12.34

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben hier im Wesent­lichen zwei Themen zu behandeln. Das erste Thema ist eine kleine Änderung, die auch aufgrund der Covid-Maßnahmen vorzunehmen war, nämlich dass ein Mund-Nasen-Schutz bei verwaltungsrechtlichen mündlichen Verhandlungen zu verwenden ist. Jetzt soll das dahin gehend geändert werden, dass diese Bestimmung herausgenommen wird und auf die jeweils gültige Verordnung abgestellt werden soll.

Wir halten diese Maßnahme, dass bei derartigen Verhandlungen jetzt kein Mund-Nasen-Schutz mehr notwendig ist, natürlich grundsätzlich für richtig, aber der Verweis auf die jeweils gültige Verordnung ist eine Gesetzestechnik, die wir nicht als richtig und gut emp­finden, denn wir wissen aus den letzten Wochen und Monaten, dass zum Teil nicht ein­mal die Minister wissen, was in den Verordnungen steht. Wie soll dann der Normunter­worfene wissen, was gerade gilt? Ein derartiger Verweis ist jedenfalls eine sehr unge­schickte Regelung und wir lehnen diese Bestimmung daher ab. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt weitere Punkte, die hier behandelt werden: Da geht es um Fristerstreckungen, die bereits jetzt durch die Covid-Maßnahmen gesetzt wurden, die noch einmal verlängert werden. Wir sind einverstanden; da geht es darum, dass Unterhaltsvorschüsse auch ohne Exekutionsantrag weiter erstreckt werden, dass Fälligkeitstermine von Ansprüchen des Kreditgebers gegen einen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Kreditneh­mer erstreckt werden, um eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschul­dung, auch da wird erstreckt. Das sind alles richtige Maßnahmen, denen wir zustimmen.

Es ist auch eine Änderung in der Rechtsanwaltsordnung vorgesehen, die auch im Zu­sammenhang mit den Covid-Maßnahmen steht, nämlich sollen bis Ende des Jahres schriftliche Abstimmungen und schriftliche Wahlen zulässig sein. Auch dagegen kann man nichts sagen, wenn das Ganze befristet ist.

Wir haben jedoch ein Anliegen, und dazu werde ich auch einen Abänderungsantrag ein­bringen, das auch im Zusammenhang mit den Covid-Maßnahmen steht. Darin geht es um die Kurzarbeit, und zwar um die Kurzarbeit von Berufsanwärtern, genauer von Rechtsanwaltsanwärtern. Für die ist das insofern ein wichtiges Thema, als ein Rechts­anwaltsanwärter eine bestimmte Zeit seiner Rechtsanwaltsanwärtertätigkeit als Berufs­praxis in der sogenannten Kernpraxiszeit verbringen muss, also direkt beim Rechtsan­walt – und jetzt ist die Frage: Wird die Kurzarbeit da angerechnet oder nicht?

Diese Frage ist völlig offen. Das wird in jeder Länderkammer, und wir haben neun Län­derkammern, unterschiedlich geregelt. Es wird zum Teil so geregelt, dass man sagt, die Anwälte sollen sich das selbst ausmachen. Zum Teil wird gesagt, es wird anerkannt. Es ist also für den Rechtsanwaltsanwärter selbst eine völlig unklare Situation, und man muss sich das schon auch überlegen, das ist für den Rechtsanwaltsanwärter ein wich­tiger Punkt. Da geht es darum, wann er zur Rechtsanwaltsprüfung antreten darf, dafür braucht er eine bestimmte Praxiszeit, und wann er seinen Beruf antreten kann, wann er selbstständig werden kann, wann er Rechtsanwalt werden darf.

Das hängt von diesen Praxiszeiten ab, und da ist es nicht möglich gewesen, eine bun­deseinheitliche Regelung bei den Rechtsanwaltskammern zu finden. Daher bin ich über­zeugt, dass es notwendig ist, dass wir eine gesetzliche Maßnahme treffen müssen.

Ich bringe daher folgenden Abänderungsantrag ein, gemeinsam mit Kollegin Mag. Yil­drim und Kollegen Dr. Margreiter, mit dem in § 2 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung, wo es um die Ausübung der Rechtsanwaltschaft und die praktische Verwendung in der Aus­bildung geht, Folgendes ergänzt wird:

Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätig­keit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz sowie Zeiten der COVID-19 Kurzarbeit.

*****

Dieser eine Halbsatz wird hier also angefügt, damit klar ist, dass diese Zeiten ange­rechnet werden.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass der Präsident des Rechtsanwaltskammertages diese gesetzliche Regelung nicht wünscht. Ich schätze ihn sehr, unterhalte mich gerne mit ihm und bin auch sehr oft einverstanden mit seinen Anmerkungen. Es liegt mir auch fern, in die Autonomie der Rechtsanwälte oder der freien Berufe an sich einzugreifen, aber wenn es nicht möglich ist, eine einheitliche Regelung zu treffen, finde ich es nicht angebracht, dass man Berufsanwärter in einer derartig unsicheren Situation belässt.

Man muss sich vorstellen, dass die jetzt nicht planen können. Die wissen nicht, ob diese Zeiten angerechnet werden oder in welchem Ausmaß – aliquot oder nur bestimmte Wo­chen – sie angerechnet werden. Das erfahren sie vielleicht erst Wochen oder Monate später, dann haben sie vielleicht schon einen Termin für die Rechtsanwaltsprüfung ver­einbart oder haben schon geplant, wann sie ihre Kanzlei eröffnen. Sie sind in einer völ­ligen Unsicherheit, und ich denke, im Hinblick auf all die anderen Regelungen, die wir jetzt im Zusammenhang mit Covid getroffen haben, wäre es den jungen Anwärtern ge­genüber fair, dass sie Planbarkeit und Rechtssicherheit haben.

Ich denke, dass wir hier nicht neun verschiedene Regelungen, und diese auch noch unsicher, bestehen lassen sollten, und hoffe, dass Sie diesen Weg mit uns gemeinsam gehen, sodass wir die Berufsanwärter nicht im Regen stehen lassen, sondern auch für sie Planbarkeit und Rechtssicherheit bundeseinheitlich regeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Stefan, würden Sie kurz zu mir kommen? Es geht um den geänderten Text: Auch die Ziffern ändern sich, somit gilt der Antrag lei­der als nicht ordnungsgemäß eingebracht. – Bitte. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (fortsetzend): Damit er ordnungsgemäß eingebracht ist, ergänze ich zu meinem Abänderungsantrag noch, dass die Ziffern 1 bis 5 die Be­zeichnung 2 bis 6 erhalten.

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen den oberen Teil – ab: „Der Nationalrat wolle [...] beschließen“ – komplett verlesen. Das ist eindeutig so geregelt, sonst gilt der Antrag als nicht ordnungsgemäß eingebracht, und das würde nicht Ihrer Intention entsprechen.

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (fortsetzend): Dann ergänze ich jetzt noch:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Artikel 3 Ziffer 1 des oben bezeichneten Antrags lautet:

1. § 2 Abs. 1 lautet:

,§ 2 (1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dien­lich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem Wirtschafts­prüfer oder Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsan­walt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchti­gung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz sowie Zeiten der COVID-19 Kurzarbeit. In den Fällen der Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach den §§ 14a und 14b AVRAG oder nach dem Behinderteneinstellungsgesetz für begünstigte Behinderte sowie in den Fällen einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzge­setz oder dem Väter-Karenzgesetz ist die Ausbildungszeit anzurechnen, auf die die Nor­malarbeitszeit herabgesetzt wurde.‘“

Und noch einmal: „Die Ziffern 1 bis 5 erhalten die Bezeichnung 2 bis 6.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

12.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stefan, Mag. Yildirim, Dr. Margreiter

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Justizausschusses über den Antrag 619/A der Abgeordneten Mag. Mi­chaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-JuBG), das 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinar­statut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden (206 d.B.), eingebracht zu TOP 7, in der 38. Sitzung des Nationalrates, in der XXVII. GP

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Antrag (619/A) in der Fassung des Ausschussberichtes (206 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. Der Artikel 3 Ziffer 1 des oben bezeichneten Antrags lautet:

1. § 2 Abs. 1 lautet:

„§ 2 (1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dien­lich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem Wirtschafts­prüfer oder Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsan­walt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchti­gung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz sowie Zeiten der COVID-19 Kurzarbeit. In den Fällen der Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach den §§ 14a und 14b AVRAG oder nach dem Behinderteneinstellungsgesetz für begünstigte Behinderte sowie in den Fällen einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzge­setz oder dem Väter-Karenzgesetz ist die Ausbildungszeit anzurechnen, auf die die Nor­malarbeitszeit herabgesetzt wurde.“

2. Die Ziffern 1 bis 5 erhalten die Bezeichnung 2 bis 6.

Begründung

Im Zusammenhang mit der derzeit noch herrschenden Corona-Pandemie sind zahlrei­che Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter in Kurzarbeit. Es stellen sich daher die betroffenen Personen in Kurzarbeit die dringende Frage, wie mit der An­rechenbarkeit dieser Arbeitszeiten im Hinblick auf die Kernzeit umzugehen ist.

Gemäß § 2 RAO ist die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Be­einträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz. In den Fällen einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz oder dem Väter-Karenzgesetz ist die Ausbildungszeit anzurechnen, auf die die Normalarbeitszeit herabgesetzt wurde.

Die derzeitige Ausnahmesituation rechtfertigt, § 2 RAO analog auf Zeiten der COVID-19 Kurzarbeit anzuwenden und somit zu erreichen, dass Zeiten in COVID-19-Kurzarbeit voll anrechenbar - also auch auf die Kernzeit - für die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin im Sinne des § 2 RAO sind. Außerdem ist da­rauf hinzuweisen, dass die aktuelle Rechtslehre überwiegend die Ansicht vertritt, dass Kurzarbeit keine Teilzeit im Sinne des Bundesgesetzes vom 11. Dezember 1969 über die Regelung der Arbeitszeit (Arbeitszeitgesetz-AZG) ist.

*****

Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals. – Jetzt ist der Abänderungsantrag ordnungs­gemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer zu Wort gemeldet. – Bitte.