11.12

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Bundes­regierung! Ich bin jetzt seit 2006 hier im Hohen Haus, aber es ist mir noch nie so schwer gefallen, hier herunterzugehen und am Rednerpult eine Position zu beziehen.

Ich beginne damit, an alle Menschen in Österreich, die in den letzten 75 Jahren unser Österreich so aufgebaut haben, wie wir es noch vor wenigen Tagen und Wochen vorfinden durften, wirklich zu appellieren, Ruhe zu bewahren und gemeinsam zu ver­suchen, vernünftig einen Weg aus dieser Krise zu finden. Der Herr Bundeskanzler appelliert ja fast täglich vor laufender Kamera, gemeinsam vorzugehen und Zusam­menhalt zu leben. Diesen haben wir bei einem ersten Schritt, wenn es darum geht, Beschäftigung zu sichern, unter Einbindung von ÖGB, AK und der Sozialpartner bei der Kurzarbeit gefunden.

Das ist aber nur ein Schritt für jene Bereiche – Firmen und Beschäftigte –, wo es ab morgen auch möglich ist, Kurzarbeit abzuschließen, wobei aber die Gesundheit nicht gefährdet sein soll. Deshalb ist dieses Hilfspaket mit den 4 Milliarden Euro insgesamt ein wichtiger Schritt, ein erster Schritt, aber es gibt noch viele, viele offene Fragen.

Für viele Betroffene kommt dieses Hilfspaket zu spät. Morgen wird es beim AMS eine Lawine an Menschen geben, die sich arbeitslos melden müssen, die sich unver­schul­det arbeitslos melden müssen. Dieses Paket hat diese Menschen nicht abgeholt, weil sich Firmen gezwungenerweise seit letztem Freitag dazu entschieden haben, abzu­stellen.

Ihr Hilfspaket ist auch dahin gehend unklar, wie es den Einpersonenunternehmen ab morgen geht. Wie geht es den Klein- und Mittelunternehmen mit einer, mit zwei, mit fünf, mit acht Beschäftigten? Der Bereich ist zwar in den 3,6 Milliarden Euro enthalten, Herr Finanzminister, aber wir haben hier noch keine klaren Regelungen. Dieses Hilfspaket geht auch in einem anderen Bereich zu wenig weit, wenn es nämlich darum geht, dass Sie, Herr Vizekanzler, beabsichtigen, das Epidemiegesetz auszuhebeln, indem Sie ein eigenes Gesetz schaffen wollen, das für alle Betroffenen, die jetzt über das Epidemiegesetz abgesichert worden sind, schlechter und völlig ungewiss sein wird – für Unternehmer und Beschäftigte. (Abg. Kickl: Das stimmt!)

Aus diesem Grund hat unser Abgeordneter Leichtfried diesen Abänderungsantrag eingebracht, der Punkte vorsieht, damit das ab morgen klarer wird. Bitte, stimmen Sie diesem Antrag zu! Wir sind in einer Situation, in der alleinerziehende Mütter und Väter, Angehörige von zu Pflegenden, nicht mehr wissen, wie sie ab Montag alles handeln sollen, weil 60 000 Betreuerinnen in der 24-Stunden-Pflege nicht mehr nach Österreich fahren dürfen. Was machen diese Menschen morgen?

Deswegen wird das in unserem Antrag so geregelt. Den Menschen zu Hause ist es egal, ob es im Epidemiegesetz oder – wie jetzt im von uns eingebrachten Antrag – im AVRAG, im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, steht, dass Menschen, die sich zu Hause um ihre zu betreuenden Kinder und Familienmitglieder kümmern, einen Rechtsanspruch auf Entgeltfortzahlung haben und dass die Arbeitgeber diese Entgelt­fortzahlung rückerstattet bekommen. Das ist unser Antrag! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dieses Hilfspaket ist auch noch zu unklar. Frau Arbeitsministerin, ich weiß nicht, wie es jetzt allen in diesem Raum geht, aber unsere Handys laufen von offenen Fragen über. Ja, der Appell „Bleiben Sie zu Hause!“ ist der richtige. Ich bin eigentlich bis zum letzten Freitag immer Optimist gewesen. Ich habe versucht, die Menschen zu beruhigen, die mich angerufen und gesagt haben: Was machen wir jetzt in den Produktionshallen? Was machen wir in den engen Firmenbussen? Was machen wir in den Schlaf­contai­nern auf den Baustellen? Müssen wir jetzt am Montag auf die Baustellen fahren, müs­sen wir am Montag in die Produktionshallen gehen? Frau Arbeitsministerin, wir brauchen hier eine Antwort! Was passiert arbeitsrechtlich? Pönalen, Termindruck – der Staat muss jetzt einspringen! Der Staat muss jetzt dementsprechend das lösen, was der Markt nicht lösen kann! Das ist unser Appell! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage auch ein großes Danke an jene, die jetzt dazu beitragen, dieses System in Österreich weiterlaufen zu lassen, an alle Menschen in der Lebensmittelindustrie, an alle Menschen in Bäckereien, an alle Menschen von der Paket- und Postzustellung, die vor der Türe die Dinge abstellen, die die Menschen jetzt brauchen, an alle, die im öffentlichen Nahverkehr – die Zugbegleiter, die Busfahrer – ihren Dienst tun, an die Lkw-Fahrer. Recht herzlichen Dank!

Abschließend, meine sehr geschätzten Damen und Herren: Wir brauchen in den nächsten Stunden noch viele Lösungen und Antworten. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird es ab morgen in der Früh die Hotline von ÖGB und AK für arbeits­rechtliche Fragen, für alle Fragen, die das Arbeitsverhältnis betreffen, geben, für alle Betriebsrätinnen und Betriebsräte, Betriebe mit Vereinbarungen werden alle Fachge­werkschaften rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Versuchen wir, gemeinsam aus der Krise zu kommen! Gemeinsam schaffen wir es! (Beifall bei der SPÖ.)

11.19

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ger­hard Kaniak. – Bitte.