12.56

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglie­der der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Angst ist ein schlech­ter Ratgeber, und eine Politik der Angst ist eine schlechte Politik. Genau das ist es aber, was Bundeskanzler Kurz mit seiner Androhung von 100 000 Toten proklamiert, genau das ist es, was Klubobfrau Maurer mit der Angst vor der zweiten Welle pro­klamiert. Das ist nicht die Art von Politik, die ich gut finde.

Ich trete dafür ein, dass wir eine Politik auf Basis von Fakten und Daten machen. Genau in diesem Zusammenhang haben wir bereits vor acht Wochen, am 27. Februar, einen Entschließungsantrag gestellt, dass wir eine lückenlose und transparente Infor­mation des Parlaments und der Öffentlichkeit haben wollen, der im Ausschuss auch von allen drei Oppositionsparteien mitgetragen wurde.

Kollege Schallmeiner sagt, dass dieser Antrag damals schon obsolet war. Ich muss ihn korrigieren: Dieser Antrag war vorausschauend, denn zwei Wochen später sind wir zusammengekommen und haben Notfallmaßnahmen ohne ausreichende Datenbasis beschlossen. Zwei Wochen, in denen wir keine validen Daten hatten, sind vergangen; das, was vonseiten der Regierung vorgelegt wurde, war ein Konvolut der Angst. Man hat die Bilder und die Zahlen aus China vorgelegt, die erschütternd und angstein­flößend waren. Man hat die ersten Entwicklungen in Italien hochstilisiert, die auch erschütternd waren. Man hat es aber nicht geschafft, valide Daten für Österreich zu haben und man hat nicht die richtigen Vergleiche, man hat keine einheitliche Daten­basis geschaffen, um diese Daten auch richtig zu analysieren und daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten.

Das, was danach passiert ist, war auch nicht unbedingt ein leuchtendes Beispiel an Transparenz. Es wurden dann Zahlen geliefert, und ich möchte durchaus auch positiv hervorheben, dass sich Herr Bundesminister Anschober sehr bemüht hat, Zahlen zu liefern. Wenn aber das Bundesministerium für Gesundheit andere Zahlen liefert als das ihm untergeordnete Institut, die Ages, und der Innenminister, das Innenministerium wiederum andere Zahlen liefern, dann frage ich mich: Wo ist da die Transparenz und Nachvollziehbarkeit? Auf welcher Zahlenbasis werden Entscheidungen getroffen? (Bei­fall bei der FPÖ.)

Wenn die Zahl der Testungen um mehrere Tausend Tests von einem Tag auf den anderen schwankt, wenn die Zahl der Toten einmal so und einmal anders erhoben wird, wenn die Kriterien für eine Testung von einem Tag auf den anderen variieren, wenn die gezählten Infektionen mittlerweile sogar auch nach anderen Kriterien beurteilt oder nicht beurteilt werden, dann muss ich sagen, wir haben keine vergleichbare Da­tenbasis, uns fehlt eine Grundlage für solide politische Entscheidungen.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen wir ganz klare Zahlen haben. Wir sehen ganz deutlich, welche wirtschaftlichen Konsequenzen diese Maßnahmen haben. Selbst aus der passiven Beobachtung, wie es unser Vizekanzler Kogler ja bereits gesagt hat, stel­len wir fest, dass die Infektionsraten schon seit fast drei Wochen unter den Gene­sungsraten liegen. Wir sehen, dass die Auslastung in unserem Spitalsbereich maximal bei 20 Prozent war, das heißt, dass unser Gesundheitssystem mehr als robust für die durch die Coronakrise anfallenden zu behandelnden Patienten ist.

Aber welche Maßnahmen wurden gesetzt? Welche Schlüsse wurden daraus gezogen? Wann wurde denn der Normalbetrieb oder ein möglicher Normalbetrieb zur Behand­lung der restlichen Patienten wiederhergestellt? Angedacht war das für diese Woche, in der Praxis durchgeführt wird es wahrscheinlich nächste Woche – und das, obwohl wir schon seit über zwei Wochen wissen, dass die Behandlungskapazitäten in unseren Spitälern nicht genutzt werden. Ja, hätte man das gemacht, was Sie selber ange­kündigt haben, was Kanzler Kurz vor drei Wochen angekündigt hat: Testen, testen, testen! Machten wir tatsächlich jede Woche eine breit angelegte Querschnitttestung und hätten wir ein aktuelles Lagebild der tatsächlichen Infektionen in Österreich, dann hätten wir auch schon vor zwei Wochen die Spitäler wieder für normale Patienten öffnen können, dann müssten wir nicht immer zwei Wochen auf die Evaluierung der Maßnahmen warten und schauen, ob mehr Kranke anfallen oder nicht, sondern dann wüssten wir anhand des Infektionsstatus schon vorab, ob wir mehr Infizierte haben werden oder nicht und hätten dann zwei Wochen Zeit, bis diese in einen Zustand geraten, in dem sie dann möglicherweise intensivmedizinische Betreuung brauchen. Das heißt, wir könnten proaktiv agieren und müssten nicht passiv reagieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir bleiben unserer Linie treu: Wir fordern weiterhin Transparenz und Fakten. Deshalb bringe ich auch einen weiteren Entschließungsantrag ein, der die Entscheidungs­grund­lage für die Regierung bilden und auch uns in Zukunft Entscheidungen erleichtern soll:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Obduk­tion, Dokumentation und Information zu COVID-19“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass

- ab sofort eine lückenlose Obduktion aller COVID-19-Verdachtsfälle stattfindet,

- eine Dokumentation der Vorerkrankungen, der Behandlungsmethoden und Krank­heitsverläufe aller COVID-19-Verdachtsfälle stattfindet,

- ein lückenloses System der Datenerfassung und der Kommunikation aller Todesfälle und Verdachtsfälle im Zusammenhang mit COVID-19 stattfindet,

- die damit in Zusammenhang stehende Informationspolitik durch das Gesundheits­ministerium gegenüber der Öffentlichkeit regelmäßig, d.h. täglich, zu erfolgen hat.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Redezeit ist leider zu Ende. Ich könnte noch sehr, sehr viel sagen und sehr viele Wünsche äußern, die ich dem Gesund­heits­minister zum Teil auch persönlich übermittelt habe, und sehr viele weitere Fragen stellen. Ich hoffe, dass wir die Transparenz und die Antworten, die wir einfordern, be­kommen werden und dass in Zukunft evidenzbasierte und nicht angstgetriebene Ent­scheidungen getroffen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

13.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Obduktion, Dokumentation und Information zu COVID-19

eingebracht in der 24. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 22. April 2020 im Zuge der Debatte zu Top 2) Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 380/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betref­fend lückenlose Informationspolitik zu den Bedrohungsszenarien durch die Corona-Virus-Seuche in Österreich und Europa (61 d.B.)

Es vergeht kaum ein Tag, wo nicht die ganze Propagandamaschine der schwarz-grünen Bundesregierung mit Bekanntgaben auf die österreichischen Bürger nieder­saust. Bei sehr vielen Auftritten hat man aber den Eindruck, dass durch die Fülle an Inhalten mehr zugedeckt, als informiert werden soll. So ist etwa die Frage der tat­sächlich festgestellten Todesfälle „durch“ oder „mit“ einer Coronavirus-Infektion bis heute nicht intersubjektiv beantwortet, weder vom Gesundheitsministerium noch von den Heerscharen der Expertenstäbe, die sich die österreichische Bundesregierung der­zeit hält.

Dabei steht von Seiten der Medizin und Forschung längt fest, dass das Lebensalter und gewisse gesundheitliche Vorschädigungen die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs mit einer Coronavirus-Infektion erheblich erhöhen. So ist etwa das Risiko eines komplizierten Krankheitsverlaufs bei einem Lebensalter jenseits des 80 Lebensjahrs weitaus höher als bei Personen mittleren Lebensalters. Grund dafür ist ein allgemein schwächer werdendes Immunsystem und fehlende Kraftreserven, wenn eine akute Erkrankung, wie der Ausbruch von COVID-19 eintritt.

Dazu kommen als risikoreiche Grunderkrankungen für Personen jedes Lebensalters Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hoher Blutdruck, Diabetes, Atemwegserkrankungen, all­ge­meine Schwächung des Immunsystems wie bei Krebserkrankungen oder Leber-und Nierenerkrankungen. Auch die Einnahme spezifischer Medikamente, die allerdings meistens mit der Behandlung einer risikoreichen Grunderkrankungen im Zusam­men­hang stehen, erhöht die potentielle Gefahr eines schweren Verlaufs in Folge einer Coronavirus-Infektion.

Das Gesundheitsministerium geht bei der Zuordnung von Todesfällen von einer Alters­struktur aus, die auf ein stark erhöhtes Risiko nach Altersgruppen schließen lässt. Die Altersgruppe 0-24 Lebensjahre hat keinen Todesfall zu verzeichnen, die Alterstruppe 25-34 Lebensjahre einen Todesfall (0,25 %), die Altersgruppe 35-44 Lebensjahre keinen Todesfall, die Altersgruppe 45-54 Lebensjahre vier Todesfälle (1,0%), die Alters­gruppe 55-64 Lebensjahre 13 Todesfälle (3,3%), die Altersgruppe 65-74 Lebensjahre 73 Todesfälle (18,4%), die Altersgruppe 75-84 Lebensjahre 151 Todesfälle (38,0%) und die Alterstruppe älter als 84 Jahre hat 155 (39%) Todesfälle zu verzeichnen. Damit stammen 77 Prozent oder mehr als Dreiviertel der Verstorbenen aus der Altersgruppe der über 74 jährigen Erkrankten.

Wie schwer sich etwa selbst die schwarz-grüne Bundesregierung mit der genauen Analyse und Dokumentation von schweren Krankheitsfällen und in weiterer Folge Todesfällen tut, zeigen die parallel geführten Statistiken über Verstorbene in Folge des Coronavirus. Mit Datum 19. April 2020 wies das grüne Gesundheitsministerium eine Gesamtzahl von 397 Personen, die an COVID-19 verstorben sind aus, das ÖVP-Innen­ministerium sprach dagegen von 452 Toten durch das Virus. Dazu kommt, dass nur in wenigen Fällen Obduktionen an den als COVID-19-Todesopfern dokumentierten Ver­storbenen durchgeführt worden sind.

In diesem Zusammenhang ist daher für weitere Maßnahmen des Gesundheitssystems, aber auch für das Verhalten der Bevölkerung in Gesellschaft und Wirtschaft unbedingt notwendig, dass man im Zusammenhang mit der Obduktion von Verstorbenen bei COVID-19-Verdachtsfällen und bei der Dokumentation der Vorerkrankungen und Krankheitsverläufe ein lückenloses System der Datenerfassung und der Kommu­nikation auf der Grundlage absoluter Transparenz durch das Gesundheitsministerium gemeinsam mit den nachgeordneten Dienststellen der Gesundheitsbehörden auf Länder- und Bezirksebene sowie unter enger Kooperation mit den Krankenanstalten und dem niedergelassenen Bereich in der Gesundheitsversorgung schafft.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass

-           ab sofort eine lückenlose Obduktion aller COVID-19-Verdachtsfälle stattfindet,

-           eine Dokumentation der Vorerkrankungen, der Behandlungsmethoden und Krankheitsverläufe aller COVID-19-Verdachtsfälle stattfindet,

-           ein lückenloses System der Datenerfassung und der Kommunikation aller To­desfälle und Verdachtsfälle im Zusammenhang mit COVID-19 stattfindet,

-           die damit in Zusammenhang stehende Informationspolitik durch das Gesund­heitsministerium gegenüber der Öffentlichkeit regelmäßig, d.h. täglich, zu erfolgen hat.

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Hechenberger. – Bitte.