15.37

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ich möchte die nächsten Minuten natürlich auf das Bildungsthema und die schulischen Themen in diesem Gesetzespaket lenken.

Wenn wir aus dieser Krise, aus dieser furchtbaren Krise, etwas Positives mitnehmen wollen, dann ist es eines: dass viele in unserer Gesellschaft jetzt gesehen haben und erfahren durften, was Pädagoginnen und Pädagogen an jedem einzelnen Tag in Österreichs Schulsystem leisten. Dafür möchte ich einmal ganz klar und explizit Danke sagen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Prinz.)

Leider kommen aber auch gerade in dieser Krisensituation die Schwächen, vor allem auch die Versäumnisse der letzten Bundesregierung, ganz klar zum Tragen, nämlich gerade die Aspekte, die mit der Digitalisierung und dem Homeschooling zusammen­hängen. Viele Mails bekomme ich dazu, dass es ganz schwierig ist, diese Situationen zu handeln, und auch in meinem Umfeld erlebe ich es immer wieder. Es gibt wirklich viele Familien, in denen jetzt beide Elternteile zu Hause im Homeoffice sind, über Computer arbeiten, Teleworking machen und auch noch ihre eigenen Kinder unter­richten und begleiten, mit ihnen üben und lernen sollen. – Das geht sich einfach nicht aus.

Es gibt auch ganz viele Kinder in unserem Land, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und deren Eltern nicht ausreichend Deutsch können, um sie zu beschulen, sie zu unterstützen, mit ihnen zu lernen. Diese Kinder haben es wirklich schwer, sie gehen in dieser Situation komplett unter.

Es gibt aber auch viel zu viele Kinder – die Studien und Umfragen sprechen von 20 Prozent –, die von ihren Pädagoginnen und Pädagogen jetzt nicht erreicht werden können und keine Möglichkeit haben, dem digitalen Unterricht, dem Fernunterricht beizuwohnen, mitzutun und zu lernen, weil sie die Hard- und Software nicht haben und die Eltern einfach nicht das Geld haben, um diese Dinge anzuschaffen. Es ist schon bezeichnend, dass es wieder einmal zivilgesellschaftliches Engagement braucht, dafür, dass diese Kinder heute zum ersten Mal Computer bereitgestellt bekommen.

In der aktuellen Situation schlägt der unterschiedliche familiäre Hintergrund der Kinder auf die Lernmöglichkeiten einmal mehr voll durch, weil dieser ausgleichende Faktor Schule fehlt, denn es macht einen Unterschied, ob Kinder in Ruhe zu Hause im Kinderzimmer lernen und arbeiten können oder in einer kleinen Wohnung mit ein, zwei, drei, mehreren Geschwistern sitzen, auf engstem Raum, und sich vielleicht auch noch einen Computer teilen müssen.

Es macht einen Unterschied, welche Schulausbildung die Eltern haben und ob sie damit bei schulischen Fragen unterstützen können. Es darf nicht sein, dass die finan­ziellen Möglichkeiten der Familie und die Vorbildung der Eltern den Schulerfolg bestimmen, und es ist unsere verdammte Pflicht, liebe Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür zu sorgen, dass kein Kind in so einer Krise zurückbleibt. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Abg. Steinacker.)

Niemand hier in diesem Saal, in der Bevölkerung oder sonst wo ist schuld daran, dass wir uns in dieser Krisensituation befinden, weder Sie, Herr Minister, noch die Maturan­tinnen und Maturanten, die jetzt zu Hause sitzen und nicht wissen, wie es mit der eigenen Matura weitergeht. Der große Unterschied zwischen den Maturanten, den Familien oder den Alleinerzieherinnen, die mit den Kindern jetzt zu Hause sitzen, und Ihnen, Herr Bundesminister, ist aber folgender: Sie haben es in der Hand, Entschei­dungen zu treffen. In dieser Situation ist es zu wenig, einfach nur auf Sicht zu fahren. Es braucht Krisenmanagement, es braucht die Entwicklung von Szenarien, es braucht die Ausarbeitung und die Planung dieser Szenarien, und es braucht auch die Kom­munikation dazu; die Eltern sollen wissen, woran sie sind, sie brauchen Planungs­sicherheit. Natürlich sind die Coronainfektionszahlen die Grundlage dazu – das ist schon klar –, aber es braucht Szenarien, es braucht Planung und es braucht Infor­ma­tion der Eltern, der Lehrer und der Schülerinnen und Schüler darüber, was in den nächsten Wochen passiert, denn der Druck in der Familie ist enorm, Herr Bundes­minister. Es ist nicht einfach, das alles so durchzustehen, und daher brauchen wir da Lösungsmöglichkeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt eine Reihe davon: Es gibt Ideen zu stufenweisem Hochfahren, zu einer Art Schichtbetrieb in der Schule. Es gibt auch die Idee, jene Kinder, die jetzt nicht teil­haben können, früher hereinzuholen. Es muss natürlich auch auf die Schularten abge­stellt werden, denn Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II sind es gewöhnt, sich Lernstoff selbst zu erarbeiten und am Computer zu arbeiten, aber ein sieben­jähriger Volksschüler einfach nicht, und darauf muss man auch entsprechend achten.

Wie gesagt, eine Stresssituation gepaart mit Unsicherheit ist nicht sehr viel länger tragbar und wir brauchen die Szenarien, wie es da weitergehen kann.

Sie, Herr Bundesminister, bekommen heute allein durch die Mehrheit, die Sie in den Regierungsfraktionen haben, eine Ausstattung mit weitgehenden Vollmachten, die in einer normalen Situation nicht sein dürfen. Vollmacht und Macht heißt aber auch Verantwortung übernehmen und es heißt auch, dass Sie Rechenschaft ablegen müssen, hier in unserem Hohen Haus, und wir werden diese Rechenschaftspflichten sehr genau und intensiv einfordern.

Und was uns ganz wichtig ist: Die Schwächsten in unserer Gesellschaft, jene Men­schen, die von dieser Krise ganz besonders betroffen sind, dürfen nicht unter die Räder kommen und die Ungleichheiten nicht verschärft werden. – Danke schön. (Bei­fall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

15.43

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.