20.51

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Es geht um die Auswirkungen der Coronakrise auf Frauen, und eine Auswirkung dieser Krise darf nicht sein, dass Frauen in diesem Land konsequenzenlos von Politikern sexistisch beschimpft werden können (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ) – aber der Reihe nach.

Am 4. Juni fällt der stellvertretende Landeshauptmann von Tirol Josef Geisler der Gewässerschutzsprecherin des WWF Marianne Götsch wiederholt ins Wort und bezeichnet sie als „widerwärtiges Luder“. Er weiß nicht, dass er gefilmt wird. (Abg. Loacker: Von wem ist das der Koalitionspartner?) Der massiven Kritik an seiner frauenverachtenden Äußerung folgt eine Presseaussendung Geislers. (Zwischenruf des Abg. Bösch.) Er entschuldigt sich, stellt aber gleichzeitig den Vorfall falsch dar und behauptet, die WWF-Sprecherin sei ihm ins Wort gefallen. – Das Video beweist das Gegenteil.

Am nächsten Tag erklärt das Büro von Geisler, der Ausdruck Luder sei nicht zwingend negativ und in keiner Weise frauenfeindlich gemeint. Ja wie denn sonst, sehr geehrte Damen und Herren?! Wie denn sonst? (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Als Frauensprecherin meiner Fraktion bin ich entsetzt über den Umgang der Tiroler ÖVP mit dem Sager ihres stellvertretenden Landeshauptmanns. Geislers Aussage und dieser Umgang seiner Partei mit dem Vorfall belegen ganz eindeutig: Die Tiroler ÖVP hat ein Problem mit Sexismus. Es ist so. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)

Statt Konsequenzen aus diesem Verhalten zu ziehen, nutzt Landeshauptmann Günther Platter seine Machtposition aus und tut das, was er wahrscheinlich vorher im Lehrbuch der Männerseilschaften nachgelesen hat. In dem Fall heißt das, er macht ihm die Mauer.

Garniert wird das Ganze dann noch mit einer medienwirksam platzierten Nebelgranate, nämlich der Neuwahldrohung Richtung Koalitionspartner, und Platter spricht von grünen „Koalitionsgefährdern“. Das eigentliche Problem, der sexistische Sager von Geisler, soll so banalisiert und in den Hintergrund gerückt werden. (Abg. Kickl: Die Frau Minister wird dann darauf eingehen!) Medien springen auf und diskutieren über die Grünen.

Gerne führe ich deshalb hier die Debatte dorthin zurück, wo sie ihren Ursprung hat und wo sie auch hingehört. Sie erinnern sich: Der stellvertretende Landeshauptmann von Tirol nannte die WWF-Gewässerschutzsprecherin ein „widerwärtiges Luder“.

So, und was hat das jetzt mit unserer heutigen Plenardebatte zu tun, sehr geehrte Damen und Herren? – Sehr viel, weil wir heute Anträge zum Thema Gewalt gegen Frauen behandeln – einige davon habe ich selbst mit eingebracht –, und wir wissen, dass wir da in Österreich ein massives Problem haben.

Verfassungsministerin Edtstadler hat zur Causa Geisler Folgendes festgehalten – ich darf sie zitieren –: „Gewalt gegen Frauen beginnt sehr oft bei Worten“. – Als studierte Linguistin stimme ich ihr zu, und ich habe zusätzlich einen Blick in ein Buch von Senta Trömel-Plötz, einer Universitätsprofessorin, einer Linguistin, geworfen, das den Titel „Gewalt durch Sprache“ trägt. Ich zitiere daraus: Sie sagt, „durch Sprechen, wird [...] anderen Gewalt angetan, denn wir handeln, indem wir sprechen. Solche Sprechhand­lungen, in denen verbal Gewalt angewendet wird, sind z. B. Beleidigung, Beschimpfung, [...] Herabminderung, Mißachtung“.

Dieser Definition folgend: Wenn ein Politiker eine politische Aktivistin als „widerwärtiges Luder“ bezeichnet, ja selbstverständlich beleidigt und beschimpft er sie dann! Ja was denn sonst?! Das steht ja nicht zur Diskussion. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und NEOS.) Und selbstverständlich disqualifiziert er sich mit einem solchen Verhalten für ein politisches Amt.

Sexistische Verbalattacken sind keine bedauerliche Entgleisung oder irgendein komi­scher Einzelfall, mit dem man keine Freude hat. Dahinter steht ein entsprechend frauen­feindliches, sexistisches Weltbild, und ein solches hat in der Politik nichts verloren – nichts! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Das sieht übrigens auch die ehemalige ÖVP-Frauenministerin so. Maria Rauch-Kallat hat Geisler nahegelegt, er müsse sich überlegen, ob er auf dem richtigen Platz sei. – Aber ehrlich, sehr geehrte Damen und Herren, was gibt es denn da noch zu überlegen? (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Was gibt es da zu überlegen? (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)

Ja, Frau Heinisch-Hosek, Sie können gerne wieder versuchen, was Sie eh schon getan haben, nämlich ein Problem eines sexistischen Politikers einer Frau umzuhängen. (Abg. Heinisch-Hosek: Na, na, na ...!) Interessante Strategie, finde ich nicht gut – aber gut.

Ich erwarte mir, dass die Tiroler Volkspartei jetzt nicht den Mantel des Schweigens über diese Causa breitet, sondern sich mehrere Fragen stellt, wie zum Beispiel: Wie kann es denn überhaupt sein, dass es in unserer Partei solche Aussagen gibt? Haben wir in der Partei Strukturen, die das befördern? – Diese Fragen sollte sich die Tiroler ÖVP stellen und nicht versuchen, per Presseaussendung diese Diskussion ad acta zu legen und zu sagen: Ja, das haben wir jetzt diskutiert, alles gut! (Abg. Martin Graf: Sie hat vollkommen recht! – Heiterkeit des Abg. Kickl.)

Ich komme zum Schluss, und ich möchte eine Nachricht mit Ihnen teilen, die ich vor einigen Tagen bekommen habe. Ich zitiere Ihnen das. Jemand hat mir Folgendes ge­schrieben: Als Lebenspartner, als Vater einer dreijährigen Tochter, als Bruder, Onkel und als Feminist wünsche ich mir, dass unser Land nicht von Politikern regiert wird, die eine Frau in der Öffentlichkeit so beschimpfen können und trotzdem im Amt bleiben. – Zitatende. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

20.56

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte, Frau Abgeordnete.