Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Betrachten Sie die gezielte Verbreitung von Angst als politisch vertretbares Mittel? Ich stelle Ihnen diese Frage, da Sie ja laut einem Protokoll einer Expertenrunde im Bundeskanzleramt vom 12. März 2020 folgende Aussage tätigten, nämlich „dass die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollen“ oder „Angst davor, dass Eltern/Großeltern sterben“. – Wie beurteilen Sie dies heute?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 1/M, hat folgenden Wortlaut:

„Betrachten Sie die gezielte Verbreitung von Angst als politisch vertretbares Mittel, zumal Ihnen die Aussage, wonach ‚die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollen oder Angst davor, dass Eltern oder Großeltern sterben‘, laut einem Protokoll einer Ex­pertenrunde im BKA vom 12. März 2020 zugeschrieben wird?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Da ich bei der Sitzung dabei war, kann ich beurteilen, was ich gesagt habe, und so wie Sie das darstellen, ist das nicht gesagt worden (Abg. Belakowitsch: Ist das Protokoll falsch? – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Matznetter), sondern es ging um eine Debatte unter Experten, in der Experten da­rauf hingewiesen haben, dass viele, weil sie die Krankheit weder sehen noch riechen können, im Moment noch zu wenig Bewusstsein diesbezüglich haben. Ich habe darauf hingewiesen, dass es legitim ist, wenn sich Menschen vor einer Ansteckung fürchten, ich habe aber dazugesagt, dass mir wichtig erscheint (Abg. Belakowitsch: Ist das Pro­tokoll falsch?), dass die Menschen sich nicht vor dem Zusammenbruch unserer Systeme oder der Versorgungssicherheit fürchten. Darum ist es gegangen.

Ich halte es als Bundeskanzler für verantwortungsvoll (Abg. Belakowitsch: Ist das Pro­tokoll falsch?), wenn ich einen Informationsvorsprung habe, auf die Gefahren einer An­steckung und einer Erkrankung hinzuweisen. (Abg. Wurm: Wenn die Antwort die Un­wahrheit ist!) Und ich bleibe dabei: Die verharmlosenden Vergleiche mit der Grippe wa­ren falsch und gefährlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Belakowitsch, wenn Sie Fragen stellen wollen, dann melden Sie sich bitte an! Ich würde Sie herzlichst bitten, den Fragen­den und den Beantwortungen Raum zu geben.

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Fürst? – Bitte. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Ich habe nur aus dem Protokoll zitiert.

Im Zuge der Coronakrise, die ja mit sehr viel Angst- und Panikmache befeuert wurde, kam es zu tiefen Grundrechtseingriffen, mit massiven Auswirkungen auf die Menschen. Es wurden Existenzen vernichtet, Kinder wurden von der Schule, von ihren Freunden ferngehalten, ältere Menschen wurden monatelang isoliert. Finanzielle, aber auch so­ziale Kollateralschäden sehr großen Ausmaßes wurden in Kauf genommen. Es gab viele widersprüchliche, verwirrende Aussagen für die Menschen.

Da es viele Maßnahmen gab, die einfach auch – wie sich herausgestellt hat – zu einem guten Teil auf rechtswidrigen, verfassungswidrigen Verordnungen beruht haben, und da die Exekutive vom Innenminister ja offensichtlich angewiesen war, sehr streng vorzuge­hen und sehr hohe Strafen gegen die Bürger wegen mehr als geringer Vergehen zu verhängen, kann ich mich mit Ihrer Aussage, dass es sich da um juristische Spitzfin­digkeiten handelt, wenn man die Rechtswidrigkeit dieser Verordnungen moniert, nicht anfreunden. Es wird hier auch noch eine Nachbereitung dazu geben.

Meine Frage lautet daher: Sollte die gezielte Verbreitung von Angst den systematischen Eingriff in unsere Grundrechte erleichtern und aufbereiten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Der Gesundheitsminister hat selbstverständlich auch mit Unterstützung des Verfassungsdienstes immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt – davon bin ich überzeugt – und alles versucht, um in kurzer Zeit Verordnun­gen zu erarbeiten, genauso wie Sie im Parlament selbstverständlich versucht haben, hier in kürzester Zeit zu handeln und die entsprechenden Gesetzesbeschlüsse auf den Weg zu bringen.

Ich bin dankbar für den nationalen Schulterschluss, den wir über die Parteigrenzen hin­weg zu Beginn der Coronakrise hatten, und ich bin froh darüber, dass das Handeln in Österreich dazu geführt hat, dass wir besser durch die Krise gekommen sind als viele andere Länder und uns Schlimmeres erspart geblieben ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Dr. Brandstätter, bitte.

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, den Menschen ist ja nicht nur Angst gemacht worden, sie sind objektiv auch falsch in­formiert worden. Die Geschichte, dass es nur vier Gründe gäbe, das Haus zu verlassen, war ja objektiv falsch, es waren manchmal auch nur drei. Es sind sehr viele Strafen verhängt worden. Jetzt ist eine Diskussion entstanden, was denn mit diesen Strafen pas­sieren soll. Das ist keine juristische Spitzfindigkeit, sondern relativ einfach: Der Ge­sundheitsminister könnte ja über die Landeshauptleute im Sinne der mittelbaren Bun­desverwaltung anordnen, dass diese Strafen durch die Bezirkshauptmannschaften ent­sprechend erlassen werden. Sind Sie dafür, dass das passiert?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich halte es für richtig, dass in einem Rechtsstaat nicht nur Gesetze und Verordnungen überprüft werden, sondern natürlich auch das Vorgehen der Behörden und jeweils passende Entscheidungen getroffen werden. Das ist aber nicht meine Entscheidung, wie jetzt damit umgegangen wird. (Abg. Brandstätter: Aber die Information war falsch! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Brandstätter: Na ja, aber stehen Sie dazu, dass Sie die Leute falsch informiert haben?)

Wir haben uns stets bemüht, als Bundesregierung transparent zu arbeiten, bestmöglich zu informieren. Ja, wir haben alles getan, um auch mit einfachen Worten zu übersetzen, was in Verordnungen und Gesetzestexten oftmals sehr kompliziert niedergeschrieben ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Schwarz, bitte.

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Den Zurufen zum Trotz eine Frage, die, glaube ich, auf relativ neutralem Boden basiert: Es hat sich im Zuge der Covid-19-Krise herausgestellt, dass es zwei unterschiedliche Handlungs- und Denkweisen gab, innerhalb Europas, aber auch weltweit. Da gab es die Länder, die so wie Österreich sehr konsequent und rasch mit einem Shutdown, einem Lockdown reagiert haben, dadurch unzählige Menschenleben gerettet haben – das steht definitiv fest –, und die anderen, die gesagt haben: Wir lassen es, wie es ist, und lassen die Wirtschaft weiterlaufen! – Schweden ist da ein Beispiel, ganz furchtbar ist jetzt auch die Situation in Brasilien, die uns das deutlich vor Augen führt.

In der Nachbetrachtung jetzt: Ist der Weg nach wie vor richtig gewesen? Würden Sie es genau so wieder machen, sich dafür zu entscheiden, Menschenleben zu retten und die Wirtschaft jetzt aufgrund der Tatsache, dass die Lockerungen in Kraft treten können, wieder zu fördern?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich bin fest davon überzeugt, dass es sowohl gesund­heitspolitisch als auch wirtschaftlich richtig war, schnell auf die Coronakrise zu reagieren. Wir wissen, dass in Österreich die Gesundheitsfolgen deutlich geringer waren als in vie­len anderen Ländern. Wir kennen die Situation in Schweden, und was noch dazukommt, ist, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen in jenen Ländern geringer sind, in denen auch die gesundheitspolitische Situation besser ist. Das bedeutet, je früher, je intensiver man reagiert, desto schneller kann man auch die Wirtschaft wieder hochfahren. In Öster­reich zum Beispiel haben die Lokale seit über einem Monat wieder geöffnet, in Paris ist es so, dass die Cafés erst vor wenigen Tagen wieder vollständig aufsperren durften.

Man sieht also, die rasche Reaktion war nicht nur gut, was die Rettung von Menschen­leben betrifft, sondern auch, was die Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen be­trifft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 4. Anfrage, jener der Abgeord­neten Rössler. – Bitte.