15.33

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Da­men und Herren hier und zu Hause! Es ist schon gesagt worden: Wir alle müssen sehr dankbar sein, dass wir hier in Frieden und Freiheit miteinander reden – und von mir aus auch streiten – können. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und wir haben es auch gehört: Es sind ja auch Menschen hier, die ihre Heimat verlassen mussten, weil dort Krieg herrschte, und ich bin froh, dass wir ihnen einen Aufenthaltsort, aber eben auch eine neue Heimat geben konnten.

Es muss aber auch klar sein, dass wir Frieden und Freiheit haben, aber wir alle, je­denfalls die, die in Österreich aufgewachsen sind, genau gar nichts dafür gemacht ha­ben – wir müssen dankbar sein. Jetzt müssen wir etwas dafür tun, weil es nämlich nicht selbstverständlich ist. Wenn Herr Kickl da etwas von Patriotismus erzählt, muss ich sagen: Nationalist sein ist das Gegenteil von Patriotismus. Die einzige Chance, wie wir Frieden und Freiheit in Europa erhalten werden, ist, als vereintes Europa mit unse­ren europäischen Freunden aufzutreten. (Beifall bei den NEOS.)

Frau Bundesministerin Edtstadler war ja gestern in Paris. Sie war im Quai dʼOrsay, im Uhrensaal, in dem Robert Schuman seine berühmte Rede zur Gründung der Europäi­schen Gemeinschaft für Kohle und Stahl gehalten hat. Ich möchte nur einen Satz zi­tieren – ich meine, der Mann war im Widerstand, er wusste, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist –, er hat gesagt: „Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen [...]. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“

Er hat auch gesagt: „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferi­sche Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“ – Wenn ich von der Größe der Bedrohung, die es jetzt auch gibt, rede, dann kann ich nicht von 1 Prozent reden, Frau Bundesministerin, sondern da muss ich davon reden: Was sind die Aufga­ben, was macht dieses Europa, was braucht dieses Europa, was muss es machen? Und dann muss ich sagen, was es kostet. Im Regierungsprogramm sind alle möglichen österreichischen Themen angesprochen, betreffend die keine Finanzierung vorgese­hen ist, aber zur europäischen Union sagen Sie schon jetzt: Mehr als 1 Prozent haben wir nicht! – Also so wird es nicht gehen. Ich rufe Sie dringend dazu auf, dass wir uns gemeinsam ansehen, was die europäischen Aufgaben sind. Wir haben sehr viele euro­päische Aufgaben. Forschung und Entwicklung kommen zwar im Programm vor, aber eine längerfristige Finanzierung ist auch nicht vorgesehen. Auch da werden wir ge­meinsam auf europäischer Ebene mehr machen müssen – und auch das wird Geld kosten. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn ich an den Schutz der europäischen Grenzen, an Asyl, an Verteidigung denke – Cyberangriffe sind heute schon erwähnt worden –, dann muss ich sagen, das sind viele Dinge, in die wir werden investieren müssen. Es geht aber, wie gesagt, auch um den Frieden. Shimon Stein, der frühere israelische Botschafter in Berlin, hat in der neu­en Ausgabe der „Zeit“ geschrieben (die entsprechende Seite der genannten Zeitung in die Höhe haltend): „Auch Europas Sache“. Ich kann nur jedem raten, sich das genau durchzulesen – ein sehr gescheiter Mann, ich durfte ihn damals in Berlin kennenlernen; jetzt ist er ein israelischer Wissenschaftler, der an der Universität in Tel Aviv lehrt. Er sagt sehr treffend, dass wir in Europa eine große Rolle für den Weltfrieden, gerade für den Frieden im Nahen Osten, spielen; die werden wir wahren müssen. Mit allem Re­spekt: nicht wir als Österreicher! Wir können schon sagen: Bitte kommt zum Verhan­deln nach Wien!, aber damit gibt es noch keinen Frieden. Wir müssen dort gemeinsam als Europa auftreten.

Ich möchte Shimon Stein zitieren: „Damit ist allein Europa in der Lage, sich dem Ver­geltungsterrorismus entgegenzustellen, vielleicht sogar einem schnellen Abrutschen in einen Krieg.“ Er sagt auch, Europa hat die stärkste Waffe, die „stärksten Trümpfe“, die es ausspielen muss, nämlich die „Bereitschaft, dem Iran eine wirtschaftliche Rettungs­leine anzubieten, wenn er den europäischen Forderungen nachkommt,“ oder aber, wenn das nicht der Fall ist, mit den Amerikanern gemeinsam zu sagen, dass der Druck erhöht wird. Auch das werden wir aber nur gemeinsam machen, daher würde ich Sie dringend bitten, dass wir hier nicht einen 1-Prozent-Populismus machen, sondern 100 Prozent Europäer sind, dann ist zumindest die Chance gegeben, dass wir Frieden und Freiheit in Europa wahren.

Vielleicht noch zum Schluss – es werden ja hier Blumen verschenkt –: Wenn ich ge­wusst hätte, dass Sie, Frau Minister, da sind, hätte ich Ihnen auch ein Buch von Iwan Krastew mitgebracht. Vielleicht haben Sie es schon gelesen, wenn nicht, würde ich es Ihnen empfehlen; er hat gestern auch einen interessanten Vortrag gehalten. Er sagt ja, dass das Abgleiten der osteuropäischen Länder hin zu autoritären Regimen auch damit zusammenhängt, dass viele der Menschen dort enttäuscht sind, dass sie nicht so viel bekommen haben, wie sie erwartet haben. Er meint auch, dass die europäische Iden­tität neu definiert werden muss; aber bitte schön nicht mit 1 Prozent, sondern mit dem Herzen für Europa! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

15.38

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zorba. – Bitte.