11.45

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Zunächst muss ich eine kurze Replik auf meinen Vorredner beziehungsweise auch auf Kollegin Rendi-Wagner machen: Das Argument, dass Gesundheitsministerin Hartinger-Klein das Gesundheitskrisenmanage­ment im Gesundheitsministerium zerschlagen hätte und keine zentrale Management­funktion mehr da wäre, ist schlichtweg falsch. Bis September 2019 war die zuständige Gesundheitsdirektorin Frau Dr. Magdalena Arrouas, sie ist in Pension gegangen und wurde halt von der Übergangsregierung beziehungsweise der aktuellen Regierung noch nicht nachbesetzt. Diese Position war aber sehr wohl besetzt und da wurde über­haupt nichts zerschlagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nach meinem Kenntnisstand gab es damals auch ein direktes Angebot an Kollegin Rendi-Wagner, diese Funktion selber wieder zu übernehmen, das sie abgelehnt hat. Da hätten wir in dieser Situation jetzt eine erwiesene Expertin, da wäre sie sicherlich gut aufgehoben gewesen.

Nun aber zum Thema der heutigen Debatte: Ich weiß, es ist Usus, einer neuen Bun­desregierung, einem neuen Bundesminister 100 Tage Schonfrist einzuräumen, bevor man ihn mit zu heftiger Kritik konfrontiert. Das aktuelle Vorgehen der Bundesregierung in der Coronakrise, das ich nur als zögerlich, halbherzig und als vor allem in der An­fangsphase unprofessionell bezeichnen kann, macht es mir aber wirklich sehr schwer, das durchzuhalten. Es herrschte offensichtlich die Devise, ausschließlich zu reagieren anstatt ordentlich zu agieren und die entsprechenden Vorsorgemaßnahmen rechtzeitig zu treffen.

Dabei ist es mir wichtig, klarzustellen, dass auch ich keine übermäßige Gefährlichkeit des aktuell kursierenden Coronavirus Sars-Cov-2 beziehungsweise der davon ausge­lösten Krankheit Covid-19 sehe. Der Virus ist zwar leicht übertragbar, aber der Krank­heitsverlauf ist, wie wir heute auch schon gehört haben, in über 80 Prozent der Fälle ebenfalls leicht und die Sterblichkeitsrate liegt ähnlich wie bei der saisonalen Grippe im niedrigen Prozentbereich.

Nein, gefährlich ist vielmehr die bisher mangelhafte und zögerliche Informationspolitik vonseiten der Bundesregierung. Nicht nur die Öffentlichkeit, auch das Parlament, die Parlamentsfraktionen und die Gesundheitssprecher mussten sehr lange auf konkrete Informationen von öffentlicher Seite warten. Ich sehe es zwar als sehr positiv an, dass Sie, Herr Minister, heute hier ausführliche Informationen verteilt und auch Stellung ge­nommen haben, doch diese Informationen wären bereits vor drei bis vier Wochen not­wendig gewesen, nachdem es die ersten Verdachtsfälle in Österreich gegeben hat. So tragen Sie Mitverantwortung daran, dass die Medien diese Lücke mit Spekulationen, Halbwahrheiten und Unwissenheit gefüllt haben.

Auch bis zur Einrichtung einer kostenlosen Telefonhotline für die Bevölkerung hat es nach den ersten Verdachtsfällen über einen Monat gedauert, und ob eine Nummer wie 0800 555 621 unbedingt dazu geeignet ist, dass die Bürger sich diese leicht merken und dort anrufen, sei dahingestellt; abgesehen davon, dass die Hotline schon beim ers­ten größeren Ansturm Anfang dieser Woche zusammengebrochen ist.

Auch die ersten Maßnahmen, die Sie gegenüber Reisenden aus Epidemiegebieten er­lassen haben, waren vollkommen unzureichend, denn Fiebermessungen und eine ärzt­liche Meldepflicht kann ich leider nur als Placebomaßnahmen bezeichnen, vor allem in Anbetracht dessen, dass wir damals schon gewusst haben, dass die Inkubationszeit zwei Wochen beträgt – mindestens, teilweise sogar noch länger – und Infizierte ohne Symptome bereits ansteckend sein können. Mittlerweile haben Sie das, was ich auch damals schon gefordert habe, umgesetzt, nämlich dass betroffene Einzelfälle isoliert werden, ein sofortiger Virustest durchgeführt und der Infektionsstatus abgeklärt wird, damit diese Personen schnellstmöglich aus der Isolierung entlassen werden können oder Erkrankungsfälle eben frühzeitig festgestellt werden, bevor eine weitere Verbrei­tung der Krankheit stattfindet.

So gesehen, Herr Innenminister, ist es reines Glück und nicht der Erfolg Ihres Kri­senmanagements, dass es bis heute nicht mehr Infektionsfälle in Österreich gibt. Ich hoffe inständig, dass das weitere Vorgehen besser mit den Experten, vor allem auch aus Ihrem Ressort, abgestimmt wird und dass ausreichende und frühzeitige Vorsorge für einen größeren Ausbruch, der hoffentlich nie eintreten wird, getroffen wird.

Da es mir auch besonders wichtig ist, dass wir eine bessere und vollständige Infor­mation der Bevölkerung und des Parlaments erreichen, bringe ich folgenden Ent­schließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „lücken­lose Informationspolitik zu den Bedrohungsszenarien durch die Corona-Virus-Seuche in Österreich und Europa“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, werden aufgefordert dafür Sor­ge zu tragen, dass

- die Bürgerinnen und Bürger im Sinne einer nachhaltigen und realistischen Informa­tionspolitik über drohende kurz-, mittel- und langfristige Bedrohungsszenarien durch die Corona-Virus-Seuche lückenlos informiert werden;

- Einrichtungen und Institutionen einer im Zusammenhang mit dem Auftreten und der Verbreitung des Corona-Virus ‚kritischen Infrastruktur‘ (Gesundheitsbereich, Bildungs­bereich, öffentliche Einrichtungen und Institutionen mit Patienten, Kunden und Publi­kumsverkehr) besondere Sicherheitsmaßnahmen in Sachen Gesundheitsschutz vor­nehmen und kommunizieren;

- dabei auf alle tagesaktuellen Entwicklungen in Österreich und Europa im Zusam­menhang mit dem Auftreten und der Verbreitung des Corona-Virus Rücksicht genom­men wird.

- dem Nationalrat über den weiteren Verlauf der Corona-Virus-Seuche und die dage­gen gesetzten Maßnahmen berichtet wird.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak

und weiterer Abgeordneter

betreffend lückenlose Informationspolitik zu den Bedrohungsszenarien durch die Co­rona-Virus-Seuche in Österreich und Europa

eingebracht in der 12. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Februar 2020 im Zuge der Debatte zu Top 1) Erklärung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Ab­satz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Corona-Virus SARS-COV-„/COVID-19 und Aktionsplan

Auf der Seite des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz wird derzeit folgende Information bekanntgegeben:

Aktuelle Informationen: Neuartiges Coronavirus (Bezeichnung der Erkrankung: COVID-2019 / Bezeichnung des Erregers: SARS-CoV-2)

Das BMSGPK gibt in Zukunft jeweils die Zahl der bisher durchgeführten Untersuchun­gen bekannt:

Wird von einer Gesundheitsbehörde ein Verdachtsfall gemeldet, so wird dieser umge­hend auf das Vorliegen einer Coronavirus-Infektion getestet. Im Laufe des Tages kann es durch neue Verdachtsfälle sowie durch Testergebnisse mehrmals zu Schwankun­gen der Anzahl an Verdachtsfällen kommen.

Aus diesem Grund und um Missverständnissen vorzubeugen, werden ab sofort die An­zahl der bisher durchgeführten Tests sowie die Anzahl an bisher laborbestätigten Infektionen durch SARS-CoV-2 auf der Webseite kommuniziert, sobald dem BMSGPK gesicherte Ergebnisse vorliegen.

Bisher durchgeführte Testungen in Österreich (tägliche Aktualisierung des Ist-Standes, von Mo-FR um 10:00 Uhr): 321

Bestätigte Erkrankungsfälle: 2

Internationale Zahlen finden Sie auf der Website des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten

Coronavirus Hotline:

Expertinnen und Experten der AGES beantworten Fragen rund um das Coronavirus.

Telefon: 0800 555 621 – 24 Stunden täglich erreichbar

Häufig gestellte Fragen und Antworten zu SARS-CoV-2 finden Sie auf der Website des Gesundheitsministeriums und auf der Webseite der AGES

Nähere Informationen finden Sie hier

Um Mythen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 aufzuklären, hat die WHO unter „myth busters“ einen Fragenkatalog zur Verfügung gestellt.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober betonte, dass derzeit absolut kein Grund zur Aufregung gegeben sei, es aber größte Aufmerksamkeit und internationale Abstim­mung braucht. Diese ist durch die österreichischen Gesundheitsbehörden in allen Be­reichen gut sichergestellt.

Österreichs Gesundheitsbehörden sind mit den relevanten Gremien im Rahmen der WHO- und der EU- Mitgliedschaft ausgezeichnet vernetzt und in permanentem Aus­tausch. Die internationalen Behörden beobachten die aktuelle Entwicklung genau und wenden sich mit Empfehlungen an die Mitgliedsländer.

https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Neuartiges-Corona­virus-(2019-nCov).html

Im Laufe des 26. Februars 2020 gab es Berichte über einen mutmaßlichen Todesfall in Bad Kleinkirchheim in Folge einer Corona-Virus-Infektion, der sich laut aktuellen Me­dienberichten nicht bestätigt hat.

Im Bundesland Tirol wurden im Zusammenhang mit zwei bestätigten Erkrankungsfällen in Innsbruck weitere derzeit 62 Verdachtsfälle untersucht und abgeklärt.

In Wien wurde ein Verdachtsfall in einer Schule im Bezirk Josefstadt angenommen, worauf die Schule gesperrt und deren Verlassen bzw. Betreten durch Dritte, d.h. kein Gesundheitspersonal untersagt wurde.

https://orf.at/stories/3155715/

Welche weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus auf Öster­reich und seine Bevölkerung zukommen, ist für die Öffentlichkeit und damit die Bürge­rinnen und Bürger ungewiss und auf Grund der Informationspolitik über drohende kurz-, mittel- und langfristige Bedrohungsszenarien nicht realistisch einschätzbar.

Aktuell kann man nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausge­hen, dass die Gefahr einer Ansteckung durch das Corona-Virus an Plätzen mit einem hohen Patienten-, Kunden- und Publikumsverkehr potentiell am höchsten ist. Um eine Ausbreitungsgefahr des Corona-Virus in einer großen Personengruppe zu verhindern, müssen in diesem Zusammenhang Einrichtungen und Institutionen einer in diesem Zu­sammenhang „kritischen Infrastruktur“ besondere Sicherheitsmaßnahmen in Sachen Gesundheitsschutz vorsehen und umsetzen. Dazu zählen etwa insbesondere der ge­samte Gesundheitsbereich, der Bildungsbereich und alle sonstigen öffentlichen Institu­tionen und Einrichtungen, wo es Menschenansammlungen gibt oder geben kann.

Darüber hinaus muss auch eine sachorientierte Informationspolitik Platz greifen, die drohende kurz-, mittel- und langfristige Bedrohungsszenarien aus der Sicht des Ge­sundheits- und Zivilschutzes kommuniziert. Das ist die Bundesregierung und insbeson­dere der zuständige Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz den Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, werden aufgefordert dafür Sor­ge zu tragen, dass

-           die Bürgerinnen und Bürger im Sinne einer nachhaltigen und realistischen In­formationspolitik über drohende kurz-, mittel- und langfristige Bedrohungssze­narien durch die Corona-Virus-Seuche lückenlos informiert werden;

-           Einrichtungen und Institutionen einer im Zusammenhang mit dem Auftreten und der Verbreitung des Corona-Virus „kritischen Infrastruktur“ (Gesundheitsbe­reich, Bildungsbereich, öffentliche Einrichtungen und Institutionen mit Patienten, Kunden und Publikumsverkehr) besondere Sicherheitsmaßnahmen in Sachen Gesundheitsschutz vornehmen und kommunizieren;

-           dabei auf alle tagesaktuellen Entwicklungen in Österreich und Europa im Zu­sammenhang mit dem Auftreten und der Verbreitung des Corona-Virus Rück­sicht genommen wird.

-           dem Nationalrat über den weiteren Verlauf der Corona-Virus-Seuche und die dagegen gesetzten Maßnahmen berichtet wird.

*****

Präsidentin Doris Bures: Auch dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Klubvorsitzende Rendi-Wagner gemeldet. – Bitte.