10.20

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Kollege Stögmüller, Sie sollten der ÖVP nicht so unbedarft und fröhlich die Mauer machen! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.) Liebe Grüninnen und Grüne, das Ibizavideo für Sie ist schon gedreht; es liegt da drüben in der Schublade (in Richtung ÖVP weisend) und wartet nur auf den richtigen Zeitpunkt. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Stög­müller: So dämlich ist niemand bei uns!)

Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der ÖVP, die Sie vor mir das Wort ergrif­fen haben, Sie haben moniert, dass wir endlich zu einer sachlichen Debatte zurückkeh­ren sollten. – Genau das tun wir jetzt, und genau das hat auch zur Folge gehabt, dass wir vonseiten der Oppositionsparteien aufgetreten sind, um zur Sachlichkeit zurückzu­kehren. Ich darf Sie daran erinnern, was zu Beginn der vergangenen Woche passiert ist: Die Frau Minister hat Teile ihres Kabinetts vor die Presse geschickt und dort erklären lassen, die Landesverteidigung sei ab jetzt nicht mehr Priorität des österreichischen Bun­desheeres. Dass das an einen Verfassungsbruch grenzt, darauf mussten wir Sie, Frau Minister, und Ihr Kabinett aufmerksam machen.

Sie haben sich in die Öffentlichkeit gestellt und gesagt, es würden keine Kasernen ge­schlossen – und das mussten Sie wenige Tage später korrigieren und sagen: Selbstver­ständlich werden Kasernen geschlossen, nur keine Garnisonen! – Sie haben wieder eine gute Ausrede dafür gehabt, aber wissen Sie, Frau Minister, diese Vorgangsweise – Sie haben es selbst eingestanden – war einfach widerlich. Das war einfach widerlich. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Das hat jene Kräfte auf den Plan gerufen, die es mit der Sicherheitspolitik dieser Repu­blik ernst meinen, und dazu gehören auch wir Freiheitlichen. Es sind aber nicht nur die bösen Oppositionsparteien, Frau Minister, nein, es sind auch die Unteroffiziersgesell­schaft, die Gruppe der Berufsoffiziere, die Offiziersgesellschaft und andere Vereinigun­gen, die das tun. Diese Gruppierungen sind mit uns – mit den Freiheitlichen, mit den NEOS, mit der SPÖ – aufgestanden und haben gerufen: Genug ist genug! – Und hier ist genug wirklich genug. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf deshalb im Namen der Abgeordneten Laimer, Bösch und Hoyos einen Entschlie­ßungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Robert Laimer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz und Hilfe für das Bundesheer“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Österreich auch weiterhin zum verfassungsrechtlich verankerten Schutz des Landes und seiner Bürger und Bürgerinnen ein einsatzfähiges und modern ausgerüstetes Bundesheer hat, wel­ches die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe der militärischen Landesverteidi­gung erfüllen kann. Dazu ist ein Budget von mindestens drei Milliarden Euro jährlich unbedingt notwendig; die Kernkompetenzen und Fähigkeiten der Streitkräfte müssen erhalten bleiben und das Bundesheer darf nicht nur auf Assistenzeinsätze reduziert werden.“

*****

Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist umso wichtiger, als er eine Weiterschreibung des Antrages ist, den wir Ende des Jahres 2015 parteiübergreifend hier im Nationalrat beschlossen haben und der damals erklärt hat, wir seien verpflichtet, dem österreichi­schen Bundesheer die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, damit es sei­nen Aufgaben nachkommen kann – und das ist jetzt durch Ihre Vorgangsweise gefährdet.

Sie werden – ich habe es schon einmal gesagt – nicht die Hauptverantwortliche dafür sein; ich nehme an, dass das Ihre Partei ist. Der Aufgabenbereich, den Sie bisher betreut haben, in dem Sie bisher gearbeitet haben, ist ja ein militärfernes Gebiet; Sie haben also in diesen Bereichen nicht jenen tief greifenden Hintergrund, der eine Begründung dafür wäre, hier eigenständig tätig zu werden. Sie sind deshalb auf einen Politauftrag Ihres Bundeskanzlers angewiesen, und dieser Politauftrag, so vermutet die kritische Öffent­lichkeit, lautet: Sie haben das österreichische Bundesheer dem Budgetmangel anzupas­sen. Sie haben das österreichische Bundesheer dem Budgetmangel anzupassen, koste es, was es wolle! Das tun Sie, das führen Sie durch. Das ist Ihr türkiser Parteiauftrag. Sie sind eine Parteisoldatin, Sie machen das, Sie ziehen das durch. – Gut, wir nehmen das zur Kenntnis, aber Sie werden bei uns auf erbitterten Widerstand stoßen.

Frau Minister, Sie reden die Bedrohungsszenarien schön. Sie gehen das Ganze mit Ih­rem Kabinett durch und kommen drauf: Halt, was kostet am meisten Geld? – Blöd, das ist die Landesverteidigung, diese eisernen Klötze, die da herumfahren! Das ist aber un­praktisch – wie werden wir die los? (Abg. Gabriela Schwarz: So unpraktisch wie ...!) Die werden wir nur los, wenn wir auf diese Landesverteidigung verzichten; wenn wir die Ver­fassung ein bisschen beugen, ein bisschen strecken, ein bisschen hin und her dehnen, dann brauchen wir sie nicht mehr!

Wir verdrängen das Szenario, dass es an unseren Grenzen wieder Schwierigkeiten ge­ben könnte, die einen robusten Einsatz von Streitkräften notwendig machen. Wir ver­drängen einfach – ein Kollege hat es schon gesagt –, was 1991 passiert ist. Wir verdrän­gen einfach, was im Jahr 2015 an unseren Grenzen geschehen ist. Wir verdrängen auch die Situation in Europa, wenn wir nach Dijon blicken, nach Paris, nach Stuttgart. Stutt­gart, das ist schon verdammt nahe – verdammt nahe! Da müssten wir uns schon Gedan­ken machen, wie der Staat sich rüstet, um allen diesen Bedrohungen mit militärischen Mitteln entgegentreten zu können. Das wäre die Aufgabe des österreichischen Bundes­heeres, das negieren Sie aber. Das ist das Verwerfliche an der Politik der ÖVP, und wir werden nicht aufhören, das aufzuzeigen.

Sie haben auch erklärt, Sie wollen das Regierungsprogramm umsetzen. – Das ist durch­aus ruhmvoll, das ist wunderbar! Setzen Sie um, was Sie – mit welchem Koalitions­partner auch immer – vereinbart haben, nur: Das kann nicht über der Verfassung stehen! (Beifall bei der FPÖ.) Sie können Ihr Regierungsprogramm nicht über die Verfassung stellen und negieren, was die Sicherheitspolitik für das österreichische Volk und die Si­cherheitspolitik für unsere Republik brauchen.

Sie haben hier zum Beispiel auch erklärt, Sie wollen Schutz- und Hilfezonenmodelle ent­wickeln. – Das ist alles wunderbar, das haben wir damals schon im Zusammenhang mit unseren Sicherheitsinseln mit Ihnen vereinbart, der Knackpunkt wäre nur die Finanzie­rung all dieser Konzepte. Sie haben gesagt, Sie wollen die Miliz stärken – wunderbar, Sie haben uns auf Ihrer Seite! –, bloß gelingt das nur, wenn Sie verpflichtende Milizübun­gen einführen; dazu können Sie sich aber nicht durchringen.

In Bezug auf Prämien, die man Soldaten bezahlt, damit sie sich länger verpflichten, ha­ben wir ja schon Erfahrungen – erkundigen Sie sich in Ihrem Ressort! Wir haben Er­fahrungen: Wir machen mit diesem Freiwilligenmilizmodell seit zehn Jahren die Erfah­rung, dass es nicht ausreicht, um die Miliz personell aufzufüllen und einsatzfähig zu machen – und dass sie nur bedingt einsatzfähig ist, haben wir im Rahmen der Pandemie gesehen.

Frau Bundesminister, ich möchte Ihnen Folgendes raten: Kehren Sie auf den Weg des verfassungsgerechten Regierens zurück, kehren Sie zu einer demokratischen Kultur zu­rück! Diskutieren Sie mit der Öffentlichkeit, mit uns Abgeordneten, auch mit der Presse, und zwar so, dass man auch Antworten auf Fragen, die man Ihnen stellt, bekommt, und so, dass man Ihrer Politik folgen kann!

Leider Gottes haben wir jetzt zu erkennen, dass die türkise Partei nunmehr auf dem Weg ist, das Bundesheer endgültig zu demontieren, und ich kann Ihnen nur noch einmal sa­gen: Wenn Sie das im Schilde führen, werden Sie auf erbitterten Widerstand von uns Freiheitlichen stoßen! (Beifall bei der FPÖ.)

10.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Laimer, Dr. Bösch, Hoyos-Trauttmansdorff

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schutz und Hilfe für das Bundesheer

eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärung der Bundesministerin für Landes­verteidigung Tanner in der 40. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 30. Juni 2020

Dass die Kurz-ÖVP das österreichische Bundesheer nicht nur finanziell ausbluten möch­te und besonders die derzeitige ÖVP-Verteidigungsministerin Tanner die Soldatinnen und Soldaten eigentlich nur mehr für „Eigen-PR samt schöner Fotos“ benötigt, zieht sich wie ein schwarzer Faden durch die letzten Monate. Die ÖVP nimmt das Heer nicht ernst. Das Heer soll nach ÖVP-Strategie ohne Expertenanalysen und ohne öffentliche Debatte über die langfristige Sicherheitssituation in Aufgaben und Umfang an das niedrige Bud­get angepasst werden. Ein derartiger Kurs würde aber weniger Bundesheer, Auflösung von Brigaden, weniger einsetzbare Soldatinnen und Soldaten, weniger Geräte, weniger Ausbildung und damit einen massiven Fähigkeitsverlust bedeuten und obendrein wäre das ein klarer Bruch der Verfassung.

Schon im letzten ORF-Sommergespräch konnte man erahnen, wie der Weg der Kurz-ÖVP im Bereich der Landesverteidigung aussehen wird. Auf die Frage, ob der ÖVP-Chef ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Bundesheer unterstützen würde, antwor­tete Kurz, dass er dies nicht unterstützen könnte, weil das das Budget sprengen würde. Wortwörtlich meinte er: „Wir sind kein NATO-Land, wir sind ein sehr friedliches, neutrales Land, wir brauchen eine funktionierende Landesverteidigung, aber nicht jetzt durch eine Verdoppelung der Budgetmittel. Es haben sich die Sicherheitsbedrohungen verändert und man kann nicht mehr überall gleich viel investieren, sondern man muss vor allem in neuen Bereichen investieren. Wir müssen besser werden bei der Cyber-Sicherheit und vielleicht ist der Panzerkampf im Weinviertel nicht mehr das Zukunftsbedrohungssze­nario.“

Seit der Angelobung der türkis – grünen Bundesregierung haben die drei Oppositions­parteien SPÖ, FPÖ und Neos bereits zwei gemeinsame Anträge zum Bundesheer ein­gebracht, um den politischen Schulterschluss für das Österreichische Bundesheer und für die Sicherheit Österreichs zu dokumentieren. Ein Antrag betreffend ‚dringend not­wendige Erhöhung des Bundesheerbudgets‘ und einer betreffend ‚Beseitigung der Ent­lohnungsungerechtigkeiten von Soldaten im COVID-Einsatz‘ wurden im Parlament ein­gebracht – und von Schwarz-Grün abgelehnt. Wie immer ging es der ÖVP nur um die ÖVP und nicht um die Sicherheit oder um unser Heer. Bundesministerin Tanner geht es nicht um die Sicherheit des Landes, sondern nur um die Sicherheit des Sebastian Kurz.

Endgültig das Fass zum Überlaufen brachten aber nun die am 24. Juni 2020 bekannt­gewordenen radikalen Reformpläne für das Bundesheer. Entweder war es ein plumper Versuch von der Befragung des Bundeskanzlers im Untersuchungsausschuss abzulen­ken, oder es wurde mit einer sehr tendenziösen Umfrage Wehrpolitik gemacht. Beides ist zu verachten.

Es kann nicht sein, dass eine Verteidigungsministerin einfach den gemeinsamen Schul­terschluss aller Parteien im Nationalrat, den Appell des Generalstabschefs vom März 2019 sowie dessen Fortschreibung im Bericht ‚Unser Heer 2030` und damit die Bemühungen von drei Bundesministern für Landesverteidigung Doskozil, Kunasek und Starlinger bein­hart ignoriert. Wir erleben dafür ein schönreden der Bedrohungsszenarien durch die ÖVP. Tanner verhöhnt mit einem pseudo Strategiepapier „Vision Landesverteidigung 2020“ bzw. jetzt umgetauft auf „Unser Heer“ unsere Soldatinnen und Soldaten. Die Vorschläge bedeuteten de facto die Abschaffung der militärischen Landesverteidigung und damit einen Bruch der Bundesverfassung.

In großer Sorge um unsere Heimat bringen die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Österreich auch weiterhin zum verfassungsrechtlich verankerten Schutz des Landes und seiner Bürger und Bürgerinnen ein einsatzfähiges und modern ausgerüstetes Bundesheer hat, wel­ches die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe der militärischen Landesverteidi­gung erfüllen kann. Dazu ist ein Budget von mindestens drei Milliarden Euro jährlich unbedingt notwendig; die Kernkompetenzen und Fähigkeiten der Streitkräfte müssen er­halten bleiben und das Bundesheer darf nicht nur auf Assistenzeinsätze reduziert werden.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Einwallner. – Bitte.