15.01

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift: „Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555. www. gewaltschutz­zentren.at. Polizei: 133“ auf das Rednerpult.) Über Gewalt redet man nicht gerne, aber über Gewalt muss gesprochen werden. Ich darf daran erinnern, dass wir aufgrund der vielen Wahlen, die es in den letzten beiden Jahren gegeben hat, in diesem Sektor nicht wirklich so weitergekommen sind, wie es notwendig wäre. Ich glaube aber, dass es möglich sein müsste, dass der Finanzminister, wenn eine unvorhergesehene Häufung solcher Gewalttaten auftritt, ein Sofortpaket bereitstellen können sollte, um da schnell Hilfe leisten zu können. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Genau darum geht es heute. Wir müssen wieder einmal über Gewalt sprechen, wir reden wieder einmal über Gewalt an Frauen, ausgeübt von ihren Partnern oder Ex-Partnern – es sind noch mutmaßliche Verbrechen, die begangen worden sind, weil die Täter noch nicht verurteilt sind. Alleine im heurigen Jahr, in den ersten Wochen dieses Jahres sind es fünf Mordversuche und sechs Morde gewesen. 15. Jänner in Ybbs: Eine Frau wird erstochen. 29. Jänner in Wien: Eine Frau wird erdrosselt aufgefunden. 4. Februar in Trieben in der Steiermark: Eine Frau wird erstochen. 4. Februar in Graz: Eine Frau wird erstochen. 13. Februar in Kössen in Tirol: Eine Frau wird vermutlich erwürgt. Und am 23. Februar der vorläufig letzte tragische Fall in Hartberg in der Stei­ermark: Eine Frau wird erschossen. – Erschossen, erstochen, erwürgt: Voriges Jahr waren es 41 solche Fälle, vor zwei Jahren 34.

2017 hat der damalige Bundeskanzler – es war schon Kanzler Kurz – gesagt: 100 Plät­ze werden wir da sofort zur Verfügung stellen. – Ob es Frauenhausplätze, Übergangs­wohnungsplätze oder Beratungsplätze sind, war nicht klar. Es ist aber bis heute nicht erfolgt, dass wir von Bundesseite auch nur einen Platz mehr für Frauen geschaffen hätten. (Ruf bei der ÖVP: Wer hat uns daran gehindert?!) Kein einziger Platz mehr! (Ruf bei der ÖVP: Ihr habt uns daran gehindert!) Es ist aber in den letzten zwei Jahren schon so gewesen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass ziemlich viel verzö­gert wurde, sodass quasi nichts weitergegangen ist.

Leider sind viel zu viele Frauen in dieser Zeit ermordet worden, und wenn Frauen er­mordet werden, nennt man das Femizid. Frauen werden ermordet, weil sie Frauen sind, meistens von ihren Partnern oder Ex-Partnern, und der gefährlichste Ort für Frau­en – das wissen wir auch – sind oft die eigenen vier Wände. Die Zeit, in der es für Frauen am gefährlichsten ist, ist, wenn sie sich entschlossen haben, sich von ihren Partnern zu trennen, oder auch nach der Trennung, wenn deren Ego und – was weiß ich – möglicherweise Alkoholeinfluss sie es nicht ertragen lassen, dass sie ihre Part­nerin verloren haben.

Wissen Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, allein von der Wiener Interven­tionsstelle wurden im letzten Jahr 6 000 Frauen betreut. Wissen Sie auch, wie viele Kinder es waren? – 5 000 Kinder wurden mitbetreut – so gut es eben ging, denn ge­rade für Kinder gibt es keine Ressourcen. Für Kinder gibt es von Bundesseite keine Ressourcen, um diesen Kindern eine Therapie anzubieten, um diese Kinder gut zu be­gleiten, wenn sie in Prozessen aussagen müssen. Das findet alles nicht statt.

Wir haben hier über das Frauenvolksbegehren geredet. Einer der Punkte war: Wie können wir schnell bessere Maßnahmen gegen Gewalt ergreifen? Alle Regierungs­mitglieder haben da die Regierungsbank verlassen; es war niemand da. Hier in diesem Hohen Haus haben wir immer noch nicht so richtig über das Frauenvolksbegehren be­finden können.

Wie lange muss es noch so weitergehen, dass fast jede Woche eine Frau ermordet wird und hier diesbezüglich nichts passiert? Wir als Politikerinnen und Sie als Politi­kerinnen und Politiker werden sehr oft gefragt: Warum macht ihr nichts? Warum ma­chen wir nichts in diesem Hohen Haus? Deswegen stellen wir heute diesen Fristset­zungsantrag.

Der Finanzminister hat die lächerlichen 4 Millionen Euro – so viele Millionen werden für so vieles ausgegeben! –, damit Hunderte MitarbeiterInnen in den einzelnen Frauenbe­ratungseinrichtungen, zig, zig MitarbeiterInnen in den Gewaltschutzzentren, aber auch in Männerberatungsstellen angestellt und vor allem auch die Kinderschutzzentren gut ausgestattet werden könnten. Wartezeiten sind problematisch, und ich bleibe dabei, was ich schon einmal gesagt habe: Lange Wartezeiten können Frauenleben gefähr­den. Wenn man drei, sechs, acht Wochen auf einen Termin warten muss, um sich ano­nym beraten zu lassen, wenn man sich trennen will, weil man diese Nummer (auf die auf dem Rednerpult stehende Tafel zeigend) vielleicht nicht kennt, die es seit über 20 Jahren gibt, kann es problematisch werden.

Ich darf Ihnen auch etwas zu dieser Helpline sagen: Ich möchte für die Gebärden­sprachdolmetscherin noch hinzufügen, dass die Helplinenummer, die Nummer der SMS-Helpline für gehörlose Frauen 0800 133 133 ist. Das ist die Polizeinotrufhelpline für gehörlose Frauen. Das heißt, es gibt Hilfe. 30 Prozent der Frauen rufen am Wo­chenende an, 10 Prozent der Frauen rufen in der Nacht an. Diese Helpline steht das ganze Jahr über jeden Tag 24 Stunden lang zur Verfügung. Um diese Nummer zu be­werben, fehlt auch Geld, denn jeder Cent wird in Beratung gesteckt. Es bleibt kein Geld für Kampagnen, für Informationen übrig, aber genau die wären notwendig, damit nichts passiert, damit, bevor ein Mord passiert, den Frauen und den Kindern Hilfe zuteilwer­den kann. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, als die Mordserie 2018 ein Ausmaß ange­nommen hat, das uns im Europavergleich zu den traurigen Schlusslichtern gehören ließ, haben sich zwei damalige Ministerinnen und die Staatssekretärin im Jänner zu dritt hingestellt und ein Achtpunkteprogramm präsentiert. Von diesen Punkten wurde kaum einer umgesetzt. Es gab die Fantasie, dass wir eine dreistellige Notrufnummer brauchen – nicht diese hier (erneut auf die auf dem Rednerpult stehende Tafel zei­gend), die die Leute nach über 20 Jahren schon so halbwegs kennen. Es ist eh nichts draus geworden.

Was ist denn daraus geworden? Das Budget sollte um bis zu 10 Prozent erhöht werden. – Bisher ist es nicht einmal um 1 Prozent höher gewesen. Was von diesen acht Punkten wurde umgesetzt? – Die Bannmeile wurde im Gewaltschutzgesetz ver­ankert. Die Beratungseinrichtungen ausbauen: Alle Parteien haben sich für mehr Geld für Fraueneinrichtungen ausgesprochen. – Nichts ist passiert, bis heute nicht! Ich bitte, da auch nicht mit der Ausrede zu kommen, dass wir aufs Budget warten müssen. Der Finanzminister hat Geld für so vieles. Für Beraterverträge – und ich weiß nicht wofür noch – werden Millionen ausgegeben (Abg. Michael Hammer: Na geh, so ein Blöd­sinn!), und diese lächerlichen 4 Millionen Euro für Fraueneinrichtungen sollen nicht möglich sein? Das ist wirklich ein Scherz, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Bei­fall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Der damalige Innenminister hat die Hochrisikofallkonferenzen – das waren monatliche Zusammenkünfte von Frauenberatungseinrichtungen, der Polizei, also allen Beteilig­ten, bevor etwas passiert, bevor ein Mord passiert – abgeschafft. Dann sind so viele Morde passiert, und er hat sich dann gedacht: Jetzt schaue ich mir das einmal ein Jahr lang an, wie das so aussieht, aus welchen Gründen Frauen ermordet werden! – Ja, das wissen wir ohnehin. Es waren die Partner, die Ex-Partner; es waren Alkoholismus und Arbeitslosigkeit, die Männer in ihren Allmachtsfantasien offenbar dazu getrieben haben.

So, und was ist dann passiert? – Nach dem Screening hat man gesagt: Na ja, mit den Gefährdern sollte man wieder ein bissl deutlicher reden! – Das ist das Einzige, was passiert ist. Ein Projekt für unter 18-Jährige wurde begonnen – keine Ahnung, was da­raus geworden ist –, und sonst ist nichts passiert.

Wissen Sie, was die interimistische Frauenministerin in diesen paar Monaten alles ge­macht hat? – Sie hat in jedem Bundesland eine Fachstelle für Frauen, die von se­xueller Gewalt betroffen sind, einrichten lassen, obwohl sie nicht mehr Geld gehabt hat. Es gibt jetzt in jedem Bundesland für Frauen, die von sexueller Gewalt betroffen sind, eine Fachstelle. Sie hat im Sommer mit einer Aktion betreffend K.-o.-Tropfen 100 000 jun­ge Menschen erreicht – das ist auch nicht von der Hand zu weisen –, damit ein Be­wusstsein dafür geschaffen wird, dass das immer passieren kann. Sie hat die Finan­zierung für die Beratungsstelle gegen Hass im Netz für dieses Jahr sichergestellt, und sie hat unzählige Workshops für SchülerInnen, ÄrztInnen, Pflegepersonal angeboten.

Was ist von Regierungsseite sonst bisher gekommen? – Die neue Regierung ist da, und die beiden Ministerinnen – auf der einen Seite jene für Frauen und Integration, auf der anderen Seite jene für Familien und Jugend – haben sich zum Thema Gewalt gegen Frauen überhaupt noch nicht geäußert. Null Toleranz bei Gewalt! – Ja, das sa­gen wir alle, schon lange, aber handeln, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, müs­sen wir hier. (Beifall bei der SPÖ.) Deshalb: Stimmen Sie bitte diesem Fristsetzungs­antrag zu! Es geht um das Leben der Frauen in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

15.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Adal­bert-Stifter-Gymnasiums in Linz recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (All­gemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte. (Abg. Krainer: Aber die Ministerin interessiert sich ja gar nicht für das Thema, die ist ja gar nicht da! – Ruf: Ja, wo ist die überhaupt?! – Abg. Michael Hammer: Es ist eine Fristsetzungsdebatte! – Abg. Steinacker: Bei einem Fristsetzungsantrag ...! ... kennst doch die Usancen! – Abg. Krainer: Ist das eine Usance, dass die Ministerin ...?! – Der Präsident gibt das Glockenzeichen.)

Die Frau Abgeordnete ist am Wort, Herr Kollege Krainer, ich würde Sie bitten, dass man das respektiert.