14.54

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für den Bericht, den wir heute vorgelegt bekommen haben. Viele großartige Dinge wurden schon gesagt; ich möchte noch ein paar Worte speziell betreffend Inklusion in meinem Bereich, dem Bildungsbereich, anfügen.

Ich möchte die Anregung von Kollegin Grünberg aufgreifen, die gemeint hat, wie wich­tig Öffentlichkeitsarbeit ist. In diesem Sinne habe ich Ihnen ein Bild von jemandem mit­gebracht, um den es heute geht. (Die Rednerin stellt ein Foto eines Jugendlichen mit Downsyndrom mit den Aufschriften „Down-Syndrom. Na und.“ sowie „Ich schließe dich nicht aus. Und du?“ auf das Rednerpult.) Das ist Emil; er ist 14 Jahre alt. Ich habe ihn gefragt, ob ich sein Bild verwenden darf, und er hat gesagt: Klar! – Sein Bildungsweg ist typisch für den vieler Kinder, insbesondere für Kinder mit Downsyndrom.

Der schaut nämlich so aus: Ja, es gibt ein Recht auf Inklusion, und Emil hat das auch, allerdings ist immer ein Aber dabei. Das fängt schon im Kindergarten an, in den er na­türlich schon gehen darf, aber er muss beziehungsweise seine Eltern müssen bewei­sen, dass er in diese spezielle Institution hineinpasst. In die Schule darf er natürlich auch gehen – da muss er sogar hin –, aber da darf er ebenfalls nicht in die, die er sich aussucht oder die die Eltern sich aussuchen, sondern er wird zugeteilt. Leider, so ha­ben wir im letzten Jahr beobachtet, werden Kinder wieder öfter als in der Vergangen­heit einer Sonderschule zugeteilt.

Emil muss natürlich auch nachmittags wohin, in den Hort zum Beispiel. Ganz oft ist der aber nicht bei seiner Schule, und dann wird er mit einem Fahrtendienst durch die halbe Stadt geführt – meistens dürfen das die Kinder aber auch nur bis zum zwölften Lebens­jahr. Dann gibt es natürlich auch, wie alle Eltern wissen, die Ferien, und da gibt es für Schulkinder Feriencamps, neuerdings sogar inklusive Feriencamps – eine ganz tolle Sache! –, in Wien heuer zum ersten Mal. Jedoch: Wo ist mein Aber? – Diese inklusiven Feriencamps gibt es natürlich nicht an allen Orten, und wie ich schon gesagt habe: zum ersten Mal heuer in Wien.

Jetzt ist Emil 14 und wird im Herbst in einen Berufsvorbereitungslehrgang kommen, bei dem es aber Stundenkürzungen gab. Der Berufsvorbereitungslehrgang wird immer um 12 Uhr mittags aus sein, und als seine Eltern gefragt haben, was er denn dann am Nachmittag machen solle, wurde ihnen nahegelegt: Dann müssen Sie halt Ihre Arbeits­stunden kürzen.

Ich sehe es also wirklich als Auftrag – nicht nur an unsere neue Regierung, sondern auch an uns als Gesellschaft insgesamt –, dass dieses Aber wegmuss.

Ein paar konkrete Schritte dazu haben wir im Regierungsprogramm festgeschrieben. Manche von diesen Schritten sind deutlich sichtbar: zum Beispiel dass – im Gegensatz zu dem der vorvorigen Regierung, die die Sonderschulen noch ausdrücklich festge­schrieben hat – in unserem Programm jetzt die aktive Inklusion und der gemeinsame Unterricht als ausdrückliche Ziele drinstehen.

Es gibt aber auch noch ein paar verstecktere Maßnahmen im Regierungsprogramm. Da man diese manchmal nicht auf den ersten Blick sieht, werde ich jetzt ausdrücklich auf sie hinweisen.

Die Vergabepraxis der SPF-Bescheide – eine etwas technisch klingende Passage – wird evaluiert, steht im Regierungsprogramm, und an den tatsächlichen Bedarf ange­passt. Was heißt denn das? – Das heißt – für alle, die sich auskennen – ziemlich viel! Damit wird der sogenannte Deckel aufgehoben.

Wie war denn das bisher? – Bisher gab es für Kinder mit sonderpädagogischem För­derbedarf an den Schulen zusätzliche Stunden – das ist an sich gut –, aber nur für ma­ximal 2,7 Prozent der Kinder. Das ist ungefähr dasselbe, als ob man sagen würde, ma­ximal 2,7 Prozent der Kinder dürfen Brillen bekommen, egal wie viele Kinder kurzsich­tig sind. Damit wird es, wenn wir das umsetzen, nach dieser Evaluierung vorbei sein. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Grünen: Das ist der erste Schritt! – Abg. Vogl: Ein guter erster Schritt!)

Ein zweiter Punkt: Wir wollen in unserem Bildungsprogramm auch eine Bildungspflicht einführen, und diese gilt ausdrücklich für alle in diesem Land lebenden Jugendlichen. Das heißt, das Bildungssystem darf Jugendliche nicht einfach nach neun Schuljahren entlassen, sondern erst, wenn sie lesen, schreiben, rechnen gelernt haben. Das wird ausdrücklich auch für Kinder mit Behinderungen gelten, die mehr Zeit brauchen. Bei­spiel Emil: Er liest und schreibt jetzt mit 14 ungefähr auf dem Level eines Siebenjähri­gen, er ist gerade im Zahlenraum 100 bis 1 000 unterwegs, aber da geht jeden Monat etwas weiter – er lernt dazu und es macht ihm Spaß. Er lernt gern, und wenn es nach unserem Regierungsprogramm geht, dann wird er weiterlernen können, bis er 18 ist.

Kurz noch ein letztes Wort: Mein ausdrücklicher Dank geht auch an die Gebärdendol­metscherInnen hier im Raum. Es ist mir ja immer eine Riesenfreude, ihnen zuzu­schauen. Ich habe das Gefühl, ich lerne dabei auch etwas über unsere Sprache und darüber, wie unsere Sprache funktioniert. Auch das wollte ich einmal gesagt haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS sowie der Abgeordneten Belakowitsch.)

14.59

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Petra Wimmer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.