16.11

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fasse einmal kurz zusammen, was wir bei diesen Tagesordnungspunkten machen. Wir diskutieren nämlich unter einem sieben Staatsverträge. Das klingt natürlich jetzt sehr hochtrabend, aber aufgrund des Völkerrechts sind, wie Sie alle wissen, auch kleinere Änderungen, zum Beispiel an einem Zusatzprotokoll, als Staatsvertrag zu verabschieden und dann wieder von allen nationalen Parlamenten zu ratifizieren. Das Völkerrecht kennt das Souveränitäts­prin­zip, das Einstimmigkeitsprinzip, da muss man das so machen.

Vielleicht sage ich ein paar allgemeine Gedanken zu diesen sieben Vorlagen, denn sieben völkerrechtliche Staatsverträge, die wir hier besprechen, zeigen, wie vernetzt unser Leben im internationalen Bereich ist.

Wir haben hier zum Beispiel ein Abkommen über eine verstärkte Partnerschaft mit Armenien, wir sprechen weiters über Harmonisierungen im internationalen Post- und Fernmeldebereich. Wir genehmigen auch ein Übereinkommen zur Errichtung einer EU-Lateinamerika-Stiftung, die ihren Sitz in Hamburg haben will und die die Zusam­men­arbeit zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika vertiefen, aber auch das gegenseitige Verständnis fördern möchte.

Wir sehen anhand dieser sieben Tagesordnungspunkte noch etwas anderes, nämlich – am Beispiel der OPEC – wie zentral Wien für die internationalen Institutionen ist, und wir sehen auch, dass viele Herausforderungen, die uns auch im persönlichen Leben betreffen, international geworden sind. Ich nenne nur Beispiele: Wir werden heute unter anderem über ein Übereinkommen des Europarates über Geldwäsche abstim­men – zur Bekämpfung organisierter Kriminalität –, wir werden über die Überstellung verurteilter Personen abstimmen, und wir werden – als Beispiel aus dem Zivilrecht – über die Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken im Nicht-EU-Ausland abstimmen. Sie sehen daran also das hohe Ausmaß an internationaler Verflechtung, und ich möchte an dieser Stelle unserem Herrn Bundesminister danken: Das alles zusammenzuhalten, Österreich gut zu vertreten in diesen vielen Dingen und auf diesen vielen Ebenen, dafür möchte ich dir, Herr Bundesminister, ganz herzlich danken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Als Vorsitzende der parlamentarischen Freundschaftsgruppe mit dem Südkaukasus möchte ich zum ersten Tagesordnungspunkt, nämlich zum Abkommen mit Armenien, ein bisschen mehr sagen. – Zum Südkaukasus gehören Georgien, Aserbaidschan und Armenien.

Mit Armenien verbindet uns über viele Jahre, ja – das traue ich mich zu sagen – jahr­hundertelang eine gute und wichtige Beziehung. Viele kennen vielleicht Armenien nur von den Radio-Eriwan-Witzen – die immer mit Frage an Radio Eriwan beginnen, und dann sagt Radio Eriwan: „Im Prinzip ja“ oder „Im Prinzip nein“ –, aber das ist viel zu wenig, wenn wir an Armenien denken. Es gibt sehr viel über Armenien, das wir wissen sollten, und vieles davon sehen wir auch in diesem Übereinkommen. Es heißt Cepa, das steht für Comprehensive and Enhanced Partnership Agreement, und es ist ein gemischtes Übereinkommen, das heißt, dass sowohl die Europäische Union als auch alle Mitgliedstaaten dieses Übereinkommen ratifizieren.

Was die Ziele dieses Übereinkommens betrifft, so beginne ich mit einem, das mir selber sehr, sehr wichtig ist: die Stärkung der Demokratie. Sie haben sicher alle noch irgendwo im Hinterkopf, dass im Jahr 2018 in Armenien eine Revolution stattgefunden hat – man nennt das eine samtene Revolution –: Dort wollte der damalige amtierende Präsident seine Macht sichern, hat das mit einem Verfassungstrick gemacht, wonach es zu tagelangen Masseprotesten kam. Diese Proteste waren friedlich – das ist etwas, wozu man Armenien gratulieren muss; das ist nicht immer so gewesen.

Dann gab es freie Wahlen. Die OSZE hat diese Wahlen sehr gelobt, und der Premier­minister Nikol Paschinjan ist nach einem halben Jahr als Premierminister noch einmal zurückgetreten, um freie Wahlen zu ermöglichen, und das ist dann wirklich alles so vor sich gegangen, wie es die OSZE wollte.

Armenien macht große Fortschritte im Bereich Menschenrechte, Meinungsvielfalt, Kor­ruptionsbekämpfung, und die Unabhängigkeit der Gerichte wird auch weiter voran­getrieben. Österreich ist in diesem Reformprozess für Armenien ein wichtiger Reform­partner.

Ein zweites Cepa-Ziel ist die Weiterentwicklung des wirtschaftlichen Potenzials, sprich der Rahmenbedingungen für den Handel. Armenien hat hier eine Sonderstellung, es ist nämlich Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion und schließt nun zusätzlich dieses Abkommen mit der Europäischen Union ab. Das ist unter Umständen für österreichi­sche Unternehmen auch interessant, weil man dann über Armenien vielleicht auch diesen Wirtschaftsraum zumindest zum Teil gewinnen kann.

Armenien hat es in seiner geografischen Position nicht leicht, es hat mit zwei seiner Nachbarländer große Schwierigkeiten. Insofern ist dieses Abkommen für Armenien sehr, sehr wichtig. Armenier wohnen übrigens auf der ganzen Welt – im Land drei Mil­lionen, aber auch in der Europäischen Union noch einmal drei Millionen, 5 000 davon in Österreich.

Wir haben seit vielen Jahren, wie ich schon gesagt habe, sehr gute Beziehungen mit Armenien, und ich möchte Ihnen dafür zwei Beispielen nennen: Es gibt hier ganz in der Nähe unseres provisorischen Parlaments, nämlich in der Neustiftgasse, seit 200 Jah­ren ein armenisches Kloster, das Mechitaristenkloster, in dem sich auch ein sehr inter­essantes Armenienmuseum befindet, das man besuchen kann – das zu tun ist eine Empfehlung meinerseits –, und der Bischofssitz der Armenisch Apostolischen Kirche für ganz Mitteleuropa befindet sich auch in Wien. In der Entwicklungszusammenarbeit ist Armenien für Österreich ein Schwerpunktland.

Ich möchte meine Gedanken zu Armenien und zu diesem Übereinkommen mit einigen Worten über eine andere Sache, die für uns in Österreich ganz wichtig ist, beenden, nämlich das einschneidende Ereignis des Völkermords gegen die Armenier in den Jahren 1915 und 1916. Damals, sagt man heute, sind circa eine Million Menschen Opfer des Völkermords geworden, und nicht alle Länder dieser Welt haben diesen Völkermord anerkannt. Wenn man das Denkmal in Eriwan besucht, sieht man dort die Fahnen der Länder, die den Völkermord anerkannt haben. Es sind jetzt 32, und dass Österreich mit dabei ist, erfüllt mich mit großem Stolz. Danken muss man für diese Initiative ganz besonders dem damaligen Klubobmann der Volkspartei Reinhold Lopatka, der sie mit allen anderen damaligen Klubobleuten gesetzt hat – er ist der Einzige, der jetzt noch im Parlament ist, aber alle Parteien haben gemeinsam eine Erklärung verfasst, dass Österreich diesen Völkermord anerkennt. Das ist für die Armenierinnen und Armenier ganz, ganz wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie kennen vielleicht das Werk von Franz Werfel „Die vierzig Tage des Musa Dagh“, und ich kann Ihnen persönlich Folgendes erzählen: Als ich im Krankenhaus mein erstes Kind bekommen habe, habe ich mir das Baby auf die Brust gelegt und habe dieses Buch gelesen. Der Primar ist hereingekommen, hat das gesehen und hat gesagt: Das ist die richtige Lektüre für eine Politikerin!, und ich glaube, dass das stimmt. Für die Armenier ist dieses Werk, und damit Österreich, zentral. Es ist das Erinnerungsdokument an den Völkermord, und wenn am 24. April jedes Jahr des Völkermords gedacht wird, dann treffen sich die Armenier in Österreich beim Franz-Werfel-Denkmal in Wien im Schillerpark.

Wir diskutieren hier jetzt, ich habe es schon gesagt, sieben Staatsverträge. Armenien ist ein kleines Land, aber auch Österreich ist ein kleines Land, und ich freue mich, dass wir heute diese sieben Staatsverträge einstimmig beschließen werden, sowohl Cepa, das Übereinkommen mit Armenien, als auch die anderen. Ich glaube, dass das in der Zeit, in der wir leben, ein wichtiges Zeichen ist. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.19

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Rendi-Wagner. – Bitte.