13.33

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bun­desministerin! Wir haben heute sehr intensiv eine Debatte über das Coronavirus ge­führt; es war im Mittelpunkt. Das ist eine neue Erkrankung, der man gezielt entgegen­wirken muss – geschlossen und gemeinsam. Nun diskutieren wir den Bericht der Ar­beitsinspektion der Jahre 2017 und 2018. In diesem Bericht geht es auch um Krankhei­ten – Berufserkrankungen bis hin zu tödlichen Arbeitsunfällen. Diese Krankheiten und tödlichen Unfälle gibt es seit Bestehen der Menschheit, seitdem gearbeitet wird.

Ich bin sehr froh, dass wir als SPÖ diesen Bericht heute hier ins Plenum gebracht ha­ben, weil alle Menschen in Österreich ein Recht darauf haben, zu wissen: Wie funktio­niert die Arbeitsinspektion? Warum ist sie so wichtig für dieses Land, für alle Beschäf­tigten? Wo gibt es aber noch Verbesserungsmöglichkeiten?

Ich bedanke mich vorweg recht herzlich bei allen Beschäftigten in der Arbeitsinspek­tion, sowohl im Innendienst wie im Außendienst, für die von ihnen geleistete Arbeit im Interesse der Gesundheit und der Sicherheit der Menschen am Arbeitsplatz – vielen, vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Gödl.)

Nun aber zu einigen Zahlen: Frau Abgeordnete Kirchbaumer, es geht nicht um einen Generalverdacht, sondern es geht um Zahlen, die ganz klar zeigen, dass es bei jeder zweiten Arbeitsstätte Rechtsverletzungen gibt! Es geht um Zahlen, die ganz klar doku­mentieren, dass es 2018 94 906 Übertretungen gegeben hat (Abg. Michael Hammer: Aber deutlich weniger als vorher!), und es geht um Zahlen, die dokumentieren, dass demgegenüber nur 934 Strafanzeigen gestellt wurden.

Wenn man sich die Berufserkrankungen anschaut – 1 106 Berufserkrankungen wurden von der Arbeitsinspektion registriert –, wenn geschätzte 1 800 Todesfälle jährlich da­rauf zurückzuführen sind – auf Krebserkrankungen aufgrund von Arbeiten mit gefährli­chen Arbeitsstoffen, aufgrund von Arbeiten in Verbindung mit Asbest – und wenn es seit drei Jahren auch die ersten Hitzetoten auf Baustellen gibt: Das kann man nicht wegschieben, da muss man hinschauen, Frau Bundesministerin, und darf nicht weg­schauen – genauso wie beim Coronavirus!

Wenn man sich dann die steigende Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ansieht – von 60 im Jahr 2016 auf 83 im Jahr 2018 –, dann muss man sich fragen, was die neue Bun­desregierung dagegen tut. Wir haben uns das angeschaut; ganz kurz zu drei Maß­nahmen:

Beraten vor strafen: Mehr Beraten vor strafen heißt nicht automatisch mehr Schutz für die Arbeitnehmer. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Kontrollen sind unverzichtbar. (Zwi­schenruf der Abg. Kirchbaumer.) Kontrollen sind genauso wie Strafen unverzichtbar. Auch Strafen sind unverzichtbar. Wenn die Europäische Unternehmenserhebung – nicht wir, sondern die Europäische Unternehmenserhebung, Ihre Interessenvertre­tung! – klar aufzeigt, dass das Hauptmotiv der österreichischen Arbeitgeber, für Sicher­heit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu sorgen, die bestehenden Rechtsvorschriften sind, dann zeigt das, wie wichtig es ist, dass wir Rechtsvorschriften haben.

Wenn man glaubt, mit Bewusstseinsbildung und Freiwilligkeit eine Verbesserung der Situation zu erreichen, muss man sagen, das ist das Gleiche wie bei der Gurtenpflicht und der Straßenverkehrsordnung: Solange es freiwillig war, haben sich viele nicht mit dem Gurt angeschnallt, und als die Gurtenpflicht eingeführt wurde, war die Sicherheit da.

Die Entbürokratisierung von Schutzvorschriften darf nicht zulasten des Schutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen; da sind wir gezielt dagegen.

Zum letzten Punkt, Bürokratieabbau bei der Nachbesetzung von Planstellen: Frau Bun­desministerin, in der Arbeitsinspektion wächst die Personallücke. Es gibt immer mehr Beschäftigte und immer weniger Arbeitsinspektoren im Außendienst. Die Internationale Arbeitsorganisation, die International Labour Organization, gibt ganz klar die Emp­fehlung heraus, dass in jenen Ländern, in denen die Industrie stark entwickelt ist, je­weils 10 000 Beschäftigten zumindest ein Arbeitsinspektor gegenüberstehen soll. Das heißt, in Österreich gibt es eindeutig eine Unterbesetzung, denn bei 3,4 Millionen Be­schäftigten, für die die Arbeitsinspektion zuständig ist, stehen 303 Arbeitsinspektoren zu Verfügung. (Abg. Hörl: ... die beim Stöger ...!) 303 Arbeitsinspektoren!

Fakt ist, dass wir Aufholbedarf haben, aus diesem Grund bringe ich folgenden Ent­schließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufstockung des Arbeitsinspektionspersonals“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, den Personalstand der ArbeitsinspektorInnen innerhalb von zwei Jahre um 50 ArbeitsinspektorInnen zu erhöhen, damit die Aufgaben der Arbeits­inspektion auch bei steigender Beschäftigung im Interesse von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen den internationalen Vorgaben entsprechend ausgeübt werden kön­nen.“

*****

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Alle hier im Raum tragen als Abgeordnete und somit als Gesetzgeber Mitverantwortung, wenn es um ausreichende personelle Ressourcen und ausreichende Maßnahmen im Bereich Arbeitsschutz und Arbeitsinspektion geht. Jeder von Ihnen hier trägt Mitverantwortung, wenn es um die tägliche Sicherheit und die Gesundheit von mehr als 3,4 Millionen Beschäftigten am Ar­beitsplatz geht. Stimmen Sie unserem Antrag bitte zu! (Beifall bei der SPÖ.)

13.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Aufstockung des Arbeitsinspektionspersonals

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion in den Jahren 2017 und 2018 (III-68 d.B./45 d.B.)

In der Arbeitsinspektion wächst die Personallücke weiter. Die ILO-Mindestvorgabe – ei­ne/n Aufsichtsbeamt/in pro 10.000 Beschäftigte als Richtwert für industrielle Marktwirt­schaften - wird ignoriert (vgl. ILO-Übereinkommen Nr. 81, Artikel 10).

Im Kampf gegen krankmachende Arbeit sind derzeit die 303 ArbeitsinspektorInnen im Außendienst bereits überlastet und klar zu wenig. Der Tätigkeitsbericht weist im Jahr 2018 nur mehr 303 ArbeitsinspektorInnen aus. Sie sind für 3.349.368 von der Ar­beitsinspektion erfasste ArbeitnehmerInnen zuständig. (2014: 307 ArbeitsinspektorIn­nen für 3.129.684 von der Arbeitsinspektion erfasste ArbeitnehmerInnen).

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) legt im Übereinkommen Nr. 81, Artikel 10, als Richtwert für industrielle Marktwirtschaften eine AufsichtsbeamtIn pro 10.000 Be­schäftigte fest. Dieser ILO-Richtwert wurde bundesweit gesehen nicht erreicht! Alleine um das Mindestmaß wieder zu erreichen, benötigen wir dringend 35 Arbeitsinspekto­rInnen zusätzlich. Wegen der stetig steigenden Zahl der ArbeitnehmerInnen sollte je­doch vorausschauend die Erhöhung des Personalstandes um mindestens 50 Arbeits­inspektorInnen und die uneingeschränkte Nachbesetzung für ausscheidende Arbeits­inspektorInnen erfolgen.

Schon im Bericht des Rechnungshofes 2013/8 zum „Arbeitnehmerschutz in Österreich“ wurde vermerkt, dass die Arbeitsinspektion eine Aufstockung ihres Personals um etwa das 7-fache bräuchte, um ihrem Auftrag adäquat nachgehen zu können.

Bereits heute handelt die Arbeitsinspektion nach dem Motto „Beraten vor Strafen“. Noch nie gab es so wenige Strafanzeigen wie 2018 - ein Negativrekord: 934 Strafan­zeigen bei 94.906 Übertretungen! (ohne Kontrollen von LenkerInnen). Davon betrafen 86.268 den technischen und arbeitshygienischen Arbeitnehmerschutz und 8.638 den Verwendungsschutz. Zusätzlich wurden bei Kontrollen von LenkerInnen 4.005 Übertre­tungen festgestellt.

Die Kontroll- und Überwachungstätigkeiten der Arbeitsinspektion sind zum Schutz der ArbeitnehmerInnen essenziell. Sie deckten Rechtsverletzungen in fast in jeder 2. Ar­beitsstätte auf: Bei 44,3 % aller Kontrollen wurden Übertretungen von Arbeitnehmer­schutzvorschriften festgestellt.

Die Arbeitsinspektorate erstatteten wegen festgestellter Übertretungen von Arbeitneh­merschutzvorschriften bei den Verwaltungsstrafbehörden im Jahr 2018 insgesamt 934 Strafanzeigen gemäß § 9 ArbIG und beantragten dabei Strafen in der Höhe von insgesamt 1.496.764 €. Keine Spur von Schikane gegenüber ArbeitgeberInnen. Nur auf jede 102. Übertretung folgt eine Strafanzeige! Vor vier Jahren lag der Wert noch bei jeder 50. Übertretung.

Die „Arbeitsweltpolizei“ hat zu überwachen und Rechtsbrüche zu ahnden. Das ist ihre Kernkompetenz. Das ILO-Übereinkommen Nr. 81 legt insbesondere in seinen Artikeln 13, 17 und 18 wirksame Sanktionen fest. Auch die EU-Rahmenrichtlinie (RL89/391/EWG) verpflichtet die Mitgliedstaaten für angemessene Kontrollen und Überwachung zu sor­gen (Art 4 Abs. 2).

Kontrollen sind unverzichtbar: Die europäische Unternehmenserhebung (ESENER-2) zeigte auf, dass Rechtsvorschriften mit 87% das Hauptmotiv für österreichische Ar­beitgeber sind für sichere und gesunde Arbeitsplätze zu sorgen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, den Personalstand der ArbeitsinspektorInnen innerhalb von zwei Jahre um 50 ArbeitsinspektorInnen zu erhöhen, damit die Aufgaben der Arbeits­inspektion auch bei steigender Beschäftigung im Interesse von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen den internationalen Vorgaben entsprechend ausgeübt werden kön­nen.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte, Frau Abgeordnete.