15.37

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Minis­terinnen! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs schon ein paar Bemerkungen zu diesem Dringlichen Antrag machen: Wir sind es ja von der FPÖ gewohnt, dass, wenn man bis zum Hals im Skandalsumpf steckt, einmal wild um sich geschlagen wird. (Abg. Vogl: Die ÖVP nicht! – Abg. Kassegger: Die Schwarzen sind super sauber!) Frau Kollegin Belakowitsch hat das wieder einmal eindrucksvoll hier am Rednerpult bewiesen. Ich weise nur ganz entschieden zurück, einen Vergleich der Bundesregierung mit den Dreißigerjahren herzustellen. Frau Kolle­gin Belakowitsch, das ist völlig inakzeptabel! Wenn Sie das tun, dann können Sie es bei einem Parteitag der FPÖ tun, denn dort haben Sie wenigstens noch welche sitzen, die von dieser Zeit noch etwas halten. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir sind das jedenfalls nicht! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Hafenecker: Warum hängt dann der Dollfuß noch bei euch im Klub? – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Zum Zweiten: Sie kritisieren nach wie vor den Lockdown. Im Übrigen halte ich es für eine Ärztin für völlig unangebracht, wenn man von Leichenbergen spricht. An und für sich wäre es besser, glaube ich – gerade wenn man als Ärztin einen Beruf im Gesundheits­bereich ausübt –, dass man auch eine andere Wortwahl trifft. Aber Sie waren es mit Klubobmann Kickl, die am 13. März dieses Jahres den völligen Lockdown für Österreich eingefordert haben. (Abg. Kickl: Sie haben schon wieder nicht zugehört!) Das ist durch eine OTS-Aussendung der Freiheitlichen Partei nachweisbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Jetzt stellen Sie sich seit Wochen her und kritisieren diese Maßnahme.

Das ist der Zustand dieser Partei, den wir hier erleben. Wir können nichts dafür, dass Ihre Parteispitze im vorigen Jahr auf Ibiza war. Das hat auch dazu geführt, dass neu gewählt werden musste, aber damit müssen Sie leben und nicht ganz Österreich, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Zum Dritten: Sie legen uns einen Dringlichen Antrag vor, über den man ja durchaus diskutieren kann. Kollege Angerer hat wenigstens einen sachlichen Beitrag abgegeben; darüber kann man ja diskutieren, Sie (in Richtung Abg. Belakowitsch) aber haben erst in der 14. Minute Ihrer Begründung das Wort Arbeitslosigkeit überhaupt erwähnt. Ich würde Sie ersuchen, Frau Kollegin, wenn Sie einen Dringlichen Antrag einbringen – was ja gut und richtig ist, und das Thema ist diskussionswürdig, keine Frage –, etwas früher Bezug auf Ihren eigenen Antrag, den Sie hier mit Ihren Kollegen einbringen (Zwischenrufe bei der FPÖ), zu nehmen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), denn sonst führen wir auch dieses Instrument schön langsam ad absurdum. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Kickl.)

Weiters: Wir sollten uns eigentlich schon einig sein, dass es sich hierbei um eine welt­weite Pandemie handelt – eine Pandemie! –, und daraus folgend haben wir die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. (Abg. Stöger: ... eure eigene Regierung! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Na ja, ich weiß nicht, in den sozialdemokratisch geführten Ländern reden sie auch von einer Pandemie, lieber Lois. Vielleicht fährst du einmal ein bissl herum in Europa und besuchst deine Genossinnen und Genossen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es gibt jedenfalls in Europa genügend Staatsverantwortliche, die der Sozialdemokratie ange­hören, die auch von einer Pandemie sprechen und bestätigen, dass wir es jetzt infolge der Pandemie mit einer weltweiten Wirtschaftskrise zu tun haben, die die größte seit dem Zweiten Weltkrieg ist.

Das ist natürlich eine gewaltige Herausforderung (Abg. Belakowitsch: Na dann machts endlich was!) für die politisch Verantwortlichen in jedem Land. Ich sage es noch einmal – und ich habe es schon oft von diesem Rednerpult aus gesagt (Zwischenruf des Abg. Leichtfried: Ich bin stolz, dass ich in diesem Land leben darf, weil Österreich bis jetzt besser durch die Krise gekommen ist als viele andere Länder. (Abg. Belakowitsch: Stimmt ja gar nicht! – Abg. Leichtfried: Ja, aber die Arbeitslosen ... ! – Ruf bei der SPÖ: Ihr tut gar nichts, das ist das Problem! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Mir sind weniger Tote wichtiger als das, dass ich erklären muss, dass wir noch um Geduld ersuchen, wenn die Unterstützungszahlung vielleicht noch nicht angekommen ist. Mir ist es wichtiger, dass wir die Menschen in diesem Land geschützt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wir haben uns mit den Folgewirkungen auseinanderzusetzen, und wir tun das. Wir tun das seit über drei Monaten, hier im Parlament, im Nationalrat, im Bundesrat, und natürlich auch die Bundesregierung tut das. Ich sage eines ganz klar und deutlich: Ich stehe nicht an, mich bei der gesamten Bundesregierung zu bedanken. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Also so weit sind wir! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) – Das aber ist euer Problem! Ihr müsstet halt einmal zu den Leuten gehen, denn dann würdet ihr hören, dass die Bevölkerung auch stolz auf diese Bundesregierung ist, weil wir bis jetzt gut durch diese Krise gekommen sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Das würde euch nicht schaden. Ihr habt ohnedies gefordert, dass man wieder fortgehen darf, also solltet ihr das auch tun! Wir jedenfalls kommen dem nach. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Natürlich gibt es viele Menschen – und ich komme jetzt zum Thema –, die arbeitslos geworden sind. Ihnen gebühren natürlich unser Respekt und unsere Anerkennung (Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ), weil das schwierige Situationen für diese Menschen sind, vor allem für jene, die jetzt aufgrund dieser Wirtschaftskrise in die Arbeitslosigkeit ge­kommen sind. Bevor ich zu den Arbeitslosenzahlen und zum Arbeitslosengeld komme, möchte ich die Kurzarbeit erwähnen.

Frau Bundesministerin, Sie haben gesagt, 1,1 Millionen Menschen sind jetzt noch in Kurzarbeit. In der Höchstphase der Krise haben wir über 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit gezählt. Gott sei Dank gibt es jetzt viele Unternehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch wieder zurückholen, und ich sage ganz klar und deutlich: Dieses österreichische Kurzarbeitsmodell, das von den Sozialpartnern ausgearbeitet wurde, ist das beste Modell, das wir in ganz Europa finden. (Abg. Schellhorn: Na servas Gschäft! Und wie ist das in der Schweiz?!) Warum? – Weil es den Menschen, den Arbeit­neh­merinnen und Arbeitnehmern, das Einkommen in einer Höhe von 80 bis 90 Prozent sichert, sie bei den Unternehmen angestellt bleiben (Zwischenrufe bei der FPÖ), und sich die Unternehmer darauf verlassen können, dass sie, sobald sie die Arbeitneh­merin­nen und Arbeitnehmer wieder brauchen, weil wieder hochgefahren werden kann, diese auch wieder haben.

Es gibt überall Mängel, und wir sind wirklich auch dahinter – auch durch die Finanz­polizei –, dass Missbrauch eingedämmt wird. Es ist leider so: Es gibt überall, wo es gute Modelle gibt, auch Einzelne, die versuchen, das auszunutzen, beim Großteil aber funk­tioniert es sehr gut. Die Abrechnungen laufen auf Hochtouren, und dieses Kurzar­beitsmodell sucht auf der ganzen Welt seinesgleichen. Es ist ein Topmodell, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun zum Arbeitslosengeld und zur Notstandshilfe, zu den Fakten: Es gibt aktuell 481 000 Arbeitslose, 46 000 davon in Schulung. (Abg. Leichtfried: Das haben wir schon einmal gehört ... !) – Ja, ich sage es noch einmal, lieber Kollege Jörg Leichtfried, es schadet ja nichts! Es gibt jetzt um 107 000 Arbeitslose weniger, als es Mitte April waren. Das heißt, dass auch die Maßnahmen im AMS greifen (Ruf bei der FPÖ: Na wartet, bis der Bumerang kommt!), denn sonst hätten wir jetzt nicht über 100 000 Arbeitslose weniger, als wir Mitte April gehabt haben.

Worauf ich Wert lege, ist, dass wir unser Arbeitslosengeld etwas näher anschauen. Es ist zu wenig, wenn man nur den Prozentsatz bewertet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Rendi-Wagner.) Man muss sich das gesamte System anschauen, und da das Geld bekanntlich kein Mascherl hat, kommt es darauf an, was einer Person, einer Familie, die von Arbeitslosigkeit betroffen ist, letzten Endes wirklich zur Verfügung steht. Wir haben Familienzuschläge und Ergänzungsbeiträge, wobei die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld bei niedrigen Einkommen bis zu 80 Prozent beträgt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bringe ein Beispiel: Beide Elternteile haben 1 500 Euro brutto verdient – Mindestlohn bei uns in Österreich –; Nettoeinkommen mit zwei Kindern inklusive Familienbonus: 2 546 Euro; Familienbeihilfe plus Absetzbetrag: 406,90 Euro; anteilige Sonderzahlun­gen: 415 Euro. Das ist ein Bruttogehalt von 3 368 Euro netto im Monat.

Arbeitslosengeld: 1 918 Euro inklusive Familienzuschläge; Familienbeihilfe: 406,90 Euro; dazu kommen Befreiungen wie die Ökostrompauschale von 36 Euro – sie wurde abge­senkt – und Zuschüsse. Letzten Endes kommen wir auch da - - (Rufe bei der SPÖ: Was erklärst du da?! Jetzt kennst du dich selbst nicht mehr aus!) – Das sind Zuschüsse, die es für Menschen gibt, die sich in dieser Situation befinden, und wir müssen doch auch diese Beträge werten. Genau deshalb haben wir ein breit ausgebautes Sozialsystem in Österreich, durch das wir mit Transferleistungen, mit Sozialunterstützungen diesen betroffenen Menschen helfen.

Diese Familie kommt auf 2 546 Euro im Monat, das sind 76 Prozent (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) sozusagen Nettoersatzrate, wenn man diese Leistungen dazuzählt. Das sind nicht 55 Prozent, sondern 76 Prozent. Ich ersuche nur, dass man alles in dieses Arbeitslosengeld mit hineinrechnet, weil Österreich eine andere Berechnungs­methode hat (Zwischenrufe bei der SPÖ) als viele andere Länder in Europa. Das muss man auch mitbewerten, meine Damen und Herren. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Viele europäische Länder haben eine höhere Nettoersatzrate, senken diese aber rasch ab. Wir haben die Notstandshilfe. Sie ist in Österreich unbefristet, das ist einzigartig in ganz Europa. Jetzt gibt es die 450-Euro-Einmalzahlung, das ist ein Nettobetrag, und für Kinder gibt es 360 Euro. So helfen wir den Menschen, die in Not geraten sind. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

15.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Muchitsch ist zu Wort gemel­det. – Bitte.