21.01

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist einer der seltenen Fälle, dass ich nach einem ÖVP-Abgeordneten rede und ihm eigentlich fast vollinhaltlich beipflichten kann. (Heiterkeit des Abg. Brand­stätter.) Auch wir werden uns der Diskussion über die verfassungsmäßigen Rechte des Bundespräsidenten nicht entziehen, und ich verweise da auch auf den Verfas­sungskonvent, der ja Vorschläge dazu gemacht hat.

Das österreichische Verfassungssystem und insbesondere die Struktur der obersten Organe – von dem Dreieck war die Rede – ist allerdings von großer Komplexität und, wie manche – auch ich – meinen, in dieser Komplexität von großer Schönheit. Man kann deshalb nicht einfach einen Aspekt verändern, ohne die Auswirkungen auf das Gesamtgefüge zu sehen. Der von Ihnen eingebrachte Antrag stellt fundamentale Checks and Balances, also wechselseitige Kontroll- und Einflussrechte, infrage.

Bevor man allerdings das Zusammenspiel zwischen uns, dem Bundespräsidenten und der Regierung ändert und den Bundespräsidenten in Form einer Anlassgesetzge­bung – das ist ja heute in Ihrer (in Richtung Abg. Fürst) Rede klar geworden – der Mög­lichkeit, die Regierung zu entlassen, entkleidet, muss man sich schon mit den grund­sätzlichen Fragen des fundamentalen Zusammenwirkens in diesem Dreieck beschäf­tigen.

Was Sie vorschlagen, erinnert etwas an die Verfassung vor 1929, es erinnert auch an die deutsche Verfassung. Ich darf nur daran erinnern, dass in der deutschen Ver­fassung der Bundespräsident nicht in einer Volkswahl direkt gewählt wird, und ich frage mich, wie es im Rahmen dieses Vorschlags weitergeht. Reden wir dann wieder über den Kanzlerpräsidenten der Dritten Republik, den Sie auch schon vorgeschlagen ha­ben? Ist das der erste Schritt in diese Richtung: einmal den Bundespräsidenten in seinen fundamentalen Rechten zu beschneiden? – Opportunität und Populismus sind in der Politik schlechte Ratgeber, insbesondere dann, wenn es um die Verfassung geht. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

Kollege Fürlinger hat es heute schon erwähnt: Die Bundesverfassung hat in diesem Sommer einen weiteren Höhepunkt in ihrer jetzt hundertjährigen Geschichte erlebt – diese Darstellung verdanken wir im Übrigen auch den Aktivitäten Ihrer (in Richtung Abg. Fürst) Partei, wie wir genau wissen.

Mit der Verfassung, und das sage ich Ihnen als Kulturpolitiker, verhält es sich nicht viel anders als mit guter Architektur. Bei guter Architektur geht es nicht nur um die Schön­heit, sondern es geht auch um die Statik, und es würde vernünftigerweise niemand auf die Idee kommen, tragende Wände herauszunehmen, ohne zu wissen, wie der Einfluss dieser Operation auf das Gesamtgebilde ist. Wir werden dieser Operation daher auch nicht nahetreten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

21.04

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sigrid Maurer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.