10.04

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr ge­schätzten Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Haubner ganz am Anfang und jetzt gerade Kollege Melchior haben nicht vergessen, auch dem Bundeskanzler zu danken. Meine sehr geschätzten Damen und Herren, die­se Huldigungen sollten langsam ein Ende finden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Wöginger: Warum?) Diese Überlegenheit, diese Unfehlbarkeit, dieses Messiashafte immer wieder hervorzustreichen wird – unter Freunden gesagt – langsam lächerlich und peinlich, meine sehr geschätzten Damen und Herren (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS), vor allem deshalb, weil der Bundeskanzler nicht unfehlbar ist: Mittlerweile – seitdem wir gestern beim Frühstück im Radio davon erfahren haben – wissen wir von einem Proto­koll, das zeigt, wie die Strategie angelegt worden ist. Ich würde da also ein bisschen vorsichtiger sein.

Immer wenn die ÖVP erwischt wird, kommt als erster Punkt: Das ist eine Fälschung. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Kickl.) Das ist eine Fälschung, da ist irgendetwas passiert. – Wenn man dann ein bisschen nachforscht und es dann ein bisschen genauer wird, wird relativiert und gesagt: Na ja, das ist nicht so gemeint ge­wesen.

Lasst es mich ganz deutlich sagen: Angst zu verbreiten, Unsicherheit zu schüren, Men­schen absichtlich in Unsicherheit zu treiben, Ängste mit Bildern noch zu verstärken – das sind Praktiken, die wir von Diktaturen kennen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.) Wer so etwas bewusst macht, handelt niederträchtig, liebe Freundinnen und Freunde! (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Wenn dieses Protokoll des Krisenstabes wirklich keine Fälschung ist, dann hat der Bundeskanzler Handlungsbedarf. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Gestern hat es wieder einmal eine Pressekonferenz gegeben – ich zähle ja nicht mehr mit, weil es täglich welche gibt –, und der Bundeskanzler hat als großes Ziel festgelegt, die Deregulierung der Wirtschaft voranzutreiben. Wenn man das hört, dann weiß man schon, das ist ein bisschen gefährlich, denn wir kennen ja die Liste: Gold Plating und so, Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden infrage gestellt, mehr als drei Wochen Urlaub werden infrage gestellt. (Abg. Steinacker: Geh!) Da müssen wir ein wenig hellhörig sein, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Deregulierung bedeutet, den Arbeitneh­merschutz herunterzufahren, wenn Deregulierung bedeutet, Arbeitnehmerrechte einzu­schränken, dann werden Sie mit ganz großem Widerstand von uns zu rechnen haben, geschätzte Damen und Herren der Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns ein aktuelles Beispiel an: Was im Moment bei den Fluggesellschaften Ryanair und Laudamotion abgeht, geschätzte Damen und Herren, ist menschenver­achtend! Da werden Mitarbeiter erpresst, es werden Lohn- und Gehaltsverzicht sowie Verzicht auf alle Sozialleistungen mit der Drohung, dass sonst der Standort geschlos­sen wird, angeordnet. Meine Damen und Herren, wenn das unter Deregulierung ver­standen wird, dann werden wir der Bundesregierung einen Baum aufstellen! (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die 38 Milliarden Euro sind heute schon angesprochen worden: Jawohl, das ist wahn­sinnig viel Geld, und es ist auch gut so, dass man der Wirtschaft unter die Arme greift. Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung, Sie haben aber auf die wich­tigsten Akteure vergessen, Sie haben auf die vielen Kolleginnen und Kollegen verges­sen, die dieses Land am Laufen halten, die Tag und Nacht ihre Arbeit leisten, damit wir alles bekommen, was wir zum Leben brauchen. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Hier wird zwar applaudiert, hier wird zwar gelobt, es wird ihnen zwar auch virtuell auf die Schulter geklopft, aber, Kolleginnen und Kollegen, vom Schulterklopfen können die Leute nicht runterbeißen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir, der Österreichische Gewerkschaftsbund, haben daher vorige Woche eine Initiative gestartet, um den Menschen auch Geld zukommen zu lassen. Wir haben bisher mehr als 100 000 Unterschriften für den Coronatausender gesammelt. Wenn ihr die Leute schon bisher vergessen habt, meine sehr geschätzten Damen und Herren der Regie­rungsfraktionen, dann holt das jetzt bitte nach! Die Menschen brauchen das ganz drin­gend.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Satz sagen! Der Herr Bundeskanzler hat ja in den letzten Tagen überall verkündet: Am 1. Mai werden wir unser Land wieder hochfahren. – Das ist kein Versprecher, wir wissen ja, dass der Kanzler sehr gut for­muliert und genau weiß, was er sagt. In der letzten Plenarsitzung hat er das drei Mal genau so formuliert. Es hat dann noch irgendein Interview von einem deutschen Sen­der gegeben, in dem er das wieder so formuliert hat. Ich möchte das wirklich in aller Klarheit sagen, ich möchte das, weil ich jetzt die Gelegenheit habe, ein für alle Mal festhalten: Herr Bundeskanzler, Sie fahren am 1. Mai gar nichts herunter! – Entschuldi­gung, Sie fahren gar nichts hoch! (Heiterkeit.) Sie fahren am 1. Mai gar nichts hoch! Am 1. Mai ist Staatsfeiertag, meine Damen und Herren, und den lassen wir uns auch vom Bundeskanzler nicht madigmachen! (Beifall bei der SPÖ.) Wir lassen uns diesen Feiertag auch nicht wegnehmen, so wie es beim Karfreitag passiert ist. Da ist man kalt­schnäuzig drübergefahren - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Rainer Wimmer (fortsetzend): Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Das war nicht nur eine gute, das war eine sehr gute Rede! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.09

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rag­ger. – Bitte.