17.08

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Na­tionalrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Ja, die aktuelle Krise hat uns in sehr vielen Bereichen vor sehr große Herausforderungen gestellt; und: Ja, gerade in der Krise muss der Rechtsstaat funktionieren, gerade in der Krise müssen rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien eingehalten werden. Genau das, sehr geehrte Damen und Herren, hat Österreich gezeigt, hat der österreichische Rechts­staat gezeigt und hat auch die österreichische Verfassung gezeigt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf bei Ihnen beginnen, Herr Abgeordneter Scherak, denn Sie sollten zwei Dinge nicht verwechseln: Es geht nicht darum, Angst zu machen, sondern es geht und ging vor allem darum, Dinge ernst zu nehmen. Erinnern Sie sich zurück an den Beginn der Krise! Da gab es nicht wenige, die gesagt haben: Das ist nicht schlimmer als eine Grippe. (Abg. Martin Graf: Und die ÖVP nicht? – Abg. Meinl-Reisinger: Sie nicht?) Was soll das? Warum soll da überhaupt etwas an Maßnahmen gesetzt werden? – Es ging darum, die Dinge ernst zu nehmen, und es ging darum, den Menschen die Sorgen zu nehmen, den Menschen die Sorge davor zu nehmen, dass etwa Lebensmittel aus­gehen oder dass sie nicht zu medizinischer Versorgung kommen. Drittens ging es da­rum, das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind heute an einem Punkt, an dem wir sehen, dass das gelungen ist. Es ist gelungen, das Gesundheitssystem funktionsfähig zu halten, es ist gelungen, Menschenleben zu retten, es ist gelungen, den Menschen vor Augen zu führen, mit welcher Situation wir es zu tun haben, und die Menschen ha­ben sich auch daran gehalten: an die Empfehlungen, an die Ersuchen der Bundesre­gierung, sich an diese Vorgaben zu halten, zu Hause zu bleiben und nur notwendigste Gänge zu machen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Scherak.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Grund, warum wir heute wieder eine Be­schlussfassung brauchen, warum wir Änderungen im Verwaltungsverfahren beschlie­ßen sollten, warum Sie das beschließen sollten, ist der, dass wir jetzt Stück für Stück zu einer neuen Normalität zurückkommen können. (Abg. Meinl-Reisinger: Neue Nor­malität? Das ist das Wording von vor zwei Wochen! – Ruf bei der FPÖ: Können wir eine neue ÖVP haben?!) Warum brauchen wir diese Änderungen? – Weil wir das Ver­waltungssystem funktionsfähig halten wollen. Wenn Sie mir vielleicht zuhören, dann erkläre ich Ihnen auch gerne, warum.

Sie selbst haben – und ich möchte Ihnen dafür auch wirklich Dank aussprechen – ein­stimmig in einem überparteilichen Schulterschluss mit dem 2. COVID-19-Gesetz Maß­nahmen beschlossen, zum Beispiel eine Fristunterbrechung für alle Verwaltungsver­fahren, damit Menschen nicht daran gehindert werden, entsprechende Beschwerden einzubringen und an Verfahren teilnehmen zu können, damit man den Parteienverkehr auf ein Minimum zurückfahren kann, damit man verhindert, Verhandlungen durchfüh­ren zu müssen. All das haben Sie beschlossen, und ich möchte Ihnen dafür ausdrück­lich danken.

Diese Fristunterbrechungen enden mit 30.4., und wir müssen danach trachten, dass die Verwaltungsverfahren jetzt auch tatsächlich geführt werden können, damit es kei­nen Rückstau gibt, denn – wie gesagt, noch einmal – ab 1.5. fangen diese Fristen neu zu laufen an, und auch die Fristhemmung für die behördlichen Entscheidungsfristen läuft mit diesem Datum aus.

Das heißt: Was wollen wir mit diesen verwaltungsrechtlichen Änderungen, die Ihnen jetzt zur Beschlussfassung vorliegen, erreichen? – Wir wollen, dass es unter Einhal­tung aller Maßstäbe nach der Europäischen Menschenrechtskonvention für die Behör­de möglich ist, zu entscheiden, ob eine Verhandlung durchzuführen ist oder nicht, und zwar unter bestimmten Voraussetzungen, mit Auflagen, zum Beispiel mit dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, zum Beispiel auch mit dem Abstandhalten.

Ein Wort auch zum Abänderungsantrag – weil ich, um ehrlich zu sein, ein bisschen überrascht war ob der Kritik, die seitens der SPÖ geäußert wurde –: Ich kann nur sa­gen, wir hatten letzte Woche meinem Empfinden nach eine höchst konstruktive Verfas­sungsausschusssitzung, eine Debatte auf sehr hohem Niveau unter Beiziehung des Chefs des Verfassungsdienstes. Wir haben nicht nur die Anregungen seitens der FPÖ, sondern auch jene seitens der NEOS aufgenommen, sie ernst genommen und in einen Abänderungsantrag hineingeschrieben; zum Beispiel den Umstand, dass Sitzungspoli­zei auch dahin gehend gleichwertig verwendet werden kann, um jemanden anzuwei­sen, Mund-Nasen-Schutz zu tragen oder Abstand zu halten, andernfalls ihn auch der Verhandlung zu verweisen. Das sind Dinge, die neu in einem Verfahren sind. Wir ha­ben sie aufgenommen, sie sind im heutigen Abänderungsantrag zugrunde gelegt.

Wir haben auch die Form der Videokonferenzen für die Verhandlungen in der Abände­rung des § 3. Warum? – Damit Verhandlungen auch in Form der Videokonferenz durchgeführt werden können. Wir müssen natürlich jetzt danach trachten, dass wir auch alles auf die Höhe des 21. Jahrhunderts heben und dass die digitalen und tech­nischen Mittel auch tatsächlich in der Verfahrensordnung verankert sind. Gerade in Zeiten der Krise, in Zeiten großer Herausforderungen, in Anbetracht des Risikos einer Ansteckung mit Covid-19 ist das sehr wesentlich. Es sollte im Ermessen der Behörde sein, zu entscheiden, ob eine Verhandlung, ein Ortsaugenschein, ein Lokalaugen­schein durchgeführt wird oder in Form von Videokonferenzen abgehalten werden soll. Aber noch einmal: Was ist der Sinn und Zweck dieser Änderungen? – Das Verwal­tungsverfahren sollte geführt werden können, und es sollte zu keinen Rückstaus in den Verfahren kommen.

Die anderen Änderungen, die vorgeschlagen wurden, wurden schon genannt, etwa ei­ne ganz wesentliche Änderung im Zustellgesetz, dass auch nach Auslaufen dieser Fristunterbrechung am 30.4. ein Zustellen von RSa- und RSb-Briefen möglich ist, ohne dass direkt mit den Menschen, die das seitens der Post zustellen, Kontakt geübt wer­den muss.

Zum Dritten: Es beinhaltet zum Beispiel auch – das ist noch nicht genannt worden – eine Fristverlängerung für die Abschlussprüfungen bei den Integrationsvereinbarungen für die Fälle, in denen jetzt diese Prüfungen nicht abgenommen werden können. Das ist etwas, was, glaube ich, jedem einleuchtet, dass hier durch die Zeit der Krise kein Nachteil entstehen sollte.

All das haben wir ausführlich im Verfassungsausschuss diskutiert, und ja, als für die Verfassung zuständige Ministerin sage ich Ihnen, dass ich es für sehr wesentlich halte, den Verfassungsdienst einzubeziehen. In dem Fall war er nicht nur einbezogen, er war auch legistisch tätig.

Ich weiß, meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordnete, dass Sie dem Ver­fassungsdienst ein sehr großes Vertrauen zukommen lassen. Deshalb hat mich die Kritik umso mehr verwundert. Ich bitte Sie in diesem Sinne um eine breite Zustimmung zu diesem Paket. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.15

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Faika El-Nagashi zu Wort gemel­det. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.