14.15

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Abgeordnetenkollegen! Sehr geehrte Zuseher! Bei diesen zwei Tagesordnungspunkten handelt es sich um eine verfassungsrechtlich notwendige Reparatur des Ärztegesetzes, die wir diskutieren. Im Wesentlichen geht es darum, wer wie die sogenannte Ärzteliste führt und wer auf die Daten in dieser Ärzteliste Zugriff bekommt. Das ist gar nicht so unwichtig, denn diese sogenannte Ärzteliste bildet auch eine wesentliche Datenbasis für die zukünftige Planung, Steuerung und Finanzierung des Gesundheitswesens vor allem auch auf Basis der Landesgesundheitsfonds.

So gesehen ist es ein notwendiger Schritt, den wir auch unterstützen, allerdings ist es auch ein Reformschritt, der aus unserer Sicht überfällig, aber nicht weitreichend genug ist. Überhaupt stelle ich mir die Frage, warum wir diese Gelegenheit, bei der das Ärzte­gesetz zumindest in einem Punkt geändert wird, nicht gleich genutzt haben, um wesent­liche andere Änderungen im Bereich der niedergelassenen Versorgung auch neu zu regeln. Da brauchen wir das Rad nicht neu zu erfinden, viele Vorschläge haben wir vonseiten der Freiheitlichen Partei auch schon in das Regierungsprogramm 2017 mitein­gebracht.

Ich finde es zwar sehr löblich, dass jetzt angedacht ist, in den nächsten Jahren einen neuen Regionalen Strukturplan Gesundheit anhand dieser neuen Datenbasis aufzu­setzen, nur, sehr geehrter Herr Bundesminister, was bringt uns der beste Regionale Strukturplan Gesundheit, wenn wir ihn schlicht und ergreifend nicht umsetzen können, weil es zum Beispiel einfach nicht ausreichend Ärzte im niedergelassenen Bereich gibt oder weil die Stellen, die in diesem Plan vorgesehen sind, für Ärzte einfach nicht attraktiv genug sind?

Deshalb werde ich einen Entschließungsantrag einbringen, in dem wir die Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin fordern, der die Arbeit im niedergelassenen Bereich aufwertet und auch die finanzielle Situation der Allgemeinmediziner verbessern soll, der eine Forderung nach mehr österreichischen Medizinstudenten beinhaltet und danach, diese Medizinstudenten beim Studium auch zu unterstützen und nach dem Studium in eine versorgungswirksame Tätigkeit in Österreich zu bringen. Weiters sieht dieser Antrag zusätzliche Ausbildungsplätze für Mediziner, die Förderung von Lehr­praxen und auch eine Liberalisierung des Eintritts in das Kassensystem für Mediziner vor – das heißt, es soll Ärzten leichter gemacht werden, zusätzlich auch einen Kassen­vertrag bekommen können.

Deshalb stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesund­heitspolitische Initiativen für die Stärkung des niedergelassenen Bereichs“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­ge­fordert dafür Sorge zu tragen, dass dem Nationalrat ein gesetzliches Maßnahmen­paket zugeleitet wird, das folgende Punkte umfasst:

- Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin

- Mehr Medizin-Studienplätzen für Österreicher

- Lebensunterhaltsstipendium für Mediziner in Ausbildung

- Ausreichende Ausbildungsplätze für Mediziner

- Förderung für Lehrpraxen für Allgemeinmediziner und Fachärzte

- Liberaler Zugang zu Kassenverträgen“

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Es freut mich sehr, dass in diesem Zusammenhang schon erste positive Signale von­seiten der ÖVP gekommen sind, dass dieser Schwerpunkt, den wir auch 2017 schon gesetzt haben, in den nächsten Monaten gemeinsam umgesetzt werden soll.

Einen weiteren Änderungspunkt gibt es noch die Fachärzte betreffend, deshalb bringe ich einen weiteren Entschließungsantrag ein, in dem es darum geht, dass wir im Bereich der kostenlosen Zahnregulierung vor allem für Kinder bereits jetzt eine Qualitäts­forde­rung bei den Sozialversicherungen, bei den Krankenkassen haben, die einen Facharzt für Kieferorthopädie vorsieht, den es aber de facto von der Ausbildung und von der gesetzlichen Regelung her noch gar nicht gibt. Diese legistische Lücke soll folgender Entschließungsantrag beheben:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Fach­arztausbildung für Kieferorthopädie in Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass dem Nationalrat auf der Grundlage der seit 2018 festgelegten Eckpunkte ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Einführung einer staatlich geregelten und offiziell registrierten Ausbildung zur Fachärztin/zum Facharzt für Kieferorthopädie zugeleitet wird.“

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Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.19

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Gesundheitspolitische Initiativen für die Stärkung des niedergelassenen Be­reichs

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 16.) Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 706/A der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Gabriela Schwarz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (Ärztegesetz-Novelle 2020) (293 d.B.) in der 45. Sitzung des Nationalrats (XXVII GP.) am 8. Juli 2020.

Die seit Beginn des Jahres 2020 herrschende Coronavirus-Pandemie hat das heimische Gesundheitswesen und auch die österreichische Gesundheitspolitik in den letzten Monaten in hohem Maße beschäftigt und in Anspruch genommen. Dies führte dazu, dass sich eigentlich mit Antritt der neuen schwarz-grünen Bundesregierung im öster­reichischen Gesundheitswesen bereits ein sich laufend erhöhender Reformrückstau aufgebaut hat.

Davon ist insbesondere der niedergelassene Bereich in wachsendem Ausmaß betroffen. Dabei gäbe es eine ganze Reihe sachpolitisch vernünftig und notwendiger Maßnahmen, die als gesundheitspolitische Initiativen für die Stärkung des niedergelassenen Bereichs dringend notwendig sind:

•           Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin: Durch eine verbesserte Aus­bildung soll der Facharzt in der Allgemeinmedizin noch mehr als bisher als erste Anlaufstelle im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsversorgung qualifi­ziert werden. Dies muss auch mit einer entsprechenden Aufwertung in der Honorar­ordnung im Rahmen des Gesamtvertrags mit der Sozialversicherung Berücksichtigung finden. Als Facharzt für Allgemeinmedizin entlastet dieser den stationären Bereich und ist ein qualifizierter Kooperationspartner mit den anderen Facharztkollegen in den Spe­zial­disziplinen.

•           Mehr Medizin-Studienplätzen für Österreicher

Ziel ist, die Studienplätze im Bereich der Humanmedizin für Österreicher zu verdoppeln

•           Lebensunterhaltsstipendium für Mediziner in Ausbildung

Angedacht wird ein Stipendium für den Lebensunterhalt während des Studiums, das nicht zurückgezahlt werden muss, wenn der Absolvent danach in Österreich zumindest für 10 Jahre versorgungswirksam tätig ist. Da deshalb keine Nebenjobs notwendig sind, kann ein Stipendium auch für kürzere Studienzeiten sorgen. Außerdem kann das Inter­esse am Arztberuf und dadurch der Pool der Studienwerber größer werden, was sich positiv auf die Qualität auswirkt. Bei Abwanderung ins Ausland muss das Stipendium jedoch zurückgezahlt werden. Der Stipendiengeber muss nicht zwingend die Republik oder die Bundes-Gesundheitsagentur sein, auch die ÖGK bzw. Spitalsträger wären Varianten. In der Steiermark und in Wien gibt es Startförderungen. Im Burgenland Aus­bildungs-Unterstützung. In Deutschland gibt es Stipendien für das Studium, wenn sich die Jungmediziner verpflichten, eine Kassenstelle als Allgemeinmediziner zu über­neh­men.

•           Ausreichende Ausbildungsplätze für Mediziner

Lehrpraxen und Basisausbildungsplätze dürfen kein Nadelöhr oder Grund für Abwan­derung sein. Sie sind regional zu beurteilen. Der Bedarf ist mit Weitblick zu erheben und anzupassen. Zusätzlich würde die Abgabe diverser Lehrinhalte der Ausbildung an Uni­versitäten oder an multimediale Wissensvermittlung die Ausbildung vereinfachen. Desig­nierte Landärzte sollen bei der Basisausbildung vorgereiht werden.

•           Förderung für Lehrpraxen für Allgemeinmediziner und Fachärzte: Nachhaltige Schaffung von Lehrpraxen, die es jungen Ärzten ermöglicht das Berufsbild und Berufsumfeld ihrer älteren Kollegen kennenzulernen.

•           Liberaler Zugang zu Kassenverträgen

Um Wahlärzten das Kassensystem wieder attraktiv zu machen, sollen die starren Grenzen der Kassenverträge geöffnet werden. Beispielsweise soll eine gemischte Variante möglich sein (z.B. Wahlarzt mit halben Kassenvertrag). Durch diese attraktive Aufwertung behalten Wahlärzte die wirtschaftlichen und therapeutischen Freiräume, die ungern aufgegeben werden. Der Leistungskatalog bleibt für die Wahlärzte gleich, somit lassen sich die beiden Vorteile von Wahl- und Kassenarzt in einer Praxis vereinen. Die Kassenverträge sind im Zuge der Zusammenführung der Sozialversicherungen zu­kunfts­weisend und bundesweit einheitlich zu gestalten. Generell ist auch ein positives, neues Image für den Kassenarzt am Land notwendig.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass dem Nationalrat ein gesetzliches Maßnahmen­paket zugeleitet wird, das folgende Punkte umfasst:

•           Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin

•           Mehr Medizin-Studienplätzen für Österreicher

•           Lebensunterhaltsstipendium für Mediziner in Ausbildung

•           Ausreichende Ausbildungsplätze für Mediziner

•           Förderung für Lehrpraxen für Allgemeinmediziner und Fachärzte

•           Liberaler Zugang zu Kassenverträgen

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Facharztausbildung für Kieferorthopädie in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 16.) Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 706/A der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Gabriela Schwarz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (Ärztegesetz-Novelle 2020) (293 d.B.) in der 45. Sitzung des Nationalrats (XXVII GP.) am 8. Juli 2020.

Eine entsprechende Einführung einer staatlich registrierten Ausbildung zum Facharzt für Kieferorthopädie ist seit vielen Jahren eine Forderung aus der Fachwelt des österreichi­schen Gesundheitswesens. Im Juni 2018, d.h. parallel zur Reform des österreichischen Sozialversicherungswesens und damit einem ersten Schritt einer Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitssystems wurde zwischen den österreichischen Medizini­schen Universitäten, der Zahnärztekammer und dem Verband Österreichischer Kiefer­orthopäden (VÖK) unter Einbindung des zuständigen Gesundheitsministeriums eine Einigung über die Einführung einer staatlich registrierten Ausbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie erzielt.

Der Verband der Kieferorthopäden als Standesvertretung führt zur Notwendigkeit dieser Facharztausbildung aus:

Warum fordert der VÖK seit 1998 eine staatlich anerkannte und offiziell registrierte Ausbildung zum Fachzahnarzt/zur Fachzahnärztin für Kieferorthopädie in Österreich?

Historie und Begründung:

• Kieferorthopädie in Österreich „anno dazumal“

Abnehmbare Zahnspangen, lange Behandlungszeiten (3-5 Jahre), eingeschränkte therapeutische Möglichkeiten. Grundwissen wurde im Rahmen des damals 2- bzw. 3-jährigen Zahnmedizin-Studiums (nach dem Medizin-Studium) vermittelt. 1957 Aufnahme kieferorthopädischer Leistungen in den zahnärztlichen Kassenvertrag als Geldleistung: Zuschuss von Behandlungen mit abnehmbaren Apparaturen.

• 70er Jahre: Einzug der festsitzenden Techniken (Brackets) auch in Österreich

Komplexe Therapiemethode im Sinne des medizinischen Fortschrittes, rasante Weiter­entwicklung des Fachgebietes (Diagnostik, Therapie, Nutzen und Risiken). Erforder­liches Wissen (Theorie und Praxis) konnte nicht mehr im Rahmen des Zahnmedizin-Studiums vermittelt werden. Daher kam es zum

• Ausbau der klinischen Abteilungen für Kieferorthopädie an den drei Universitätskliniken Graz, Innsbruck und Wien

entsprechend dem internationalen Standard dieses Spezialfaches (international üblich: 3-jährige universitäre Vollzeitausbildung nach dem Studium der Zahnheilkunde). Gleich­zeitig erfolgten durch die Universitäten intensive

• Bestrebungen zur Einführung des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie,

da diese Ausbildung bereits damals seit vielen Jahrzehnten nach dem international üblichen 5-jährigen Studium der Zahnheilkunde europa- und weltweit üblich war. Die Bestrebungen der Universitäten wurden jedoch von Anfang an von der zuständigen Kammer (damals noch Ärztekammer) behindert. Die Universitäten ermutigten daraufhin die kieferorthopädisch tätigen Zahnärzten, sich für ihr Spezialfach zu engagieren. Dies führte

• 1997 zur Gründung des Verbandes Österreichischer Kieferorthopäden (VÖK)

als Interessenvertretung von mittlerweile ca. 360 vorwiegend oder ausschließlich kieferorthopädisch tätigen Zahnärzten (Öffentlichkeitsarbeit, Information der Patienten, Qualitätssicherung)

• Im Sinne des Patientenschutzes kämpft der Verein von der ersten Stunde an intensiv für die Einführung des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie in Österreich. Um zu bele­gen, dass es auch in Österreich gut ausgebildete Spezialisten auf internationalem Niveau gibt, beschließt der VÖK im Jahre 1998 gemeinsam mit den Kieferorthopädie-Professoren der drei österreichischen Universitäten die

• Einrichtung einer freiwilligen kommissionellen Fachprüfung (Austrian Board of Orthodontists)

Bis März 2018 haben 93 Kolleginnen und Kollegen diese freiwillige Fachprüfung vor einer international hochrangig besetzten Prüfungskommission erfolgreich abgelegt.

• Juli 2015: Inkrafttreten des „Gesamtvertrages Kieferorthopädie“

Therapie von Fehlstellungen IOTN-Grad 4 und 5 bei Kindern und Jugendlichen wird Sachleistung der Krankenkassen.

Damit einher ging die Schaffung einer kassenvertraglich definierten Berufsgruppe von Kieferorthopäden, die es de facto jedoch bis zum heutigen Tag offiziell in Österreich nicht gibt!

Österreichische Lösung: Vertragspartner legten im Vertrag bestimmte, allerdings höchst inhomogene Qualifikationskriterien fest. Es wurde der zweite Schritt vor dem ersten gesetzt.

Im Sinne des Patientenschutzes ist daher nach Auffassung des Verbandes Öster­reichischer Kieferorthopäden insbesondere nach Einführung der "Kassenzahnspange" die Etablierung des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie in Österreich dringender denn je erforderlich!

(Quelle: https://voek.info/)

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass dem Nationalrat auf der Grundlage der seit 2018 festgelegten Eckpunkte ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Einführung einer staatlich geregelten und offiziell registrierten Ausbildung zur Fachärztin/zum Facharzt für Kieferorthopädie zugeleitet wird.

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Entschließungsanträge sind ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Werner Saxinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.