11.10

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Vor allem die Schülerinnen und Schüler möchte ich bei diesem wichtigen Thema beson­ders begrüßen. Herr Klubobmann (in Richtung Abg. Kickl), danke für diese Gelegen­heit, dafür, dass ich bei meiner ersten Rede hier in diesem Hohen Haus gleich auf ein Thema Bezug nehmen kann, das mir sehr am Herzen liegt: „Grundrechte in Gefahr – Totalitäre Tendenzen an Schulen und Unis [...]“. (Ruf bei der FPÖ: Ja!)

Worüber spricht man bei totalitären Tendenzen? Was versteht man darunter? – Totali­tarismus ist etwas, das vom Staat ausgeht, von einem Staat, der versucht, in alle Le­bensbereiche der Menschen hineinzuwirken und die Menschen in all ihren Aktivitäten, in all ihrem Handeln und in all ihrem Tun im Sinne einer vorbestimmten Ideologie zu beeinflussen. – Unser Staat macht genau das nicht. Er garantiert eine offene, freie und pluralistische Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schrangl: Eben nicht!) Und genau das geschieht, indem er Grund- und Freiheits­rechte in der Verfassung verankert hat. Das sind Rechte, die es ermöglichen und ga­rantieren, dass die Menschen, die in diesem Staat leben, frei von Zwang, frei von Angst und vor Repression sagen und zeigen dürfen, was ihre Meinung, was ihre Posi­tion, was ihre Haltung ist.

Gleichzeitig verlangt der Staat von jedem Einzelnen und von jeder Einzelnen, es aus­zuhalten, dass andere Menschen Position zur jeweils eigenen Meinung beziehen. Da­her hat man es auszuhalten, wenn die eigene Meinung infrage gestellt wird. Man hat es auszuhalten, dass eine Gegenposition geäußert wird. Und man hat es auch auszu­halten, dass das nicht nur mit Worten geschieht, sondern dass das auch durch rein physische Präsenz geschieht und mit Mitteln einer friedlichen Demonstration.

Was genau das Gegenteil davon ist, ist zum Beispiel, wenn ein Vortrag über ein The­ma, das einem nicht genehm ist, von einem anerkannten Experten, der einem nicht ge­nehm ist, an einer Schule auf Zuruf gestoppt wird. Was bitte sollen diese Schüler aus solch einer Aktion lernen? (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Vogl.)

Was wir alle für uns als Gesellschaft daraus lernen sollten, ist, dass es richtig, wichtig und notwendig ist, immer und immer wieder von den Rechten, die uns die Verfassung gibt, Gebrauch zu machen, denn nur dann, wenn man sie gebraucht, bleiben sie uns auch erhalten.

Ich möchte jetzt hier nicht zum dritten Mal Voltaire zitieren (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), ich glaube, es ist jetzt bei allen angekommen, ich hoffe aber auch, dass es von allen verinnerlicht wird. Ich hoffe, dass wir wirklich verinnerlichen, was die Grundaussage ist, was auch dahinterstand und unter welchen Voraussetzungen diese Äußerung getätigt wurde – in einer Zeit, von der wir uns sehr weit wegbewegt haben, in eine, in der wir sehr gut und sehr gerne leben können, und wir wollen das auch wei­terhin so haben.

Grundrechte können viel, viel leichter in Gefahr geraten, als wir es uns vorstellen können, und zwar dann, wenn wir sie nicht mehr nutzen, wenn wir aufhören, auf Miss­stände hinzuweisen, wenn wir aufhören, laut hörbar und gut sichtbar Position zu bezie­hen. Wenn man Grundrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, nicht mehr nützt, dann verkümmern sie. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und wenn man staatlich verordnet, so wie es hier verlangt wird, dass Grundrechte nicht mehr genützt werden dürfen, dass gewisse Arten der Meinungsäußerung nicht mehr zugelassen werden sollen, dann schafft man sie ab – und das dürfen wir niemals zulassen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brand­stätter. – Bitte.