11.19

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Regierungsmitglieder! Heute geht es im Eigentlichen nicht nur um vier Coronagesetze, nicht nur um vier Gesetze, die zuletzt trotz Kritik dank der Stimmenmehrheit der Regierungsparteien beschlossen wurden, nicht nur um vier Gesetze, die der Bundesrat zu Recht beeinsprucht hat. Dass wir heute hier sitzen, ist das Resultat des zunehmenden Aushebelns eines ordent­lichen und vor allem demokratischen Gesetzgebungsprozesses. Gegenwartsten­den­zen, die immer bedrohlicher für die Menschen werden, werden in Wahrheit völlig über­heblich ignoriert. Hunderttausende Menschen werden mit ihren Sorgen im Stich gelassen.

Was passiert nun, da berechtigte Kritik immer lauter wird, da die Verzweiflung in der Bevölkerung immer größer wird? – Lobhudelei auf die eigenen Errungenschaften. Chapeau, das war auch gut gemacht, denn zu Beginn der Krise war es notwendig, rasch und vor allem konsequent zu handeln, und nur deshalb hat das Parlament diese Gesetze teilweise mitgetragen. Die Menschen aber spüren relativ wenig davon. Was sie spüren, sind Zukunftsängste, Insolvenzängste, Existenzängste, mit denen sie eis­kalt alleingelassen werden. Es gibt keine raschen Hilfen.

Die Regierungsparteien haben, statt den Weg zurück zu einem ordentlichen Gesetz­gebungsprozess zu finden, offenbar Gefallen an diesen Expressverfahren im Parla­ment gefunden: massive Eingriffe ohne vorherige Prüfung der komplexen Gesetzes­vorschläge, berechtigte Kritik der Opposition, die ignoriert wird, sinnvolle Änderungen, die nicht berücksichtigt werden, und das alles unter der Prämisse, dass man schnell handeln müsse, damit die Hilfe auch schnell ankommt.

Die Unternehmerinnen und Unternehmer aber spüren davon nichts. Sie leben seit ein paar Wochen mit der Krise, turnen sich drüber, meistern sie, so gut es geht, sind jetzt mit der Auszahlung doppelter Gehälter konfrontiert, mit Krediten, die nicht genehmigt werden. Sie sind mit Auflagen konfrontiert, die es unmöglich machen, wirtschaftlich zu arbeiten und davon leben zu können, beziehungsweise sind sie damit konfrontiert, eigentlich wirtschaftlich sterben zu müssen. Statt das Vertrauen zu fördern, hat man mit dem Drüberfahren das Vertrauen nachhaltig zerstört. Die aktuelle Bilanz zeigt, dass hier offenbar Gesetze beschlossen wurden, deren Auswirkungen Sie selbst nicht ab­schätzen können. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir stehen mittlerweile bei 30 Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, es gibt ein Coronahilfspaket, in dessen Rahmen Geldmittel weder rasch noch ausreichend fließen, es gibt Kurzarbeitslösungen, wobei von beantragten 9 Milliarden Euro erst 40 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Zur Budgetdiskussion, die wir auf Grundlage völlig falscher Zahlen führen sollen, gibt es eine interessante Anfrage des Herrn Kollegen Wimmer, der man vielleicht etwas mehr Beachtung schenken sollte. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Bravo!)

Die heute zur Diskussion stehenden vier Gesetzentwürfe hat nicht nur die Opposition im Nationalrat aus guten Gründen abgelehnt, der Bundesrat hat aus ebenso guten Gründen nicht zugestimmt. Das war ein deutlicher Appell, das Parlament nicht weiter als formales Abnickgremium zu missbrauchen, sondern gelebten demokratischen Pro­zessen zumindest wieder eine Chance zu geben. Ich und wahrscheinlich auch viele andere Abgeordnete hier im Parlament hätten erwartet, dass die Regierungsparteien das ernst nehmen, aber allein die spontane Reaktion der grünen Klubobfrau hat gezeigt, dass man das demokratische Grundverständnis offenbar auch als Opfer der Coronakrise sieht, und das kann ich nicht ganz nachvollziehen. (Zwischenruf bei den Grünen.)

An meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen ein rein konstruktiver Appell – ich weiß, heute wird alles als Kritik aufgefasst –: Macht braucht Kontrolle! – Das waren eure Worte! Macht braucht Kontrolle. Wo aber ist diese Kontrolle jetzt? Wo ist denn die Kontrolle? (Abg. Jakob Schwarz: Das werden wir beim Untersuchungsausschuss sehen! – Zwischenruf der Abg. Maurer.) – Wow, ich freue mich, da ist die Wehr­haftigkeit der Grünen wieder! Tragt das doch in die Zusammenarbeit auf Bundesregie­rungsebene! (Beifall und Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.)

Ich finde es sehr schön, dass da noch etwas da ist! Grundrechte und Demokratie sind wichtig, das Parlament braucht ein Miteinander, und das in Zeiten der Krise mehr denn je. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Leichtfried: Diese Rede war bei Weitem besser als die vom Kollegen Gerstl! – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

11.24

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Chris­toph Matznetter. – Bitte.