10.59

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Geschätzter Herr Minister! Es wurde heute vielen Organisationen, vielen Menschen, auch jenen, die an der Supermarktkassa sitzen, gedankt. Auch – ich habe es gestern schon gesagt – der Regierung gebührt Respekt und Dank, dafür, dass sie in diesen Tagen schnell gehandelt und auch schnell ein Paket auf den Weg gebracht hat; das muss man auch einmal sagen. Da ist man unter Druck, da muss man etwas zustande bringen. Das ist ein erster Schritt, der richtige Weg.

Nur – und das möchte ich hier ganz ehrlich sagen –: Wenn es jetzt um ein Unter­neh­menspaket, um ein Wirtschaftspaket geht, dann haben Sie einen Patienten mit schwe­ren Symptomen, und Sie behandeln ihn mit Aspirin.

Ich will eine Rechnung für Sie aufstellen – das habe ich gestern im Finanzausschuss auch schon gesagt, nur damit es die ZuseherInnen zu Hause und die Unterneh­merin­nen und Unternehmer auch verstehen –: Für einen einzelnen Unternehmer wie mich sind 4 Milliarden Euro natürlich ein Batzen Geld. Wenn wir aber ein BIP von 400 Mil­liarden Euro haben, davon 1 Prozent für die Unternehmerinnen und Unternehmer bereitstellen – für die Kurzarbeit, denn das ist uns ganz wichtig und das muss man auch betonen, damit wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Betrieben hal­ten können –, also 4 Milliarden Euro bereitstellen und einmal von sechs Werktagen ausgehen – 4 Milliarden Euro für das ganze Jahr bei einem BIP von 400 Milliarden Euro –, dann kommen wir auf einen Faktor von 1,27 Milliarden Euro an Wertschöpfung pro Arbeitstag.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Dienstleistungsbranche – und das ist ja erwie­sen – 70 Prozent zum BIP beiträgt und von diesen 70 Prozent jetzt wiederum 50 Pro­zent stillgelegt werden, dann bleiben 35 Prozent über. Dann haben wir 400 Millionen Euro – 400 Millionen Euro haben Sie in neun Tagen aufgebraucht. Sie kaufen sich jetzt Zeit, um dann, wie Kollege Kickl auch richtigerweise gesagt hat, in der Salamitaktik die nächste Wurstscheibe herunterzuschneiden. Das ist das, was wir bei all diesen Maß­nahmen, die Sie jetzt setzen und die auch richtig sind, als zu wenig empfinden. Deutschland hat 555 Milliarden Euro bereitgestellt, Deutschland hat gesagt: Whatever it takes! – Und wenn wir den Faktor zehn hernehmen, werden wir nicht darum herum­kommen, dass wir bei 40, 50 Milliarden Euro landen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Es gilt jetzt – auch bei dieser Unplanbarkeit, denn der Finanzminister hat zu Recht gesagt, dass er jetzt kein Budget zusammenbringt, dass wir eine außergewöhnliche Situation haben –: Wir brauchen außergewöhnliche Maßnahmen und außerge­wöhn­liche Antworten. Das heißt, diese Planbarkeit ist jetzt gar nicht machbar – für Sie nicht –, nur die Unternehmer kommen mit dieser Unplanbarkeit gar nicht zurecht, weil dieser Lockdown ja jetzt nur für eine Woche bestimmt ist. Zuerst haben wir vom Herrn Bundeskanzler gehört, dass nach Ostern hoffentlich alles wieder weitergeht. Also das heißt, die Unternehmerinnen und Unternehmer mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern haben jetzt wieder einen Gap von drei Wochen. Das ist eine riesengroße Heraus­forderung. Großer Respekt für diese Form der Kurzarbeit, großer Respekt auch den Sozialpartnern, dass sie das gemeinsam so schnell zustande gebracht haben, und auch für – das habe ich gestern auch zu Frau Minister Schramböck gesagt – die 48-Stunden-Regelung.

Beate Meinl-Reisinger hat völlig richtig gesagt: Wir brauchen mehr Sicherheit und weniger Bürokratie. Ich möchte Ihnen jetzt ein Beispiel bezüglich der Bürokratie nennen. Was wird morgen beim AMS passieren? – Frau Minister, Sie haben wahr­scheinlich die Anordnung gegeben, Homeoffice zu ermöglichen. Wie funktioniert das, dass so viele Unternehmer und Unternehmerinnen ihren Kurzarbeitsantrag einbringen, wenn eh niemand im Büro ist? Wo machen sie das? Wie passiert das? – Wir haben da ein großes Problem mit der Bürokratie, und Kollege Fuchs hat es völlig richtig ange­sprochen: Wir brauchen da etwas ganz anderes. Wir brauchen da ein Moratorium mit viel weniger Bürokratie und viel höherer Sicherheit, viel höherer Leistung. Das muss sofort unbürokratisch passieren.

Ich als Unternehmer stelle mir auch diese Frage – und ich habe gestern bei der Her­fahrt sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer am Telefon gehabt, die das nicht wissen –, wie das am Montag funktioniert, weil eh niemand im Büro ist, weil vielleicht eh alle im Homeoffice, zu Hause sind. Die brauchen jetzt Sicherheit. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Uns geht es um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn wir sie jetzt freisetzen, haben wir danach ein Problem. Uns geht es darum, dass wir schnellstmöglich durch diese Krise durchtauchen und auch schnellstmöglich wieder aufstehen. Dazu brauchen wir unsere Mitarbeiter, dazu ist es notwendig, dass sie auch in Sicherheit sind. Was Sie jetzt aber vorstellen, ist sozusagen Aspirin zu schlucken und den Patienten zu sagen: Es wird alles gut, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen! – Wir brauchen jetzt ein Moratorium, ein Annuitätenmoratorium, bei dem es um die Liquidität geht.

In meinem Unternehmen habe ich das Problem, dass es im Februar im Winter­touris­mus wahnsinnig viel Umsatz gemacht hat. Das heißt, bei derzeitigem Stand kommen dann bei der Umsatzsteuervorauszahlung – Kollege Fuchs weiß das sicher – und bei allen Sozialabgaben, weil wir sie ja jetzt dann abmelden, in einem Betrieb von fünf 300 000 Euro zusammen. Das schwächt meine Liquidität.

Wenn es darum geht, Familienunternehmen und EPUs mittels eines Fonds zu helfen: Na, wie wird dieser Fonds bürokratisch aufgebaut, aus dem dann vielleicht erst im August gespeist wird? – Wenn wir etwa bei Gesellschaften von Insolvenz reden, wenn ich sozusagen sehe, dass das krachen geht und ich nur drei Wochen habe, bis ich eine Insolvenz anmelden kann: Da braucht es eine Änderung im Insolvenzrecht. Ich muss versuchen, den Betrieb zu retten, ich muss versuchen, den Betrieb auch mittels Liqui­dität zu retten.

Das heißt, Sie sind gefragt, in einem Moratorium dafür zu sorgen, dass wir 50 Mil­liar­den Euro bereithaben, um die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Einper­sonen­unternehmen zu schützen. Darum möchte ich mich kümmern, damit wir unsere Mit­arbeiter beschäftigen können, damit das nicht eine Spirale wird.

Gerade im Tourismus wird es dann eine Spirale, weil die Investitionstätigkeit im Herbst auszusetzen ist. Es müssen alle bürokratischen Hürden beseitigt werden. Bei der ÖHT muss man ja noch für diesen 100-Millionen-Euro-Topf, den Sie letzte Woche zur Ver­fügung gestellt haben – eine Salamischeibe –, seinen Umsatz bis 31.12. prognos­ti­zieren. Wer kann das? – Das können nicht einmal Sie, Herr Finanzminister! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das heißt, Bürokratie ist aufgebaut, bei der Bürokratie sollte aber genau der gegen­teilige Weg gegangen werden. Ich bitte Sie darum: Gehen Sie gemeinsam mit uns! Sie haben den Schulterschluss angeboten. Gehen Sie mit unserem Entschließungsantrag mit, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Ergänzung zum wirtschaftlichen Hilfspaket“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wir aufgefordert, ergänzend zum COVID-19-Maßnahmengesetz, ein KMU-Notfallspaket zu schnüren, das folgenden Maßnahmen beinhaltet – und dabei den Grundsatz der einfachen Zugänglichkeit wahrt:

- Zusätzliche Mittel für die Bekämpfung einer Abwärtsspirale.

- Offene bzw. unbestimmte Haftungsübernahmen für Notfallskredite betroffener Unter­neh­men, insbesondere EPUs und KMUs.

- Einbeziehung der Rücklagen der Wirtschaftskammer bei der Übernahme dieser Haftungen.

- Stundung“ – das ist auch wichtig! – „von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen für mehrere Monate, als Überbrückung.

- Zinsfreie Kredite mit längerfristigen Tilgungsplänen.“

*****

Das ist genau das, was – auch hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge – die EPUs jetzt belastet. Die wissen nicht, wie sie das nächste Quartal vorausbezahlen können. Was genau diese Unternehmer und Unternehmerinnen belastet, ist, dass sie, wenn sie jetzt einen Aufschub der Zahlung ihrer Sozialversicherungsbeiträge haben, dann den ganzen Brocken vielleicht, wenn es wieder anläuft, im Juli oder im August zahlen können. Das ist genauso eine Liquiditätsschwächung. Da brauchen wir auch längere Zeiträume, um diese Rückstände dann abbauen zu können. Ich bitte Sie darum, in einem gemeinsamen Schulterschluss mit uns diesen Weg zu gehen und bei diesem Antrag mitzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

11.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ergänzung zum wirtschaftlichen Hilfspaket

eingebracht im Zuge der Debatte in der 16. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 396/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) und ein Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) erlassen sowie das Gesetzliche Budgetprovisorium 2020, das Bundesfinanzrahmengesetz 2019 bis 2022, das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (COVID-19 Ge­setz) (102d.B.) – TOP 1

Es herrscht Konsens darüber, dass jetzt sehr rasch ein echter Rettungsschirm für Österreichs Wirtschaft, also für Arbeitgeber_innen und Arbeitnehmer_innen, benötigt wird. Hier müssen alle zusammenhelfen. Das COVID-19 Maßnahmengesetz ist ein erster Schritt dahin. Es geht aber auch darum, eine Abwärtsspirale zu verhindern, deren Folgen auch noch lange nach dem Coronaviruus spürbar sind. Dafür braucht es eine Lösung, die klar vermittelt, dass alles getan wird, um mit geringem bürokratischen Aufwand, für alle Beteiligten, Liquidität bereit zu stellen.

Wie sich die aktuelle Situation darstellt:

Wir werden nicht nur massive Einbrüche in den Umsätzen der KMUs sehen, auch die Produktivität wird darunter leiden. Denn das Produktivitätswachstum ist mitunter auf die Investitionen der Unternehmen zurückzuführen. Investitionsentscheidungen hängen wiederum von der Gesamtnachfrage ab. Diese Nachfrage bricht aber vollkommen ein, wenn das gesellschaftliche Leben auf ein Minimum reduziert wird. Wir können davon ausgehen, dass die Ausbreitung des Coronavirus einen anhaltenden negativen Nach­frageschock erzeugt. Damit könnte es zu einer Abwärtsspirale in der Angebots-Nachfrage-Schleife (supply-demand doom loop) kommen.

Neben den unmittelbaren Ausfällen veranlasst die geringere Nachfrage die Unterneh­men also außerdem, ihre Investitionen zu reduzieren, was zu einem endogenen Rück­gang des Produktivitätswachstums führt. Ein geringeres Produktivitätswachstum führt zu einem weiteren Nachfragerückgang, was wiederum das Produktivitätswachstum senkt. Die schwache Gesamtnachfrage drückt aktuell also auch die Investitionsanreize der Unternehmen. Das bedeutet: Es gibt eine positive Beziehung zwischen Produk­tivitätswachstum und Gesamtnachfrage.

Wir haben es also mit dem Problem zu tun, dass die wegbrechende Nachfrage auch das Angebot zerstört. Insbesondere dann, wenn zahlreiche KMUs durch Liqui­ditäts­probleme nicht überleben. Auch die freigesetzten Arbeitnehmer_innen beziehen kein Einkommen mehr und beeinflussen damit die mittelfristige Gesamtnachfrage negativ. Dieser Effekt hat also auch Implikationen auf die Zeit nach dem Coronavirus.

Was diese Krise besonders herausfordernd macht ist, dass es vorwiegend die KMU-Dienstleistungsbranche betrifft. Denn das Virus bedroht die Wirtschaft zum einen dadurch, dass gewisse Güter nicht mehr oder weniger produziert bzw. angeboten wer­den können. Das heißt, wenn Unternehmen und Beschäftigte wegen des Virus weniger produzieren, helfen auch tiefere Zinsen und Geldschübe nichts. Güter, die sich nicht produzieren lassen, kann auch der Staat nicht ersetzen. Zum anderen aber werden die Menschen aufgrund des Virus eher zuhause bleiben als shoppen zu gehen, Veran­staltungen zu besuchen oder auf Urlaub zu fahren. Was bringt daher zusätzliche Liqui­dität für die, die sich zu Hause in Quarantäne befinden? Verbraucher_innen haben großteils nicht die Möglichkeit, das Geld auch wirklich auszugeben. Das Geld würde nicht der Wirtschaft zu Gute kommen.

Das auf den Weg gebrachte Hilfspaket ist ein Anfang. Aber in dieser Phase muss klar kommuniziert werden, dass alles getan wird, um eine unnötige Vertiefung des wirt­schaftlichen Leids zu verhindern. Daher ist es enorm wichtig sicher zu stellen, dass genügend Liquidität vorhanden ist, und dass auch EPUs und KMUs ausreichend Zugang zu Überbrückungshilfen erhalten. Die aktuellen 4 Mrd. EUR werden in der aktuellen Lage nicht lange ausreichen - auch wenn Teile der 4Mrd. EUR für Haftungen genutzt werden.

Bedenkt man den Umfang des Ausfalles der Wertschöpfung, erkennt man schnell, dass 4Mrd. nur ein erster Schritt sein können. Wir brauchen daher ganz gezielte und treffsichere Maßnahmen, die dazu führen, dass KMUs, als Rückgrat der Wirtschaft, die Möglichkeit haben, die Krise so durchzutauchen, dass es (i ) nicht zu einer Abwärts­spirale kommt, (ii) weniger Arbeitnehmer_innen freigesetzt werden und (iii) jene KMUs im Markt bleiben, die mittelfristig überlebensfähig sind, wenn sie nur die Kostenstruktur strecken können.

Um das sicher zu stellen, muss die österreichische Politik klar kommunizieren, dass genügend Liquidität vorhanden sein wird, whatever it takes.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wir aufgefordert, ergänzend zum COVID-19-Maßnahmengesetz, ein KMU-Notfallspaket zu schnüren, das folgenden Maßnahmen beinhaltet – und dabei den Grundsatz der einfachen Zugänglichkeit wahrt:

•           Zusätzliche Mittel für die Bekämpfung einer Abwärtsspirale.

•           Offene bzw. unbestimmte Haftungsübernahmen für Notfallskredite betroffener Unternehmen, insbesondere EPUs und KMUs.

•           Einbeziehung der Rücklagen der Wirtschaftskammer bei der Übernahme dieser Haftungen.

•           Stundung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen für mehrere Monate, als Überbrückung.

•           Zinsfreie Kredite mit längerfristigen Tilgungsplänen."

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz, Sie sind als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.