15.47

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! – Ich habe ihn jedenfalls im Saal gesehen. – Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ja, gestern ganz großer Knalleffekt in den Medien: Novomatic verkauft die Anteile an den Casinos Austria, an der Casag, Casinos Austria AG. Das ist jetzt, wenn Sie so wollen, die aktuellste Wen­dung in einem Krimi – Wirtschaftskrimi, Politikkrimi –, der uns ja auch in einem zu­künftigen Untersuchungsausschuss – nicht nur, aber auch das – beschäftigen wird, für dessen Einsetzung die SPÖ und die NEOS heute gemeinsam ein entsprechendes Ver­langen eingebracht haben.

Im Mittelpunkt dieses Untersuchungsausschusses steht dann konkret – und das möch­te ich jetzt schon kurz erläutern, weil es da ja auch um einen Link zu diesem Dringli­chen Antrag geht, ausgehend von dem Satz in dem Ibizavideo: Die Novomatic zahlt al­le!, der so ein bisschen zum Dreh- und Angelpunkt und Schlüsselsatz in diesem Video geworden ist – die Frage, ob es in den letzten Jahren, ich sage es einmal einfach, Pos­ten gegen Geld, Einfluss und Macht gegen Geld oder Posten, Einflussnahme bei Ge­setzen gegen Geld gegeben hat; wie gesagt: auch und gerade in der ganzen Causa Casinos und Novomatic.

Die Geschichte, die wir im Untersuchungsausschuss aufspüren wollen, der wir nach­spüren werden, ist eine Geschichte von einarmigen Banditen, möglicherweise auch von zweiarmigen Banditen und deren Versuch, die Politik zu kaufen, zu beeinflussen, gefügig zu machen, um vielleicht Strafverfahren zu beeinflussen, um Gesetze zu be­einflussen, um die Vergabe von Lizenzen zu beeinflussen; und es geht – und das möchte ich in aller Klarheit sagen – vor allem um die Frage eines sehr, sehr lukrativen Geschäfts mit dem Elend von Suchtkranken in Österreich.

Es geht um sehr viel Geld. Vereinfacht gesagt: Wer die Lizenz hat – die Lizenz für Onlinegaming, für Automaten, was auch immer –, der hat eine Lizenz zum Gelddru­cken. Dieses Geschäft läuft. Glücksspiel ist ein sehr lukratives Geschäft, und genau darum geht es heute hier.

Ich möchte auch einmal mit einem Bild im Kopf aufräumen, weil ich diese Bilder auch immer im Zusammenhang mit Untersuchungsausschuss oder Casag oder Sidlo-Bestel­lung sehe: Da sind ja dann in den Medien oft Bilder von einem Roulettetisch. Ich weiß schon, wenn wir an Casinos denken, haben viele – auch durch Werbung oder Filme beeinflusst – die Bilder von eleganten Herrschaften im Smoking am Roulettetisch im Kopf. Man unterhält sich angeregt, man trinkt vielleicht ein Glas Sekt oder Champagner und man vermutet, dass gleich James Bond um die Ecke kommt. (Abg. Kogler: Der Sidlo!)

Die Realität schaut aber anders aus. Wir reden heute hier auch nicht von den Rou­lettetischen, sondern vom Sitzen vor Automaten, mehr oder weniger in Apathie und Einsamkeit, mit glasigen Augen, wo man ein ums andere Mal das Knopferl drückt (die Rednerin klopft mehrmals auf das Rednerpult), so lange, bis der Monatslohn und Be­träge weit darüber hinaus verspielt sind. Das hat gar nichts von Eleganz, von Stil oder von Geselligkeit, sondern es hat vor allem etwas von Elend, von Leid und von Exis­tenzvernichtung.

Was wissen wir? – Das Glücksspiel ist abseits von einem netten Abend im Casino das Spiel mit dem Elend der Menschen – und zwar sehr einsam am Automaten, im Kam­merl, in größeren Automatensalons, vor dem Computer, am Smartphone –, und es zer­stört nachweislich Existenzen. Wir wissen, dass das Aufstellen von Automaten ein sehr lukratives Geschäft ist, sowohl im Rahmen des kleinen Glücksspiels, was eine Landes­sache ist, aber auch und gerade im Rahmen der sogenannten Video-Lottery-Terminal-Lizenzen dieser bundesweiten Automaten, die bei den Österreichischen Lotterien lie­gen; und auch sehr lukrativ ist der Bereich des Onlinegamings, ein immer größer wer­dender Markt.

Wir wissen also auch, dass die Casinos beispielsweise davon profitieren, wenn das kleine Glücksspiel in Wien eingeschränkt wird, weil sie ja die Lizenz für diese bundes­weiten Automaten haben – und ich kann Ihnen sagen, es tobt ein Kampf um diese 5 000 Automaten, die bundesweit aufgestellt werden können.

Wir wissen auch: Gäbe es in Österreich einen anständigen Spielerschutz, dann wäre die Gier nach diesen Lizenzen und nach Macht und Einfluss in diesen Bereichen für Novomatic und Co nicht in Ansätzen so groß. Anscheinend ist das Geschäft in Öster­reich so lukrativ, dass nahezu jedes Mittel recht zu sein scheint.

Wir wissen auch, dass die staatliche Beteiligung an den Casinos Austria und die engen Verflechtungen zwischen Parteien, Politik und den Casinos die Casinos Austria AG zu einem parteipolitischen Spielfeld, zu einer Spielwiese machen, und das schon seit sehr, sehr langer Zeit.

Wir wissen auch: Es gibt und es gab immer einen Interessenkonflikt bei den Casinos zwischen der Rolle des Staates als Eigentümer und der Aufgabe des Staates beim Thema Aufsicht und Regulator, sprich bei Spielerschutz und Kontrolle. Das läuft alles in den Händen und in der Verantwortung des Finanzministers zusammen, da ist ein In­teressenkonflikt quasi vorprogrammiert. Darin liegt auch die Ursache, dass wir so einen geringen Spielerschutz haben.

Wir wissen leider mittlerweile auch, dass es, wenn die ÖVP immer wieder in diesen staatsnahen Wirtschaftsbereich eingreift, hineingeht, sehr um Einfluss und Macht, um Netzwerke, um Günstlingswirtschaft geht – und, ehrlich gesagt, auch um das Verhin­dern von Andersdenkenden in diesem Bereich.

Es geht jetzt aber nicht um die Frage, was wir wissen, sondern mit welchen Fragen wir uns beschäftigen müssen und werden. Ich möchte ein paar exemplarisch aufzählen, weil es natürlich auch Fragen sind, denen wir in diesem Untersuchungsausschuss nachgehen werden.

Ich beginne wieder mit der aktuellen Frage: Novomatic verkauft die Anteile. Es gab sei­nerzeit, bis 2018, einen Stimmbindungsvertrag zwischen einem Eigentümer der Casi­nos Austria – Novomatic – und Sazka – den Tschechen –, die ja jetzt, so steht es ge­schrieben, großes Interesse daran haben, diese Novomatic-Anteile zu erwerben.

Warum wurde dieser Stimmbindungsvertrag mit der Sazka 2018 vonseiten der Novo­matic gebrochen? Welche möglichen Versprechungen hat es da – vielleicht auch sei­tens der Republik Österreich – gegeben? Welcher Vorteil hat das Risiko aufgewogen, dass die Novomatic da eine Millionenstrafe bekommt? Es läuft bei einem Schiedsge­richt in der Schweiz ein Verfahren, Sazka hat Novomatic geklagt. Mich würde natürlich auch interessieren, ob entlang der zwischen Novomatic und Sazka gestern getroffenen Vereinbarung, oder wann auch immer die war, dieses Schiedsverfahren nun möglicher­weise eingestellt wird. (Abg. Kogler: Das ist sicher im Deal drin!)

Ist es vorstellbar, dass in einem Machtpoker rund um die Kapitalvertreter der Casinos die hochrangige Regierungsriege, quasi als handelnde Eigentümervertreter – Sebas­tian Kurz, Gernot Blümel –, nichts davon wusste? Wieso hat der Generalsekretär und gleichzeitige Kabinettschef von Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger, mittlerweile Al­leinvorstand der Öbag, also der Beteiligungsgesellschaft des Bundes, Thomas Schmid, interne Unterlagen des Ministeriums zu Onlinegaminglizenzen offensichtlich an die No­vomatic weitergespielt?

Ging es der Novomatic um den Zugang zu diesen Onlinelizenzen und gab es deswe­gen oder entlang dieser Frage Überlegungen, diese Lizenz von der bestehenden Lot­terielizenz zu entflechten? Das hängt nämlich dort dran. Weiters: Was wusste der zu­ständige Bundesminister Hartwig Löger von der ÖVP davon? Und ist es wirklich vor­stellbar, dass andere Regierungsmitglieder wie Sebastian Kurz oder Gernot Blümel nichts von diesen Diskussionen oder vielleicht auch geplanten Gesetzesänderungen gewusst haben? (Ruf bei der ÖVP: Ja!)

Warum musste Peter Sidlo unbedingt in den Vorstand der Casinos gehievt werden? Welchen – unter Anführungszeichen – „Deal“, von dem ja die Rede ist, gab es zwi­schen Novomatic und der FPÖ? Und wieso hat Bundesminister Hartwig Löger nicht (beide Arme zu einer abwehrenden Geste hebend) Stopp und Halt geschrien? Wieso hat der Aufsichtsratsvorsitzende der Casinos, Walter Rothensteiner, nicht (beide Arme zu einer abwehrenden Geste hebend) Stopp und Halt geschrien, wie es wahrscheinlich auch seine Aufgabe gewesen wäre, als von so einem Deal die Rede war (Zwischenruf des Abg. Wurm) – wie es eine Aktennotiz von Walter Rothensteiner, die öffentlich geworden ist, oder wie es eine Aktennotiz nahelegt; und eben auch, dass offensichtlich auch Hartwig Löger von so einem Deal gewusst hat. (Abg. Wurm: ... Spielerschutz!)

Was hat Bettina Glatz-Kremsner, die jetzige Vorstandsvorsitzende der Casinos, ge­wusst, und was hat sie in Bezug auf die Frage der Postenbesetzungen und die Frage der Novomatic, der Lizenzen getan oder nicht getan? Ist es vorstellbar, dass sie – bis vor Kurzem ja auch noch stellvertretende Bundesparteivorsitzende der ÖVP – niemals innerhalb der ÖVP, innerhalb der höchsten Mannschaft der ÖVP auch mit ihrem Vor­sitzenden Sebastian Kurz darüber gesprochen hat, worum es da eigentlich geht? – Hm, Sie merken, es kommen Zweifel.

Wer alles hat versucht, bei den bis zu 5 000 bundesweit aufstellbaren Automaten einen Fuß in die Tür zu bekommen? Wie gesagt, sie sind derzeit nicht aufgestellt, man muss sie aufstellen, dann rinnt das Geld. Das ist eine Cashcow.

Warum hat eine Tochter der Casinos – die Casinos profitieren ja davon, wenn das klei­ne Glücksspiel in Wien eingeschränkt, verboten oder abgeschafft wird – an den Verein des grünen Gemeinderates Christoph Chorherr gespendet? (Abg. Kogler: Was?!) Gibt es Vereinbarungen zwischen Wien und den Casinos über die Anzahl der Automaten? Sind diese gebrochen worden? Wieso sind 2018 auf einmal in Wien – was nicht zu Amüsement seitens der Wiener Stadtregierung geführt hat – welche aufgetaucht? (Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Was macht eigentlich Eva Glawischnig den ganzen Tag? (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Welche Geldflüsse gab es von Novo­matic an Vereine, Personen und Netzwerke im Umfeld von FPÖ, aber – ich stelle diese Frage – vielleicht auch ÖVP? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wieso berichten Insider von einer Art Handkasse bei den Casinos – und zwar schon seit vielen, vielen, vielen Jah­ren –, aus der quasi Aktivitäten von Parteien und Politikern unterstützt wurden? Und wie­so sind solche staatlichen Beteiligungen immer das Einfallstor für Machtmissbrauch, Günstlingswirtschaft und Selbstbedienung?

Glaubt eigentlich irgendjemand in diesem Raum, dass die ÖVP-Spitze nichts davon gewusst hat? (Ruf bei der ÖVP: Ja!) Kann man eigentlich noch von Wirtschaftskom­petenz bei der ÖVP sprechen, wenn solche Vorgänge, die meiner Meinung nach je­denfalls Ausdruck von Dilettantismus und Machtmissbrauch, die möglicherweise auch strafrechtlich relevant sind, ruchbar werden? (Ruf bei der ÖVP: Möglicherweise ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Herr Bundespräsident hat gesagt: „So sind wir nicht.“ Kann jeder im Saal von sich behaupten, so ist er nicht? Wir haben vor allem im Bereich des Automatenglücksspiels keinen ausreichenden Spielerschutz, und es wurden eben auch solche sehr zwei­felhaften Entscheidungen seitens politisch handelnder Personen quasi als Vertreter der Eigentumsrechte des Staates getroffen. Die letzten Regierungen haben beim Thema Spielerschutz auf ganzer Linie versagt. Wieso glaubt eigentlich irgendjemand, dass es nun die bessere Lösung ist, dass der Staat noch mehr Anteile erwirbt? – Das sind die Fragen.

Die letzte Frage ist: Was ist jetzt zu tun? – Neben der strafrechtlichen Aufklärung, der politischen Aufklärung – wir werden heute noch im Zusammenhang mit dem Untersu­chungsausschuss darüber diskutieren – haben wir jetzt genau eines zu tun, nämlich für einen ausreichenden Spielerschutz in Österreich zu sorgen.

Um es noch einmal ganz deutlich zu machen – meine Kollegin Stephanie Krisper wird darauf eingehen –: Die möglichen Einsätze in Österreich sind absurd hoch. Die Maxi­malgewinne in Österreich sind absurd hoch. Wir reden hier von mehreren Hunderttau­send Menschen, die betroffen sind. Allein 2017 haben sich über 100 000 spielsüchtige Menschen in Österreich an die Spielsuchtberatung gewandt. Wie viele Hunderttausen­de darüber hinaus wenden sich nicht an die Beratungsstelle? Das zerstört Existenzen, und wir sind in diesem Bereich deutlich lukrativer als in vielen anderen europäischen Ländern.

Steffi Krisper wird von einem Fall eines Süchtigen berichten, der an die Öffentlichkeit gegangen ist. Der hat nicht bei der Novomatic in Wien bei irgendwelchen Automaten im Hinterkammerl sein Geld verspielt, sondern bei einer Tochter der Casinos, Winwin, über 330 000 Euro – kein ausreichender Spielerschutz, eine gesamte Existenz zerstört. Dieser Problembereich muss mit deutlich strengerem Spielerschutz, geringeren Einsät­zen, geringeren Maximalgewinnmöglichkeiten gelöst werden, um dieses Geschäft nicht mehr so lukrativ zu machen.

Daneben gibt es einen anderen Bereich, und um den müssen wir uns jetzt auch küm­mern. Das ist der Bereich des Interessenkonflikts, den ich angesprochen habe. Ich möchte das jetzt vielleicht teilweise auch aus unserem Dringlichen Antrag zitieren.

Was ist denn die Aufgabe des Staates in so einem Fall? Ich hole jetzt vielleicht ein bisschen aus, weil ich auch Zuschriften erhalten habe, wir sollten es gleich verbieten. Ich halte es nicht für besonders klug, Glücksspiel zu verbieten, denn dann ist es nur in der Illegalität, nicht mehr reguliert, nicht mehr kontrolliert. Damit ist meiner Meinung nach in diesem Bereich niemandem geholfen. Es werden auch keine Steuereinnahmen lukriert, mit denen dann hoffentlich auch Sucht bekämpft wird.

„Der Staat muss seine Rolle“ – und das ist wirklich eine Aufgabe – „als effizienter Re­gulator“ und wirkliche Aufsicht „ernst nehmen und sicherstellen, dass gesetzliche Vor­gaben durchgesetzt werden. Wenn sich jedoch der Eigentümer und Regulator schluss­endlich [...] selbst kontrolliert, dann wird der Versuch eines effektiven Vollzugs gelten­der Gesetze sowie der Wille nach einem strengeren Spielerschutz [...] zur inneren Zer­reißprobe für einen jeden Minister“, nämlich für jeden Finanzminister, den das betrifft. Daher haben wir in Österreich ganz dringend den Bedarf, diese Frage der Eigentümer­vertretung von der Frage der Regulierung und insbesondere auch des Spielerschutzes zu trennen. Das müssen wir jetzt in Angriff nehmen. (Beifall bei den NEOS. – Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ich richte heute den Appell an Sie, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen, weil das Ganze eine wirklich unwürdige Causa ist. Wir müssen den politischen Willen zum Ausdruck bringen, dass das in Österreich nicht ein dermaßen lukratives Geschäft ist und dass ein strenger Spielerschutz gewährleistet wird, mindestens genauso streng wie in Deutschland. Wie gesagt, in Österreich sind absurde Höhen zulässig.

Das Zweite ist, dass wir diesen Interessenkonflikt besser lösen. Dieser existiert, wenn quasi der Eigentümervertreter, der vereinfacht gesagt ein Interesse daran hat, dass möglichst viele Menschen spielen, möglichst viele Menschen süchtig sind – dann rennt das Geschäft gut –, gleichzeitig auch Regulator sein soll. Es führt zu keiner guten Si­tuation, wenn das Ganze noch in einem parteipolitisch motivierten Geflecht stattfindet. Heute können wir endlich den Grundstein dafür legen, dass es in Zukunft besser wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.04

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer Stellungnahme gelangt Herr Finanzmi­nister Müller zu Wort. – Bitte.