22.18

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Anlass zu diesem Tagesord­nungspunkt heute zu später Stunde ist ja ein abgelehnter Antrag von uns NEOS – er wurde bei der letzten Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses abgelehnt –, der umfassende Maßnahmen gegen Diskriminierung und gegen Gewalttaten gegenüber LGBTIQ-Personen fordert.

Dieser Antrag war aber nur einer von sechs Anträgen unseres Antragspakets, das wir im Gleichbehandlungsausschuss diskutiert haben. Die anderen fünf Anträge wurden nicht einmal abgelehnt, sondern wurden vertagt. Ich sage „nicht einmal“, denn für mich als neuen, jungen Abgeordneten hier im Parlament ist diese Praxis des Vertagens fast noch schlimmer.

Man muss das allen, die nicht wissen, was das bedeutet, erklären: Die Vertagung eines Antrages bedeutet, dass man ihn in eine Schublade gibt, die Schublade zusperrt, den Schlüssel wegwirft und dieser Antrag nie wieder das Tageslicht erblicken wird. Das ist mit diesen anderen fünf Anträgen passiert, und das im Monat der Regenbogenparade – beziehungsweise der nicht stattfindenden Regenbogenparade, aber der Pride –, das ist schon ein starkes Stück.

Ich habe hier schon öfter gesagt, dass wir das insbesondere auch den Grünen vorwerfen. Unser Eindruck ist, dass sie der vermeintlichen Klimapolitik – da haben wir auch noch nicht so viele Ergebnisse gesehen – alles geopfert haben, dass ihr Grund- und Menschenrechte, der Einsatz für die LGBTIQ-Community, aber auch viele andere Punkte wie zum Beispiel betreffend Asylfragen geopfert wurden. (Abg. Schellhorn: Ungarn!)

Das haben wir schon oft gesagt und auch oft vorgehalten, aber ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, ein bisschen in den Fokus zu rücken, wer denn eigentlich der Schwarze Peter ist, wenn man so will.

Wir wissen alle, dass es die ÖVP ist, die nicht seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten auf der Bremse steht, wenn es um gleiche Rechte für Lesben, Schwule, Transsexuelle oder intergeschlechtliche Menschen geht. Die neue ÖVP ist im Kopf nämlich eigentlich ganz alt. Bei mir hat es da irgendwie klick gemacht, als ich dieses Buch gelesen habe. (Der Redner hält ein Exemplar des Buches „Inside Türkis Die neuen Netzwerke der Macht“ von Klaus Knittelfelder in die Höhe.) – Das zu lesen, wie die ÖVP tickt, kann ich vielleicht nicht den Leuten in der neuen ÖVP, aber allen anderen empfehlen. Die, die mit der ÖVP verhandelt haben, haben das vielleicht auch am eigenen Leib gespürt, wie die ÖVP tickt – Inside Türkis. In diesem Buch des „Krone“-Journalisten Klaus Knittelfelder heißt es: „Wider alle Vorurteile ist das keine ideologiebefreite Buberl-Partie, sondern eine teils erzkonservative Truppe mit politischen Hardlinern“.

Wenn man diesen Satz so liest oder wenn man den so hört und sich dann auch die Handlungen anschaut, dann macht auch vieles Sinn. Angefangen an der Spitze bei Sebastian Kurz: Schon 2016, als er noch nicht Bundeskanzler war, hat er am Tag der Regenbogenparade, an dem Hunderttausende Menschen für gleiche Rechte demonstrieren, zeitgleich am Marsch für Jesus teilgenommen, also der Gegen­demons­tration zur Regenbogenparade, wo teils abstruse Aussagen getätigt werden. 2019, Awakening Europe – Sie erinnern sich vielleicht noch alle –: Ich glaube, es war in der Stadthalle, wo wir alle für Sebastian Kurz – Seite an Seite mit einem fundamen­talchristlichen und homophoben Prediger – gebetet haben. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) Der Kabinettschef des Bundeskanzlers, Bernhard Bonelli, ist eng mit Opus Dei vernetzt – das ist auch offen – (Zwischenruf des Abg. Hörl), und auch hier im Parlament haben wir mit Kollegin Gudrun Kugler eine Vertreterin – das ist ja auch legitim, aber man muss es, glaube ich, aussprechen – des erzkonservativen Flügels.

Kollegin Kugler hat zum Beispiel 2015, also kurz bevor die Ehe für alle eingeführt wurde, in der Zeitschrift „Couleur“ gesagt – ich zitiere –: „Die Homoehe führt unweigerlich zu schrittweisen Erweiterungen wie Polygamie [...] oder eine Ehe [...] unter Geschwistern.“ (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der NEOS sowie Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das muss man sich einmal vor Augen führen, und dann versteht man vielleicht auch, warum hier so wenig möglich ist. Was zeigt uns das alles, was ich hier aufgezählt habe? – Die ÖVP ist in gesellschaftspolitischen Fragen viel, viel konservativer als die österreichische Bevölkerung und vor allem viel konservativer als es viele in Österreich glauben. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Aspekt, und da wieder Richtung Grüne: Gaukeln Sie uns nicht vor, dass es mit dieser ÖVP, mit diesen Menschen, mit diesen Zitaten, die ich gerade genannt habe, möglich ist - - (Rufe bei der ÖVP: Hallo! – Abg. Lopatka: Was soll das?! Abg. Steinacker: Wir sind schon noch Menschen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Was ist daran jetzt - - (Ruf bei der ÖVP: ... wir Menschen sind!) – Sie sind doch Menschen? Ja, okay, gut.

Gaukeln Sie uns nicht vor, dass mit dieser Partei, dass mit diesen Politikerinnen und Politikern eine progressive Politik möglich ist! Sie haben bei den Verhandlungen – das ist legitim – eine Abwägung getroffen. Sie haben alles auf zumindest einen Verhand­lungserfolg beim Klima gesetzt und alles andere unter den Tisch fallen lassen. Also gaukeln Sie uns nicht vor, dass mit dieser Partei ein Fortschritt in LGBT-Fragen oder in Menschenrechtsfragen möglich ist! Wir nehmen zur Kenntnis – das habe ich auch schon gesagt –, dass Sie so der Community nicht mehr als verlässlicher Partner zur Seite stehen, aber bitte vernebeln Sie das nicht.

Und ja, unser Antragspaket wurde abgelehnt. Das wird ja heute auch kein großer Wurf mehr werden, aber das ist mein letzter Punkt. Was wir uns erwarten, ist schon, dass zumindest das Wenige, das im Regierungsprogramm festgeschrieben ist, umgesetzt wird. Im Regierungsprogramm ist ja festgelegt – das ist ja auch schon so ein Minimum –, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu intergeschlechtlichen Menschen, zum dritten Personenstandseintrag umgesetzt wird.

Deswegen bringe ich heute einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „3. Geschlechts­eintrag - VfGH-Erkenntnis endlich umsetzen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, alle notwendigen Schritte zu setzen, um das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes von Juli 2018 (G77/2017 zu § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013) vollumfänglich und umgehend umzusetzen. Davon umfasst ist die Aufhebung des Erlasses des ehemaligen Innenministers Herbert Kickl, der die Umsetzung des höchstgerichtlichen Urteils verhindert und die Diskriminierung intergeschlechtlicher Personen fortführt.“

*****

Setzen Sie Ihr Regierungsprogramm um! Dazu lade ich Sie herzlich ein. Danke. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Was sagt Opus Dei? – Abg. Loacker: Schwer zu erklären jetzt!)

22.24

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend 3. Geschlechtseintrag - VfGH-Erkenntnis endlich umsetzen!

eingebracht im Zuge der Debatte in der 36. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen (213d.B.)– TOP 22

Seit dem Erkenntnis des Bundes-Verfassungsgerichtshofes im Juli 2018 (G77/2017 zu § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013) ist es Personen in Österreich so wie auch schon in 19 anderen Ländern der Welt theoretisch möglich, im zentralen Personenstandsregister ZPR neben den Geschlechtskategorien "männlich" und "weiblich" eine dritte Geschlechtskategorie zu wählen. Obwohl verfassungsgerichtlich anerkannt, bleibt die dritte Geschlechts­kate­gorie faktisch jedoch eine Utopie. Schuld daran ist eine Weisung des ehem. Innen­ministers Herbert Kickl an die Standesämter im Dezember 2018. Daraus geht einerseits hervor, dass aufgrund der beschränkten Möglichkeiten der Ministeriumssoftware als dritte Geschlechtskategorie lediglich der Begriff "divers" anzuerkennen sei - eine unnötig enge Fassung des Ausdrucks des dritten Geschlechts, dem das Erkenntnis des VfGH deutlich mehr Spielraum einräumt. Andererseits soll die Zuerkennung der dritten Ge­schlechtskategorie ausschließlich "auf Basis eines einschlägigen medizinischen Gutach­tens" erfolgen und zwar durch eigens zusammengestellte "interdisziplinäre und multi­professionelle medizinische Expertengruppen" bzw. "Boards". Laut eines Artikels in der Tageszeitung Der Standard vom 23.12.20191 sind ebendiese Boards ein Jahr später immer noch nicht eingerichtet, womit für betroffene Personen eineinhalb Jahre nach dem verfassungsgerichtlichen Erkenntnis faktisch immer noch nicht die Möglichkeit besteht, die dritte Geschlechtskategorie auch tatsächlich eintragen zu lassen. Nicht nur werden solche verpflichtenden medizinischen Gutachten von LGBTIQ-Organisationen, wie der HOSI Salzburg, als "pathologisierend" und "potentiell traumatisierend" eingestuft und daher strengstens abgelehnt, sondern sie dienen offensichtlich durch ihren obliga­torischen Charakter bei gleichzeitiger Nichtkonstituierung der dafür notwendigen Boards auch dazu, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes schlicht zu umgehen. Dieser Schwebezustand ist für die Betroffenen untragbar, zumal die Sachlage schon längst verfassungsrechtlich geregelt wurde und kann daher nur als Schikane aufgefasst werden. Außerdem kommen zahlreiche Länder wie Norwegen, Portugal, Malta, Belgien, Dänemark und Irland hinsichtlich der dritten Geschlechtskategorie ganz ohne ab­schreckende verpflichtende medizinische Untersuchungen aus, sondern vertrauen auf die Selbsteinschätzung der betroffenen Personen.2 Außerdem entschied das ober­österreichische Landesverwaltungsgericht (LVwG-750727/5/MZ) in Bezug auf diesen Erlass, dass ein solcher "nicht dazu geeignet ist, Rechte und Pflichten für die Rechts­unterworfenen zu begründen, und dass das Verwaltungsgericht keiner Erlassbindung unterliegt".

1 https://www.derstandard.at/story/2000112574005/weisung-kickls-als-minister-blockiert-eintrag-des-dritten-geschlechts;

2 https://www.salzburg24.at/news/salzburg/drittes-geschlecht-hosi-kritik-am-verpflichtenden-arztattest-62674825;

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, alle notwendigen Schritte zu setzen, um das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes von Juli 2018 (G77/2017 zu § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013) vollumfänglich und umgehend umzusetzen. Davon umfasst ist die Aufhebung des Erlasses des ehemaligen Innen­ministers Herbert Kickl, der die Umsetzung des höchstgerichtlichen Urteils verhindert und die Diskriminierung intergeschlechtlicher Personen fortführt."

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.