13.42

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Wir sind jetzt in der sechsten Woche, in der in Österreichs Schulen kein Unterricht mehr stattfindet. Nach enormem Druck seitens der Opposition, seitens der Landeshauptleute und seitens vieler, vieler Schulpartner in diesem Land gab es gestern endlich eine Ankündigung unseres Bundeskanzlers zum Thema Schulen und Kindergärten: Es gibt einen konkreten Plan! (Zwischenruf des Abg. Taschner.) Auf Nachfrage der JournalistInnen, wie dieser denn aussehen würde, hieß es dann: Die Schulen sollen ab 15. Mai stufenweise öffnen.

Ich muss Sie leider enttäuschen, ein Datum ist noch lange kein konkreter Plan. 1,1 Millionen Schülerinnen, Schüler, Eltern und auch Lehrerinnen und Lehrer wissen immer noch nicht Bescheid, wie die nächsten Wochen vonstattengehen sollen. Die großen Fragen sind: Welche Kinder welcher Schultypen, welcher Schulstufen dürfen zuerst in die Schule? Wie schauen die Klassen aus? Wird geteilt oder in Gruppen unterrichtet? Wird regional differenziert? Ist das schulautonom zu entscheiden? Wer bestimmt das? Wer ist ausgenommen? Wer gehört bei den Kindern selbst, aber auch bei den Pädagoginnen und Pädagogen und in den Familien zu den Risikogruppen? Wie soll der Schulalltag funktionieren, nach welchen Spielregeln, nach welchen Hygienevorschriften? Soll an den Schulen und gleichzeitig mittels Distancelearning unterrichtet werden? Welche Fächer sollen unterrichtet werden? Wie viel Stoff soll vermittelt werden? – Dazu gäbe es noch viele andere Fragen.

Wir haben in der letzten Sitzung hier im Hohen Haus Bundesminister Faßmann einen hohen Vertrauensvorschuss gegeben, um auf diese vielen Fragen rasch reagieren zu können. Er hat eine große Verordnungsmacht bekommen und damit auch eine große Verantwortung übertragen bekommen, um rasch fakten- und evidenzbasiert Lösungen für Österreichs Schulen zu erarbeiten.

Was haben wir jetzt? – Ein Datum, das vier Wochen in der Zukunft liegt, und keine Erläuterungen dazu. Dabei liegen die Möglichkeiten ja auf der Hand, und wir haben auch aus der Wissenschaft eine Menge an Optionen mitbekommen. Ein Stufenplan wäre angebracht: die Jüngeren zuerst in die Schulen zu holen, vor allem die Ab­schlussklassen zuerst in die Schulen zu holen und dann stufenweise die anderen nachziehen zu lassen; die Konzentration auf die Hauptfächer zu legen, um in einer Art Schichtbetrieb Unterricht in kleinen Gruppen zu ermöglichen.

Es gibt viele Modelle. Wir wissen – das ist ganz klar –, kein Modell wird wirklich perfekt sein und diese Art des Unterrichts darf auch nicht zum Normalzustand werden. Wir sind in einer Ausnahmesituation, aber Fakt ist, wir brauchen einen Plan (Abg. Taschner: Der kommt!) und wir müssen ins Tun kommen. Wir müssen den Eltern, den Schü­lerInnen und PädagogInnen und auch den Kindergärten endlich Planungssicherheit geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie groß der Druck ist, zeigt uns einmal mehr eine Studie, die erst heute veröffentlicht wurde: Über 50 Prozent der Eltern tun sich laut der neuen Ifes-Studie mit dem Heimunterricht wirklich schwer, 28 Prozent der Kinder sind mit den Onlineaufgaben völlig überfordert und ein Viertel der Kinder hat keinen Zugang zu einem Computer oder einem Tablet. Machen wir also endlich einen Plan, damit Österreichs Schulen schrittweise wieder aufgesperrt werden können!

Ich darf dazu einen Entschließungsantrag einbringen und danke den Kollegen der NEOS und der Freiheitlichen für die gute überparteiliche Kooperation, um das Beste für 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler immer im Auge zu haben.

Er lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Hermann Brückl, MA, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stufenplan zur Öffnung der Schulen und Kindergärten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert am 24. April 2020 endlich einen detaillierten Stufenplan zur schrittweisen Normalisierung des Schul- und Kindergartenbetriebs, be­ginnend in der ersten Maihälfte, vorzulegen, der insbesondere für alle Schulstufen, Schultypen und alle Schülerinnen und Schüler verbindliche Daten für den jeweiligen Schulbeginn festlegt, und der Hygiene-  und koordinierte Ablaufpläne sowie individuelle Lösungen für Risikopersonen berücksichtigt. Wenn es einen Plan zum Hochfahren der Wirtschaft, des Sports oder der Kultur gibt, darf auf die Kinder nicht vergessen werden. Familien, Kinder und Jugendliche brauchen endlich eine Perspektive, transparente In­formation und einen klaren Fahrplan, zur raschen Wiederaufnahme des Schulbetriebs und des Regelbetriebs an Kindergärten.“

*****

(Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

13.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid, Hermann Brückl, MA, Mag.a Mar­tina Künsberg Sarre,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stufenplan zur Öffnung der Schulen und Kindergärten

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1, Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG-NR zur aktuellen Situation

Seit 16.3.2020 stehen die Volksschulen, NMS, AHS-Unterstufen und Sonderschulen nur mehr für jene Schülerinnen und Schüler offen, deren Eltern außer Haus erwerbs­tätig sein müssen und deren Kinder zu Hause nicht betreut sind, oder für jene Schü­lerinnen und Schüler, deren Eltern aus anderen persönlichen Gründen die Betreuung zu Hause „nicht bewerkstelligen können“, wie es auf bmbwf.gv.at heißt.

Dass das Lernen zu Hause in dieser speziellen Zeit trotzdem einigermaßen funktio­niert, ist allerdings nicht den vom BMBWF gegebenen Rahmenbedingungen zu ver­danken, sondern der Einsatzbereitschaft, dem Ideenreichtum und vieler zusätzlicher investierter Stunden und Ressourcen von Pädagoginnen und Pädagogen, Schüle­rinnen und Schülern, sowie Eltern. Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sie nicht beim Erarbeiten des Unterrichtsstoffs unterstützen können und die keinen Zugang zu einem Notebook, Drucker und Internet haben, werden durch Heimunterricht benach­teiligt. Dass damit die Ungleichheit im Bildungssektor verstärkt wird, ist weitreichend bekannt.

Dennoch hat es mehr als vier Wochen gedauert, bis das Ministerium endlich angekündigt hat, bis zu 12.000 Notebooks und Tablets an Schülerinnen und Schüler der Bundesschulen (AHS, BMHS) zu verleihen, die bisher mangels Rechner nicht am Heimunterricht teilnehmen konnten. Für Kinder und Jugendliche an den Pflichtschulen (Volksschulen, neue Mittelschulen), also jene, die die Unterstützung besonders drin­gend benötigen, ist das seitens des Bundes allerdings nicht vorgesehen. Die Situation wird weiter verschärft, da jegliche Perspektive fehlt, wie und wann Schülerinnen und Schüler wieder „normal“ in die Schule gehen können. Dass Bildungsminister Faßmann diese Schülerinnen und Schüler im Stich lässt und sich nicht zuständig fühlt, ist mehr als enttäuschend.

Die Bundesregierung hat bisher einen Plan für das Hochfahren der Wirtschaft und die schrittweise Wiederöffnung der Geschäfte vorgelegt und in der letzten Woche wurde ein Plan für das Hochfahren des Sports vorgelegt. Die Menschen wissen nun, wann sie wieder beispielsweise Tennis oder Golf spielen dürfen, ab wann sie wieder ins Museum gehen können. Was in den nächsten Wochen mit den Kindern passiert, ob sie dieses Jahr noch in die Schule oder Kindergarten dürfen, weiß aber bisher niemand. Viele Eltern und auch Lehrerinnen und Lehrer sind nach wie vor mit viel Einsatz und Engagement dabei, das Beste aus der Situation zu machen. Es braucht endlich für Eltern und Kinder einen konkreten Plan und eine Perspektive, wann und vor allem wie eine schrittweise Öffnung der Schulen und Kindergärten erfolgen wird. Vor allem mit der Öffnung der Geschäfte und dem schrittweisen Hochfahren der Wirtschaft werden immer mehr Familien wieder Kinderbetreuung in Anspruch nehmen müssen. Für viele Eltern, besonders für Alleinerziehende, ist es schwierig und nicht mehr länger zu­mutbar, Heimunterricht und Erwerbstätigkeit zu vereinbaren.

Das trifft natürlich vor allem auf die Jüngsten zu: während Oberstufen Schülerinnen und Schüler mit dem „distance-learning“ relativ gut zu Rande kommen, geht es bei Volksschülerinnen und Volksschülern nicht nur um die Betreuungsfrage, sondern auch um den fehlenden Unterricht in den Klassenzimmern und direkte und unmittelbare Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer, die fehlt. Und nicht zuletzt: auch Kinder und Jugendliche brauchen Sozialkontakte, sie vermissen ihre Freundinnen und Freunde. Viele Kinder leiden zudem häufig an beengten Wohnverhältnissen. Experten warnen vor den Folgen, die die Isolation auf die Kinderpsyche haben können, bis hin zum Problem steigender Gewalt.

Selbstverständlich gilt es gesundheitliche Risiken einer Schulöffnung abzuwägen und epidemiologische Faktoren beim Erstellen eines Stufenplans zu berücksichtigen.

Auch Sorgen von Eltern, die ihr Kind etwa wegen eines gefährdeten Familienmitglieds nicht so bald wieder in die Schule schicken möchten, müssen ernst genommen werden. Hier braucht es natürlich individuelle Lösungen um Risikogruppen – sowohl unter den Lehrerinnen und Lehrern, als auch den Eltern und Kindern – zu schützen. Eine schrittweise Schulöffnung muss mit Schutzmaßnahmen und Hygieneplänen gut begleitet werden. Sollten Corona Fälle an Schulen oder Kindergärten auftreten braucht es klare Ablaufpläne, verlässliche Ansprechpartner und ein koordiniertes Vorgehen der Behörden und Ministerien.

Andere Länder zeigen jedoch, dass es sehr wohl möglich ist, einen solchen Plan für das Wiederöffnen der Schulen, vorzulegen. In Dänemark sind Kinderkrippen, Kin­dergärten und Schulen bis zur 5. Klassen seit letzter Woche wieder geöffnet. Hier gibt es detaillierte Hygienepläne an jeder Schule, um die Infektionsgefahr gering zu halten. Auch in Norwegen öffnen die Schulen diese Woche stufenweise. In Island sollen ab dem 4. Mai alle Schulen und auch Universitäten wieder zum Normalbetrieb zurück­kehren. Maximal 50 Personen dürfen sich dort in einem Raum aufhalten. In Frankreich werden ab 11. Mai Bildungseinrichtungen als Erste wieder öffnen. Die Schulen in Schweden waren ohnehin nie geschlossen.

In Deutschland empfahl die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, unter bestimmten Voraussetzungen, sobald wie möglich zuerst Grundschulen und die Se­kundarstufe I schrittweise wieder zu öffnen. In einer in der letzten Woche ver­öffentlichten Stellungnahme plädieren die Wissenschafterinnen und Wissenschafter darauf, sich auch auf Abschlussklassen zu konzentrieren. Das deutsche Bildungs­minis­terium erarbeitet mit den Bundesländern gemeinsam den Stufenplan zur Öffnung. Ziel ist es Kinder, die im Herbst in eine neue Schulform wechseln, zu unterstützen, damit sie im Vergleich zu anderen nicht im Lernstoff zurückbleiben und dadurch einen Start­nachteil haben. Fokus sollte vor allem auf Schwerpunktfächern wie Deutsch, Mathe­matik und lebenden Fremdsprachen gelegt werden.

Auch Unterricht in gestaffelter Form, könnte dazu beitragen, dass der Unterricht zunächst in kleineren Gruppen (etwa zum Beispiel mit rund fünf Schülerinnen und Schülern) gestartet wird. So könnten Sicherheitsabstände eingehalten werden, jedes Kind hätte zumindest einen Tag pro Woche Unterricht. Dieses Modell könnte helfen, die Kinder wieder an den regulären Unterricht zu gewöhnen und Eltern schrittweise zu entlasten. Denkbar wäre etwa auch die Wiederaufnahme des Unterrichts regional zu staffeln und Schulen dort unter Begleitung von Schutzmaßnahmen schrittweise zu öffnen, wo das Infektionsgeschehen sehr gering ist.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert am 24. April 2020 endlich einen detaillierten Stufenplan zur schrittweisen Normalisierung des Schul- und Kindergartenbetriebs, beginnend in der ersten Maihälfte, vorzulegen, der insbesondere für alle Schulstufen, Schultypen und alle Schülerinnen und Schüler verbindliche Daten für den jeweiligen Schulbeginn festlegt, und der Hygiene-  und koordinierte Ablaufpläne sowie individuelle Lösungen für Risikopersonen berücksichtigt. Wenn es einen Plan zum Hochfahren der Wirtschaft, des Sports oder der Kultur gibt, darf auf die Kinder nicht vergessen werden. Familien, Kinder und Jugendliche brauchen endlich eine Perspektive, transparente Information und einen klaren Fahrplan, zur raschen Wiederaufnahme des Schul­betriebs und des Regelbetriebs an Kindergärten.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.