12.24

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Da­men und Herren! Heute präsentiert die EU-Kommission ihren Klimaschutzplan, der uns in eine klimaneutrale Zukunft führen soll. Ziel ist es, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, was so viel bedeutet, wie dass in 30 Jahren nur mehr so viele CO2-Emis­sionen ausgestoßen werden dürfen, wie wir selbst speichern können, also durch Bäu­me oder durch unseren Boden. Dieses Ziel, meine Damen und Herren, müssen wir schlicht und einfach erreichen, wenn wir langfristig eine Zukunft für alle Menschen in der Europäischen Union schaffen wollen, die auch eine intakte Umwelt garantiert.

Das bedeutet: Ja, die prinzipiell erklärte Absicht und die derzeitigen Überschriften der neuen Europäischen Kommission klingen gut und vielversprechend. Wir wissen aber alle, durch Überschriften allein wird noch kein Gramm CO2 eingespart, kein Klima ge­rettet. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, was es letztlich braucht, ist der Mut zu wirklicher Veränderung. Es braucht einen wirklichen Green New Deal, einen großen Umbau unserer Gesellschaft, der nicht nur Klimaschutz, sondern auch ein Recht auf Arbeit und soziale Gerechtigkeit ver­spricht. Klimaschutz darf kein Elitenprogramm sein, sondern muss die Interessen der vielen vertreten; die Interessen derjenigen, die sich nicht von der Klimakrise freikaufen können, die nicht wie eine Regierung oder ein Unternehmen ganz einfach gewisse Zertifikate zukaufen können, wenn die CO2-Bilanz wieder einmal schlecht ausschaut; die Interessen jener, die sich da nicht befreien können und die schon jetzt unter der Klimakrise leiden und das in Zukunft noch viel mehr tun werden, also die Interessen derjenigen, für die die Klimaziele gar nicht schnell genug erreicht werden können.

Es gibt aber eben auch andere Interessengruppen, die zwar klein sein mögen, aber doch milliardenschwer, und diese Interessengruppen stehen seit Jahren bewusst auf der Bremse, weil sie vom derzeitigen System im wortwörtlichen Sinne profitieren. Schauen wir uns beispielsweise den Bereich Verkehr an: Auch die Automobilindustrie in Deutschland hat sich bereits zu den neuen Klimaschutzplänen der Europäischen Kommission zu Wort gemeldet, und zwar richtet uns der scheidende Chef des deut­schen Branchenverbandes aus, man dürfe jetzt nicht noch höhere Klimaziele formu­lieren. Das ist übrigens eine jener Branchen, die sich eine der größten und millionen­schweren Lobbys in Brüssel leisten und seit Jahren gegen strikte Regulierungen vor­gehen.

Angesprochen auf die eigene Verantwortung wird mit den Regeln des Marktes argu­mentiert: Die Entscheidung für den Klimaschutz liege ja letztendlich nicht beim Kon­zern, sondern bei der Konsumentin und beim Konsumenten – und die Verantwortung anscheinend auch gleich mit dazu.

Ob das stimmt, will ich anhand eines konkreten Beispiels zeigen – keine Sorge, ich bleibe beim Thema Verkehr –: Ein großes Problem in der Europäischen Union ist der Flugverkehr. Wie wir wissen, ist dieser 50 Mal schädlicher als der Zugverkehr, und trotzdem steigen die Zahlen. Doch auch da richtet man uns aus, es sei die Schuld der Bürger und Bürgerinnen, die das Flugzeug und nicht den Zug wählen. Doch stimmt das? – Wohl kaum, wenn der Flieger fünfmal so schnell ist wie der Zug und zehnmal weniger kostet, wenn also Zugreisen für eine durchschnittliche Familie derzeit nicht einmal leistbar sind.

Ich habe vergangene Woche bei meiner Anreise zur Klimakonferenz in Madrid selbst wieder einmal gesehen, was Zugfahren im Jahr 2019 leider noch immer bedeutet: Für eine Zugfahrt braucht man 30 Stunden, sie kostet mehrere Hundert Euro. (Abg. Kickl: Aber eigentlich hätte man gar nicht hinfahren müssen!)  Natürlich muss man hin­fahren, wenn man es mit dem Klimaschutz ernst meint; Sie nicht, Herr Kickl, ich schon! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Kickl: Wieso? Sie kriegen das aber so auch mit, oder?)

An dieser Stelle sei deshalb angemerkt, dass die Verantwortung nicht länger ständig auf Konsumenten und Konsumentinnen abgewälzt werden soll, sondern dass – und das fordere ich ein – an anderer Stelle angesetzt werden soll: Wieso wird in puncto Steuern im Flugverkehr nichts unternommen, während im Bahnverkehr so stark ange­setzt wird? Wieso gibt es beispielsweise keine Kerosinsteuer, keine Mehrwertsteuer auf Ticketpreise für Flüge ins Ausland? Wie kann es sein, dass die Löhne beim Flug­personal seit Jahren gedrückt werden, um ein billiges Flugangebot zu schaffen? Wieso fehlen EU-weit Investitionen für leistbare Schnell- und Hochgeschwindigkeitszüge, wenn diese in anderen Teilen der Welt längst üblich sind? – All das ist politischer Wille und all das muss mit einem Green New Deal enden. (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Damit komme ich auch schon zum Schluss. Genau das bedeutet für mich ein Green New Deal: mit einem Konzept von Just Transition dafür zu sorgen, dass niemand auf der Strecke bleibt, dass wir alle in einer CO2-neutralen Zukunft unsere Arbeitskraft im Rahmen einer Beschäftigungsgarantie zur Verfügung stellen können, dass die Mecha­niker und Mechanikerinnen von heute die umweltfreundliche Mobilität von morgen auf­rechterhalten, dass technikbegeisterte junge Menschen eine neue Art der Energiever­sorgung garantieren können und dass durch Investitionen in Forschung, in neue In­dustrien auch ganz neue Jobs entstehen.

Präsidentin Doris Bures: Den Schlusssatz bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (fortsetzend): Das fordern wir von einem Green New Deal: ein Investitionsprogramm, das Arbeitsplätze schafft und die Umwelt rettet. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.30

Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Susanne Fürst zu Wort. – Bitte.