11.01

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Bundesminister Anschober, wenn Sie die Zahl 212 000 nennen, dann möchte ich dieser Zahl jene von 600 000 Arbeitslosen und jene von 1,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit entgegensetzen. Wenn Sie schon die Zahl der weltweit am Coronavirus Verstorbenen nennen, dann sagen Sie bitte auch die Zahl der an Grippe Verstorbenen und jener Menschen dazu (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz), die weltweit an Arbeitsunfällen gestorben sind. Das wäre ein seriöser Umgang mit Zahlen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister, am 3. April dieses Jahres hat der Nationalrat beschlossen, Risi­kogruppen von der Arbeit freizustellen; das war am 3. April. Heute ist der 28. April, und bis heute ist dieses Gesetz nicht umgesetzt worden. Ist das Amtsmissbrauch? Warum setzen Sie das Gesetz nicht um?

Wir werden Ihrem Gesetzentwurf heute die Zustimmung erteilen, damit Sie eines nicht tun können: wieder hinausschieben, wieder eine kleine Änderung machen und dann warten, dass der 7. Mai kommt und der Bundesrat das beschließt (Abg. Loacker: Das ist eine ... Forderung ...!), und dann noch vier Tage warten, bis der Bundespräsident das Gesetz unterschrieben hat. Dann haben nämlich die Leute in den Risikogruppen wieder nichts davon, sie bekommen die Leistung wieder nicht. Da werden wir nicht mit­tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Regierung hat keine Ahnung, wie es den Menschen geht! Würden Sie nämlich die Lebensrealität kennen, dann würden Sie nicht von den pflegenden Angehörigen verlangen, dass sie zwischen der Gesundheit ihrer Angehörigen und ihrem Arbeitsplatz zu entscheiden haben, dann würden Sie von den Schwangeren nicht verlangen, dass sie sich zwischen der Gesundheit ihres Kindes und ihrem Arbeitsplatz entscheiden müssen, sondern Sie würden den Menschen Kündigungsschutz geben.

Daher bringe ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kol­leginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales in 120 der Beilagen ein, damit wir den Kündigungsschutz, die Unterstützung für die Angehörigen und auch die Freistellung für schwangere Frauen geltend machen können.

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Herr Bundeskanzler, halten Sie Wort! Sie haben uns am 3. April auch versprochen, dass es mehr Planstellen beim AMS geben wird, dass es die Möglichkeit eines zins­losen Moratoriums für Steuern und SV-Beiträge geben wird und dass der Zeitraum der Coronakrise bei der Berechnung der Anspruchsdauer für Arbeitslosengeld herausge­nommen wird. Sie haben diesbezüglich keine Regierungsvorlage eingebracht, Sie haben daher Ihr Wort gebrochen. Ich ersuche Sie: Halten Sie Wort und werden Sie endlich für die Bevölkerung tätig! (Beifall bei der SPÖ.)

11.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kucher,

Genossinnen und Genossen

Zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 483/A der Ab­geordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbli­che Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertrags­bedienstetengesetz 1948 geändert werden (9. COVID-19-Gesetz) (120 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

I.          Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

1.         In § 735 Abs. 3 entfällt der letzte Satz.

2.         In § 735 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Kündigungen von ArbeitnehmerInnen, die ein Attest gemäß Abs. 2 dem Dienst­gerber vorgelegt haben, bedürfen ab diesem Zeitpunkt, bei sonstiger Rechtsunwirk­samkeit, der vorherigen Zustimmung des Gerichts. Die Bestimmungen des § 8 BEinstG sind sinngemäß anzuwenden.“

3.         In § 735 wird nach Abs. 4a wird folgende Abs. 4b und 4c eingefügt:

„(4b) Abs.3 gilt sinngemäß auch für Personen, die im gemeinsamen Haushalt mit An­gehörigen, auf die die Definition der Risikogruppen nach Abs. 1 zutreffen, leben.

(4c) Werdenden Müttern ist auf Grund der Covid-19 Krisensituation ab der 15. Schwan­gerschaftswoche bereits vor der Achtwochenfrist nach § 3 Abs. 1 MSchG eine sofortige Freistellung von der Arbeit bis zum regulären Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MSchG zu gewähren, sofern sie dies von ihrem Dienstgeber oder ihrer Dienstgeberin verlangt und Abs. 3 Z 1 oder 2 nicht anwendbar ist. Dienstnehmerinnen nach § 4 Abs. 2 und 4 haben für den Zeitraum der Freistellung von der Arbeit nach dieser Be­stimmung Anspruch auf Wochengeld. Die Inanspruchnahme einer solchen Freistellung führt zu keinen Nachteilen bei einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld.“

II.         Artikel 4 (Änderung des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

1.         In § 258 Abs. 3 entfällt der letzte Satz.

2.         In § 258 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Kündigungen von ArbeitnehmerInnen, die ein Attest gemäß Abs. 2 dem Dienst­gerber vorgelegt haben, bedürfen ab diesem Zeitpunkt, bei sonstiger Rechtsunwirk­samkeit, der vorherigen Zustimmung des Gerichts. Die Bestimmungen des § 8 BEinstG sind sinngemäß anzuwenden.“

3.         In § 258 wird nach Abs. 4a wird folgende Abs. 4b und 4c eingefügt:

„(4b) Abs.3 gilt sinngemäß auch für Personen, die im gemeinsamen Haushalt mit An­gehörigen, auf die die Definition der Risikogruppen nach Abs. 1 zutreffen, leben.

(4c) Werdenden Müttern ist auf Grund der Covid-19 Krisensituation ab der 15. Schwan­gerschaftswoche bereits vor der Achtwochenfrist nach § 3 Abs. 1 MSchG eine sofortige Freistellung von der Arbeit bis zum regulären Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MSchG zu gewähren, sofern sie dies von ihrem Dienstgeber oder ihrer Dienstgeberin verlangt und Abs. 3 Z 1 oder 2 nicht anwendbar ist. Dienstnehmerinnen nach diesem Bundesgesetz haben für den Zeitraum der Freistellung von der Arbeit nach dieser Be­stimmung Anspruch auf Wochengeld nach § 162 ASVG oder einer vergleichbaren Leistung nach anderen österreichischen Vorschriften. Die Inanspruchnahme einer sol­chen Freistellung führt zu keinen Nachteilen bei einkommensabhängigen Kinderbe­treuungsgeld.“

Begründung

Die Regelung des Kündigungsschutzes für COVID-19-RisikoarbeitsnehmernInnen ist unzureichend. Es braucht für diese ArbeitnehmerInnen einen Kündigungsschutz, der auch nach der Krise wirkt.

Der gemeinsame Haushalt mit einem schwererkrankten Angehörigen (zB Krebser­krankte) stellt eine Herausforderung in diesem Pandemiefall dar. Berufstätige Angehö­rige von Schwerkranken müssen tagtäglich eine Abwägung zwischen eigenem Arbeits­platz und der Gesundheit ihrer Angehörigen treffen. Es muss diesen ArbeitnehmerIn­nen die Möglichkeit gegeben werden, sowohl die Pflege oder Betreuung ihrer Angehö­rigen zu übernehmen, als auch den Arbeitsplatz gesichert zu haben. Daher soll der Schutz des §735 ASVG auch auf diese Gruppe ausgedehnt werden.

Aufgrund der physiologischen Veränderungen in der Schwangerschaft können Schwangere bei Infektionen mit Atemwegsviren, generell schwerer erkranken. In einer rezent publizierten Studie (März 2020) von E Mullins et al „Coronavirus in Pregnancy and Delivery", Rapid Review) wird über eine Fallzahl von 32 Frauen berichtet (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.03.06.20032144v1.full.pdf).

Insgesamt betrug die Frühgeburtlichkeit in diesem Kollektiv 47 %, ein Kind ist intrau­terin verstorben, eines bisher nachgeburtlich.

Allein diese Zahlen zeigen die Bedrohlichkeit von COVID-19 für die Mütter, aber be­sonders auch für die ungeborenen Kinder. Unter normalen Umständen werden in Ös­tereich pro Jahr zirka 6.200 Kinder zu früh geboren, und werden auf Neonatologien betreut, wobei es auch dann immer wieder zu Engpässen in der Versorgung kommt.

Wenn es aber nun durch COVID-19 Erkrankungen bei Schwangeren zu einer deutli­chen Zunahme der Frühgeburtlichkeit kommt, kann es auch im Bereich der Neonato­logie zur Überlastung der Kapazitäten in der Betreuung der Frühgeborenen kommen.

Zusammenfassend sind das besorgniserregende Zahlen, die unbedingt einen erwei­terten Infektionsschutz von Schwangeren am Arbeitsplatz durch vorzeitigen Mutter­schutz erfordert. Dabei ist nicht nur die Situation am Arbeitsplatz zu bedenken, sondern auch die Tatsache, dass viele Frauen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Ar­beitsplatz gelangen.

Es ist daher unbedingt erforderlich, dass während der Covid-19-Krisensituation wer­dende Mütter auf Verlangen von der Arbeit freigestellt werden können.

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Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläu­tert, ist zur Verteilung gelangt und wurde damit auch ordnungsgemäß eingebracht.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.