11.27

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe alle, die uns zuschauen! Liebe Frau Kollegin Ernst-Dziedzic, ich bin ein wenig ratlos. Wir haben hier eine ganz wesentliche Debatte zur Zukunft Europas, zur Frage des Wiederaufbaus, und ja, es ist immer leicht und ich tue mir da als Vertreterin der NEOS auch leicht, die FPÖ und ihre Position in europapolitischen Fragen zu bashen, aber Sie sind Vertreterin einer Regierungspartei. Die Position der österreichischen Bundesregierung in dieser Frage warat scho wichtig, das endlich einmal zu wissen (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ), und Sie sagen kein einziges Wort dazu, kein einziges sachliches Argument! Das ist ein bissl wenig – ganz ehrlich.

Also ich möchte jetzt auf das Thema eingehen, weil es mir unendlich wichtig erscheint, dass wir das debattieren. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise sind enorm, sie sind massiv. Wir wissen auch, dass einige Länder von Covid-19 im Vergleich zu anderen Ländern asymmetrisch getroffen wurden.

Herr Bundesminister, weil Sie gesagt haben: Italien, Spanien, Frankreich, alles sehr betrüblich, wir sind ja viel besser aus dieser Krise herausgekommen – wahrscheinlich immer in Gedankenstrichen: dank dieser großartigen Bundesregierung, die wir haben, die unsere Menschen schützt! –: Die Gunst der späten Stunde hat schon auch etwas. Wenn wir früher getroffen worden wären, wie Italien, dann würde es bei uns vielleicht auch anders ausschauen. Ich würde auch darum ersuchen, in einem europäischen Kontext, in dem man wirklich nachverfolgen kann, wie viele Infektionszahlen europaweit durch einen einzigen Ort, nämlich Ischgl (Abg. Hörl: Na bitte!), passiert sind, hier ein bisschen vorsichtig mit Überheblichkeit zu sein. (Beifall bei den NEOS.)

Was wir gesehen haben, ist, dass wir eine Volkswirtschaft sind. Wir sind eine vernetzte Wirtschaft. Weil ich da das Bild, das ja irgendwie sehr herzig ist, vom Familienmitglied – das ist wahrscheinlich der echte Österreicher und die echte Österreicherin – und vom Nachbarn und von unserem Geld für unsere Leute bekommen habe: Das Problem ist, das hinkt halt. Sie helfen dem Familienmitglied überhaupt nicht, wenn Sie sagen: Den Nachbar, der zwar für 60 Prozent unseres gesamten Einkommens sorgt, lassen wir jetzt im Regen stehen. – Damit, muss ich sagen, lassen Sie die Familienmitglieder (Abg. Steger: Es hat alles eine Grenze!) mehr im Stich, als alle anderen es tun würden. Also es ist keine Hilfe für die Österreicherinnen und Österreicher, nicht zu sehen, dass ein exportorientiertes, international vernetztes Land wie Italien – der Norden Italiens ist übrigens eine vitale Wirtschaftsregion – der zweitwichtigste Absatzmarkt Österreichs ist. Also das ist doch wirklich eine sehr verkürzte Sicht der Dinge. (Abg. Steger: Ja, wie sehen Sie die Verschuldung in der EU?)

Sparsamkeit ist eine Tugend – ohne Frage; aber ich möchte Wolfgang Schäuble zitieren, der ja, glaube ich, der ÖVP sehr nahesteht, der auch ein Paradebeispiel für deutsche Sparsamkeit ist. Er hat kürzlich in einem Interview gesagt:

„Wenn Europa überhaupt noch eine Chance haben will, muss es sich jetzt als solidarisch und“ – da muss ich ihm recht geben – „handlungsfähig bewähren. [...] Denn wir haben eine neue Situation. Europa erfährt einen wirtschaftlichen Einbruch, wie wir ihn zu unse­ren Lebzeiten nicht erlebt haben, und nur in Ansätzen ist abzusehen, welche Ver­werfungen daraus für unsere Gesellschaften folgen werden.“

Er sagt weiter, dass der Vorschlag, ohnehin schon verschuldeten, überschuldeten Staaten nicht ausschließlich Kredite zu geben, sondern selbstverständlich auch Zu­schüsse zu gewähren, grundvernünftig sei. – Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, ich glaube, er steht Ihnen ideologisch sehr nahe, und ich verstehe eigentlich nicht, wieso Sie sich hingestellt haben und dem eine Absage erteilt haben.

Eines muss ich jetzt sagen: Ich höre heute schon etwas anderes. Ich merke, Österreich ist, nachdem Dänemark ja schon raus ist und die Niederlande folgen werden – weil der zweite liberale Regierungspartner das auch nicht so stehen lassen will, was Herr Rutte da verzapft –, offensichtlich immer isolierter. Heute höre ich Bedingungen, es wird etwas formuliert, das keine Hürde ist. Sie stellen sich heute hin und sagen: Das muss zeitlich befristet sein! – Das, was die Kommission vorgelegt hat, ist zeitlich befristet. Das muss an Bedingungen geknüpft werden! – Wir sind die ersten, die sagen, es muss an Bedingungen geknüpft werden, das soll auch passieren.

Ich weiß auch, es geht um den Rabatt, der so wichtig ist. Sie wollen den Faymann machen: Sie schimpfen ein bissl auf Europa, kommen zurück und sagen dann: Das haben wir für Sie herausgehandelt! – Es steht sogar im Vorschlag der Kommission drinnen, dass die Rabatte vorerst einmal weiterlaufen. Worum geht es Ihnen da eigentlich? Deshalb wäre die Position der Regierung schon sehr wichtig: Geht es Ihnen um Rhetorik, oder geht es Ihnen darum, dass Sie weiter zündeln und auf einem antieuropäischen Kurs bleiben, weil Sie die Wähler und Wählerinnen der FPÖ halten wollen?

EU-Bashing ist ja neuerdings in Mode, wenn ich den ÖVP-Ministerinnen und -Ministern zuhöre. Und ja, es ist ein Ablenken von der eigenen Unfähigkeit, Wirtschaftshilfen so zu gestalten, dass sie auch ankommen. Da redet man sich auf das Beihilfenrecht aus, auf die böse EU, das schlechte Auffangen und Retten von Unternehmen, wie jetzt zum Beispiel der AUA. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Kollegin – wie heißt sie?, tut mir leid – hat vorhin hineingerufen: Na die Swiss ist leichter zu retten, weil die Schweiz ja nicht in der EU ist! – Dieses EU-Bashing ist ja haarsträubend! (Beifall bei den NEOS. – Zwi­schenruf des Abg. Höfinger.)

Passen Sie auf, liebe ÖVP! Es hat schon einmal eine konservative Partei in Europa gegeben, die mit nationalistischen Themen gezündelt hat, und wir wissen, was im Endeffekt passiert ist. Sebastian Kurz sollte keine Anleihe an David Cameron nehmen. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Lopatka: Mei!)

11.32

Präsidentin Doris Bures: Nun ist das Mitglied des Europäischen Parlaments Barbara Thaler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.