Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Last, but not least: Meine Frage dreht sich um die EU-Erweiterung. Es ist ja gerade auch ein Anliegen Österreichs, dass die EU-Erweiterung Richtung Westbalkan vorangetrieben wird, in einem nächsten Schritt sind das Nordmazedonien und Albanien. Es gab da nun einige Entwicklungen auch auf europäischer Ebene, so wurden im März die Beitritts­verhandlungen unter den zuständigen Europaministerinnen und Europaministern akkor­diert.

Meine Frage ist:

17/M

„Wie sieht Österreichs Position zum Erweiterungspaket der Kommission bezogen auf den aktuellen Verhandlungsstand aus?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Das Projekt der Europäischen Union ist vor allem ein Friedensprojekt – ein höchst erfolgreiches Friedensprojekt –, und ich sage ganz klar, es ist nicht fertig, solange nicht alle Staaten des Westbalkans zumindest eine wirklich glaubwürdige Zukunfts- und Beitrittsperspektive bekommen haben.

Deshalb freue ich mich sehr, dass es mitten in der Krise, im März nämlich, gelungen ist, den Beschluss zu fassen, dass man beginnt, den Beitritt mit Albanien und Nordmaze­donien zu verhandeln, also dass man Eröffnungsgespräche führt. Wir hoffen nun auch, dass es bald zu einer ersten Konferenz im Hinblick auf diesen Eröffnungs- und Beitritts­prozess für diese beiden Länder kommen kann. Das ist das Erste.

Das Zweite ist, dass natürlich die Covid-19-Krise auch das von Ihnen angesprochene Erweiterungspaket ein bisschen verschoben hat. Normalerweise ist es so, dass das im Mai/Juni präsentiert und dann ja auch im Parlament verhandelt, besprochen wird. Worum geht es bei diesem Erweiterungspaket? – Da geht es darum, dass die Kom­mission Folgendes evaluiert: Wie ist denn der Fortschritt in diesen Ländern des West­balkans, in den sechs Ländern, von denen wir sprechen? Was gibt es für Entwicklungen und was gibt es auch für Empfehlungen seitens der Europäischen Kommission, dass man da besser und schneller in diesem Prozess der Annäherung an die Werte der Europäischen Union und letztlich auch an die Europäische Union selbst weiterkommt.

Covid-19 hat verursacht, dass die Kommission dieses Paket erst im September/Oktober vorlegen wird; dann werden wir aber ganz genau hinschauen. Österreich war immer ein Frontrunner, wenn es darum gegangen ist, die hoffentlich zukünftigen Mitgliedstaaten des Westbalkans darin zu unterstützen, auch eine Beitrittsperspektive zu bekommen. Wir haben in der kurzen Zeit, seit die neue Kommission im Amt ist, schon sehr vieles erreicht. Ich darf da stichwortartig die neue Beitrittsmethodologie nennen, die einen besseren politischen Prozess forciert, die ein schnelleres Vorankommen vor Augen hat. In diesem Sinne wird Österreich diese Staaten auch weiter unterstützen.

Eines möchte ich auch noch erwähnen: Meine erste Auslandsdienstreise nach dem Shutdown, kurz bevor wir sozusagen zur neuen Normalität gekommen sind, war eine gemeinsame Reise mit dem Außenminister auf den Westbalkan. Wir waren in drei Staaten, in Albanien, in Serbien und im Kosovo, und haben dort auch die Botschaft über­mittelt, dass die Europäische Union hinter diesen Staaten steht, denn was wir alle nicht wollen, ist, dass sich der Einfluss von Großmächten, von anderen Großmächten außer­halb Europas auf diese Staaten auswirkt, sondern die Europäische Union muss diejenige sein, die da auch die entsprechende Unterstützung und Zukunftsperspektive gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marchetti? – Bitte.

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Ein heißumkämpftes Thema im Zusammenhang mit den Erweiterungen und Beitrittsgesprächen ist auch die Türkei, die ja offiziell noch Beitrittskandidat ist.

Wie ist da die österreichische Position und wie ist auch die Stimmung unter den europäischen Ländern bezüglich Abbruch der Beitrittsverhandlungen und diesen ganzen Themenkomplex?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Da ist der Befund ein anderer und die Position Österreichs unverändert. Wir stehen dafür, dass der Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sofort stattfindet und vollzogen wird.

Ich möchte da schon auf die jüngsten Entwicklungen im Hinblick auf die Türkei hinweisen: Wir haben Bohrungen in Zypern, wir haben einen Einmarsch in Syrien, wir haben Verstöße gegen das Waffenembargo in Libyen zu verzeichnen, wir haben Migration als Druckmittel der Türkei gegenüber der Europäischen Union und eine Po­sition und politische Handlungsweise von Erdoğan, die wirklich nicht zu dulden ist und nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat. Ich kann nur festhalten, dass die Türkei sich leider immer weiter von den Werten, die in der Europäischen Union die Core Values, also die Grundwerte, sind, entfernt, und deshalb ist die Position Österreichs da auch unverändert.

Wir sind für einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen mit der Türkei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke der Frau Ministerin für die Beantwortung der Anfragen.

Es sind alle Fragen zum Aufruf gelangt, und daher ist die Fragestunde für beendet zu erklären.