11.32

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Klubobfrau, danke für die Europastunde zum Thema Digitalsteuer, das in meinen Zuständigkeitsbereich fällt. Ich glaube, da sind wir uns prinzipiell sehr, sehr schnell einig; bei einigen anderen Themen, die Sie in Ihrer Rede, auf die ich gerne replizieren möchte, angesprochen haben, haben wir vielleicht gewisse Meinungsverschiedenheiten – aber vielleicht kön­nen wir die aufklären.

Zunächst zur Frage der großen Digitalsteuer. Wir haben gemeinsam mit den Kollegin­nen und Kollegen, die für die Finanzen zuständig sind, Montag und Dienstag in Brüssel auch darüber beraten, zunächst einmal in der Eurogruppe und dann auch im Ecofin. Ich kann Ihnen sagen, der Tenor dort war völlig klar. Alle sind für eine Digitalsteuer, al­le sind dafür, dass auch große internationale Onlinekonzerne dieselben Regeln ein­halten müssen, die auch für den Greißler ums Eck gelten. – Da gebe ich Ihnen völlig recht: Es braucht eine faire Besteuerung für alle Geschäftsmodelle, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe manchmal das Gefühl – nicht beim Steuerthema, aber bei sonstigen The­men –, dass man, wenn man über die Digitalisierung spricht, ein bisschen davon aus­geht und so tut, als ob das zwei verschiedene Welten wären, zwei verschiedene Reali­täten – nur, das ist nicht der Fall! Es gibt nur eine Welt, in der wir leben, und die ist für alle gleich, deswegen muss natürlich auch die Besteuerung der Wertschöpfungsketten bei digitalen Unternehmen die gleiche sein wie die, die für die realen Unternehmen gilt, wenn man so will.

Dennoch zahlen digitale Großunternehmen im Schnitt dreimal weniger Körperschaft­steuer als klassische Unternehmen, sagt die Europäische Kommission. Das ist nicht nachvollziehbar, das ist ungerecht, und wir wollen dort auch die Wettbewerbsbedingun­gen gleichmachen und für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Wir haben uns immer für eine Lösung dieser Digitalsteuer auf internationaler Ebene ausgesprochen, auf OECD-Ebene oder zumindest auf europäischer Ebene. Ich habe auch gestern im Ecofin die Unterstützung dafür zum Ausdruck gebracht, dass wir ge­meinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in Europa darauf drängen, dass es auf OECD-Ebene eine wirkungsvolle Digitalbesteuerung gibt. Da gibt es ja gerade Ge­spräche, und ich hoffe, dass es da rasch zu Lösungen kommen wird. Falls dem nicht so ist, wollen wir das auf europäischer Ebene gemeinsam vorantreiben.

Aber nicht einmal damit geben wir Österreicher uns zufrieden, denn wir haben bereits in der letzten Regierung als einer der Vorreiter innerhalb der Europäischen Union eine digitale Steuer beschlossen. Diese ist seit 1.1. in Kraft, Sie wissen das, und wir ge­hören damit zu den wenigen Ländern in Europa, die einen ersten Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit gemacht haben (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer), indem wir eine Abgabe auf Werbung im digitalen Raum und – sehr, sehr wichtig! – eine Mel­depflicht für Onlineplattformen, was die Transaktionen betrifft, eingeführt haben, denn das wäre die Basis für eine mögliche Besteuerung. Große multinationale Onlinekon­zerne müssen also genauso Steuern zahlen wie heimische Unternehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich darüber hinaus kurz auf zwei Themen, die Sie (in Richtung Abg. Rendi-Wagner) angesprochen haben, replizieren. – Der Grund, warum der Unterschied bei den Arbeitslosenzahlen von Griechenland und Deutschland so groß ist, ist nicht, dass die Griechen zu wenig besteuert haben, sondern der Grund war, dass sie zu viele Schulden gemacht haben. Das sollte auch ein Denkzettel für uns alle sein, nämlich dass wir unseren Haushalt in Ordnung bringen sollten, denn dann passiert uns das nicht, was in Griechenland passiert ist, nämlich dass man nicht mehr Herr über seinen eigenen Haushalt ist, sondern dann kann immer das Parlament entscheiden, wofür laut Budget mehr Geld ausgegeben wird. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Das heißt, Schuldendisziplin ist angesagt, gerade im Hinblick auf die hohen Arbeitslosenquoten, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf zu dem Thema namens Finanztransaktionssteuer, das Sie (in Richtung Abg. Rendi-Wagner) angesprochen haben, kommen. Nun, wir haben im Regierungspro­gramm einen sehr klaren Standpunkt dazu festgeschrieben, nämlich – ich darf ihn zi­tieren –:

„Die Bundesregierung steht zu dem Ziel, hochspekulative Finanzprodukte, vor allem sogenannte Derivate und ,high-frequency trading‘-Aktivitäten“ besser „zu besteuern. Der momentane Vorschlag der FTT-Gruppe wird diesem Anspruch aber nicht gerecht, sondern benachteiligt heimische Unternehmen am internationalen Kapitalmarkt. Öster­reich wird sich auf EU-Ebene für die Umsetzung einer zielgerechten FTT“ – also Fi­nanztransaktionssteuer – „einsetzen.“

Dazu stehe ich, das habe ich auch gestern in Brüssel kundgetan.

Machen wir vielleicht, um die Debatte besser zu verstehen, einen Blick zurück: Was war denn der Ursprung für die Idee einer solchen Finanztransaktionssteuer? – Der ur­sprüngliche Gedanke war, dass wir die Exzesse, die wir im Vorfeld der weltweiten Fi­nanz- und Wirtschaftskrise erlebt haben, eindämmen wollten. Das heißt, verantwor­tungsloses hoch spekulatives Verhalten, Fremdwährungsgeschäfte, bei denen auf den Niedergang ganzer Volkswirtschaften gewettet worden ist, sollte bestraft werden, sollte eingedämmt werden. Die Spekulanten an die Leine zu nehmen und auch die Real­wirtschaft und die Anleger in echte Unternehmen ein bisschen zu bevorzugen und zu unterstützen, das war die Idee. Von diesem Ziel ist aber beim aktuellen Vorschlag nicht mehr viel übrig geblieben.

Der aktuelle Vorschlag sieht nur mehr vor, dass der Erwerb von Aktien besteuert wird, und das ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, was man immer erreichen wollte, denn das heißt, dass es bestraft wird, wenn sich Österreicherinnen und Österreicher an österreichischen Unternehmen beteiligen, aber jene Spekulanten, die den Großteil der Derivatgeschäfte, den Hochfrequenzhandel, den Intraday Trade machen, werden außen vor gelassen.

Das heißt, der aktuelle Vorschlag ist genau das Gegenteil von dem, was ursprünglich intendiert war. Es war intendiert, Spekulanten zu bestrafen und die Realwirtschaft zu bevorzugen; dieser Vorschlag macht das Gegenteil: Er bestraft die Realwirtschaft und belohnt quasi die Spekulanten. Deswegen habe ich auch gesagt, wenn sich an diesem Vorschlag nichts ändert, wird Österreich aus dieser Gruppe austreten, weil wir eben für eine breite Besteuerung der Finanztransaktionen sind, für eine Stärkung der Realwirt­schaft und für ein Bestrafen des Spekulantentums. Das haben wir im Regierungspro­gramm verankert und dazu stehen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist auch aus einem weiteren Grund kontraproduktiv, den aktuellen Vorschlag um­setzen zu wollen, denn wenn wir uns ansehen, was das Zinsniveau mit dem Geld der heimischen Sparer macht, dann ist das ein alarmierendes Signal. Die Zinsen werden auf absehbare Zeit wohl niedrig bleiben – und die beliebteste Anlageform für privates Geld in Österreich ist noch immer das Sparbuch. 40 Prozent des privaten Geldvermö­gens liegt auf Sparbüchern, das heißt aber, dass es kontinuierlich weniger wert wird.

Ich habe erst vor Kurzem einen Artikel gelesen, in dem Herr Zadrazil, Vorstand einer großen österreichischen Bank, gemeint hat, das kostet die Sparerinnen und Sparer in Österreich pro Jahr 3 Milliarden Euro. Während es in den Neunzigerjahren noch mög­lich war, dass sich das Sparvermögen bei einer Verzinsung von 6, 7 Prozent im Schnitt alle 12 Jahre verdoppelt hat, braucht man heute 400 Jahre, damit sich das Geld ver­doppelt, und das ist eine schleichende Enteignung der Österreicherinnen und Öster­reicher.

Da müssen wir gegensteuern. Wir haben deswegen auch im Regierungsprogramm verankert, dass wir den Kapitalmarkt, das Anlegen in Aktien, das Aktiensparen, at­traktiver machen wollen, indem wir wieder über eine Behaltefrist diskutieren und damit auch die Kapitalertragsteuer danach abschaffen, damit eben für das Alter angespart und vorgesorgt werden kann. Das ist eine Investition in die Realpolitik, wie wir das in dieser Regierung verstehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich orte auch einen gewissen Widerspruch in der Haltung der SPÖ zu diesem Thema, denn mit einiger Verwunderung habe ich gestern die Aussendung gelesen, in der Sie unsere Haltung zur Finanztransaktionssteuer kritisieren – und das, obwohl Herr Krainer im Dezember im Prinzip genau dasselbe gesagt hat, was ich gerade gesagt habe, nämlich dass der aktuelle Vorschlag, so wie er auf dem Tisch liegt, untauglich ist und dass er eigentlich genau das Gegenteil von dem ist, was ursprünglich intendiert war. Dass Sie diese Haltung jetzt geändert haben und irgendwie doch dafür wären, nur die Realwirtschaft zu besteuern und die Spekulanten außen vor zu lassen, muss ich zur Kenntnis nehmen, es ist nur nicht die Haltung dieser Bundesregierung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf hinweisen, dass die Rededauer auch für die Mitglieder des Europäischen Parlaments 5 Minuten beträgt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.