16.34

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau und Herren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Parteipolitik regiert in unsere Schulen hinein. Bevor ich zum Buch von Frau Wiesinger komme, das ja der Anlass für diese Dringliche Anfra­ge an Sie, Herr Bundesminister, ist, möchte ich Ihnen etwas erzählen. Meine beiden Großmütter waren Pädagoginnen, Lehrerinnen; die eine hat Geografie und Geschichte unterrichtet, die andere Englisch und Latein. Besonders schön ist, dass sie mir immer vermittelt haben, dass das der schönste Beruf der Welt ist, weil es wirklich darum geht, jungen Menschen – in ihrem Fall damals jungen Mädchen in zwei verschiedenen Schu­len –, auf ihrem Lebensweg zu helfen, gerade auch Mädchen, die aus sozialen Verhält­nissen gekommen sind, wo es nicht selbstverständlich war, dass der Aufstieg gelingt.

Was ich sehr berührend finde, ist, dass mich, obwohl meine Großmütter leider beide schon gestorben sind, immer noch Menschen – teilweise für mich wildfremde Men­schen – auf der Straße ansprechen und sagen: Ihre Großmutter hat mein Leben verän­dert, sie hat mir Chancen eröffnet! Ganz, ganz oft höre ich den Satz: Ihre Großmutter hat an mich geglaubt! Das ist natürlich nicht nur für mich sehr berührend, sondern es sagt auch viel darüber aus, mit welchem Engagement, mit welchem Einsatz ganz viele junge Menschen in diesen Beruf der Pädagogin oder des Pädagogen streben, nämlich mit dem Ziel, junge Menschen auf ihrem Weg zu ihrer Selbstentfaltung, zu einem selbstbestimmten Leben zu begleiten, ihnen die Flügel zu heben.

Ich habe jetzt mit meinen Großmüttern angefangen, weil ich mich an eine Geschichte erinnere, die eine meiner Großmütter mir immer erzählt hat. Sie ist nämlich Schullei­terin geworden – das war nicht möglich ohne Parteibuch. Also hat sie ein Parteibuch bekommen, das rückdatiert wurde, damit es auch ja klappt. Jetzt kann man das natür­lich abtun und sagen, das ist aus einer vergangenen Zeit, als sich Rot und Schwarz noch die Republik aufgeteilt haben. – Das ist es aber nicht, und das wissen wir. Gera­de wir NEOS prangern das Monat für Monat, Jahr für Jahr an, und es wird immer vom Tisch gewischt. Und jetzt ist das Buch von Frau Wiesinger da, das genau das anpran­gert. (Beifall bei den NEOS.)

Worum geht es? – Frau Susanne Wiesinger, eine Lehrerin in Wien, hat vor einiger Zeit ein Buch über den „Kulturkampf im Klassenzimmer“ geschrieben. Sie hat darin sehr drastisch geschildert, wie die zunehmende Diversität der Schülerinnen und Schüler, insbesondere was religiöse Bekenntnisse angeht, zu kulturellen Konflikten führt, wie Schulen, Lehrerinnen und Lehrer teilweise hilflos sind und wie vor allem die Politik komplett wegschaut. Sie ist damals – daran kann ich mich gut erinnern –, obwohl sie aus der Sozialdemokratie kommt, obwohl sie sogar sozialdemokratische Gewerkschaf­terin war, von den Linken massiv angegriffen worden.

Sie, Herr Faßmann, haben Frau Wiesinger das Angebot gemacht, dass sie sich als Ombudsfrau in einer unabhängigen Ombudsstelle im Ministerium um genau diese Fra­gen kümmern und sich das anschauen soll. Ich habe auch mindestens ein Gespräch, ich glaube, sogar mehrere, mit Frau Wiesinger geführt, über ganz viele Themen.

Und es ist etwas Spannendes passiert: Jetzt hat Frau Wiesinger ihren Job doch tat­sächlich so aufgefasst, wie er beschrieben war, nämlich wirklich als unabhängige Om­budsfrau, die auf eine durchaus beachtliche Zuhörtour gegangen ist. Ich glaube nicht, dass ihr Buch den Anspruch erhebt, eine wissenschaftliche Erhebung zu sein, aber es ist eine Darlegung der Ergebnisse aus den Gesprächen, die sie geführt hat. Und was sieht sie da? – Wir haben nicht nur einen Kulturkampf im Klassenzimmer, sondern wir haben seit Jahrzehnten eine Politik, die durch parteipolitische Scheuklappen und Hick­hack geprägt ist, die letztlich auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen wird, auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer und auf dem Rücken vernünftiger, ehrlicher Lösungen für eine echte Bildungsreform. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Da kam dann der Vorwurf, sie sei ein Maulwurf, es war die Rede von Anpatzen, und es wurde gesagt, so etwas macht man ja nicht. Ich habe aber auch andere Kommentare gelesen, die von ihrem Mut gesprochen haben und davon, dass sie im einen wie im anderen Fall ihrem Gewissen gefolgt ist.

Was ich vergessen habe zu sagen: Diesmal ist sie natürlich von konservativer Seite angegriffen worden. Man sieht also, wenn man bei seinen Themen bleibt, die Wahrheit sagt, sagt, was sich wirklich abspielt, kann man es vor allem diesen ideologischen Polen nicht recht machen, man wird auf jeden Fall angegriffen und diffamiert. Wir NEOS nehmen für uns in Anspruch, dass wir sie in beiden Fällen tatsächlich ernst genommen haben und das auch weiter tun werden.

Natürlich kann man kritisieren, dass sie da jetzt ein Buch veröffentlicht und damit auch wirklich für Wirbel gesorgt hat. Aber wirkliche Verantwortung und auch Leadership, wie man sie ja auch von einem Manager eines Unternehmens erwarten würde, der von Missständen in seinem Unternehmen hört, würden ja bedeuten, dass man sie ernst nimmt und wirklich darauf eingeht, anstatt darüber zu diskutieren, wie dieses Buch zu­stande gekommen ist. Das erinnert mich ein bisschen an diese Ibizavideodiskussion, wo wir auch sehr schnell darüber diskutiert haben, wieso es dieses Video gibt und wer das gemacht hat. Das sind alles relevante Fragen, aber viel wichtiger ist die Frage: Was ist in diesem Video passiert?

Genauso ist für mich die Frage: Was steht in diesem Buch und was wird seit Jahr­zehnten ignoriert?, viel wichtiger. Frau Wiesinger richtet einen Appell, einen wirklichen Appell, und zwar, glaube ich, an alle Entscheidungsträger in Österreich und natürlich auch an die Öffentlichkeit, endlich Parteipolitik aus den Schulen rauszubringen, dass nicht mehr das Parteibuch das wichtigste Buch in den Schulen sein darf, dass man endlich damit aufhört, Diskussionen entlang der Frage: Was nutzt meiner Partei und was schadet der jeweils anderen?, mit ideologischen Scheuklappen zu führen, und endlich beginnt, sich die Fragen zu stellen: Was nützt den Kindern? Was nützt den Lehrerinnen und Lehrern? Was müssen wir tun, wenn wir wirklich an übermorgen den­ken? (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Fischer.)

Was sie sagt, wissen wir auch schon längst: Dieses parteipolitische System blockiert Reformen. Es ist ein jahrzehntelanger ideologisch geprägter Stellungskrieg zwischen ÖVP und SPÖ, teilweise plus Grüne, der zu keinen Lösungen kommt. Man diskutiert über die Schulform, über die Organisation, und die Lehrerinnen und Lehrer tun, was sie in diesem System der Unfreiheit tun können.

Wir wissen auch, dass Ministerien und insbesondere natürlich die Kabinette, aber auch die von uns so kritisierten Bildungsdirektionen – das wird ja sehr drastisch beschrie­ben – ein bisschen wie Politbüros agieren, wobei es halt darum geht, die eigene Macht, die eigene Parteimacht auszudehnen, aber nicht um wirklich Sinnvolles: Was nutzt uns? Was darf gesagt werden? Was schadet uns?

Wir wissen auch, dass wir bei Integrationsmaßnahmen beschämend auf der Stelle tre­ten, dass viele Maßnahmen, die gesetzt wurden, nicht greifen beziehungsweise falsch greifen. Man gewinnt wirklich den Eindruck, in der Bildungspolitik geht es oft um das Image der Politikerinnen und Politiker, um Macht, das wissen wir auch, um Postenbe­setzungen, das ist immer wichtig, dass man etwas zu verteilen hat, diese Ideologie wird sehr stark auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler und auf dem Rücken der Pädagoginnen und Pädagogen ausgetragen.

Ich habe nicht solch eine Tour hinter mir, aber natürlich reden wir mit genügend Päda­goginnen, Pädagogen, Eltern, Schülerinnen und Schülern. Sehr oft hört man das kommt in dem Buch ja auch sehr deutlich zur Sprache –, dass es einen unglaublichen Frust darüber gibt, dass man eigentlich gegen Mauern rennt. Man bemüht sich, man ist engagiert, aber man wird in dem System aufgerieben. Es ist ja auch ein System, in dem man nach Jahrzehnten keinen Unterschied zwischen den Pädagoginnen und Pä­dagogen, die sich wirklich engagieren oder aufreiben, und denen, die das nicht tun, sieht. Es gibt ja keinen Unterschied da drinnen. Es ist ja quasi oft das Privatvergnügen, die große private Leistung von vielen Lehrerinnen und Lehrern, dass sie eben diesen Schritt, der nötig ist, mehr machen, als es viele andere tun.

Was sie auch oft sagen: Es ist unglaublich viel Bürokratie da drinnen, Zettelwirtschaft, Erlässe, Verordnungen, ein ganz, ganz enges Korsett. Ganz ehrlich, Herr Minister, ich habe das auch schon öffentlich gesagt: Wenn ich jetzt dieses Regierungsprogramm und das, was Sie bezüglich Chancenindex formuliert haben, lese – es können sich viel­leicht Schulen mit ihren Konzepten bewerben –, klingt das wieder nach wahnsinnig viel Bürokratie, Aufwand, Zettelwirtschaft und nicht nach Freiheit. Freiheit brauchen wir in diesem System. (Beifall bei den NEOS.)

Ich finde es gut, dass mit diesem Buch die bildungspolitische Debatte wieder einmal an der Tagesordnung ist und in die Öffentlichkeit kommt. Wir haben in Österreich nicht erst heute, nicht erst seit gestern – übrigens auch nicht nur in Wien, auch wenn das die ÖVP gerne erzählt – eine veritable Bildungs- und Schulkrise. Warum erzählt das die ÖVP gerne? – Weil dort die SPÖ am Ruder ist, es geht um eine Wienwahl, da kann man wieder schön draufhauen, das ist das Spielchen, das man jetzt schon jahrzehn­telang kennt.

Wir haben eine Bildungs- und Schulkrise. Die Realität ist schockierend. Ich erzähle Ih­nen ein Beispiel von einer Lehrerin, das sie uns im Wahlkampf erzählt hat: Sie hatte keine Tafel in ihrem Klassenzimmer. Ja, da kann man ja sicher irgendwie einen Anfor­derungsschein schreiben, denn ohne Tafel kann man ja nicht unterrichten. Das kann man schon machen, aber man kann auch sozusagen sehr viel irregehen. Die Ge­schichte geht dann sehr lange, ich kürze sie ab: Sie hat die Tafel selber gekauft und finanziert, damit sie unterrichten kann. Oder eine andere Geschichte von einer Päda­gogin: Sie hat bei ihrem Mann, der Unternehmer ist, das Kopierpapier geklaut, weil es in der Schule zu wenig gibt.

Man kann natürlich sagen, ja, irgendwie lustige Geschichten, Einzelfälle, aber es ist der Arbeitsalltag in den Schulen, in einem System, das gar nicht so wenig Geld verschlingt, und das mit solch einem Output! Ich habe also ein bisschen den Eindruck, es liegt nicht daran, dass die Schulen so schlecht wirtschaften, sondern daran, dass es eher noch immer wie unter Maria Theresia sozusagen eine untertänige Behördenstruktur gibt, in der es tendenziell zu wenig Freiheit als zu viel gibt.

Wir haben viele Ziele, die wir erreichen wollen. Ich möchte jetzt nur ein paar skizzieren. Natürlich geht es um den Anspruch – ich glaube, das ganze Arbeiten und Streben von Frau Wiesinger ist auch darauf ausgerichtet –, kein Kind zurückzulassen.

Natürlich gibt es keine Gleichheit und natürlich sind wir auch nicht so naiv zu glauben, ich habe das ohnehin schon öfters gesagt, dass alle Kinder von Anfang an die gleichen Chancen haben. Nein, wahrscheinlich gibt es schon im Kreissaal keine Chancengleich­heit, aber der Anspruch eines Bildungssystems muss immer sein, möglichst für faire Chancen für alle, für Chancengleichheit zu kämpfen. Kein Kind zurücklassen!

Ich habe schon gesagt, dass es natürlich Engagement braucht, um für diese Chan­cengleichheit zu kämpfen. Frau Wiesinger schreibt das sehr eindrucksvoll: Ohne Eltern wird es nicht gehen. – Klar, keine Frage, ohne die Bereitschaft der Eltern zur Mitarbeit wird es nicht gehen, wobei ich zu den Eltern noch kommen möchte. Ich habe vernom­men, dass Sie (in Richtung Bundesminister Faßmann) das Thema jetzt aufgreifen, aber, wie gesagt, Interviews sind ja sehr geduldig. Die Frage ist ja: Welche Maßnah­men werden auf den Weg gebracht? Es geht um Persönlichkeitsentwicklung und Selbstbestimmtheit – das kommt in vielen Schulen viel zu kurz –, kritisches Denken, darum, Talente, Neigungen und Begabungen zu fördern, natürlich auch um ein Be­kenntnis dazu, dass wir Eliten brauchen. Wir können derzeit in die Klassenzimmer ge­hen und die Alberta Einsteins nicht erkennen. Die werden auch nicht gefördert. Es ist zwar ein Lippenbekenntnis zur Exzellenz da, aber wenn diese Alberta Einstein in einer Brennpunktschule im 15. Wiener Gemeindebezirk sitzt, wird sie wahrscheinlich nicht exzellent werden.

Integration und Zusammenleben in einer immer diverseren Gesellschaft, das ist Thema einer ganz großen und wichtigen Diskussion, die wir alle zusammen führen müssen. Das ist Reibung, das ist Konflikt. Wie ich heute schon eingangs in der Debatte zur Ak­tuellen Stunde in Bezug auf die Debatte zum Kopftuch gesagt habe, glaube ich, dass wir sie sachlich und wirklich entlang der Frage: Was sind unsere Grundwerte?, führen müssen. Da glaube ich daran, dass wir auf dem Boden der Aufklärung, des Humanis­mus in einer offenen Gesellschaft, in einer aufgeklärten Gesellschaft leben, die sagt, Religion ist Privatsache. Das müssen wir auch in diesen kulturellen Konflikten hoch­halten und nicht dem Islam das Kreuz entgegenhalten. Davon bin ich überzeugt. Wir kämpfen für die aufgeklärte Gesellschaft. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist mir wichtig, dass wir in alle Teile der Schule schauen. Natürlich beleuchtet Frau Wiesinger besonders das Thema Brennpunktschulen, das Thema: Wie gehen wir mit Klassen um, in denen ganz viele Kinder sitzen, die eine andere Umgangssprache als Deutsch, eine andere Religion haben oder muslimischen Glaubens sind? – Wir müs­sen aber in alle Schulen schauen.

Wie ich vorher gesagt habe: Ohne Eltern geht es nicht. Man muss aber auch umge­kehrt sagen: Ohne Eltern geht es leider wirklich nicht, denn die Eltern sind Systemer­halter. Wenn nicht Mama oder Papa permanent Nachhilfelehrer oder -lehrerin spielen – das kann ich Ihnen berichten, das führt in ganz vielen Familien zu täglichen Krisen und Auseinandersetzungen , funktioniert dieses System Schule nicht. Da frage ich mich ganz ehrlich: Ist das das richtige System? Ist es das richtige System, das eigentlich da­rauf baut, dass vielleicht sogar die Mutter zu Hause ist, um sich dem zu widmen, damit man wirklich mitarbeiten und für jede Schularbeit lernen kann?

Ich meine, seien Sie nicht böse, die Gesellschaft hat sich verändert. Ich weiß schon, wir reden ja viel, ich habe das auch oft von ÖVP-Seite gehört, man versteht gar nicht, was wir NEOS da eigentlich wollen: Die Buchstaben sind ja noch immer von A bis Z, die Zahlen gehen von eins bis zehn. Da ist ja alles gut! – Ja, wenn man so denkt, dann muss man fragen: Warum gehen wir dann nicht überhaupt zurück zur Maria-Theresia­nischen-Schulordnung? Warum führen wir das Rohrstaberl oder ich weiß nicht was wieder ein? Es ist ja alles gut, wir müssen gar nichts verändern.

Unsere Gesellschaft hat sich verändert, die Anforderungen haben sich verändert, Fa­milien haben sich verändert, nur unser Schulsystem ist gleich geblieben. Das kann es nicht sein! (Beifall bei den NEOS.)

Noch ein Wort zum Regierungsprogramm. Ich habe am Tag der Regierungserklärung den Worten von Kollegin Hamann gelauscht. Auch sie hat gesagt, dass es diese ideo­logische Diskussion gibt und man mit diesem Regierungsprogramm versucht habe, in kleinen Schritten um diese ideologische Mauer herumzugehen. Das Problem ist aber, dass das viel zu wenig ist, denn in dieser Mauer steckt ganz viel drinnen.

Darin steckt zum Beispiel die Frage der Schulautonomie, und Schulautonomie be­schränkt sich nicht darauf, dass mehrstufige Eingangsklassen gemacht werden kön­nen. Wenn man Schulautonomie ernst nimmt, dann heißt das auch personelle Autono­mie. Es bedeutet, dass sich ein Direktor/eine Direktorin die Lehrerinnen und Lehrer selbst aussuchen kann, und natürlich auch pädagogisch-didaktische Autonomie oder Autonomie, was zum Beispiel Deutschförderklassen angeht. Das wird derzeit von oben verordnet – völlig sinnbefreit, weiß jeder, es wird aber gemacht, weil es gut klingt und weil es die ÖVP gut verkaufen kann. Was in diesem Regierungsprogramm steht, ist zu wenig. Sie nehmen viele Krisen ernst, aber die Bildungskrise nehmen Sie mit diesem Regierungsprogramm nicht ernst. (Beifall bei den NEOS.)

Deshalb haben wir auch gesagt: Bitte nachverhandeln – eine Nachfrist –, denn die Ver­säumnisse von heute sehen wir in den nächsten Jahren! Es sind verlorene Genera­tionen, und dafür sind jetzt Sie – und zwar allesamt – mitverantwortlich. Diejenigen, die in Regierungsverantwortung sind, sind verantwortlich dafür, endlich mutige Schritte zu machen und zu sagen: Okay, wir haben jetzt jahrzehntelang Parteipolitik in den Schu­len regieren lassen, es ist Schluss damit! Okay, wir haben jahrzehntelang ideologisch blockiert, jetzt ist Schluss damit! Okay, wir haben jahrzehntelang ignoriert, was Exper­tinnen und Experten oder Bildungswissenschaftler sagen, jetzt ist Schluss damit! Wir haben jahrzehntelang nicht über den Tellerrand hinausgeschaut und uns nicht ange­schaut, wie es Finnland oder andere Länder machen, die uns da weit voraus sind, jetzt ist Schluss damit!

Wissen Sie, wie das, was in Österreich passiert, bezeichnet wird? – „Stupid Public Policy“ nennt es ein Bildungswissenschaftler heute in einer Tageszeitung, also dumme öffentliche Politikgestaltung. Wollen Sie ernsthaft, dass bei Ihrer Regierung übrig bleibt, dass man sagt: Wieder einmal eine Periode von stupid public policy making!? Es ist an der Zeit, diese Krise ernst zu nehmen.

Leadership und Verantwortung für Österreich heißt, ehrliche Lösungen zu bringen, diese ideologischen Scheuklappen abzulegen und endlich aufzuhören, Show- und Schlagzeilenpolitik zu machen. Das sage ich gerade auch zu Ihnen, Herr Minister, weil Sie Wissenschaftler sind. „Die Wissenschaft soll sich nicht überall einmischen.“ – Das ist witzig, das mag ein Kalauer am Stammtisch sein, im Bildungsbereich hat eine sol­che Haltung nichts verloren. (Beifall bei den NEOS.)

Das Bildungssystem versagt zunehmend komplett. Wir sind in einer veritablen Krise, und das Ergebnis ist klar: Die Eltern, denen es wichtig ist, die es sich leisten können, müssen sich keine Sorgen machen, dass ihr Kind in einer Brennpunktschule versauert. Sie geben ihr Kind in eine Privatschule und zahlen privat Nachhilfe. So wird das Kind auf jeden Fall gefördert und auch etwas werden, und allen anderen werden die Flügel gebrochen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bun­desminister Faßmann zu Wort gemeldet. Ich darf ihn und auch Frau Bundesministerin Tanner herzlich begrüßen. – Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.