13.26

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her hier und vor den Bildschirmen! Ich möchte für Sie noch einmal klarstellen, dass die FPÖ hier mit nicht sehr pazifistischen Nebelgranaten um sich geworfen hat. (Abg. Ames­bauer: Bin ja kein Pazifist!)

Es geht da ganz klar um nur 800 Personen, die, da ein Erlass das möglich gemacht hat, eine Lehre, eine Ausbildung in einem Mangelberuf anfangen konnten, weil dadurch keinem Österreicher, keiner Österreicherin ein Arbeitsplatz (Zwischenruf des Abg. Wurm), ein Lehrplatz weggenommen wurde. Das heißt, Herr Kollege Amesbauer, es wird durch diese Gesetzesänderung zu keinem Pullfaktor kommen. (Abg. Amesbauer: Da klatschen nicht einmal die NEOS! Abg. Belakowitsch: ... verschlafen!)

Auch unser mehrfach eingebrachter und immer wieder abgelehnter Antrag hinsichtlich drei plus zwei hat sich immer auf diese Personengruppe bezogen. Mit diesem Antrag kämpfen wir, wie schon gesagt wurde, für drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Ver­bleib im Betrieb, und natürlich stellen wir auch die Frage, ob dann nicht eine Rot-Weiß-Rot-Karte Sinn macht. Das ist unserer Meinung die einzig menschliche und wirt­schaftlich vernünftige Lösung für die Betroffenen und für die Unternehmer. (Beifall bei den NEOS.)

Dafür war die ÖVP nicht zu haben. Das, wozu die ÖVP am Ende endlich bereit war, war besser als nichts. Deswegen machen wir auch mit, sind auch dabei – aber auch nicht mehr –, denn nach dem heutigen Beschluss können Asylwerber ihre Lehre fertig­machen. Wenn ab Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung die Asylverfahren rechts­kräftig negativ enden, geht das noch, ist das Verfahren aber schon vorher rechtskräftig negativ beendet worden, nicht mehr. Es ist also eine Lotterie des Schicksals, welchen Akt sich der Bundesverwaltungsrichter zuerst rausgezupft hat, um den zu entschei­den – es ist völlige Lotterie, die da zu einem Gesetz wird. (Beifall bei den NEOS.)

Das halten wir für wirtschaftspolitisch absurd, und im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Mahrer, für unmenschlich. Von der ÖVP wundert mich das nicht, ich wundere mich aber, dass die Grünen das jetzt als großen Erfolg feiern. Wir haben versucht, über ei­nen Antrag drei ohne zwei auch die rechtskräftig Negativen noch mitzunehmen. Das war erfolglos. Das ist deshalb schade, da unser Antrag auch generell mehr Rechtssi­cherheit gebracht hätte, denn der Antrag der ÖVP ist sehr komplex. Ich danke dem Herrn Innenminister für seine Zeit und auch für die Expertise aus seinem Haus, aber ich wage zu behaupten, hätten wir NEOS so einen Antrag eingebracht, hätte es von­seiten des Innenministeriums – ich glaube, zu Recht – geheißen, das ist nicht vollzieh­bar. Unser Antrag hätte auch den Aufenthalt der Betroffenen legalisiert. Was wir jetzt haben, sind quasi geduldete Illegale.

Was bleibt also? – Meiner Meinung nach ist das ein unwürdiges Theater, das noch vie­le dramatische Akte mit sich bringen wird. Was wird in Zukunft passieren? – Es werden weiterhin Menschen, die in Lehre in einem Mangelberuf waren, abgeschoben, weil sie das Pech hatten, rechtskräftig negativ beschieden zu werden.

Nach Abschluss der Lehre geht das unmenschliche Drama weiter, denn dann werden im Mangelberuf ausgebildete Menschen abgeschoben. Das ist völlig sinnbefreit. (Bei­fall bei den NEOS.)

Es ist ein Hohn für die Betroffenen, die Menschen, die sich um sie kümmern und sie unterstützen, und für die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Menschen ausbil­den, die am Tag nach der Prüfung vor ihrer Nase abgeschoben werden. Das ist un­fassbar.

Es gibt noch eine Lösung von uns, die im Ausschuss liegt, der Antrag drei plus zwei. Ich erwarte mir weiterhin eine Zustimmung der ÖVP, dafür werden wir kämpfen, und ich hoffe, die Grünen unterstützen uns dabei.

Generell zum Stichwort Koalitionsverhandlungen: Es braucht eine umfassende Ein­wanderungsstrategie, mit der auch die EU-Richtlinie umgesetzt wird, die eigentlich vor­sehen würde, dass Asylwerber ab dem neunten Monat ab Antragstellung arbeiten dür­fen. Und es gibt noch eine weitere Baustelle, die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, kurz BBU. Im mit dem BBU-Errichtungsgesetz von der tür­kis-blauen Bundesregierung geschaffenen System besteht nämlich ein Naheverhältnis zwischen jenen Personen, die Rechtsberatung vornehmen, und jenen, die im Asyl­verfahren die Entscheidungsmacht haben. Da ist eine strikte Trennung nötig, um wie­der unabhängigen Rechtsbeistand zu garantieren.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unab­hängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren sicherstellen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die gesetz­lich vorgesehene Rechtsberatung aus der Bundesagentur für Betreuungs- und Unter­stützungsleistungen ausgegliedert und eine den europa- und menschenrechtlichen Vorgaben entsprechende unabhängige Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundes­amt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht gewährleistet wird.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren sicherstellen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 6. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 50/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird (12 d.B.) – TOP 1

Am 16. Mai 2019 wurde das Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) - trotz heftiger Kritik im Begutachtungsverfahren - von ÖVP und FPÖ im Nationalrat beschlossen. Dieses Gesetz trat (überwiegend) am 20. Juni 2019 in Kraft. Darin ist festgeschrieben, dass die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) ihre Tätigkeit im Bereich der Grundversorgung ab 1. Jänner 2020 wahrnehmen soll. Die Tätigkeit im Bereich der Rechtsberatung, der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe, der Menschenrechtsbeobachtung von Abschie­bungen und der Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen soll die Bundesagentur ab 1. Jänner 2021 aufnehmen.

Die Durchführung der Rechtsberatung durch die BBU umfasst jene vor dem Bundes­amt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 49 BFA-VG sowie jene vor dem Bun­desverwaltungsgericht (BVwG) gemäß § 52 BFA-VG. Die Bundesagentur stellt also Rechtsberater_innen für das Verfahren vor dem BFA sowie Parteienvertreter_innen und damit Verfahrensgegner_innen des BFA im Verfahren vor dem Bundesverwal­tungsgericht bereit. Die BBU ist jedoch sowohl finanziell als auch organisatorisch und personell eng mit dem BMI verflochten. Dies ist vor allem im Hinblick darauf pro­blematisch, dass das BFA, also die Asylbehörde erster Instanz und die belangte Be­hörde im Asylverfahren zweiter Instanz, als dem Bundesminister für Inneres (BMI) un­mittelbar nachgeordnete Behörde gegenüber dem BMI weisungs-gebunden ist.

Die Geschäftsanteile an der Bundesagentur stehen zu 100% im Eigentum des Bundes. Die Ausübung der Gesellschafterrechte, etwa das Recht auf Information bzw. Auskunft, obliegt dem/der Bundesminister_in für Inneres (§ 1 Abs 5 BBU-G). Als alleinige/r Gesellschaftervertreter_in hat der/die BMI mit Beschluss für die Geschäftsführung ver­bindliche allgemeine Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung festzulegen (§ 12 Abs 2 BBU-G). In Bezug auf Belange der Rechtsberatung vor dem BVwG hat der/die BMI zwar vor Beschlussfassung Einvernehmen mit dem/der Bundes­minister_in für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (BMVRDJ) herzustel­len, doch ist nicht geregelt, welche Konsequenzen aus dem allenfalls fehlenden Einver­nehmen folgen.

Die vielfältigen organisatorischen Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten des/der BMI zeigen sich unter anderem auch in der umfassenden Kompetenz betreffend die Erstel­lung des Rahmenvertrags gemäß § 8 BBU-G. Auch die Erklärung über die Errichtung der Bundesagentur ist vom/von der Bundesminister_in für Inneres ab-zugeben (§ 11 BBU-G). Zur Deckung der Kosten der Bundesagentur und ihrer Auf-gaben, einschließ­lich der notwendigen Personal- und Sachkosten sowie aller Aufwendungen, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nötig sind, leistet der/die BMI jährliche Zuwendungen (§ 3 Abs 1 BBU-G). Die interne Kostenrechnung der Bundesagentur unterliegt grundsätzlich der Überprüfung durch den/die BMI (§ 7 Abs 1 BBU-G).

Die Geschäftsführung der BBU ist durch den/die BMI nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes zu bestellen (§ 9 Abs 1 und 2 BBU-G). Für die Dauer von bis zu 24 Monaten nach Entstehung der Bundesagentur ist der/die BMI ermächtigt, eine interimistische Geschäftsführung unter Ausschluss der Anwendung des Stellenbe­setzungsgesetzes zu bestellen (§ 9 Abs 2 BBU-G). Die Bereichsleitung Rechtsbera­tung ist zwar vom BMVRDJ zu bestellen (§ 9 Abs 1 BBU-G) und von der Geschäfts­führung mit einer Handlungsvollmacht iSd § 54 UGB in diesem Bereich auszustatten, allerdings verbleibt die Bereichsleitung Rechtsberatung der vom/von der BMI bestellten Geschäftsführung und darüber hinaus auch den Unternehmensvorgaben (weisungs-)un­terworfen. Das bedeutet, dass die Bereichsleitung Rechtsberatung auch in dienst- und disziplinarrechtlicher Hinsicht der Geschäftsführung untersteht.

Auch der Aufsichtsrat steht unter entscheidendem Einfluss des BMI; denn sechs der insgesamt zwölf Mitglieder des Aufsichtsrates der BBU, einschließlich des/der Vorsit­zenden und dessen/deren Stellvertreter/in, sollen unmittelbar vom/von der BMI bestellt sowie vier weitere Mitglieder von der innerbetrieblichen Interessensvertretung der unter dem beherrschenden Einfluss des/der BMI stehenden Bundesagentur entsandt werden (§ 10 Abs 1 BBU-G). Der Aufsichtsrat beschließt mit einfacher Mehrheit der abgegebe­nen Stimmen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des/der Vorsitzenden, bei des­sen/deren Verhinderung die Stimme des/der Stellvertreters/Stellvertreterin den Aus­schlag (§ 10 Abs 2 BBU-G). Der jährliche Vorhabens-bericht der Geschäftsführung für das Folgejahr ist nach der Genehmigung durch den Aufsichtsrat dem/der BMI zur Ge­nehmigung vorzulegen (§ 12 Abs 5 BBU-G).

Aufgrund der dargestellten Nahebeziehung der Bundesagentur zum Bundesministe­rium für Inneres - welches auch Oberbehörde des BFA ist - ist in Zweifel zu ziehen, dass auf diese Weise eine unabhängige Rechtsberatung frei von Interessens-konflikten gewährleistet werden kann. In § 13 Abs 1 BBU-G ist zwar festgeschrieben, dass die einzelnen Rechtsberater_innen in ihrer Beratungstätigkeit „weisungs-frei und unabhän­gig" sind. Es ist jedoch fraglich, ob diese zentralen Grundsätze in der Praxis aufgrund der engen Verflechtung der BBU mit dem BMI eingehalten werden (können). Zumal der/die Innenminister_in Einfluss auf die Auswahl der Rechtsberater_innen und die Mo­dalitäten bzw. Ausgestaltung der Rechtsberatung, wie z.B. die Auftragsbedingungen, die zu erbringenden Leistungen und das dafür zu leistende Entgelt und die Vorgangs­weise bei Pflichtverletzungen durch Rechts-berater_innen hat. Zudem sind keine Ga­rantien vorgesehen, dass die Dienstaus-übung der Rechtsberater_innen vor dienst­rechtlichen Konsequenzen, wie die Beendigung des Dienstverhältnisses, in irgendeiner Weise geschützt ist.

Im mit dem BBU-Gesetz geschaffenen System besteht also ein Naheverhältnis zwi­schen jenen Personen, die Rechtsberatungen vornehmen und jenen Personen, denen im Asylverfahren die Entscheidungsmacht zukommt. Beide Gruppen sind beim selben Ministerium (BMI) angesiedelt. Ein hier möglicherweise auftretender Interessenskonflikt ist im Falle der Erhebung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl noch deutlicher: Mitarbeiter_innen einer Einrichtung, die unter dem beherrschendem Einfluss des/der BMI steht, beraten und vertreten im Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen des dem BMI (auch weisungsabhängig) nachgeordneten BFA.

Die strikte Unabhängigkeit des Rechtsbeistandes ist für die Gewährleistung eines ef­fektiven Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens unabdingbar. Durch die im BBU-Gesetz vorgesehene Ausgestaltung kann jedoch eine den rechtsstaatlichen und grund­rechtlichen Anforderungen entsprechende unabhängige Rechtsberatung als zentraler Beitrag zu einem fairen Verfahren nicht gewährleistet werden. Es ist daher notwendig, die Rechtsberatung im Asylverfahren wieder aus der im direkten Einflussbereich des Innenministeriums stehenden Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleis­tungen herauszulösen, um eine den europa- und menschenrechtlichen Vorgaben ent­sprechende unabhängige und qualitätsvolle Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht sicherzu­stellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die gesetz­lich vorgesehene Rechtsberatung aus der Bundesagentur für Betreuungs- und Unter­stützungsleistungen ausgegliedert und eine den europa- und menschenrechtlichen Vorgaben entsprechende unabhängige Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundes­amt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht gewährleistet wird.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nun hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Peschorn zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.