12.16

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Es ist unzweifelhaft wich­tig, dass wir die entsprechenden Entlastungen vornehmen. Ich habe nur eine Sache ver­passt. Ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört und noch keine Antwort darauf gehört: Wie ist denn das jetzt mit der Europäischen Kommission?

Ich war nicht im Ausschuss, ich habe nur aus dem Ausschuss gehört, dass man im Zu­sammenhang mit dem weiteren Mehrwertsteuersatz freundliche Nasenlöcher gemacht hat. Mir persönlich sind freundliche Nasenlöcher ein bisschen zu wenig, weil es unter Umständen eine Konsequenz daraus geben wird.

Es gibt drei mögliche Konsequenzen. Die erste ist, dass wir ein Vertragsverletzungsver­fahren und eventuell Strafen in Millionenhöhe kassieren werden. Jetzt kann man sagen: Okay, bei der unfassbaren Entlastung, die wir dabei machen, machen es die Strafen nicht zwingend aus, das nehmen wir in Kauf. – Das kann man machen.

Die zweite Möglichkeit ist, dass es eventuell zu einer direkten Anwendbarkeit einer Richt­linie kommt. Das glaube ich nicht, weil man dazu einmal diskutieren müsste, welcher der richtige Umsatzsteuersatz ist, der anwendbar ist, und die Unternehmerinnen und Unter­nehmer werden es, da es nicht kommen wird, auch nicht zahlen müssen. Nichtsdesto­trotz glaube ich, dass man sich das jedenfalls vorher überlegen muss.

Das dritte Problem aber ist das, wovor ich am meisten Angst habe. Es ist das, was man in den letzten Jahren von Ihnen in der neuen ÖVP so mitbekommen hat: dass Sie, falls uns die Europäische Kommission sagt, dass das mit dem dritten gesenkten Mehrwert­steuersatz und überhaupt mit dem dritten Mehrwertsteuersatz nicht geht, das machen, was Sie in den letzten Jahren so gern machen – wieder in Ihr gebetsmühlenartiges EU-Bashing einzusteigen. Das kennen wir von der neuen türkisen ÖVP so ähnlich wie sonst nur von der FPÖ.

Sie waren ja einmal Europaminister – davon muss man in der Vergangenheit sprechen, genauso wie man in der Vergangenheit sprechen muss, wenn man davon redet, dass die ÖVP einmal eine Europapartei war, denn davon haben Sie sich schon längst verab­schiedet. Alles, was böse ist, alles, was schlecht ist, kommt für die ÖVP aus Brüssel. Das war sonst immer das Geschäft von Klubobmann Kickl, das macht er immer noch so – er ist auch der Meinung, dass alles Böse aus Brüssel kommt –, aber das ist jetzt auch für die ÖVP ganz typisch. Wenn die Europäische Kommission dazu sagen wird, dass das mit den Mehrwertsteuersätzen nicht geht, warte ich deswegen nur darauf – es wird in der Sekunde kommen! –, dass Finanzminister Blümel laut aufschreit: Die bösen Menschen in Brüssel haben uns das wieder verboten! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das halte ich für problematisch, weil man sich ja im Vorhinein die Zusage holen könnte. Wir werden es erleben. Ich weiß, der Herr Bundeskanzler sagt immer: Das ist alles so überbürokratisch in Brüssel! – Das ist vonseiten einer österreichischen Perspektive bei dem Bürokratiedschungel, den wir in Österreich haben, besonders schwierig.

Der Herr Bundeskanzler wollte im Europawahlkampf Tausende EU-Verordnungen strei­chen. Als man ihn gefragt hat, welche, wusste er nicht, welche er streichen wollte, aber Hauptsache 1 000. Ich erinnere mich: Er hat uns alle davor gewarnt, dass uns Brüssel unser Schnitzel, glaube ich, verbieten will, weil die Panier nicht richtig ist, und die Pom­mes auch gleich noch. Das ist es eben, was wir immer von der ÖVP hören. Wenn man an die besten Zeiten von Jörg Haider zurückdenkt, muss man sagen: Nicht einmal Jörg Haider hat es geschafft, so populistisch auf die Europäische Union zu schimpfen, wie es momentan die ÖVP zustande bringt. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wenn man sie dann darauf aufmerksam macht, dass Dinge eventuell europarecht­lich nicht halten können, dann ist diese Reaktion da. Ich habe es bis jetzt nicht gehört, vielleicht können Sie uns noch einmal sagen, was die Kommission gesagt hat und wie freundlich die Nasenlöcher waren.

Wir kennen das ja aus anderen Bereichen, zum Beispiel von damals, als wir die Diskus­sion über die Indexierung der Familienbeihilfe geführt haben. Jeder namhafte Experte in Österreich mit Ausnahme von einem – jetzt kann man darüber diskutieren, wie das Naheverhältnis zu Ihnen in diesem Zusammenhang ist – hat Ihnen gesagt: Das mit der Indexierung der Familienbeihilfe wird nicht funktionieren. – Jetzt liegt es beim EuGH. Schauen wir, was herauskommt! Wenn der EuGH es kippt, weiß ich jetzt schon, dass Finanzminister Blümel ausreiten und gebetsmühlenartig mitteilen wird: Die böse Euro­päische Union! Sie erlauben uns nicht das, was wir als gerecht empfinden.

Es ist Ihnen ja auch vollkommen egal, ob es europarechtskonform ist. Vor ein paar Ta­gen hat Ministerin Aschbacher klargestellt, was in den Augen der ÖVP wichtig ist: dass es in den Augen der ÖVP gerecht ist, nicht, ob es europarechtskonform ist, nicht, ob es rechtskonform ist; es muss gerecht im Sinne der ÖVP sein. – Das halte ich für mehr als schwierig.

Der Bundeskanzler redet ja überhaupt nur von juristischen Spitzfindigkeiten, wenn es um unsere Rechtsordnung geht. Das ist ihm ja eher egal. So machen schlichtweg nur Populisten Politik, indem sie immer, wenn sie etwas Schlechtes finden, sagen: Na, Brüs­sel war schuld! Es war immer Brüssel, wir haben damit überhaupt nichts zu tun. Die bösen Menschen in Brüssel waren schuld.

Das ist deswegen so skurril, weil es ja auch wir als Republik Österreich sind, die bei diesen Verträgen mitgestimmt haben, die daran gebunden sind. Dann ist es umso lä­cherlicher, sich hinzustellen und zu sagen: Die Bösen in Brüssel erlauben uns das nicht! – Das sind Regeln, die wir uns gemeinsam gegeben haben. Dementsprechend ist es absurd, sich nachher hinzustellen und das in diesem Ausmaß zu kritisieren.

Kollege Melchior hat vorhin gesagt, die Hilfen sollen „unkompliziert und effektiv“ sein. – Das ist vollkommen richtig, das ist das Gebot der Stunde. Sie sollen effektiv sein und sie sollen unkompliziert sein, aber – und das ist so wichtig, und das ist das, was sich die ÖVP so dringend hinter die Ohren schreiben sollte und leider auch ihr neuer Koalitions­partner, die Grünen, die das auch komplett vergessen haben – in einem Rechtsstaat und in einem Verband, in dem wir innerhalb der Europäischen Union leben, müssen die Din­ge auch rechtskonform und in diesem Zusammenhang vor allem europarechtskonform sein. (Beifall bei den NEOS.)

12.22

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Andrea Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte.