18.51

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich wollte mich zu diesem Tagesordnungspunkt melden, weil das Ersuchen um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Michel Reimon seitens der Landespolizeidirektion Wien gestellt wurde. Es ist der Verdacht naheliegend, dass es sich um eine Verwaltungsübertretung nach dem Versammlungsgesetz handelt. Für mich ist es an und für sich der gleiche Fall wie im vorangehenden Tagesordnungspunkt betreffend Kollegen David Stögmüller. Bedauerlicherweise musste ich mit Verwunde­rung feststellen, dass im Immunitätsausschuss seitens der Regierungsparteien die Zu­stimmung zur Auslieferung erteilt wurde, obwohl die Oppositionsparteien dieselbe Vor­gehensweise wie auch im Fall Stögmüller gewählt haben.

Nun, was unterschiedet die beiden Fälle? – Es ist der gleiche Sachverhalt. Es war am 26. September 2019 in der Früh, als beide Kollegen, Kollege Reimon und auch Kollege Stögmüller, bei einer Blockade der Zufahrt zum Tanklager der OMV mitgewirkt haben und an einer Veranstaltung und Versammlung der Grünalternativen Jugend teilgenom­men haben – eine Aktivität, eine Aktion im Zuge des Wahlkampfes, die für die Grüne Partei nicht unüblich war und ist. Es wurde aufgrund der Sitzblockade und der Auflö­sung dieser Versammlung eine Verwaltungsübertretung angezeigt.

Jetzt könnte man sagen, Michel Reimon wird aus einem anderen Grund verurteilt be­ziehungsweise ausgeliefert als David Stögmüller. – Ich sehe nur keinen. Ich sehe auch nicht das Argument, dass Kollege Stögmüller zum Zeitpunkt der Tatbegehung ein Bun­desratsmitglied war. Wenn er Bundesrat gewesen ist, ist die Frage der Immunität im Landtag, wo er gewählt worden ist, abzuklären. Ich sehe daher auch diese Begründung nicht.

Ich frage mich daher, warum der Auslieferung zugestimmt wurde, auch, weil im Bericht der Landespolizeidirektion Wien klar nachlesbar ist, dass sogar die Landespolizeidi­rektion Wien davon ausgeht, dass es sich um außerberufliche Immunität handelt und für sie kein Zusammenhang zwischen der politischen Tätigkeit und der Handlung ge­geben ist. Das heißt, es ergibt sich aus dem Bericht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass man dieser Auslieferung zustimmen sollte.

Ich habe mir die Praxis seit 1979 angeschaut. Dabei stellte ich fest, dass es 157 Aus­lieferungsbegehren gegeben hat und bloß 36 Zustimmungen erteilt wurden. Es gibt aber keinen Präzedenzfall wie diesen, bei dem die Zustimmung zu einer Auslieferung gewährt wurde. Ich frage mich deshalb nochmals: Was ist der Grund dafür? – Ich finde keinen rechtlichen und sachlich nachvollziehbaren Grund. Ich sehe vielmehr eine Un­gleichbehandlung gegenüber dem Fall Stögmüller. Ich sehe teilweise sogar eine Dis­kriminierung und damit eine Aushöhlung des Immunitätsschutzes nach Art. 57 B-VG. Dieser Art. 57 B-VG soll uns Abgeordnete davor schützen, dass wir für im Rahmen, im Zuge der politischen Tätigkeit ausgeführte Handlungen, aber auch für Handlungen an­lässlich eines Wahlkampfes, verantwortlich gemacht werden.

Wenn es jetzt der Fall wäre, dass man von dieser Praxis abweicht und seitens der Re­gierungsparteien einen neuen Präzedenzfall kreiert, muss man hinterfragen, wohin der Weg gehen soll. Für mich gäbe es nur Gründe des Anstandes. Hat man Michel Reimon vielleicht deshalb ausgeliefert, weil er unbequemer war? Ich habe vor Kurzem einen ORF-Artikel gelesen, in dem er sich gegen die Sicherungshaft ausgesprochen hat. Vielleicht ist ein Grund darin gelegen, dass manche meinen, er verdiene es. – Eine Frage des Anstandes, wie es Viktor Frankl gesagt hat.

Für mich kann es nur so sein, dass man sagt: Die bisherige Praxis war eine gute Praxis. Ich würde auch bitten, dass die Modernisierung und Neuregelung der Immunität von Abgeordneten in den nächsten Wochen – das wird im nächsten Tagesordnungs­punkt behandelt – auch Grundlage für diese Entscheidung sein soll.

Im Sinne einer glaubwürdigen Vorgehensweise hinsichtlich Immunität würde ich bitten, alle Fälle gleich zu behandeln, wenn die Sachverhalte gleich sind. In dem Fall haben wir deshalb klar gesagt, wir als Fraktion werden keinerlei Zustimmung zu einer Aus­lieferung geben, wenn es sich um einen solchen Sachverhalt handelt, der in der bis­herigen Praxis jedenfalls nicht auslieferungswürdig war. – Danke für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.56

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer. – Bitte.