12.45

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geschätzten Kolleginnen, liebe Kolle­gen! Wir erleben mit der Coronakrise eine dramatisch schwere Zeit. Wir erleben menschliche Tragödien, wir erleben wirtschaftliche Tragödien. Ich habe es jetzt aber nicht als ganz okay empfunden, wie der Herr Klubobmann der ÖVP das noch einmal dramatisiert hat. Wenn er von den Särgen und Massengräbern in Amerika spricht, dann ist das genau das Gegenteil von dem, was wir uns von einer Regierungspartei erwarten. Wir sollten Sicherheit verbreiten und nicht Angst schüren, aber offensichtlich ist das eine Strategie, die hier ganz massiv angewendet wird. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bei der Bewältigung dieser Krise – und ich sage das auch ganz offen – wurde sehr viel richtig gemacht, aber es sind auch Fehler passiert. Das Außerkraftsetzen des Epidemiegesetzes war ein folgenschwerer Fehler. (Beifall bei der SPÖ.) Natürlich ist das Instrument der Kurzarbeit ein ganz wichtiges Instrument für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber wir müs­sen bei einer nächsten Gelegenheit dann auch über die sehr vielen Arbeitslosen reden, die nicht die Chance haben, in Kurzarbeit zu gehen. Wir haben jetzt einen Stand erreicht – 600 000 Menschen –, der untragbar ist, meine sehr geschätzten Damen und Herren, und da gehören Maßnahmen gesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden auch beobachten, dass aufgrund des Wegfalls des Epidemiegesetzes vor allen Dingen Hunderte KMUs und Tausende EPUs diese Krise nicht überleben werden. Sie werden in den Ruin getrieben, sie haben in Wirklichkeit überhaupt keine Chance. Und wir haben immer davor gewarnt: Wir haben Anträge eingebracht, doch Ausnah­men zu kreieren, Ausnahmen für Unternehmen zu machen, die 20, 25 Arbeitnehmer beschäftigen. Das haben Sie vom Tisch gewischt, und daher haben Sie auch die Verantwortung für dieses Desaster, das uns jetzt ins Haus steht, zu übernehmen, meine sehr geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch zwei Punkte anführen, weil wir dazu Entschließungsanträge ein­bringen: Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Staatshilfe für die AUA gibt es ja intensive Medienberichte. Jawohl, die AUA ist ein Traditionsbetrieb in Österreich, der unterstützt gehört – aber mit ganz klaren Bedingungen, meine sehr geschätzten Damen und Herren. Erstens einmal müssen die Arbeitsplätze abgesichert sein, und es darf keine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen geben. Wir haben ja 2008 schon einiges erlebt, als die Lufthansa die AUA sozusagen geschenkt bekommen hat und noch ein bisschen eine Mitgift mitgenommen hat. Wir brauchen ja nur die Damen und Herren der Tyrolean Airways zu fragen, wie sie damals behandelt wurden; Kollektiv­verträge wurden ausgetauscht und abgewertet. Da wurde eine Art Friss-Vogel-oder-stirb-Politik betrieben und allen, die sich aufgeregt haben, gesagt: Ihr könnt eh das Unternehmen verlassen!

Wenn Geld fließt, wenn der Staat da Geld in die Hand nimmt, meine sehr geschätzten Damen und Herren, dann muss es auch eine Beteiligung des Staates beziehungsweise über seine Gesellschaften bei der AUA oder bei der Lufthansa geben.

Die Arbeitslosigkeit ist angesprochen worden: 600 000 Arbeitslose. Wir werden heute einen Entschließungsantrag mit der Aufforderung einbringen, das Arbeitslosengeld zu erhöhen. Wir haben das schon einmal gemacht, das wurde hier weggewischt. Ich habe, ehrlich gesagt, die grünen Kolleginnen und Kollegen nicht verstanden – das stand nämlich immer auf der Agenda des Grünen Klubs, bevor ihr in der Regierung wart, meine sehr geschätzten Freundinnen und Freunde der grünen Fraktion. 55 Prozent Nettoersatzrate ist einfach zu wenig. Wir sind da im Europavergleich im letzten Drittel, und es sollte jeder einmal versuchen, mit durchschnittlich 900 Euro Stempelgeld, also Arbeitslosenunterstützung, auszukommen. Viele der arbeitslosen Menschen sind am Ende ihrer Kraft, sie schaffen das nicht mehr, und darum werde ich dann diesen Ent­schließungsantrag einbringen.

Ich möchte nur noch einen Punkt anbringen – der Ordner meiner Fraktion schaut schon (Heiterkeit des Abg. Vogl) –: Wir haben als ÖGB den Coronatausender ins Spiel gebracht. Diese Onlinepetition hat jetzt bereits sage und schreibe 50 000 Unter­schrif­ten. 50 000 Menschen haben unterschrieben, denn es ist wirklich zu wenig, nur zu klatschen und zu sagen: Mei, das ist super, liebe Freundinnen und Freunde, wie ihr das in den Geschäften, wie ihr das in den Produktionsbetrieben macht! Unsere Hel­din­nen und Helden wollen sich um das Dankeschön auch etwas kaufen können. Wenn der Staat 38 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, dann müssen auch unsere Corona­helden davon profitieren, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun darf ich folgende Entschließungsanträge einbringen:

Entschließungsantrag  

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass ein ‚COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge) rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird.“

*****

Und der zweite Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag  

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beteiligung der Republik Österreich an der AUA“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert im Zuge der Rettung der AUA eine Beteiligung der Republik anzustreben, um damit Arbeitsplätze sowie den Standort Wien/Schwechat auch mittel- und langfristig abzusichern“.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

12.51

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Rainer Wimmer

Genossinnen und Genossen

betreffend Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG-NR zur aktuellen Situation

Die größte Gesundheitskrise unserer Zeit fordert enormen Tribut. Nicht nur die gesund­heitlichen Auswirkungen, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen, sind derzeit noch gar nicht zu beurteilen.

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt sind jetzt schon dramatisch. Die Arbeitslosenzahlen explodieren, in den letzten Wochen ist die Arbeitslosigkeit in Österreich um rund 200.000 Personen gestiegen. Die Regierung darf nicht tatenlos zu­schauen, wie die Arbeitslosigkeit im Land steigt und steigt und immer mehr Menschen in existenzbedrohende Situationen schlittern.

Die Aussage von Bundeskanzler Kurz: „Koste es was es wolle!“ kann sich ja wohl nicht nur auf UnternehmerInnen beziehen, sondern muss in gleicher Weise auch für Arbeit­nehmerInnen gelten.

Arbeitslose Menschen und ihre Familien brauchen jetzt eine bessere finanzielle Ab­sicherung, weil es in Zeiten wie diesen sehr schwer bzw. unmöglich ist, wieder Arbeit zu finden. Umso wichtiger sind jetzt rasche Hilfen, welche die wirtschaftlichen bzw sozi­alen Bedrohungen durch Corona für die ArbeitnehmerInnen abfedern.

Zum einen ist es daher notwendig, dass die Dauer des Anspruches auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung um die Zeit der Krise verlängert wird. Es soll also in die­ser Krisenzeit niemand zB vom Arbeitslosengeld in die Notstandshilfe abrutschen, damit eine geringere Leistung erhalten, obwohl zur Zeit niemand auf einen Job vermittelt werden kann.

Zum zweiten ist es notwendig zu allen Leistungen der Arbeitslosenversicherung, also Arbeitslosengeld, Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge, einen Zuschlag in der Höhe von 30 Prozent auszuzahlen. Damit ist eine Nettoersatzrate in der Höhe von 70 Prozent des bisherigen Einkommens gesichert.

Dieser Zuschlag ist auch für die Zeit nach Corona ganz wichtig, denn auch nach der COVID-Krise wird die Arbeitslosigkeit hoch bleiben – es braucht ausreichend Bin­nennachfrage, damit insbesondere die kleinen Unternehmen, der Wirt ums Eck, der Friseur etc. wieder Nachfrage haben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass ein „COVID-19-Ausgleich“ für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge) rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rainer Wimmer

Genossinnen und Genossen

betreffend Beteiligung der Republik Österreich an der AUA

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG-NR zur aktuellen Situation

Begründung

In der Finanzkrise vor gut 10 Jahren spannte Österreich einen 100-Milliarden-Euro-Schutzschirm über die heimischen Banken. Man gewährte den Banken dabei soge­nanntes Partizipationskapital. Damit war die Republik nicht Miteigentümer an den Banken, sondern erhielt für die Rettung bloß eine fixe Verzinsung. Als die Banken gerettet waren, stiegen die Aktienkurse wieder kräftig. Hätte sich die Republik damals an den Banken beteiligt, hätte der Staat Milliarden an Euro beim Wiederverkauf ihrer Anteile erhalten. Geld, das wir jetzt in der Corona-Krise dringend brauchen würden. Stattdessen lief es so wie immer: Gewinne wurden nach der Krise privatisiert, Verluste sozialisiert. Insgesamt kostete die Republik die Bankenrettung rund 12 bis 15 Milliar­den Euro.

Für Finanzhilfen in einem größeren Ausmaß (z.B.: ab 100 Millionen Euro) sollte man einen Corona-Beteiligungsfonds gründen und einen Teil des Nothilfefonds von 15 Milliarden Euro dafür bereitstellen. Diesen Weg gehen bereits Deutschland, aber auch die Stadt Wien gemeinsam mit der WKÖ Wien.

Warum?

•           Weil im Zweifel nach dem Motto „Koste es, was es wolle“ große, system­rele­vante Unternehmen jedenfalls gerettet und durch die Krise gebracht werden sollen, um Arbeitsplätze zu erhalten.

•           Weil wir nicht wollen, dass Gewinne in guten Zeiten privatisiert werden, in schlechten Zeiten die Verluste der Unternehmen von der Allgemeinheit (Republik) getragen werden und die Republik dann nicht einmal von der Wertsteigerung der Unternehmen nach der Krise profitieren kann.

•           Weil auch die Deutschen diesen Weg beschreiten: In Deutschland wurde ein milliardenschwerer Beteiligungsfonds gegründet, der es Deutschland ermöglicht, sich an Unternehmen zu beteiligen. Der konservative Wirtschaftsminister Peter Altmaier dazu im Spiegel: „keine Zeit für ideologische Debatten“.

Beginnen wir mit der AUA:

Wir unterstützen die Rettung der AUA, aber eine Standortgarantie (die leider zumeist ein recht rasches Ablaufdatum hat) reicht hier nicht aus. Es kann nicht sein, dass Österreich jetzt die AUA mit zinslosen Krediten rettet, die AUA dadurch gut durch die Krise kommt, sich neu aufstellen kann und die Gewinne in zwei, drei Jahren darauf ausschließlich an die Lufthansa und andere Aktionäre gehen. Nein – die Republik soll sich an der AUA bzw. Lufthansa beteiligen. Durch eine aktive Beteiligung der Republik könnten zudem auch Umweltinteressen in der mittelfristigen Unternehmensstrategie eine stärkere Berücksichtigung finden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert im Zuge der Rettung der AUA eine Beteiligung der Republik anzustreben, um damit Arbeitsplätze sowie den Standort Wien/Schwechat auch mittel- und langfristig abzusichern“.

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Präsidentin Doris Bures: Beide Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.