16.08

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich tue mir immer schwer, wenn jemand von der FPÖ hier ans RednerInnenpult tritt, weil ich nicht mehr verstehen kann, was die FPÖ eigentlich will. Es ist jeden Tag irgendetwas anderes. Einmal gibt es Corona eigentlich überhaupt nicht und ist Corona nur eine Grippe; jetzt geht es wieder darum, groß davor zu schützen. Ent­scheiden Sie sich bitte endlich! Wir kennen uns nicht mehr aus. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir debattieren jetzt hier eine Dringliche Anfrage der Sozialdemokratie. Kollegin Rendi-Wagner hat sich bei der letzten Plenarsitzung tatsächlich dazu hinreißen lassen, zu be­haupten, diese Regierung hätte mit ihrer Bekämpfung der Coronakrise gegen die Menschlichkeit entschieden. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) – Das haben Sie gesagt, Frau Rendi-Wagner! (Abg. Belakowitsch: Stimmt! – Abg. Rendi-Wagner: Nein, habe ich nicht gesagt!)

Die vorliegende Dringliche Anfrage bringt alle möglichen und unmöglichen Argumente dafür vor, dass die Bewältigung dieser Gesundheitskrise nicht gut funktioniert hätte. Kol­lege Leichtfried stellt sich hier ans RednerInnenpult und kritisiert plötzlich Maßnahmen, die die Sozialdemokratie mitbeschlossen hat.

Sie, Frau Klubobfrau Rendi-Wagner, haben von Beginn an sehr wertvolle Beiträge zur Bewältigung dieser Krise geleistet (Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Rendi-Wagner), mit einer sehr hohen fachlichen Kompetenz und mit einem der Situation angemessenen Verantwortungsgefühl der österreichischen Bevölkerung gegenüber. (Abg. Leichtfried: Kollege Stöger würde da wieder eine tatsächliche Berichtigung ma­chen!) Es war in diesen Wochen wenig Dissens zwischen den Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, und dem, was die Sozialdemokratie gefordert hat, zu spüren, und dafür bin ich auch dankbar, insbesondere für Ihren fachlichen Input als Ärztin. Das war eine sehr gute Zusammenarbeit, und wir haben auch viele von den Punkten, die Sie eingebracht haben, gemeinsam umgesetzt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Umso weniger verstehe ich, warum man nun, nachdem sich das alles etwas lockert, die eigenen Aussagen, die eigenen Forderungen offensichtlich vergessen hat. Ich verstehe natürlich, jetzt befinden wir uns in der Phase der Lockerungen, die erste Phase der Be­wältigung dieser Krise ist hoffentlich erfolgreich vorbei und wir treten in die nächste Phase ein, die auf uns zukommt. (Abg. Belakowitsch: Ah, jetzt ist die nächste Phase!) Selbstverständlich, es ist die Aufgabe der Opposition, zu kritisieren, Kritik zu üben, den Finger dort hinzulegen, wo es wehtut, aber ich habe kein Verständnis für diesen ab­soluten Richtungsschwenk, wenn heute hier zum Beispiel davon gesprochen wird, dass die Regierung auf ganzer Linie versagt hätte. (Ruf bei der SPÖ: Na ja, ...!)

Diese Kritik ist aus meiner Sicht nicht treffsicher. Da wird in der Anfrage zum Beispiel begründet, die Regierung würde bei der Bewältigung der sozialen Krise komplett versa­gen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir haben in dieser Koalition Maßnahmen gesetzt, um jene aufzufangen, die arbeitslos zu werden drohen, die bereits arbeitslos waren oder die durch Corona arbeitslos geworden sind. Wir haben hier gemeinsam ein Kurzarbeitsmodell beschlossen, das die Sozialpartner ausverhandelt haben. Es ist eine gute österreichische Tradition, dass sich ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen ge­meinsam an einen Tisch setzen und daran arbeiten, eine für alle gut geeignete Lösung zu finden. Das ist eine der Stärken Österreichs, das zeigt auch die österreichische Ge­schichte, und dazu hat die Sozialdemokratie auch einen immensen Beitrag geleistet. Dass man sich jetzt hierherstellt und nachträglich behauptet, das wäre alles blöd, also das wäre alles nicht gut genug gewesen, finde ich schon einigermaßen erstaunlich, sind es doch auch Ihre MandatarInnen, die da mitverhandelt haben und das auch mitbe­schlossen haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von SPÖ und Grünen.)

Das gilt im Übrigen auch für die Verlängerung des Modells, wie sie in den letzten Tagen verkündet worden ist; es hat noch weitere Verbesserungen gegeben, damit die Treff­sicherheit auf jeden Fall gegeben ist.

Wir haben gemeinsam mit der Sozialdemokratie beschlossen, dass Menschen, die ar­beitslos sind und denen das Abrutschen in die geringere Notstandshilfe droht, das hö­here Arbeitslosengeld weiterhin beziehen können (Zwischenruf des Abg. Stöger), ver­bunden mit dem Einkommens- und Berufsschutz. Das haben wir gemeinsam be­schlossen. Wir haben einen Fonds mit insgesamt 60 Millionen Euro eingerichtet, der der Bekämpfung von Kinderarmut in jenen Familien dient, die jetzt durch Corona besonders betroffen sind beziehungsweise davor bereits von Arbeitslosigkeit betroffen waren (Zwi­schenruf der Abgeordneten Heinisch-Hosek), den Familienhärtefonds – auch das ha­ben wir gemeinsam gemacht. Wir haben dafür gesorgt, dass Mieten, die jetzt nicht be­zahlt werden können, gestundet werden können, dass sie frühestens nach Ablauf dieses Jahres eingeklagt werden können und dass Delogierungen erst ab 2022 erfolgen kön­nen. All das sind Maßnahmen, die wir gesetzt haben, um die soziale Situation der Ös­terreicherinnen und Österreicher und der Menschen, die hier leben, so gut wie möglich abzusichern. (Beifall des Abg. Jakob Schwarz.) Dass das, wie man jetzt behauptet, sozial nicht verträglich wäre und wir da sozial versagt hätten, ist ganz sicher nicht richtig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

All diese Maßnahmen sind von der Gewerkschaft, von der ArbeiterInnenkammer begrüßt worden. Ich verstehe schon, dass es schmerzt, wenn wir jetzt in einer türkis-grünen Koa­lition Dinge umsetzen, die man sich in einer sozialdemokratischen potenziell gewünscht hätte, aber das ist halt unser Regierungsprogramm, unser Ansatz in dieser Regierung. Dementsprechend würde ich mir da ein bisschen mehr Seriosität erwarten.

Ja, selbstverständlich gibt es sie, die Einzelbeispiele, die Sie hier aufzählen. Wir haben bei den Hilfsfonds auch an allen möglichen Stellen nachgebessert und müssen auch weiter nachbessern – das liegt in der Natur der Sache, dass nicht alles von Beginn an komplett rund läuft. Wir sind total committet, für Verbesserungen zu sorgen, wenn sie notwendig sind.

Eines möchte ich schon auch noch sagen: Herr Kollege Matznetter – er ist jetzt, glaube ich, nicht im Saal, aber wir kennen ihn alle –, Sie sind ja nie um ein hartes Wort, um ein scharfes Wort und auch um eine gute Prise Humor in der parlamentarischen Debatte verlegen. Dass Kollege Matzenetter (Abg. Leichtfried: Matznetter!) sich aber heute hierherstellt und versucht, den Tod von Menschen zu instrumentalisieren, ist einer sozialdemokratischen Partei nicht würdig. Das bin ich von den Freiheitlichen gewohnt, aber sicher nicht von der Sozialdemokratie. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Kuntzl.)

Wir haben in dieser Regierung zur Krisenbewältigung alles Mögliche umgesetzt, in ganz, ganz vielen Punkten gemeinsam mit Ihnen, und ich hoffe auch weiterhin darauf, dass die Vernunft wieder einzieht, dass der gemeinsame Kampf zur Bewältigung dieser Kri­se – denn sie ist noch lange nicht vorbei! – im Vordergrund steht und dass wir an einem Strang ziehen können. Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.