11.19

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglie­der der Bundesregierung! Sehr geehrte Abgeordnetenkollegen! Liebe Zuseher und Zu­se­herinnen! Die Coronakrise stellt unseren gesamten Staat tatsächlich vor große Heraus­forderungen, und wir Freiheitlichen sind die Letzten, die nicht dabei wären, notwendige Maßnahmen mitzutragen, sofern sie angemessen und vernünftig sind und auch klar kommuniziert werden.

Würden wir heute nichts tun, würde die Infektionswelle über Österreich hinwegrollen. Wie internationale Experten und auch österreichische Thinktanks sagen, wäre inner­halb weniger Wochen die Behandlungskapazität in den österreichischen Spitälern und Intensivstationen erschöpft.

Deshalb ist es durchaus gerechtfertigt, zu harten Maßnahmen zu greifen. Gleichzeitig müssen wir diese Zeit aber auch nutzen, um besonders im Gesundheitssystem und nicht nur auf der wirtschaftlichen Ebene ausreichend Vorkehrungen zu treffen, damit der zu erwartende Patientenanfall, wenn die Coronawelle weiter über Österreich rollt, auch tatsächlich abgewickelt werden kann.

Wir müssen Sicherheit für unsere Bevölkerung schaffen – Sicherheit vor allem auch in dem Sinn, dass wir verlässliche und nachvollziehbare Informationen geben. Das, Herr Bundesminister Anschober, sage ich auch ganz gezielt in Ihre Richtung. Noch vor gut zehn Tagen, am 3. März, wurde im Gesundheitsausschuss ein Antrag von mir abge­lehnt, der eine verpflichtende und transparente Information des Parlaments, der politi­schen Parteien, aber auch der Öffentlichkeit nicht nur über die unmittelbare Situation, sondern auch über die geplanten durchzuführenden Maßnahmen vorgesehen hätte. Das fehlt uns bis heute. Wir bekommen auch heute wieder sehr viele neue Infor­ma­tionen, sehr viele neue Maßnahmen angekündigt, die in den nächsten Tagen bereits greifen sollen, über die wir nicht einmal noch diskutiert haben und die vorab noch gar nicht bekannt waren. So etwas schafft nun einmal Verunsicherung und trägt nicht dazu bei, dass die Bevölkerung diese positive Stimmung, die sie momentan noch hat, auch langfristig weiterträgt.

Was können wir denn noch tun, um unser Gesundheitssystem auf die aktuelle Krise besser vorzubereiten, um diese teuer erkaufte Zeit, die wir haben, besser zu nutzen? Wir brauchen Reservekapazitäten im Spitalsbereich, im medizinischen Bereich. Bun­desländer wie Wien haben ja schon angefangen, entsprechende Notquartiere vorzu­bereiten. Das brauchen wir aus meiner Sicht flächendeckend. Wir brauchen die not­wendige Ausrüstung. Wir wissen jetzt, wie die Krankheit verläuft, welche Gerätschaf­ten, welche Schutzausrüstungen notwendig sind, die wir schleunigst besorgen müssen. (Abg. Meinl-Reisinger: Woher? Woher?) – Ja, das ist eine gute Frage, auf die ich später noch eingehen werde.

Wir müssen auch schauen, dass wir ausreichend Ärzte haben, um diese Einrichtungen zu bespielen. Mir gefällt der Vorschlag sehr gut, dass man bei der ÖGK, der Öster­reichischen Gesundheitskasse, die Chefarztpflicht pausiert und die 300 Chefärzte, die es österreichweit gibt, den Sanitätsdiensten zur Verfügung stellt und man damit unter Umständen auch – in Beorderung als Epidemieärzte – 300 Ärzte zusätzlich auf einen Schlag dem österreichischem Gesundheitssystem zur Verfügung stellen kann.

Wir haben auch in der langfristigen Planung einiges zu tun. In der Vergangenheit wur­den offensichtlich viel zu viele Reservekapazitäten abgebaut. Die Bettenstationen der Heeresspitäler wurden geschlossen. Die Feldambulanzen wurden auf eine einzige einsatzbereite reduziert, wobei wir vor 30 Jahren noch 27 hatten. Das heißt, wir sind von unseren staatlichen Institutionen her auf ein derartiges Minimum heruntergefahren, dass wir aus dieser Krise lernen und jetzt zeitnah die richtigen Maßnahmen setzen müssen, um diese Kapazitäten für den nächsten Coronavirus oder für die nächste Krise wieder zu installieren.

Es gibt auch viele andere Gesetze, die wir noch anpassen müssen. Mit ein Grund für die heutige Sitzung ist, dass das Epidemiegesetz aus 1950 einfach nicht ausreichend definiert war, um für solche modernen Gegebenheiten tatsächlich vollumfänglich alles abzudecken. Es gibt im Bereich der Arzneimittelversorgung ganz gravierende gesetzliche Defizite. Wir brauchen dringend die Anpassung des Rezeptpflichtgesetzes und des Notfallparagrafen, damit die Apotheker auch weiterhin vollkommen unbüro­kratisch und auch dann, wenn kein Arzt verfügbar ist oder kurzfristige Versorgungs­schwierigkeiten durch den Großhandel eintreten, handeln können – was alles die letzten Tage bereits passiert ist, das kann ich Ihnen aus der Praxis aus meinem eige­nen Betrieb berichten.

Dazu brauchen wir eine neue gesetzliche Regelung. Die Anträge wurden am 3. März im Gesundheitsausschuss behandelt. Wir behandeln sie nächste Woche in der Ple­narsitzung. Wir werden schauen, dass wir sie an die aktuelle Situation anpassen, dass wir das Mitgehen für alle politischen Fraktionen so leicht wie möglich machen und die Handlungsfähigkeit in unserem Gesundheitssystem und im Bereich der Arzneimittel­versorgung aufrechterhalten.

Dazu gehört auch die Änderung des Apothekengesetzes, was die Öffnungszeiten, zum Beispiel, die Zustellmöglichkeiten anbelangt. Dies ist ein Thema, das schon seit zwei Jahren unter den Fraktionen diskutiert wird, aber das Gesetz liegt im Ministerium und ist noch immer nicht auf den Weg gebracht.

Zu guter Letzt möchte ich betonen, dass es ganz, ganz wichtig für uns alle ist – vor allem für diejenigen, die die politischen Entscheidungen treffen und die so harte Maß­nahmen, wie sie jetzt anstehen, rechtfertigen müssen –, dass wir transparente und klare Informationen darüber haben, wie die Infektionsausbreitung in Österreich tat­sächlich ist.

Dazu ist es zwingend notwendig, dass die Testung auf den Coronavirus in die Breite geht und der in Österreich seit über einer Woche verfügbare Schnelltest tatsächlich einmal eingesetzt wird und flächendeckend alle Erkrankten, alle Verdachtsfälle über­prüft werden, und dass diejenigen aus Gesundheitsberufen, aus den Sicher­heits­diensten, die in Hausquarantäne geschickt worden sind, weil in ihrem Umfeld ein Erkrankungsfall war, nicht nur unmittelbar getestet werden, sondern auch nach zwei, drei Tagen, nach der klassischen Inkubationszeit noch ein zweites Mal getestet wer­den, sobald der Test eine höhere Aussagekraft hat. Wenn solche Personen ein zweites Mal negativ sind, dann müssen sie natürlich wieder für ihre Dienste zur Verfügung stehen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann stehen wir in kürzester Zeit ohne wesentliche Mitarbeiter und ohne die entsprechenden Personalressourcen in unseren versorgungsrelevanten Systemen da.

Genau bei diesen Personen möchte ich mich abschließend bedanken, bei all jenen, die die Ordnung, die Versorgung in unserem Land aufrechterhalten, den Ärzten, den Apo­thekern, den Pflegerinnen und Pflegern, den PolizistInnen und Justizwachebeamten, bei allen, die an vorderster Front unter Einsatz ihrer persönlichen Gesundheit dafür Sorge tragen, dass die öffentliche Ordnung und die Versorgung aufrechtbleiben.

Abschließend möchte ich noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aussetzung der EU-Beiträge Österreichs bis zur Bewältigung der ‚Corona-Krise‘“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich auf Euro­päischer Ebene dafür einzusetzen, dass die EU-Beiträge Österreichs bis zur Bewäl­tigung der ,Corona-Krise‘ ausgesetzt werden können.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Erwin Angerer, Mag. Gerhard Kaniak

und weiterer Abgeordneter

betreffend Aussetzung der EU-Beiträge Österreichs bis zur Bewältigung der „Corona-Krise“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag (396/A) der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errich­tung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) und ein Bundes­gesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) erlassen sowie das Gesetzliche Budgetprovisorium 2020, das Bundesfinanzrahmengesetz 2019 bis 2022, das Bundesgesetz über die Ein­richtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz geändert werden (COVID-19 Gesetz) (102 d.B.) in der 16. Sitzung des Nationalrates am 15.03.2020

Die Ausbreitung des Coronavirus zeitigt enorme negative Auswirkungen auf die heimi­sche Wirtschaft und dabei insbesondere auf die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie auf die Ein-Personen-Unternehmen (EPU) quer durch alle Branchen.

Die drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund des Coronavirus in Österreich stellen viele Kleinstunternehmer sowie kleine und mittlere Unternehmen vor existenzielle Probleme infolge von Umsatzeinbußen und Nachfragerückgängen.

Hier bedarf es einer dringenden Unterstützung der betroffenen Unternehmen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Österreich die exorbitanten Mittel zur Bewältigung dieser Herausforderung aufbringen kann. Ein Beitrag der EU wäre - abgesehen von den bisherigen Zusagen, die eher symbolischen Charakter haben - angezeigt. Daher sollten die EU-Beiträge bis zur Bewältigung der „Corona-Krise“ aus­gesetzt werden.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten und damit im Sinne der notwendigen Unterstützung der heimischen Unternehmen stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich auf Euro­päischer Ebene dafür einzusetzen, dass die EU-Beiträge Österreichs bis zur Be­wältigung der „Corona-Krise“ ausgesetzt werden können.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.