18.50

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Inzwischen kennen wir alle Frau Wiesinger mehr oder weniger. Ich habe schon länger beide Bücher von ihr gelesen, es steht ja in beiden ungefähr das Gleiche drinnen. Auch den Bericht habe ich gelesen. Ich habe sie auch kennengelernt, ich habe schon über sie geschrieben, und ja, Frau Wiesinger ist keine einfache Person. (Abg. Meinl-Rei­singer: Das ist ja gut!) Wahrscheinlich haben Sie im Ministerium auch nicht genau das von ihr bekommen, was Sie erwartet haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Einfache Perso­nen sind ja schlecht in dem System!) – Genau das will ich doch damit sagen, liebe Frau Meinl-Reisinger. Wir alle sind ja keine einfachen Personen, und in manchem ha­ben die schwierigen Personen natürlich manchmal recht. (Beifall der Abgeordneten Ja­kob Schwarz und Weratschnig.)

Dass es in der Bildungspolitik seit Jahrzehnten eine parteipolitische Blockade gibt, ist ja klar. Dass ÖVP und SPÖ einander jahrzehntelang keine Erfolge gegönnt haben und deswegen nichts weitergegangen ist, dass es auch zwischen Bund und Gemeinde Wien ständig Eifersucht gab, die vieles blockiert hat, das hat man sogar aus außer­parlamentarischer Perspektive mitgekriegt.

Wir wissen, dass es wunderbare Geschichten über Dinge gibt, die in manchen NMS passieren, sogar in städtischen NMS passieren ganz großartige Dinge, es ist aber na­türlich richtig, dass es auch welche gibt, die totale Inseln der Hoffnungslosigkeit sind, und da sind die Frustration, die Überforderung und die Sprachlosigkeit mit den Händen zu greifen. Auch das ist richtig. Seit Jahrzehnten fragen wir eigentlich immer nur: Wer ist schuld daran? – Diese Frage geht mir mittlerweile wahnsinnig auf die Nerven. Was mich an Frau Wiesinger ein bisschen stört, ist, dass auch sie die Schuldfrage wieder und wieder stellt. Jetzt ist nämlich der Islam schuld und jetzt ist das Ministerium schuld. Das alles ist mir immer noch ein bisschen zu wenig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mich interessiert schlicht nicht mehr, wer schuld ist, ich möchte jetzt anfangen, etwas zu ändern. Kollege Shetty hat es so schön gesagt, er hat gesagt, er ist zu jung, als dass er nichts tut. Ich bin jetzt eigentlich schon zu alt, als dass ich in meinem Alter in die Politik gehe, und es bewegt sich immer noch nichts.

Ich möchte jetzt einen ganz konkreten Vorschlag machen, der schaut so aus, dass wir genau in die Schulen gehen, die Frau Wiesinger beschreibt – da kann man sie ja auch nach ihrer Expertise fragen –, und dass wir genau dort mit diesem wunderbaren Projekt anfangen, das heute schon mehrfach erwähnt wurde, nämlich mit unserem 100-Schulen-Pilotprogramm.

Ich möchte das Projekt jetzt ein bisschen erklären, weil da wirklich mein Herzblut drin steckt: Das bedeutet nicht nur, dass da ein bisschen mehr Ressourcen verteilt werden, da steckt wirklich der Keim für etwas Größeres drinnen. Es heißt nämlich, dass wir dort, wo die Not am größten ist und wo es im Moment auch gar nicht so viel zu verlie­ren gibt, die Chance bekommen, etwas ganz Neues auszuprobieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie machen wir das konkret? – Zuerst gehen wir einmal hin und schauen: Was ist da los bei euch? Was fehlt euch? Was braucht ihr? Welche Ressourcen habt ihr? Welche fehlen? Dazu muss man mit den Lehrern und Lehrerinnen sprechen, mit den Eltern und selbstverständlich auch mit den Kindern. Was braucht ihr, damit man an eurem Standort wieder gut lernen kann? Da wird es an jedem Standort ganz verschiedene Antworten geben. Dann soll für jede dieser Schulen, für jede dieser Pilotschulen – des­wegen ist es ein Pilotprojekt – ein maßgeschneidertes Paket geschnürt werden, mit dem man nicht nur Ressourcen, sondern auch eine starke Führung mit starker Auto­nomie und einem klaren Entwicklungsplan bekommt; und dann kann man dort ganz verschiedene neue Wege gehen. Sie von den NEOS haben Freiheit erwähnt, die Ihnen ganz wichtig ist – alles das steckt da drinnen. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber es ist weni­ger!) Sie haben auch Leadership erwähnt – auch das steckt da drinnen.

Es wurde auch die wissenschaftliche Evidenz erwähnt: Wir werden das natürlich wis­senschaftlich begleiten, und dann schauen wir, was wir von diesen 100 Schulen für an­dere Schulen lernen können. (Abg. Meinl-Reisinger: Es waren schon einmal 500! Letztes Jahr im Jänner!) – Es steht ja nirgendwo geschrieben, dass es dann nicht auch 500 Schulen werden dürfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Es waren schon einmal 500! Es wurde keine einzige umge­setzt! – Abg. Hammerschmid: Das liegt seit zwei Jahren!) – Es gibt im Moment noch gar keine. (Abg. Weratschnig: ... keine einzige umgesetzt von diesen 500! – Abg. Meinl-Reisinger: Ja, eure sind auch nicht umgesetzt! Es waren aber schon 500 versprochen und dieses Versprechen ...!) – Wir sind seit zwei Wochen in der Regierung. (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr versprecht nur noch 100 und seid stolz drauf!)

Mein ganz konkreter Vorschlag wäre – und diesbezüglich sehe ich relativ große Einig­keit im Saal –: Fangen wir doch einfach einmal ganz konkret an! Lieber Herr Minister, wir werden uns zusammensetzen und werden das in trockene Tücher bringen. Das hat anderswo funktioniert, Sie kennen die berühmte Rütli-Schule in Berlin, dort gibt es noch ein ähnliches Projekt, das School Turnaround heißt und auch funktioniert; die London Challenge wurde auch schon erwähnt. Genau das haben wir vor. Das ist eine Sache, die ganz ohne Ideologie funktioniert. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das auch hinkriegen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.55

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.