogen haben, diesen Initiativantrag verfasst, mit dem wir ge­setzlich festschreiben wollen, dass Stromleitungen bis zu einer Spannung von 110 kV nicht mehr als Freileitungen, sondern als Erdleitungen gebaut werden müssen.

Wie schon erwähnt, gibt es das in Deutschland und in der Schweiz schon längst. Für den Fall, dass irgendjemand hier denkt, es werde schon einen guten Grund geben, warum das in Österreich noch nicht so ist, verweise ich auf das Bundesland Salzburg: Salzburg hat dazu auf Landesebene auch schon eine klare Regelung gefunden. Damit ist auch bewiesen, dass es eigentlich keinen evidenten Grund gibt, Freileitungen, die jetzt noch so gebaut werden, nicht als Erdleitungen zu legen. Es gibt wohl nur einen Grund, der uns bekannt ist, und zwar, dass der politische Wille zur Umsetzung in den Bundesländern fehlt. Deshalb wollen wir eine für Österreich einheitliche Regelung schaffen, in der wir festhalten, dass Hochspannungsleitungen auf neuen Trassen mit einer Nennspannung von 110 kV oder weniger unter entsprechenden Voraussetzun­gen als Erdkabel verlegt werden.

Abschließend möchte ich mich bei den vielen Bürgerinnen und Bürgern bedanken, die uns da sehr engagiert und mit viel Evidenz zur Seite gestanden sind, sowie bei den ExpertInnen, die dazu geladen worden sind, und insbesondere bei den Mühlviertlern, die auf Augenhöhe und, wie ich glaube, im richtigen Maß mit uns zusammengearbeitet haben.

Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, möchte ich Sie wirklich bitten, sich diesen Initiativantrag gut anzuschauen. Es geht um eine 110-kV-Leitung, wir reden nicht von Spannungen, die darüber gehen. Schauen Sie sich das gerne noch einmal


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mit Experten an, aber bitte unterstützen Sie uns letztendlich dann doch in dieser Sache! – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.13


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Maria Niss. – Bitte.


17.13.18

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Glauben Sie mir, auch uns von der Volkspartei sind sowohl Bürgerbeteiligung als auch Ästhetik und das Landschaftsbild wichtig. Gestatten Sie mir aber, bevor wir wieder einmal in typisch österreichischer Manier Verbote beziehungsweise Verpflichtungen auferlegen, auch einmal einen kaufmännischen Blick auf das Thema zu werfen – das würde ich mir eigentlich auch von Ihnen, von den NEOS, erwarten – sowie den Aspekt der Versorgungssicherheit zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf die Versorgungssicherheit sollten 110-kV-Kabel nämlich nur dort ver­baut werden, wo das wirklich unbedingt erforderlich ist, also zum Beispiel in sensiblen, das heißt dicht verbauten Gebieten, wo der Abstand von Leitungen zu den Wohn­gebieten besonders gering ist.

Warum? – Bei Erdkabeln ist aufgrund von Spannungsschwankungen – ich erspare Ihnen die physikalischen Details dazu – kein zuverlässiger Betrieb in Unternehmen mit sensiblen Maschinen möglich. Das ist aber gerade in Zeiten der Digitalisierung, in Zeiten einer vernetzten Produktion besonders wichtig und brisant. Warum ist das so? – Die Gefahr von Netzausfällen ist bei einer teilweisen Erdverkabelung – also wenn diese nicht umfassend und überall erfolgt – vor allem an den Schnittstellen zwischen Erdkabeln und Freileitungen besonders groß. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, was es für ein Unternehmen bedeutet, wenn plötzlich der Betrieb steht! Ich kann Ihnen nur aus eigener Erfahrung sagen: Das ist keine rosige Vorstellung, um es einmal nett aus­zudrücken.

Nun können wir natürlich fordern, dass wir eine umfassende Erdverkabelung brauchen, um dieses Ausfallsrisiko zu minimieren. Das würde aber auch bedeuten, dass wir überall in ganz Österreich eine Erdverkabelung einführen müssen, und das hätte zusätzliche Kosten von rund 1 Milliarde Euro zur Folge. Das aber ist ein Betrag, von dem ich mir schon ganz gut vorstellen könnte, dass er für andere Bereiche eingesetzt wird, beispielsweise für Forschung und Innovation, im Bereich umweltrelevante Technologien oder für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Auch die Frage der Fehlerbehebung ist gerade für die Wirtschaft relevant. Bei Erd­leitungen dauert die Fehleranalyse und -behebung im Schnitt 13 Mal so lange wie bei Freileitungen, und um den Netzbetrieb sicher aufrechterhalten zu können, müssen mehrere Leitungen nebeneinander gebaut werden, was natürlich wieder die Kosten erhöht. Ich glaube nicht, dass das besonders nachhaltig ist.

Kommen wir aber überhaupt einmal zum Aspekt des Mehrkostenfaktors im Antrag: Sie fordern, dass Erdkabel verpflichtend zu verwenden sind, wenn der Mehrkostenfaktor dadurch 2,5 nicht überschreitet. Ich frage mich jetzt: Wie definieren wir diesen Mehrkostenfaktor? – Zählen wir dazu nur die Kabel- und Baukosten, dann sind wir bei einem Faktor von ungefähr zwei, das würde also hineinfallen. Nehmen wir aber die Zusatzkosten hinein, also zum Beispiel eine erweiterte Trassenführung, sind wir bei einem Mehrkostenfaktor von 3,2. Dann würden wir eigentlich das Gesetz sowieso nicht benötigen, und eine Regulierung zu schaffen, die wir nicht brauchen, ist ein bisschen ein Schildbürgerstreich, denke ich. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)


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Wir haben noch nicht über die Lebensdauer geredet. Die Lebensdauer von Freileitun­gen liegt bei ungefähr 80 Jahren, die von Erdkabeln bei ungefähr 40 Jahren. (Abg. Doppelbauer: Technologie mit ...!)

Zusammenfassend frage ich mich zum Thema Mehrkosten natürlich auch: Wer zahlt diese? Wir könnten einerseits sagen, die Netzbetreiber, dann fehlt, wie gesagt, das Geld für den Ausbau von erneuerbarer Energie, Forschung, Innovation, viel wahr­schein­licher aber ist, dass das die Kunden zahlen. Wer sind diese Kunden? – Das sind einerseits Sie, ich, wir alle, also die Privatkunden, andererseits ist es die öster­reichische Wirtschaft, die österreichische Industrie, und ich glaube, dass es in einem Hochlohnland wie Österreich nicht wahnsinnig sinnvoll ist, noch weiter an der Kos­tenschraube zu drehen, da wir damit unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter aufs Spiel setzen würden. Die Folgen kennen wir: Abwanderung, Verlust von Arbeitsplätzen. Ich halte das also für nicht wahnsinnig sinnvoll.

Zu Salzburg, Frau Kollegin, weil Sie das angesprochen haben: Dort sind explizit nicht die 110-kV-Leitungen erwähnt, sondern die 220- und 380-kV-Leitungen, und auch das wieder nur in sensiblen Gebieten. Ich würde Sie wirklich bitten, da nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen – uns würden Sie in einem solchen Fall wieder Populismus vorwerfen.

Eine Verkabelung von 110-kV-Leitungen im ländlichen Bereich geht somit natürlich in Ausnahmefällen, in sehr dicht besiedelten Gebieten unbedingt in Ordnung, eine gene­relle Verpflichtung aber macht weder aus volkswirtschaftlicher noch aus standort­poli­tischer Sicht großen Sinn, denke ich. Ich glaube, der Wunsch nach Ästhetik darf da nicht dazu führen, dass wir unseren Hausverstand über Bord werfen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte.


17.18.30

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätztes Hohes Haus! Geschätzte Schülerinnen und Schüler sowie Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und zu Hause! In dem eingebrachten Antrag geht es um die Novelle des Starkstromwegegesetzes aus dem Jahr 1968, eines Gesetzes, das mit Sicherheit nicht mehr zeitgemäß ist, eines Gesetzes, das den heutigen Ansprüchen, ausgelöst durch die technischen Revolutionen, wie wir sie gerade in der Energie- und Strombranche erleben, nicht mehr gerecht wird. Nicht nur die Weiterentwicklung im technischen Bereich macht jedoch Anpassungen nötig, vielmehr spielen auch die Faktoren Mensch und natürlich Umwelt eine ganz entscheidende Rolle.

Wir stehen mitten in einer Energiewende. Wir sind nicht nur ein Teil davon, vielmehr sind wir die Wegbereiter und die Träger und daher auch diejenigen, die die dafür not­wendigen Veränderungen anpacken müssen. Seit den Anfängen des Ökostromge­setzes in Österreich – das ist jetzt bald 20 Jahre her – ist viel passiert. Die Anteile dezentraler Stromerzeugung und zum Glück auch erneuerbarer Energien sind stetig gestiegen. Zusammen mit der Wasserkraft kommen wir bei der Elektrizitätserzeugung auf einen Wert von über 72 Prozent. Kein anderes Land in der EU, geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen, hat ähnliche Werte aufzuweisen.

Werte Mitglieder des Hohen Hauses, ich glaube, wir sind uns in diesem Punkt alle einig: dass Investitionen und ein Ausbau in eine zukunftsorientierte Strom- und Ener­gieinfrastruktur unabdingbar sind. Dabei geht es nicht nur um das Erreichen der öster­reichischen Klimaziele. Wer zum Ökostrom Ja sagt, muss auch Ja zu neuen Strom­leitungen und zum Transport von Strom sagen. Auch die damit verbundene Sicher-


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stellung einer leistungsfähigen Stromversorgung sowohl für Privathaushalte als auch für die Industrie, für Unternehmen, den Gesundheitssektor und so weiter steht dabei im Zentrum der Diskussion.

Wie die Infrastrukturprojekte im Bereich Strom aussehen sollen – ob die Leitungen unter 110 kV oberirdisch oder unterirdisch verlegt werden –, darüber gibt es zahlreiche Diskussionen und viele verschiedene Meinungen.

Wenn sich auch ehemals Verantwortliche für die Energiewirtschaft vor Ort, sobald sie selbst betroffen sind, gegen den Ausbau des Stromnetzes aufstellen, verdeutlicht nur, dass wir hier noch sehr, sehr viel Arbeit vor uns haben. Es liegt jedoch unserer Ansicht nach genau darin das große Problem. Es stimmt schon, dass Freileitungen in der Landschaft sichtbar sind, während die Erdkabel nicht sichtbar sind und in der Erde liegen. In beiden Fällen kommt es aber zu Einschränkungen, zu Grundstücksein­schrän­kungen und zu Flächeninanspruchnahmen. Dies, meine geschätzten Kollegin­nen und Kollegen, ist für uns die Herausforderung.

Die als mangelhaft empfundene Einbindung der Bevölkerung bei der Planung kann nicht nur zur Ablehnung des konkreten Trassenverlaufs, sondern auch zur Infragestel­lung ganzer Leitungsprojekte führen. Diese Projekte sind aber für den Ausbau der zur Energiewende notwendigen Infrastruktur unverzichtbar. Fehlende Transparenz, man­gel­hafte Kommunikation oder die komplett misslungene frühzeitige Einbindung der direkt betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner führt – wie auch bei diversen ande­ren Projekten – oft zu Zweifeln an der Sinnhaftigkeit dieser Projekte, besonders dann, wenn es sich um überregionale Projekte handelt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es wurde gerade von meiner Vorrednerin angesprochen: Erdverkabelungen weisen weit höhere Preise auf – bis zu zweieinhalb-, dreifach höhere Preise. Da ist die Frage zu stellen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wer diese Kosten tragen wird. Wahrscheinlich nicht der Erzeuger des Stro­mes, sondern letztendlich Otto Normalverbraucher, also die Bürgerinnen und Bürger. Es muss daher dafür gesorgt werden, dass es nicht an diesen hängen bleibt.

Eine Verpflichtung zur Verkabelung in diesem Zusammenhang erscheint uns als SPÖ überschießend. Stattdessen sollten bei den Leitungsprojekten generell die zur Ver­fügung stehenden Kabelvarianten auf deren technische Sinnhaftigkeit geprüft werden.

Geschätzte Damen und Herren, darin liegt unsere Position begründet. Es soll im jeweiligen Fall beurteilt werden, in welcher Form das Leitungsprojekt verwirklicht wird. Es soll nicht mit einer ausschließlichen Verpflichtung belegt sein und mit einer starken und zeitgerechten Einbindung der Österreicherinnen und Österreicher einhergehen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.23


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.


17.23.36

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): In dem vorgeschlagenen Antrag der NEOS geht es um die Änderung des Stromwegegesetzes 1968. Dazu muss man sagen, dass mein Heimatbundesland Oberösterreich, das auch das Heimatbundesland der Antragstellerin ist, von diesem ja besonders betroffen ist. Es sind in Oberösterreich drei solcher neuen Leitungen geplant, im Mühlviertel, im Innviertel und auch im Almtal. Deswegen verstehe ich die Brisanz dieses Antrags für die Antragstellerin, aber auch für mich.

In diesem Zusammenhang muss man immer versuchen, mehrere Dinge unter einen Hut zu bringen: Versorgungssicherheit, Sicherheit des Bauwerkes für die Menschen


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und die Kosten für den Nutzer. Es ist dazu auch eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden, wobei ich sehr gespannt bin, was sie uns zeigen wird. Ich freue mich besonders auf die Diskussion. Ich glaube, dass wir neue Impulse bekommen, um ein schon etwas antiquiertes Gesetz vielleicht ins Jahr 2020 zu heben, denn eines muss uns allen hier bewusst sein: Mit dem Aufkommen erneuerbarer Energien und alter­nativer Energiequellen werden wir uns mit diesem Thema beschäftigen müssen, denn es wird wahrscheinlich in der nächsten Zukunft eher mehr als weniger Leitungen brauchen.

Wir Freiheitlichen haben dazu einen offenen Zugang und sind ergebnisoffen. Ich bin, wie gesagt, sehr gespannt auf die Machbarkeitsstudie und freue mich auf die Dis­kussionen im Ausschuss. Ich hoffe, dass wir für die Bevölkerung, aber auch für die Versorgungssicherheit eine gute Lösung für Österreich bewerkstelligen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.25


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Astrid Rössler. – Bitte.


17.25.38

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Zum vorliegenden Antrag der Verkabelung von 110-kV-Leitungen gibt es in anderen Bundesländern schon die einen oder anderen Erfahrungen, die zeigen, wie schwierig es ist, ein bereits eingereichtes Projekt in ein­zelnen Teilen noch zu ändern. Entscheidend wird es sein, nicht nur über die Tech­nologie, sondern vor allem auch über die Trassenplanung und die Möglichkeit einer frühzeitigen Kenntnis, welche Bereiche allenfalls verkabelt werden können oder welche Bereiche nicht verkabelt werden, Gewissheit zu haben.

Grundsätzlich halte ich es für sehr überlegenswert, diesen Antrag eingehend zu disku­tieren und sich auch Gedanken zu machen, ob – außer für den Anlassfall – das kon­krete Gesetz generell für Leitungsverfahren in Österreich tauglich sein sollte. Derzeit sehe ich einen Schwachpunkt darin, dass der Antrag nur Leitungen betrifft, die nicht bundesländerübergreifend sind. Es ist relativ einfach, eine Leitung über mehrere Bun­desländer zu planen, um dadurch auf der nächsthöheren gesetzlichen Ebene nach dem Starkstromwegegesetz zu verhandeln. Dadurch werden die Bemühungen der Länder ausgehebelt.

Ich spreche aus leidvoller Salzburger Erfahrung. Salzburg hat sich sehr um eine gute Lösung im Sinne einer Teilverkabelung bemüht. Man hat insbesondere dem öffent­lichen Interesse einen sehr hohen Stellenwert gegeben und damit die Möglichkeit ge­schaffen, im Verfahren die landschaftlichen Argumente und die Betroffenheiten der Bewohnerinnen und Bewohner tatsächlich abzuwägen. Dazu zählen auch unterschied­liche Mindestabstände zu gewidmeten Siedlungsgebieten und Einzelbebauungen, was in einem bereits sehr stark zersiedelten Landschaftsraum auf jeden Fall eine sehr schwierige Sache ist.

Trotzdem sind wir bei der Umsetzung des Landeselektrizitätsgesetzes letztlich leider gescheitert, weil es zu einem länderübergreifenden Projekt wurde und das Landes­gesetz nicht zur Anwendung kam.

Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt hinweisen: 110 kV ist zwar eine Leitungs­dimension, bei der man tatsächlich über mehrere oder größere Abschnitte einer Teil­verkabelung diskutieren sollte – das halte ich für eine gute Lösung –, allerdings möchte ich – die Technologie ist verfügbar –, dass man im Sinne der gleichen Argumente eine Teilverkabelung auch für 220 kV und 380 kV mitdenken sollte, denn gerade bei der


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Errichtung von Leitungen mit höheren Netzspannungen ergeben sich natürlich auch größere Eingriffe und landschaftliche Veränderungen.

Es ist, meine ich, eine Illusion, zu glauben, dass man mit der Teilverkabelung das ge­samte Konfliktpotenzial an sich lösen kann. Man kann es abmildern, man kann Abwägungen vornehmen und vor allem den betroffenen Gemeinden, der Bevölkerung glaubwürdig das Gefühl geben, dass sie ein Mitspracherecht haben und ihre Anliegen auch berücksichtigt werden.

In einem Land wie Österreich mit einer dermaßen hohen Wertschöpfung aus dem Tourismus halte ich die Naturschutzargumente, die landschaftlichen Argumente durch­aus auch für monetär bewertbar. Da immer von Mehrkosten gesprochen wird: Ich glaube schon, dass man in einem Tourismusland entgegenhalten sollte, ab wann Infrastruktureinrichtungen zu einem derart großen Störfaktor werden, dass sie tat­sächlich den wirtschaftlichen Wert der Landschaft beeinträchtigen.

Daher wird es wichtig sein, im Ausschuss die österreichweite Anwendbarkeit zu disku­tieren. Dies erscheint mir sehr wichtig, wie auch die allenfalls rechtliche Verankerung nicht nur länderweise, sondern doch auch länderübergreifend anzuschauen und die Kostenfrage in der Debatte eingehend zu durchleuchten, denn ich sehe darin eine Schwierigkeit für die gutachterliche Feststellung und die Abwägung in den einzelnen Verfahren.

Grundsätzlich treten wir dieser Diskussion sehr gerne mit den erwähnten Fragen, die noch zu klären wären, bei. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

17.29

17.30.03


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 33/A dem Budgetausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.30.17Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zur Abstimmung über Fristsetzungs­an­träge.

Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Ing. Vogl, Wurm, Kolleginnen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 24/A eine Frist bis zum 10. Dezember 2019 zu setzen.

Wer sich für diese Fristsetzung ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist aber jetzt schwierig; ich bitte die Bediensteten der Parlamentsdirektion um Unterstützung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr.in Rendi-Wagner, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 6/A eine Frist bis zum 10. Dezember 2019 zu setzen.

Wer sich für diese Fristsetzung ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Muchitsch, Kollegin­nen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungs­antrag 3/A(E) eine Frist bis zum 14. November 2019 zu setzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll3. Sitzung, 13. November 2019 / Seite 158

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

17.31.58Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 38/A(E) bis 96/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 17.33 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.32.24Schluss der Sitzung: 17.32 Uhr

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Parlamentsdirektion

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