17.22

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ein spezieller Gruß auch an die Galerie! Wir haben hier Gäste der Jüdi­schen Hochschülerschaft und auch Gäste aus Israel – ein herzliches Schalom! –, die dabei sein wollten, wenn wir über diesen Antrag sprechen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grü­nen und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich würde sehr gerne eine tatsächlich sehr differenzierte, kurze Diskussion zu der Fra­ge abhalten: Wann ist eine politische Diskussion, wann ist ein politisches Argument an­tisemitisch? – Das ist etwas, das mich eigentlich schon mein ganzes Leben begleitet. Bei der Diskussion mit rechten Neonazis ist es meistens sehr einfach gewesen. Da ging es meistens darum, dass infrage gestellt wurde: Waren es tatsächlich 6 Millionen Juden, die ermordet wurden?, oder: Gab es überhaupt Gaskammern?, bis hin zu der Frage der klassischen Holocaustleugnung überhaupt, die dann natürlich sehr klar iden­tifizierbar war.

Leider ist es so, dass das heute nicht mehr nur Neonazis und Rechtsextreme vertreten, leider gibt es auch Staaten im Nahen Osten, die sich die Holocaustleugnung zu eigen machen, allen voran das Regime im Iran. Bei den Diskussionen mit, sagen wir einmal, Linksextremen, prononciert linken Gruppierungen ist mir auch in meiner Studentenzeit aufgefallen, dass da eine unglaubliche Emotion vorhanden war, fast ein Hass, wenn es um das Thema Israel, um die Politik Israels ging. Das war aber viel schwieriger fest­zumachen, weil es sich ja „nur“ – unter Anführungszeichen – vermeintlich gegen die Politik Israels oder die jeweilige Regierung gerichtet hat, immer unter dem Titel: Na, das wird man doch noch sagen dürfen!, oder: Kritik an Israel muss erlaubt sein! – ein Argument, das wir bis heute sehr gut kennen.

Was mir damals schon sehr verdächtig erschienen ist, ist, wenn es dann so eine Be­grifflichkeit gegeben hat, die in die Richtung ging: Die Palästinenser müssen in Kon­zentrationslagern leben!, oder: Es gibt einen Holocaust an den Palästinensern!, dann gab es auch die Hobbypsychologen und Politpsychologen, die immer öfter davon spra­chen: Ja, ist eh klar, die Israelis behandeln heute die Palästinenser so, wie die Nazis die Juden behandelt haben!

Was dann entstanden ist, sind die sogenannten drei Ds der Identifizierung: Wann ist eine Argumentation, eine politische Argumentation gegenüber Israel antisemitisch?

Die drei Ds sind – erstens – die Dämonisierung Israels, das heißt der Vergleich von Israel oder den Israelis mit den Nazis, dass Israel sozusagen der Inbegriff des Bösen, der Satan ist und dass Israel ein Terrorregime ist.

Das zweite D sind die sogenannten Double Standards, die doppelten Standards: das heißt, Israel wird anders behandelt als alle anderen Staaten, wird für ein Verhalten kri­tisiert, das bei anderen Staaten toleriert wird. Als Beispiel: Im UNO-Menschenrechtsrat gab es in den Jahren 2006 bis 2015 sage und schreibe 61 Verurteilungen Israels. Und jetzt raten Sie einmal, wie viele Verurteilungen es für alle anderen gab, also Syrien, Myanmar, Nordkorea, den Iran, den Sudan, Libyen und so weiter! – Israel: 61, alle an­deren zusammen: 54. Ist klar, was wir unter Double Standards verstehen?

Das dritte D ist die Delegitimierung, sozusagen das Existenzrecht des Staates Israel überhaupt infrage zu stellen. Dabei wird meistens das Argument verwendet: Israel ist sozusagen ein Rest des europäischen Kolonialismus. Es wird das Selbstverteidigungs­recht des Staates infrage gestellt, und es gibt allerlei Verschwörungstheorien hinsicht­lich der Staatsgründung Israels, dahin gehend, wie das überhaupt zustande gekom­men ist.

Warum erwähne ich das und warum sage ich das? – Weil sich natürlich, wenn wir über die BDS-Bewegung sprechen – inzwischen ist ja klar, worum es da geht: Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung –, immer die Frage stellt: Ist das antisemi­tisch oder nicht? – Aktivisten der BDS-Bewegung argumentieren natürlich: Das ist über­haupt nicht antisemitisch.

Deswegen ist es mir jetzt auch ganz wichtig gewesen, genau zu spezifizieren, warum die BDS-Bewegung tatsächlich antisemitisch ist. Jetzt kommen wir in den einzelnen Punkten dazu: Der Boykott ist eine ganz klare Parallele zur Boykottbewegung unter den Nazis. Wir alle haben noch die Fotos im Kopf, auf denen ein SA-Mann vor einem jüdischen Geschäft mit der Aufschrift: Kauft nicht bei Juden!, steht. – Der Ausschluss der Juden aus der Gesellschaft ist sozusagen eine über Jahrhunderte aufrechterhalte­ne, sehr schädigende Politik gegenüber Juden gewesen.

Die Dämonisierung: In der BDS-Bewegung wird immer davon gesprochen, dass Israel ein Apartheidstaat ist. Auf der Website der BDS-Bewegung wird das ausdrücklich ge­schrieben und Israel als Pariastaat bezeichnet.

Die Delegitimierung: BDS-Vertreter sprechen davon, dass Israel aus dem europäi­schen Kolonialismus hervorgegangen ist, ein expansiver Kolonialstaat ist. Das heißt, das Existenzrecht Israels wird infrage gestellt, und zwar nicht nur betreffend den Rück­zug aus den 1967 eroberten Gebieten, sondern es wird die Abschaffung des Staates Israel, wie von der UNO 1947 anerkannt, gefordert.

Ich möchte zwei oder drei Aktivisten der BDS-Bewegung zitieren, darunter Omar Bar­ghouti. Ich zitiere: „Definitiv, äußerst definitiv lehnen wir einen jüdischen Staat in ir­gendeinem Teil Palästinas ab. Kein Palästinenser [...] wird je einen jüdischen Staat in Palästina akzeptieren.“ – Und er sagt, Israel ist ein „Schurkenstaat“. Abu Khalil, ein weiterer BDS-Aktivist, sagt: „Das wirkliche Ziel von BDS ist, den Staat Israel nieder­zuringen. [...] Gerechtigkeit und Freiheit für die Palästinenser sind unvereinbar mit der Existenz des Staates Israel.“

Nicht zuletzt – Kollege Lopatka hat es schon erwähnt – wird BDS von Terrororganisa­tionen wie der Hamas unterstützt.

Es ist vollkommen widersinnig, israelische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstlerinnen und Künstler, Sportlerinnen und Sportler zu boykottieren. Es ist eine Ironie, weil das ja gerade jene sind, die meistens der kritische Geist in Israel sind. Es ist vollkommen widersinnig, den Dialog mit gerade diesen Menschen nicht aufrechtzu­erhalten, so wie es überhaupt widersinnig ist, jemanden zu boykottieren, jemanden auszuschließen, egal mit oder ohne diese Konnotation der Vergangenheit.

Daher ist auch Folgendes passiert – und ich finde das sehr bemerkenswert –: Schon 2005 haben die arabische Al-Kuds-Universität in Jerusalem und die Hebräische Uni­versität in Jerusalem eine gemeinsame Erklärung gegen BDS abgegeben und zur Zu­sammenarbeit auf Basis gegenseitigen Respekts, Austauschs und Dialogs aufgerufen. Ich finde das vorbildlich.

Präsident Obama hat 2015 die Ablehnung der BDS-Kampagne als ausdrückliches Politikziel definiert, und sogar Bernie Sanders, der ja bekanntermaßen durchaus sehr kritisch gegenüber Israel und der Politik Israels ist, hat gesagt, dass die BDS-Kam­pagne zweifellos antisemitische Züge hat. In der Zwischenzeit – 2016 – haben die briti­sche und die kanadische Regierung Beschlüsse zu BDS gefasst.

Mir ist es aber auch noch wichtig zu sagen, dass 2019 der Deutsche Bundestag die BDS-Bewegung ausdrücklich als antisemitisch verurteilt hat und es dazu eine breite Mehrheit von CDU/CSU, SPD, FDP und auch mehrheitlich den Grünen gab. Ledig­lich – das finde ich auch auffallend – die Linke stimmte dagegen und die AfD enthielt sich der Stimme.

In Österreich – und da muss man auch einmal die Österreichische HochschülerInnen­schaft sehr loben – wurde bereits im Herbst 2017 beschlossen, BDS-Unterstützergrup­pen nicht mehr zu finanzieren. In der Zwischenzeit haben auch die Stadt Wien und die Stadt Graz entsprechende Beschlüsse gefasst, und vor Kurzem hat, wie Kollege Lo­patka schon erwähnt hat, der Österreichische Presserat festgehalten, dass ein Antise­mitismusvorwurf gegenüber BDS zulässig ist.

Der gegenständliche Entschließungsantrag ist ein ganz bedeutendes Zeichen. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, mit welch großer Aufmerksamkeit diese Abstimmung hier im Inland, aber vor allem auch im Ausland wahrgenommen wird. Ich kann Ihnen ver­sichern: Von Vertretern jüdischer Organisationen, aber auch von amerikanischen politi­schen Personen, und natürlich auch in Israel, wird sehr genau wahrgenommen, dass wir diesen Antrag eingebracht haben und, was mich wirklich besonders freut, von allen Parteien unterstützt dann auch darüber abstimmen werden. Ich hoffe, dass es tatsäch­lich einen einstimmigen Beschluss dazu gibt, weil das ein besonderes Zeichen ist, das bisher meines Wissens noch in keinem Parlament möglich war. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.) – Danke.

Es ist ein bedeutsames Zeichen, dass Österreich den Kampf gegen Antisemitismus und Antizionismus ernst nimmt, und nochmals: Es ist bemerkenswert, dass alle im Na­tionalrat vertretenen Parteien das unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.33

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Michaela Steinacker zu Wort gemeldet. – Bitte.