16.01

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Regierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und geschätzte Zuschauer zu Hause! Über das Fundament der österreichischen Wirtschaft wurde schon geredet: 60 Prozent des Umsatzes, 24 Milliarden Euro Investitionen und zwei Millionen Men­schen bekommen durch die Klein- und Mittelbetriebe in Österreich Arbeit. Ich möchte daher etwas ansprechen, das noch nicht angesprochen wurde, nämlich dass ich den Ansatz dieser Maßnahmen vor allem für Kleinbetriebe und für EPUs für falsch halte, und zwar aus zwei wichtigen Gründen.

Der erste Grund ist: Es handelt sich dabei nicht um eine Förderung, die einem Klein­betrieb auf die Sprünge helfen soll, sondern es handelt sich um einen Schadenersatz basierend auf einer gesetzlichen Verordnung, der den Auswirkungen dieser Covid-19-Epidemie entgegenwirken soll. Das Epidemiegesetz hätte das gut gelöst. Wir hätten organisatorisch keinen Aufbau von zusätzlichen Strukturen gebraucht, die bei Interessenvertretungen angesiedelt sind, die eigentlich nicht öffentliches Geld zu verwalten hätten, sondern als Serviceleistung den Unternehmen jetzt ihre Rücklagen aus den Mitgliederbeiträgen zur Verfügung stellen könnten. Bevor wir über die Arbeiter­kammer reden, sollten wir in diesem Moment lieber über die Wirtschaftskammer reden.

Das Zweite ist der Härtefallfonds, wie er in Österreich genannt wird; ich finde schon diese Semantik bezeichnend. In Deutschland heißt er Soforthilfe, ist zwei- bis dreimal so groß, wird unbürokratisch und gestuft nach Anzahl der Mitarbeiter ausbezahlt und verfügt wirklich über eine Summe, mit der die Klein- und Mittelbetriebe in dieser Pandemie überleben können. Was in Österreich passiert, ist zu spät, zu wenig und zu bürokratisch. (Beifall bei der SPÖ.) Nicht einmal Experten können den Klein- und Mittelbetrieben erklären, wie die Anträge zu stellen sind und welche Rechtsgrundlage zur Verfügung zu stellen ist. Das geht nicht, das können sich die Unternehmen nicht leisten.

Sie sagen, 500 beziehungsweise 1 000 Euro am Anfang. – Frau Ministerin, bei allem Respekt, das ist zynisch! Mit diesem Geld kann niemand überleben. Damit kann ein Betrieb, und sei er noch so klein, nicht einmal seine Fixkosten decken und schon gar nicht kann er sich einen Steuerberater leisten, der ihm dann sagt, was er nicht be­kommt oder was er vielleicht zurückzahlen muss; von 1 000 Euro 350 Euro, weil der erste Schritt angerechnet wurde. – Das sind Dinge, die nicht gehen.

Wenn der Herr Bundeskanzler sagt: Wir fahren wieder hoch!, dann wünsche ich ihm viel Glück, denn er wird als Politiker keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen, nichts hochfahren, und wenn es die Betriebe in der Zwischenzeit nicht mehr gibt, weil sie die Liquidität nicht gehabt haben, um zu überleben, und zwar unverschuldet – und das ist ein ganz wichtiger Punkt –, dann werden wir die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen haben, wie wir mit dem Notstand umgehen, wie wir mit Sozialhilfe umgehen und wie wir mit Existenzen, die zerstört wurden, umgehen werden.

Deshalb glaube ich, dass wir als Politiker ein bisschen mehr Demut haben sollten, uns um die Rahmenbedingungen, die wirklich relevant sind, kümmern sollten und nicht sagen sollten – wie auch der Vizekanzler –: Hinterher sind wir alle gescheiter! – Ich würde sagen, das Epidemiegesetz, das vor 100 Jahren noch unter Kaiser Franz Joseph geschaffen wurde, hätte viele dieser Dinge bereits geregelt; das Geld wäre dort, wo es hingehört, der Schaden wäre ersetzt worden, und wenn dann aufgesperrt wird, geht es weiter.

Wenn Sie als Regierung Zeit brauchen – was klar ist, weil wir nicht wissen, wie diese Epidemie weitergeht –, dann müssen wir diese Zeit den Betrieben als Schaden abgelten, und zwar so, wie es im Epidemiegesetz gestanden ist. Ich wünsche mir für Betriebe mit bis zu 25 Mitarbeitern wirklich eine Rückabwicklung dieser Maßnahme und eine Integration in das Epidemiegesetz. Das geht auch bei anderen Dingen wie Ischgl und Seilbahnen, warum soll es bei den Kleinbetrieben, die das Rückgrat der Wirtschaft in Österreich sind, nicht gehen? Ich wünsche mir das aus dem einzigen wichtigen Grund: weil Sie die Einnahmen aus den Steuern dann brauchen werden, um Ihre 38 Milliarden Euro zu bedienen.

Ich darf noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Er­lass/Reduktion von Geschäftsraummieten durch die BIG“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort wird aufgefordert die BIG – als Vermieterin von Geschäftsraumflächen – umgehend anzuweisen, Betrieben, über die ein Betretungsverbot verhängt wurde, eine entsprechende Reduktion bzw. einen kompletten Erlass der Geschäftsraummieten für die Zeit des Betretungsverbotes zu gewähren, da eine bloße Stundung – wie sie die BIG derzeit praktiziert – aus Sicht des Justizministeriums nicht gesetzeskonform ist.“

*****

Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gabriela Schwarz: Aber die BIG gehört zum Finanzministerium!)

16.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter

Genossinnen und Genossen

betreffend Erlass/Reduktion von Geschäftsraummieten durch die BIG

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 12 Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Bericht über die Situation und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen der österreichischen Wirtschaft ("KMU im Fokus 2019"), vor­ge­legt von der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (III-102/99 d.B.)

Begründung

Die Frage, ob Betriebe, die von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen sind, Miete für ihre Geschäftsräumlichkeiten zahlen muss oder nicht, beschäftigt zehn­tau­sende österreichische Unternehmen - deren Existenz gewaltig bedroht ist - seit mittler­weile 4 Wochen. In diesen 4 Wochen ist es der Bundesregierung weder gelungen eine einfache einheitliche gesetzliche Klarstellung zu erreichen noch konnte man in der Regierung zu einer einheitlichen Rechtsauffassung kommen.

Was das Justizministerium und das Wirtschaftsministerium in dieser Frage tun, kommt einem beispiellosen Schildbürgerstreich gleich.

Das Justizministerium ist der Auffassung, dass die Geschäftsraummieten nicht zu zahlen sind. Dazu führte die Justizministerin im Nationalrat schon am 20. März 2020 aus:

„Zur konkreten Frage der Geschäftsraummiete: Es stellen sich berechtigterweise viele Menschen die Frage, was nun mit den Geschäftsräumlichkeiten passiert, ob man die Miete nun zahlen muss. Ich möchte deswegen hier klarstellen, dass nach der Rechts­auffassung des Bundesministeriums für Justiz – natürlich unvorgreiflich der unab­hängigen Rechtsprechung – für den Fall, dass der Geschäftsraummieter seine Ge­schäftsräumlichkeiten aufgrund der gesetzten Maßnahmen derzeit nicht nutzen kann, bereits vorgesorgt ist.

Das ABGB sieht nämlich sehr wohl gesetzliche Regelungen vor. Man kann nun natürlich auf akademischer Ebene darüber streiten, ob § 1104 oder § 1096 zur An­wendung kommt. Klar ist – deswegen möchte ich das aus Sicht des Justizministeriums feststellen –, dass aus unserer Sicht, aus der Sicht der Rechtsauffassung des Justiz­ministeriums, feststeht, dass der Vermieter das Risiko dafür trägt, dass der Ge­schäfts­raum wegen außerordentlicher Zufälle nicht gebraucht werden kann. Dem Mieter einer Geschäftsräumlichkeit steht daher je nach dem Grad der Einschränkung eine Mietzinsminderung oder auch ein gänzlicher Mietzinsentfall zu. Das hängt natürlich von den Umständen des Einzelfalls und auch vom Vertrag ab, aber es war mir wichtig, das einfach klarzustellen.“

Diese Auffassung des Justizministeriums teilt das Wirtschaftsministerium offenbar nicht. Anders ist nämlich nicht zu erklären, dass die Bundesimmobiliengesellschaft des Bundes (BIG) in dokumentierten Fällen betroffene Mieter, die den Erlass des Miet­zinses für den Zeitraum des behördlichen Betretungsverbots begehren, mit dem Ange­bot einer Stundung abspeist. Die BIG – und damit das Wirtschaftsministerium als Eigentümervertreter – verwehren betroffenen Unternehmen den Erlass des Mietzinses, obwohl aufgrund der Rechtsauffassung des Justizministeriums ein Mietzinsentfall ge­boten wäre. Stattdessen verweist die BIG (zu 100% im Eigentum der Republik) auf die Coronahilfsfonds für Unternehmen und empfiehlt den betroffenen Betrieben sich das Geld für die Miete über diese Fonds zurückzuholen.

Die SPÖ hat zur Klärung dieser unglaublich bedrückenden Fragen für zehntausende Unternehmen in Österreich bereits einen Antrag auf authentische Interpretation des § 1104 ABGB im Budgetausschuss des Nationalrats eingebracht. Dieser Antrag würde zu einer Freistellung von Miet- und Pachtzahlungen der betroffenen Unternehmen führen und wäre daher auch für die BIG bindend. Leider wurde dieser aber mit Stim­men der Regierungsfraktionen vertagt. Die beispiellosen chaotischen Zustände dieser Nicht-Regelung gipfeln in der Tatsache, dass offenbar nicht einmal das Wirtschafts- und das Justizministerium hier eine einheitliche Rechtsaufassung vertreten. 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort wird aufgefordert die BIG - als Vermieterin von Geschäftsraumflächen - umgehend anzuweisen, Betrieben, über die ein Betretungsverbot verhängt wurde, eine entsprechende Reduktion bzw. einen kompletten Erlass der Geschäftsraummieten für die Zeit des Betretungsverbotes zu gewähren, da eine bloße Stundung – wie sie die BIG derzeit praktiziert – aus Sicht des Justizministeriums nicht gesetzeskonform ist.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.