16.55

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Wertes Hohes Haus! Ich bin jetzt seit circa einem halben Jahr Abgeordnete hier im Nationalrat, und schon nach eigentlich so kurzer Zeit frage ich mich, warum Gesetze manchmal nicht ganz ernst genommen zu werden scheinen und nicht wirklich hundertprozentig umgesetzt werden. (Ruf bei der ÖVP: Falsche Fraktion!) Das Klimaschutzgesetz ist ein ganz konkretes Beispiel dafür.

In den letzten Wochen ist kaum Regen gefallen, in der Folge gab es in ganz Österreich Waldbrände und haben wir auch besorgniserregend niedrige Grundwasserpegel – und es ist erst Mitte April.

Bereits jetzt können wir, wenn wir die letzten Monate heranziehen, sagen: Das Jahr 2020 ist um 2,6 Grad heißer als der Durchschnitt der letzten Jahrzehnte. Und trotzdem – trotzdem! – nimmt man das Klimaschutzgesetz anscheinend nicht ernst. Ich frage mich: warum? – Das Gesetz ist einfach erklärt: Es schreibt Jahr für Jahr vor, um wie viel wir die Treibhausgasemissionen reduzieren müssen, und – das ist ein wich­tiger Punkt – es schreibt auch vor, was passieren muss, wenn wir diese Klimaziele nicht einhalten: Dann muss man binnen sechs Monaten einen Plan dafür vorlegen, wie man nachschärft.

Genau das ist unter der damaligen Umweltministerin Köstinger nicht passiert, sie hat auf die sechs Monate gepfiffen und hat sich auf Kosten unserer Zukunft Zeit gegönnt – und wenn es etwas gibt in der Debatte um die Klimakrise, wovon wir Unmengen haben, dann ist es natürlich Zeit!

Ein Jahr später – es lief immer noch der Prozess um die Sofortmaßnahmen – zeigte auch die Bilanz des Folgejahres: Auch 2018 haben wir die Klimaziele überschritten. Wahrscheinlich, auch das kann man jetzt schon sagen, werden wir sie auch 2019 überschreiten. Und auch die jetzige Umweltministerin von den Grünen hat die sechs Monate nicht eingehalten – würde man die Frist berechnen – und hat die allerletzte Frist für die Sofortmaßnahmen aufgrund der verfehlten Klimaschutzziele sausen las­sen.

Wir haben daraufhin gestern angekündigt, einen Antrag einzubringen, das nicht so stehen zu lassen, und siehe da, heute Morgen, um 9 Uhr Früh, kam ein Mail und die Maßnahmen aufgrund der verfehlten Klimaschutzziele wurden heute Früh präsentiert. Das zeigt uns vor allem, wie wichtig parlamentarische Kontrolle ist und warum wir der ÖVP und den Grünen auch beim Thema Klimaschutz ganz genau auf die Finger schauen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt noch ein Satz zu den geplanten Sofortmaßnahmen, die heute vorgestellt wurden: Da werden jetzt großteils Maßnahmen aufgezählt, die es schon gibt. Da redet man vom Plastiksackerlverbot, davon, dass es Tempo 140 auf der Autobahn nicht mehr gibt – all das sind Maßnahmen, die es schon gibt. Frau Minister, das ist wirklich ambitionslos. (Beifall bei der SPÖ.) Der WWF nennt es „mutlos“, Global 2000 einen „Tiefpunkt“. Der Punkt ist: Ob diese Maßnahmen, die Sie vorgestellt haben, reichen, wissen wir ja gar nicht, wissen Sie auch selbst nicht – das steht ja in dem Papier. Obwohl das Gesetz genau das vorschlägt, ist nicht klar, ob wir mit den Maßnahmen, die heute vorgestellt werden, überhaupt das Gesetz einhalten können. Ich frage: Wieso schreiben wir dann solch konkrete Maßnahmen in ein Gesetz, wenn es ganz offenbar wurscht ist, ob wir sie dann einhalten oder nicht?

Es darf von ÖVP und Grünen, die sich das Erreichen der CO2-Neutralität bis 2040 auf die Fahnen heften, ganz einfach nicht zu viel verlangt sein, das eigene Klima­schutz­gesetz einzuhalten, daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „wo blei­ben die Sofortmaßnahmen für den Klimaschutz?“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Ergebnisse der Verhandlungen gemäß § 3 Absatz 2 des Klimaschutzgesetzes umgehend zu quantifizieren und zu veröffentlichen und entsprechende Sofortmaßnahmen im Sinne des Klimaschutzes zu setzen, mit denen die Zielerreichung sichergestellt wird.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.00

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend wo bleiben die Sofortmaßnahmen für den Klimaschutz?

eingebracht im Rahmen der Debatte über den Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 395/A(E) der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sofortmaßnahmen zur Einhaltung der nationalen Klimaziele (90 d.B.)

Am 29. Jänner 2019 wurde bekannt, dass die Jahreshöchstmengen nach dem Klima­schutzgesetz im Jahr 2017 erstmals überschritten wurden. Statt dem Zielwert von 49,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent wurden in diesem Jahr 51,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent emittiert1.

Für diesen Fall hält das Klimaschutzgesetz im § 3 Abs. 2 fest, dass „Bei Überschreiten der gemäß völkerrechtlichen oder unionsrechtlichen Verpflichtungen für die Republik Österreich ab dem Jahr 2013 geltenden Höchstmengen von Treibhausgasemissionen […] auf Basis einer Evaluierung der gesetzten Maßnahmen umgehend weitere Ver­handlungen über die Stärkung bestehender oder Einführung zusätzlicher Maßnahmen zu führen [sind]. Diese Verhandlungen sind jeweils binnen sechs Monaten abzu­schließen.“

Am 13. März 2019 hat das Nationale Klimaschutzkomitee zu dieser Frage getagt. Dabei wurde seitens des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus die Ansicht vertreten, dass zuerst eine Evaluierung der bestehenden Maßnahmen erfolgen solle, und erst nach einer Evaluierung die gesetzlich vorgeschriebene Frist von 6 Monaten zu laufen beginne.

Demgegenüber lauten die Erläuterungen zu § 3 Abs. 2 des Klimaschutzgesetzes allerdings:

„Weitere Verhandlungen über die Stärkung bestehender oder Einführung zusätzlicher Maßnahmen sind dann zu führen, wenn die für die Republik Österreich ab dem Jahr 2013 jeweils geltenden, völkerrechtlich oder unionsrechtlich verbindlichen Höchst­men­gen überschritten werden. Dabei hat eine Evaluierung bereits gesetzter Maßnahmen stattzufinden. Diese weiteren Verhandlungen während einer Verpflichtungsperiode sind jeweils binnen sechs Monaten abzuschließen.“

Und § 28 Abs. 3 des Finanzausgleichsgesetzes besagt:

„Für den Fall, dass die für die Republik Österreich unionsrechtlich oder völkerrechtlich geltenden Höchstmengen von Treibhausgasemissionen überschritten werden oder nur aufgrund von Ankäufen von Klimaschutz-Zertifikaten (§ 29) nicht überschritten werden, setzen Bund und Länder umgehend verstärkte Maßnahmen aus der Besorgung ihrer jeweiligen kompetenzrechtlichen Aufgaben, um die Einhaltung dieser Höchstmengen mit nationalen Maßnahmen sicherzustellen.“

Dennoch hat es bis Oktober 2019 gedauert, bis eine Evaluierung vorgelegt wurde, ganze 10 Monate nachdem die Überschreitung der Jahreshöchstmengen aus 2017 bekannt wurde. Nach Rechtsmeinung des damaligen BMNT begann erst zu diesem Zeitpunkt die 6-monatige Frist für die Verhandlungen über „Sofortmaßnahmen“. Der Prozess wird also über ein Jahr dauern bis einmal feststeht, welche Gegen­maß­nahmen getroffen werden. Spätestens am 10. April 2020 sollten die Verhandlungen, 6 Monate nach Vorstellung der Evaluierung, jedoch abgeschlossen sein.

In der Zwischenzeit wurden auch die Emissionszahlen für das Jahr 2018 veröffentlicht, und wieder wurde die Jahreshöchstmenge von 48,9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent um 1,6 Mio. Tonnen überschritten2. Würde der Prozess für die Erarbeitung von Gegen­maßnahmen nun wieder so lange dauern wie zuletzt, würde das Ergebnis erst im Jahr 2021 vorliegen, wenn die Ziele für 2020 schon hinfällig sind.

Im Umweltausschuss vom 10. März 2020 hat die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie aber angekündigt, die Ver­hand­lungen für die Zielverfehlung des Jahres 2018 in den Verhandlungsprozess für die Zielverfehlung des Jahres 2017 zu integrieren. Ein diesbezüglicher Antrag wurde von ÖVP und Grünen jedoch abgelehnt.

Spätestens mit 10. April 2020 hätten nun aber die Verhandlungen abgeschlossen sein sollen, und das Nationale Klimaschutzkomitee wäre zu informieren gewesen. Die Be­kanntgabe einer Maßnahmenliste, die lediglich die Auflistung bisheriger Aktivitäten auf Bundes- und Landesebenen ohne Quantifizierung der Wirksamkeit darstellt, wurde am 22.4.2020 an die Mitglieder des Nationalen Klimaschutzkomitees übermittelt. In der Einleitung heißt es:

"Da nur wenige der Maßnahmen quantifiziert wurden, kann auf Basis der vorliegenden Informationen keine konkrete Einschätzung zur Wirkung der Maßnahmen und ihren Beitrag zur Zielerreichung bis 2020 getroffen werden." Und weiters wird nicht der Anspruch erhoben „mit den gelisteten Maßnahmen allein eine Zielwerteinhaltung in den Jahren 2019 und 2020 sicherzustellen.“

Genau das sehen die Regelungen im Klimaschutzgesetz und Finanzausgleichsgesetz aber vor.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Ergebnisse der Verhandlungen gemäß § 3 Absatz 2 des Klimaschutzgesetzes umgehend zu quantifizieren und zu veröffentlichen und entsprechende Sofortmaßnahmen im Sinne des Klimaschutzes zu setzen, mit denen die Zielerreichung sichergestellt wird.“

1 http://www.umweltbundesamt.at/news_190129

2 https://umweltbundesamt.at/aktuell/presse/lastnews/news2020/news_200203/

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Ich begrüße Frau Ministerin Gewessler, sie gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Minister.