15.02

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte heute ein Thema in die Debatte einbringen, das bisher leider zu wenig in der Betrachtung, was die Auswirkungen der Krise betrifft, debattiert wurde, obwohl es sehr massive Aus­wirkungen auf jede und jeden von uns hat, und zwar die Frage, wie es in den Ge­meinden, wie es in den Städten weitergeht, was die Krise, was der Shutdown für die Finanzen der Gemeinden und Städte bedeutet.

Wir haben die Debatte schon einmal gehabt, wir haben hier schon einmal einen Ent­schließungsantrag gestellt, der aber leider abgelehnt wurde. Vorigen Freitag gab es im Budgetausschuss einen diesbezüglichen Antrag, der leider vertagt wurde, und deshalb gibt es heute in der Debatte die Chance – jetzt wende ich mich vor allem an die Kol­leginnen und Kollegen von der ÖVP, zum Beispiel an die neun Bürgermeister und an die drei Vizebürgermeisterinnen und Vizebürgermeister, die in diesen Reihen sitzen, plus an all jene, die einmal in einer Gemeindefunktion waren –, noch einmal darüber nachzudenken, wie schnell man endlich den Gemeinden helfen sollte und dass man solche Initiativen nicht ständig ablehnen und vertagen sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Worum geht es in dieser Debatte? – In dieser Debatte geht es darum, wie sich Ge­meinden eigentlich finanzieren. Gemeinden und Städte haben im Wesentlichen zwei Einnahmequellen, wenn man einmal die kleineren Erträge außen vor lässt: Das eine ist die Kommunalsteuer und das andere sind die Ertragsanteile. Kommunalsteuer bedeu­tet, dass jeder Betrieb, der Beschäftigte in der Gemeinde hat, einen gewissen Prozent­satz an die Gemeinde abliefert.

Das Problem in der momentanen Situation: Für all jene, die arbeitslos sind, wird logi­scherweise keine Kommunalsteuer bezahlt, und all jene 1,1 Millionen, das wissen wir mittlerweile, Menschen in Kurzarbeit – bei den Arbeitslosen erfahren wir momentan noch keine Zahlen – zahlen ebenfalls keine Kommunalsteuer. Das heißt, in diesem Be­reich gibt es einmal massive Einnahmenausfälle für die Gemeinden – und das beginnt in Wirklichkeit erst jetzt. Wir wissen ja ganz genau, wenn man sich so anschaut, wie sich das alles entwickelt, dass die Beschäftigung nicht morgen wieder in die Höhe fährt, sondern dass das ein Prozess ist, der lange andauern wird. Man rechnet mit min­destens 15, wahrscheinlich mit 20 bis 25 Prozent Einnahmenentfall aus der Kommu­nalsteuer.

Jetzt gibt es aber einen noch viel größeren und schwierigeren Bereich, der alle Ge­meinden trifft – es gibt nämlich manche Gemeinden, die halt weniger Beschäftigte ha­ben, und deshalb finanzieren sie sich auch nicht aus der Kommunalsteuer –, und das sind die Ertragsanteile. Ertragsanteile bedeutet, dass das Gesamtsteueraufkommen des Bundes auf den Bund, die Länder und die Gemeinden aufgeteilt wird und am Ende des Tages eben auch die Gemeinden einen gewissen Anteil bekommen.

Da aber das Steueraufkommen mit März und April komplett beziehungsweise sehr stark einbricht, bedeutet das, dass es auch bei den Ertragsanteilen spätestens mit Mai und Juni in den Gemeinden massive Einbußen gibt. Das heißt also, das sind ebenfalls mindestens noch einmal 15 bis 20 Prozent weniger Einnahmen für die Gemeinden.

Jetzt kann man sagen: Ja Gemeinden, das ist ein abstrakter Körper, worum geht es denn da überhaupt?! – Ich glaube, man muss sich vergegenwärtigen, was eigentlich die Aufgabe einer Kommune ist. Was ist die Aufgabe einer Gemeinde oder einer Stadt? Wofür sind die Gemeinden zuständig? – Wir alle leben in einer Gemeinde, wir alle sind Nutznießerinnen und Nutznießer des Leistungsangebotes dieser Gemeinden und dieser Kommunen, und wir alle werden darunter leiden, wenn es Einschränkungen in diesem Bereich gibt, die es unweigerlich geben wird, weil die Gemeinden ganz ein­fach Finanzmittel brauchen, damit sie diese Leistungen überhaupt aufrechterhalten können.

Zum Beispiel wird die gesamte Frage der Kinderbetreuung – Kleinkinderbetreuung, Kindergarten, Nachmittagsbetreuung in der Schule – zu einem großen Teil von den Gemeinden gestaltet – natürlich auch, was die Gebäude betrifft. Wenn man also einen neuen Kindergarten baut, finanzieren das ebenfalls in erster Linie die Gemeinden.

Die Frage der Schulerhaltung – Volksschulen, neue Mittelschulen, Polytechnikum, Be­rufsschulen, allgemeine Sonderschulen: Das sind alles Dinge, die zu 100 Prozent von den Gemeinden erhalten und finanziert werden.

Die Frage des Feuerwehrwesens, die Frage des Rettungswesens: Wenn jemand von uns heute die Rettung anruft, fährt die deshalb aus der Garage heraus, weil zu einem großen Teil die Gemeinden und Städte diese finanzieren. Das schaue ich mir an, wenn die Gemeinden kein Geld mehr haben und das Rettungsauto nicht mehr aus der Ga­rage herausfährt! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Spitäler werden zu einem großen Teil von den Gemeinden finanziert, genauso wie die Pflege. Die Infrastruktur im Gesamten wird von den Gemeinden finanziert. Wenn wir heute in der Früh aufstehen und uns in die Dusche stellen, dann gehen wir selbst­verständlich davon aus, dass Wasser herunterrinnt, und wir gehen auch davon aus, dass es wieder abläuft, aber dafür, dass das passiert, ist die tagtägliche Arbeit in den Kommunen nötig. Das geschieht, weil die Kommunen da finanziell zur Seite stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir das Thema endlich ernst nehmen, weil die ersten Gemeinden sehr bald, spätestens im Juni, Juli, wenn hier nichts pas­siert, in die Zahlungsunfähigkeit schlittern, und dann reden wir über genau diese An­gebote, die dann in den Gemeinden nicht mehr gewährleistet sind.

Ich höre ja aus manchen ÖVP-Teilen, dass es eh schon so ein bisschen eine Lösung gibt, nämlich genau so eine Nichtlösung, wie es sie für viele Unternehmen momentan gibt, nämlich dass die ÖVP-Länder sagen: Na ja, heben wir momentan halt die Maas­trichtkriterien auf und erlauben wir den Gemeinden, dass sie sich zusätzlich Kredite aufnehmen! – Das ist genauso wenig eine Lösung, wie es für die Unternehmen eine Lösung ist, wenn man sagt: Wir helfen euch zwar nicht finanziell, aber nehmt euch einen Kredit auf und schaut halt, wie ihr ihn dann die nächsten Jahre zurückzahlt! – Genauso ist es auch bei den Gemeinden, und das ist eine Katastrophe! (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht aber noch um einen zweiten Aspekt, und den möchte ich auch ganz bewusst nennen, weil man das wahrscheinlich gleichfalls noch zu wenig im Fokus hat: Es muss ja auch – vielleicht sind wir schon dort; wenn nicht, werden wir bald dort sein – einen Tag nach der Coronakrise geben. Es muss auch einen Tag geben, an dem man wirk­lich versucht, die Wirtschaft wieder in die Höhe zu fahren. Es muss auch einen Tag geben, an dem man wirklich versucht, auch die Arbeitslosigkeit ernsthaft zu bekämpfen und zu schauen, dass diejenigen, die jetzt in Kurzarbeit sind, nicht nachher in die Ar­beitslosigkeit schlittern.

Wenn man weiß, dass erstens die meisten Betriebe Einpersonenunternehmen oder kleine und mittelständische Unternehmen sind, dass zweitens die meisten Beschäftig­ten in diesen kleinen und mittelständischen Unternehmen beheimatet sind und dass drittens die Gemeinden der mit Abstand größte Investor in unserer Republik sind, dann kann man sich ungefähr ausrechnen, wie man die Wirtschaft nicht in die Höhe be­kommt und wie man die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen kann, nämlich indem man den Gemeinden keine Finanzmittel gibt, damit sie investieren können. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung, Kolleginnen und Kollegen, wird nicht schauen, wie sie dem klei­nen Elektriker, dem kleinen Installateur, dem kleinen Tischler in meiner Gemeinde hel­fen kann. Das ist Aufgabe der Gemeinden (Abg. Hörl: Der Wirtschaft!) und das ma­chen die Gemeinden auch. Wir machen das gerne, und damit wir das auch weiterhin machen können, brauchen wir auch die notwendigen Finanzmittel, um vor Ort dem kleinen Elektriker, dem kleinen Tischler, dem kleinen Installateur und so weiter, all den kleinen Betrieben helfen zu können. Wenn wir das Geld nicht bekommen, dann werden alle Gemeinden ihre Projekte zurückschrauben und dann werden wir in weiterer Fol­ge von der Coronakrise in eine massive Wirtschaftskrise schlittern. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

In diesem Sinne: Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, springt über euren Schatten, vor allem über euren (in Richtung ÖVP) türkisen Schat­ten! Gebt euch einen Ruck! Die Gemeinden brauchen Finanzmittel, um die Wirtschaft anzukurbeln. Wir in den Gemeinden brauchen Finanzmittel, damit wir die Arbeitslosig­keit intensiv und massiv bekämpfen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

15.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hofinger. – Bitte.