9.25

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, so geht Landesverteidigung nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) Ich denke aber, das wissen Sie nach einer Woche des Stolperns und Strauchelns ohnehin selbst. Reformpläne im Hinterzimmer des Kaf­feehauses Bück dich zu präsentieren und von Ihrem Stabschef postulieren zu lassen, zeugt von einer Auftragsarbeit aus dem Bundeskanzleramt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kaniak.) Nicht einmal persönlich anwesend zu sein, wenn es um die Landes­verteidigung geht, das ist, Frau Tanner, nicht ministrabel.

Türkise Spindoktoren lenken vom Untersuchungsausschuss und den Erinnerungslücken des Kanzlers ab – sie werden nur mehr von jenen des Finanzministers übertroffen –, aber dieser Plan ist nicht aufgegangen, zumal im Zusammenhang mit der Reform der zukünftigen Landesverteidigung der Herr Bundespräsident desavouiert, das Parlament – trotz gültiger nationaler Sicherheitslage – nicht informiert sowie der gesamte General­stab ausgeblendet wurde und mittlerweile das gesamte Bundesheer verunsichert ist – Stichwort: Personalabbau und Kasernen schließen. Frau Ministerin, ihre Pläne sind kein Durchmarschieren, das ist vielmehr ein Tannern und Täuschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei sollte eine Verteidigungsministerin für Schutz und Sicherheit sorgen – das Gegen­teil haben Sie erreicht. Mit der Demontage der militärischen Landesverteidigung und der Degradierung des Heeres zu einem technischen Hilfsdienst haben Sie auch die Feuer­wehren auf den Plan gerufen, Frau Minister. (Beifall des Abg. Leichtfried.) Sie wissen wie ich, dass die freiwilligen Feuerwehren bei Katastrophen stets als erste Organisation am Einsatzort sind. Sollen etwa die Feuerwehren in Zukunft mit dem Bundesheer über die technische Ausrüstung und die Aufgaben beim Katastrophenschutz streiten, zum Beispiel über die Fondsmittel? – Da wäre es vielmehr angebracht, unverzüglich die Nach­beschaffung der Mehrzweckhubschrauber Alouette III zu veranlassen, da andernfalls die Katastrophenhilfe des Bundesheeres aus der Luft nur mehr sehr eingeschränkt möglich ist.

Meine Damen und Herren! Bis dato bekannten sich auch alle Parteien zur Verfassung, in der in Art. 79 Abs. 1 die militärische Landesverteidigung festgeschrieben ist. Es ist der Preis für Österreichs Souveränität und für Österreichs Neutralität; Staatsmänner wie Renner, Schärf, Kreisky, aber auch legendäre Schwarze wie Raab oder Figl – ich erinne­re: „Österreich ist frei“ – haben zehn Jahre lang um unsere Freiheit gekämpft. Dieses politische Vermächtnis, meine Damen und Herren, opfern wir sicherlich nicht türkisen Spindoktoren. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch eines sei gesagt: Jeder Staat hat eine Armee, entweder eine eigene oder eine fremde – und das wissen die Österreicherinnen und Österreicher auch sehr genau. Wenn es in dieser Republik zwei Identitätsmerkmale gibt, die in der Bevölkerung außer Streit stehen, dann sind das die Neutralität auf der einen Seite und die Anti-AKW-Politik auf der anderen Seite. Es war allerdings ein ÖVP-Altkanzler, der beide Werte infrage stellte, die Neutralität als museal bezeichnete, weil er in die Nato wollte, und nach seiner Kanzlerschaft bei einer Atomlobby anheuerte; derselbe Kanzler, dem wir die unseligen Eurofighter zu verdanken haben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Übrigens, Frau Ministe­rin, hat Airbus Sie schon kennengelernt? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Dabei wäre alles nicht so schwierig gewesen. Sie hätten auf den Vorarbeiten Ihrer Vor­gänger aufbauen können. Zwei möchte ich hier exemplarisch anführen: Es war Hans Peter Doskozil, der ein umfassendes Investitions- und Modernisierungsprogramm für das Bundesheer startete, allein 500 Millionen Euro in die Infrastruktur der Kasernen in­vestierte. (Abg. Haubner: Da hat die SPÖ wieder zwei Punkte ...!) Doskozil entwickelte übrigens das Konzept der interessengeleiteten Neutralitätspolitik, sprich: die Auslands­einsätze des Bundesheeres dienen vermehrt dem Interesse Österreichs und seiner Frie­denspolitik. Daneben war Doskozil ein Fels in der Brandung in der Flüchtlingskrise, so­wohl als Polizeichef als auch als Verteidigungsminister.

Oder Ihr unmittelbarer Vorgänger Thomas Starlinger: Er ist ein ausgewiesener Militärex­perte, der mit seinem Generalstab das Best-Practice-Modell Unser Heer 2030 ausgear­beitet hat (Abg. Wöginger: Was ist mit dem Darabos?), ein Papier, das sämtliche Sze­narien moderner Bedrohungen und Eventualitäten einschließt und nicht – wie jetzt – auf Eintrittswahrscheinlichkeiten beruht und in Wahrheit budgetangepasst auf militärische Notwendigkeiten verzichtet. (Beifall bei der SPÖ. Ruf bei der ÖVP: Was ist denn das für eine Rede? Abg. Steinacker: ... Spindoktor geschrieben!)

Wenn Sie, wie behauptet, das Regierungsprogramm abarbeiten und gleichzeitig von der Auflösung der Brigaden reden, dann ist das, wie wenn ein Fußballtrainer seine Mann­schaft ohne Mittelfeld auflaufen lässt. Die Drehscheibe jeder militärischen Operation sind die Brigaden, und deren Auflösung steht nicht im Regierungsprogramm. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Frau Ministerin, Sie hätten beim Chef des Generalstabes, General Brieger, nachfragen können, wie das mit der militärischen Landesverteidigung genau ist, denn er war damals als Oberst in der Einsatzplanung beim Jugoslawienkrieg 1991, als es zu Kampfhandlun­gen – es war Krieg – an unseren Grenzen kam: dramatische Szenen an der Grenze zu Steiermark und Kärnten, Tote auf der anderen Seite der Grenze. Der Grenzeinsatz und die militärische Landesverteidigung waren zwingend notwendig, da die Jugoslawische Volksarmee drauf und dran war, eine slowenische Kaserne über österreichisches Terri­torium einzunehmen.

Frau Ministerin, daher mein Appell: Reduzieren Sie das Bundesheer nicht auf ein tech­nisches Hilfswerk (Ruf bei der ÖVP: Darabos!), sondern zeigen Sie Verantwortung zum Schutz der Republik Österreich und vergessen Sie nicht unsere besondere Rolle als Nicht-Nato-Land in Europa! Wir werden an keinem Angriffskrieg teilnehmen, wir werden keine österreichischen Soldaten unter Waffen stellen müssen, wir zahlen nicht den höchsten Preis einer Auseinandersetzung, daher sollten wir unserer Landesverteidigung und damit allen Soldatinnen und Soldaten, egal ob Berufskader, Präsenzdiener oder Miliz, den nötigen Respekt zollen und sie ihre Tätigkeit, Österreich im Ernstfall zu schüt­zen, auch ausüben lassen.

Aus diesem Grund bringt die Opposition auch die parlamentarische Petition „Rettet das Bundesheer“ ein. Es ist unausweichlich und notwendig, denn das österreichische Volk steht zu seinem Bundesheer. – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie bei Abgeordne­ten der NEOS. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt die erste gute Rede, im Vergleich!)

9.33

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte.