22.35

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wann Homosexualität in Österreich legalisiert worden ist. – Es ist nicht einmal 50 Jahre her: 1971. Und ja, tatsächlich fehlte in diesen knapp 50 Jahren der politische Wille, die rechtliche Ungleich­behandlung, die Diskriminierung abzuschaffen. Es waren allesamt Gerichtsurteile, die dazu führten, dass die Ehe für alle eingeführt worden ist und das Vereinsverbot für LGBT-Vereine gefallen ist. Bei der dritten Option gibt es jetzt ein VfGH-Urteil, und wir haben uns darauf geeinigt, dieses entsprechend umzusetzen.

Jede zehnte Person in Österreich gibt an, in den letzten fünf Jahren nur aufgrund der Geschlechtsidentität oder Orientierung von Gewalt betroffen gewesen zu sein. 45 Prozent trauen sich nicht oder haben schlicht Angst, zu sagen, dass sie homo- oder transsexuell sind. – Diese Zahlen sind schon erschreckend für ein westeuropäisches Land im Jahr 2020.

Wir befassen uns mit diesen Baustellen, die noch offen sind, wie ich finde, zu Recht auch immer wieder hier im Parlament, weil es notwendig ist, darauf aufmerksam zu machen, dass es diesen politischen Willen endlich braucht. Und ja, ich habe schon des Öfteren referiert, an welchen Baustellen wir arbeiten, worauf wir uns nicht einigen konnten, was nicht möglich war – Kollegin Heinisch-Hosek hat gesagt, Levelling-up war zweimal im Ministerrat. (Abg. Heinisch-Hosek – in Richtung ÖVP –: Da drüben, bitte!) Es war euch als Kanzlerpartei und uns als kleinerem Koalitionspartner nicht möglich, dass wir uns da einigen. Wir haben uns beispielsweise auf die Ausweitung des Schutzes vor Diskriminie­rung geeinigt, wir haben uns aber auch auf die Umsetzung des VfGH-Urteils geeinigt und so weiter und so fort. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Yılmaz.) Das heißt, vieles von dem, was bisher gar nicht möglich war, wird jetzt auch möglich gemacht.

Und ja, ich verhehle es überhaupt nicht: Es war ein Kampf, es war ein zähes Ringen und es ist ein zähes Ringen. Natürlich gibt es unterschiedliche Perspektiven, unterschied­liche Einschätzungen, aber ich denke, dass wir bei dem, worauf wir uns geeinigt haben, doch behaupten können, dass etwas weitergeht. Ich gebe dir, Yannick, recht, dass es mir persönlich zu wenig progressiv ist. (Beifall bei den Grünen.) Ich würde aber eines von uns – in dem Fall – weisen, nämlich dass Vertagungen immer nur ausschließlich dazu dienen, dass etwas in der Schublade landet. (Abg. Loacker: Ja, wozu denn?) – Nein, das ist nicht der Fall. Gerade in dem Bereich sind wir beim Ausverhandeln von diversesten Dingen, und vertagt wurde auch deshalb, weil wir im Hintergrund daran arbeiten, einen entsprechenden Antrag der Regierungsparteien einzubringen. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Danke.

Viele Anträge der Opposition – weil auch immer behauptet wird, dass wir das voll­kommen ignorieren und eben ablehnen oder vertagen – nehmen wir auch tatsächlich auf und bringen sie sogar in einer erweiterten Form wieder ein. Das ist zum Beispiel der Fall beim Antrag der Kollegin Rendi-Wagner, der im EU-Hauptausschuss in Bezug auf die USA gestellt worden ist und heute auch wieder vorliegt. Da geht es um das Bekenntnis der Bundesregierung gegen Rassismus, Diskriminierung und Polizeigewalt in den USA. Ich würde sagen: Na no na net!, allein der Außenminister selber hat die Polizeigewalt verurteilt. Wir haben natürlich nicht nur diese Dinge, die da drinnen stehen, gutgeheißen, sondern bringen heute einen eigenen Entschließungsantragsantrag ein, der weit­reichender ist und aus meiner Sicht auch viel mehr als der Antrag der SPÖ vorgibt.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend „aktuelle Situation in den USA nach dem Tod von George Floyd“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird anlässlich der aktuellen Situation in den USA“ - - (Unruhe im Saal.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung, ich bitte um Aufmerksamkeit! In den letzten Minuten werden wir ja noch so viel Disziplin aufbringen können, dass wir der Rednerin zuhören. (Beifall bei den Grünen.)

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (fortsetzend): - - „nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd aufgefordert, sich weiterhin auf internationaler und europäischer Ebene für die Einhaltung und Stärkung der Grund- und Menschenrechte einzusetzen.

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­natio­nale Beziehungen wird zudem ersucht, sich weiterhin aktiv auf internationaler und europäischer Ebene, in den entsprechenden internationalen Gremien, gegen Rassis­mus, Verhetzung und Diskriminierung weltweit einzusetzen.

In diesem Zusammenhang wird der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen, aufgefordert, Österreichs aktuelle Position im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen als Mitglied aktiv zu nützen, um eines der grundlegendsten menschenrechtlichen Prinzipien, nämlich der Gleichheit aller Menschen an Würde und Rechten Ausdruck zu verleihen, und entsprechende Initiativen zur Bekämpfung von Rassismus, Verhetzung und Diskriminierung weiterhin zu unterstützen.

Der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen, wird“ schließlich auch „aufgefordert wie im Regierungsprogramm vorgesehen die Stärkung der Zivil­gesellschaft, von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Journalistinnen und Journalisten und demokratischen Kräften zu unterstützen.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für europäische und internationale Bezie­hun­gen dazu aufgefordert, die aktuellen Ereignisse auch auf bilateraler Ebene mit den USA entsprechend zu thematisieren.“

*****

In diesem Sinne: Ja, danke für die Anregungen, danke auch für die Oppositionsarbeit, die, wie ich finde, in diesem Parlament ganz, ganz wichtig ist; aber nein, es stimmt nicht, dass die zwei Regierungsparteien das schlicht ignorieren. Im Gegenteil, wir nehmen das auf, wir verhandeln das. Und ja, es ist nicht immer einfach, das stimmt – wir wissen, wo ÖVP und Grüne jeweils in den einzelnen Bereichen stehen. Manchmal erfordert das ein wenig Zeit – aber geben Sie uns diese Zeit! Ich bin mir sicher, es wird progressiver als in den letzten Jahrzehnten werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Scherak: Die klatscht, die progressive ÖVP!)

22.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic

Kolleginnen und Kollegen

betreffend aktuelle Situation in den USA nach dem Tod von George Floyd

eingebracht im Zuge der Debatte Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen (213 d.B.) (TOP 22)

Der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd war tragischer Auslöser von weltweiten Protestbewegungen unter dem Titel „Black Lives Matter“, die sich seit Jahren gegen Rassismus, Polizeigewalt, Diskriminierung von Afroamerikanerinnen und Afro­amerikanern und die Missachtung der Menschenrechte einsetzen. In unmittelbarer Reaktion hat sich nicht nur die politische Öffentlichkeit der USA klar zu rassistisch moti­vierten Vorkommnissen geäußert, diese aufs Schärfste verurteilt und die zugrund­liegen­den Probleme erneut thematisiert. Gegen die Hauptbeteiligten wurde in weiterer Folge wegen Mordes zweiten Grades, also wegen Mordes, der ursprünglich nicht voraus­ge­plant war, Anklage erhoben.

Der Diskurs in den USA, der durch die vielfältigen und weitestgehend friedlichen Proteste der Zivilgesellschaft eingesetzt hat, führte in weiterer Folge zu klaren Rufen nach tief­grei­fenden Systemreformen. Dabei werden Selbstverständnis, Praxis und Befugnisse der Polizei hinterfragt und klare Regelungen für den Polizeidienst und -einsätze gefordert. Zah­len, Daten und Statistiken im Zusammenhang von Todesfällen durch einen Schuss­waffen­gebrauch der Polizei in den USA weisen laut der mehrjährigeren Erhebung der US-amerikanischen Tageszeitung Washington Post etwa 1.000 Fälle pro Jahr auf. Gemäß diesen Zahlen ist der Anteil durch Schusswaffen getöteter männlicher Afroamerikaner bei Polizeieinsätzen doppelt so hoch wie ihr Anteil an der Gesamt­bevölkerung.

Im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse, die durch einen weiteren Todesfall eines Afroamerikaners in Atlanta – Raychard Brooks wurde am 13. Juni 2020 bei einem Polizeieinsatz erschossen -  weiter an Bedeutung erlangt haben, unterstützen auch die unterzeichnenden Abgeordneten insbesondere in Momenten großer Polarisierung jene Stimmen der Zivilgesellschaft, die ihre Stimme gegen Rassismus und Polizeigewalt erheben und Gerechtigkeit und Rechtsschutz, die Wahrung demokratischer und rechts­staatlicher Grundwerte und die Einhaltung der Menschenrechte fordern. Medienberich­ten zufolge kam es in den letzten Tagen vermehrt zu Polizeiübergriffen auf friedliche Demonstrierende sowie Journalistinnen und Journalisten. Die Rücknahme des Schutzes von Trans-Personen vor Diskriminierung im Gesundheitswesen ist zudem eine weitere besorgniserregende Entwicklung.

Die USA und Europa sind eine Wertegemeinschaft, die auf Demokratie, Rechts­staat­lichkeit und der Achtung der Menschenrechte basiert. Auch bilateral besteht zwischen den Vereinigten Staaten und Österreich eine langjährige enge Zusammen­arbeit und Freundschaft. Gerade auf Grundlage dieser guten Beziehungen können und sollen auch unterschiedliche Positionen, wie etwa in Bezug auf den effektiven Multilateralismus und den Schutz und Achtung der Menschenrechte, angesprochen werden. Gerade auf Grundlage dieser transatlantischen Partnerschaft, ist es wichtig, breite und friedliche zivilgesellschaftliche Bewegungen zu unterstützen.

Angesichts der aktuellen Entwicklungen in den USA und entsprechend Österreichs Einsatz für die Bekämpfung von Rassismus und für die Achtung der Menschenrechte, die einen integralen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik bilden, sollte die Republik Österreich insbesondere in der aktuellen Situation ihre menschenrechtliche, demokratische und rechtsstaatliche Grundhaltung verstärkt vermitteln.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird anlässlich der aktuellen Situation in den USA nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd aufgefordert, sich weiterhin auf internationaler und europäischer Ebene für die Einhaltung und Stärkung der Grund- und Menschenrechte einzusetzen.

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­natio­nale Beziehungen wird zudem ersucht, sich weiterhin aktiv auf internationaler und euro­päischer Ebene, in den entsprechenden internationalen Gremien, gegen Rassismus, Verhetzung und Diskriminierung weltweit einzusetzen.

In diesem Zusammenhang wird der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen, aufgefordert, Österreichs aktuelle Position im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen als Mitglied aktiv zu nützen, um eines der grundlegendsten men­schenrechtlichen Prinzipien, nämlich der Gleichheit aller Menschen an Würde und Rechten Ausdruck zu verleihen, und entsprechende Initiativen zur Bekämpfung von Rassismus, Verhetzung und Diskriminierung weiterhin zu unterstützen.

Der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen, wird aufgefordert wie im Regierungsprogramm vorgesehen die Stärkung der Zivilgesellschaft, von Men­schenrechtsaktivistinnen und –aktivisten sowie Journalistinnen und Journalisten und demokratischen Kräften zu unterstützen.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für europäische und internationale Bezie­hungen dazu aufgefordert, die aktuellen Ereignisse auch auf bilateraler Ebene mit den USA entsprechend zu thematisieren.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der umfangreiche Antrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.