19.37

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Kollegin Köstinger hat im Jahr 2018 gemeint, der 8-Stunden-Tag als gesetzliche Normalarbeitszeit bleibe ge­sichert und unberührt, die Viertagewoche werde gesetzlich ermöglicht. – Schauen wir uns an, was rund 15 Monate nach Inkrafttreten dieses neuen Arbeitszeitgesetzes in der Praxis wirklich passiert ist!

Als der Österreichische Gewerkschaftsbund am 30. Juni 2018 die große Demo in Wien gegen den 12-Stunden-Tag und gegen die 60-Stunden-Arbeitswoche organisiert hat, haben mich viele Unternehmerinnen, Unternehmer und Sozialpartnerinnen und Sozial­partner aus Niederösterreich kontaktiert und gemeint, sie werden diese Regelung nur im äußersten Fall anwenden. Ich habe gesagt: Ich glaube euch das. Ich glaube euch das solange, bis ihr den ersten Auftrag nicht bekommt, weil ein Mitbewerber mit der 60-Stunden-Arbeitswoche oder mit dem 12-Stunden-Arbeitstag kalkuliert.

Und genau das ist passiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Betriebe aus Tschechien, aus Ungarn, aus der Slowakei, aus Slowenien ...

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich darf Sie kurz unterbrechen: Ich glaube, es ist Ihre erste Rede, wenn ich das richtig gesehen habe. – Ich würde daher ersuchen, dass wir uns daran halten, dass man bei der ersten Rede auf Zwischenrufe verzichtet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Es ist kein Zwischenruf, es ist eine Korrektur!) Das gilt ohnedies nur für die erste Rede.

Bitte, Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Rudolf Silvan (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin! Ich bin Bau-Holz-Gewerkschafter, ich habe schon vor vielen Bauarbeitern gesprochen, ich habe kein Problem damit. (Abg. Michael Hammer: Die rufen auch dazwischen!) – Die rufen mehr dazwischen, und lauter, wesentlich lauter.

Betriebe aus dem benachbarten Ausland, die in Österreich anbieten, kalkulieren alle mit der 60-Stunden-Woche. Das haben mir Funktionäre aus der Wirtschaftskammer Niederösterreich sogar bestätigt. Was passiert? – Unsere eigenen Klein- und Mittelbe­triebe kommen dadurch unter Druck und deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso.

Mitte August 2019 wurde ein Umfrageergebnis der Firma Deloitte, der Uni Graz und der Uni Wien veröffentlicht, wonach der 12-Stunden-Tag in 30 Prozent der österreichi­schen Betriebe Normalität geworden ist. Das mag vielleicht manche Industrievertreter freuen, für uns von der Sozialdemokratie ist das ein Schritt zurück ins 19. Jahrhundert. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man sich die Statistiken der AUVA ansieht, merkt man: Die sprechen eine ein­deutige Sprache. 2014 gab es 97 722 Arbeitsunfälle, davon waren 95 tödlich, 2018 gab es 99 339 Arbeitsunfälle, davon 102 mit tödlichem Ausgang. Das Wichtigste ist, dass im ersten Halbjahr 2019 die Zahl der schweren Arbeitsunfälle ab der 10. Stunde signi­fikant gestiegen ist. Das heißt, das ist ein Indiz dafür, dass immer mehr Menschen immer länger arbeiten und die Formel offensichtlich lautet: je länger die Arbeitszeit, umso schwerer der Arbeitsunfall. Das können wir im 21. Jahrhundert nicht hinnehmen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Das Recht und die Möglichkeit, die Viertagewoche ins Arbeitszeitgesetz aufzunehmen, ist in Wirklichkeit längst überfällig und ein kleiner Schritt. Wenn wir die Gesundheit der Menschen fördern und erhalten wollen, müssen wir im Zeitalter der Digitalisierung über eine echte Arbeitszeitverkürzung und über ein modernes Arbeitszeitgesetz sprechen, das dem 21. Jahrhundert entspricht, wie zum Beispiel in Skandinavien, wo in manchen Branchen der 6-Stunden-Tag oder die Viertagewoche eingeführt wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme schon zum Schluss. Die Menschen ar­beiten, um zu leben, und nicht umgekehrt. Tragen wir dem Rechnung! Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.41

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belako­witsch. – Bitte.