9.47

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was wir in den letzten Tagen, in den letzten Wochen in Österreich und in Europa erleben, ist bisher noch nicht da gewesen. Wir erleben eine der größten Gesundheitskrisen unseres Kontinents.

Es war vor sechs Wochen, am 30. Jänner dieses Jahres, als die Weltgesundheits­orga­nisation den internationalen Gesundheitsnotfall erklärte. Die Situation ist ernst, sie ist sehr ernst. Wenn wir nach Italien schauen, dann müssen wir sagen: Die Situation dort ist dramatisch. Daher müssen wir alles tun – alles, was möglich ist –, damit das, was Italien – seine Bevölkerung – derzeit durchmacht, nicht auch in Österreich passiert. Wenn sich jetzt vielleicht nicht viele vorstellen können, dass die italienische Situation auch in Österreich eintreten könnte, dann sage ich: Täuschen wir uns nicht! Würden wir keine Maßnahmen setzen, dann wäre es sogar sehr wahrscheinlich, dass wir bei uns ähnliche Verhältnisse wie in Italien haben.

Ja, Österreich hat weitgehende Maßnahmen beschlossen: Maßnahmen, die zu starken Einschränkungen führen werden, Maßnahmen, die für viele Menschen in Österreich schwierig sein werden; aber ich sage Ihnen: Aus medizinischer Sicht gibt es zu diesen Maßnahmen keine Alternative. Nur so kann die Ausbreitung des Virus erfolgreich verlangsamt werden, es geht um den Schutz unserer Gesundheit.

Die Frage wird oft gestellt: Sind diese Maßnahmen notwendig? – Ja, sie sind not­wendig. – Sind Sie ausreichend? – Das kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand mit Sicherheit sagen, und niemand kann ausschließen, dass weitere Maßnahmen notwen­dig sein werden. – Ist die Gefahr eingedämmt, ist sie gebannt? – Dazu gibt es als Antwort nur ein klares, lautes, deutliches Nein!

Die Gefahr ist  Stand heute  nicht gebannt. Die Gefahr, sich mit dem Virus anzu­stecken, ist sehr, sehr groß. Eine Ansteckung bedeutet für eine gewisse Gruppe in unserer Bevölkerung, nämlich für unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, eine sehr große Gefahr und kann sehr komplikationsreich sein. Ich kann an alle, insbe­son­dere an unsere ältere Bevölkerung, nur dringend appellieren: Seien Sie achtsam, seien Sie besonnen und diszipliniert und halten Sie sich daran, Ihre sozialen Kontakte auf ein absolutes Minimum zu beschränken! Treffen Sie niemanden mehr, den Sie nicht treffen müssen! Bleiben Sie zu Hause, wenn es möglich ist!

Gerade jetzt ist es so notwendig, dass wir aufeinander schauen, dass wir uns und vor allem auch unsere Mitmenschen schützen, dass wir vor allem unsere älteren Mitbür­gerinnen und Mitbürger in dieser schweren Zeit nicht nur schützen, sondern auch versorgen, sie nicht ganz alleine lassen, denn viele haben jetzt Angst, alleine zu sein. Da gilt es, bei ihnen zu sein und sie zu versorgen, wenn es um Einkäufe, Apothe­ken­gänge, und selbst wenn es um den Spaziergang mit dem Hund dieser Menschen geht. Das sind Sorgen und Ängste, die ganz viele ältere Menschen haben.

Wir, sehr geehrte Damen und Herren, müssen aber auch dann gemeinsam handeln, wenn es darum geht, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen dieser Krise zu bekämp­fen. Was es braucht, ist ein Schutzschirm; es braucht einen Schutzschirm für die Arbeitsplätze und einen Schutzschirm für die Unternehmen. Die von der Regierung zur Verfügung gestellten 4 Milliarden Euro sind ein erster Schritt, aber aus unserer Sicht braucht es mehr, es braucht mehr für Klein- und Mittelbetriebe. Vergessen wir nicht auf die Kleinstunternehmer, auf die Unternehmer und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vergessen wir auch nicht auf die Kunst- und Kulturschaffenden dieses Landes. Wir tragen das Paket mit, aber unsere Fraktion ist der festen Überzeugung, dass es Soli­darität für alle in Österreich braucht. (Beifall bei der SPÖ.)

Solidarität für alle: Gerade in einer Krise ist es notwendig und wichtig, dass wir nie­manden – niemanden! – in Österreich zurücklassen: Frauen, die Angehörige pfle­gen müssen und jetzt emotional doppelt belastet sind; AlleinerzieherInnen, die genötigt sind, jetzt ganztägig auf ihre Kinder aufzupassen, aber Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, von dem ihre Existenz und die ihrer Kinder abhängt; Friseurinnen und Friseure; Kaffeehausbesitzer – alle müssen sich in dieser schweren Zeit unserer Hilfe sicher sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren der Bundesregierung, vergessen Sie nicht auf all diese Men­schen und appellieren Sie an uns alle im Parlament, auch diesen Menschen in dieser schweren Zeit Zuversicht und Sicherheit zu geben!

Die Situation ist ernst. Ich habe zu Beginn Italien erwähnt und möchte zum Schluss wieder zu Italien zurückkommen. Ich möchte an alle, die in unserem Land Regierungs­verantwortung haben – sei es im Bund oder in den Ländern – einen dringenden Appell richten: Wir müssen aus den Erfahrungen Italiens lernen. Wir müssen die Zeit, die wenige Zeit, die uns bleibt, nützen, bevor auch bei uns die Fallzahlen noch extremer ansteigen und damit vor allem die Zahl der schweren Erkrankungen und Todesfälle auch hierorts stark steigen wird. Das wird ein wahrer Stresstest für unsere Spitäler, für unser Gesundheitssystem werden, und für diesen Stresstest müssen wir uns alle wappnen. Da gilt es, keine Zeit zu verlieren.

Es ist dringend notwendig, die Spitäler in ganz Österreich aufzurüsten: mit Beatmungs­geräten, ausreichend Schutzausrüstung, aber auch durch gezielte Schulungen für das gesamte Krankenhauspersonal, nicht erst in drei, vier Wochen, sondern jetzt, und das in allen Krankenhäusern. Es gilt, mit aller Kraft zu verhindern, dass sich Ärzte und Pflegepersonal anstecken und in der Folge ausfallen. Das wäre in dieser Situation mehr als fatal. Das ist in Italien passiert, sehr geehrte Damen und Herren.

An dieser Stelle gilt mein großer, großer Dank all jenen, die an vorderster Front gegen das Virus kämpfen: den Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern, den Ärzten und Ärztinnen, den Einsatzkräften, aber auch den Menschen in der Forschung, die dran sind, einen Stoff dagegen zu finden, und all jenen, die gerade in diesen schweren Tagen unsere Grundversorgung im Supermarkt, in den Apotheken und im Rahmen des öffentlichen Verkehrs sicherstellen. Ihnen allen sagen wir Danke! Sie sind die HeldIn­nen unserer Zeit, wie der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler gesagt haben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die nächsten Wochen, wahrscheinlich die nächsten Monate, werden hart, sehr hart für uns alle werden. Die Bundesregierung ist in der Ver­antwortung, aber auch die Sozialdemokratie als größte Oppositionspartei dieses Landes stellt sich ihrer Verantwortung in dieser schweren Zeit, denn der Schutz unse­rer Gesundheit und der Schutz unseres Lebens bedürfen einer gemeinsamen An­strengung, einer Bündelung aller Kräfte. Ich wünsche uns allen Kraft, ich wünsche uns allen Gesundheit für entschlossenes, erfolgreiches und solidarisches Handeln. Es geht um sehr, sehr viel! Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

9.56

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Kickl. – Bitte.