18.16

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebes Hohes Haus! Ich hatte das Privileg, Simon Wiesenthal schon als junger Mensch ken­nenlernen zu dürfen, mit ihm oft zusammenzukommen und oft mit ihm sprechen zu können. Er war ein mehr als beeindruckender Mann mit scharfem Verstand und starkem Charakter.

Er war Träger der Hoffnung für viele Menschen – auch in meiner Familie –, deren Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde ermordet wurden. Er war der Hoffnungsträger dafür, dass die Täter dieser Verbrechen dingfest gemacht werden und vor ein Gericht gestellt werden.

Dafür opferte Simon Wiesenthal seine berufliche Karriere – er war nämlich vor dem Krieg ein durchaus begabter Architekt – und stellte sein Leben in den Dienst dieser Sache – dieser Sache, die er „Recht, nicht Rache“ nannte. Damit erfüllte er für viele Überlebende, aber auch für Österreich insgesamt eine ganz wichtige historische Aufgabe: Er trug zur Wiederherstellung von Recht und Anstand in dieser so kontaminierten Nachkriegs­gesellschaft Österreichs bei.

Simon Wiesenthal wurde dafür nicht gedankt, nicht von den alten und neuen Nazis, die ihn bedrohten, mit Morddrohungen eindeckten – einmal entging er sogar knapp einem Bombenanschlag –, es wurde ihm aber auch von den politischen Parteien nicht gedankt.

Vergessen wir nicht, es war die Zeit, in der die damaligen Parteien um die Stimmen der sogenannten Ehemaligen wetteiferten. Es war die Zeit – ich spreche das auch hier noch einmal in aller Offenheit an –, in der ein Bruno Kreisky, in der die SPÖ vier ehemalige NSDAP-Mitglieder zu Ministern machte. (Abg. Blimlinger: Auch die ÖVP!) Es waren Zeiten, in denen die ÖVP antisemitische Wahlkämpfe führte, das spreche ich hier auch mit aller Deutlichkeit an. (Abg. Brandstätter: Danke!) Es war auch die Zeit, in der die FPÖ einen Parteiobmann hatte, der Friedrich Peter hieß. Friedrich Peter war Mitglied der 1. SS-Infanteriebrigade, die wiederum Teil der berüchtigten sogenannten Einsatz­gruppe C war. Die Mitglieder dieser Mörderbande haben im Jahr 1941 Hunderttausende Menschen, unschuldige Menschen, wehrlose Menschen, Männer, Frauen, Kinder von Angesicht zu Angesicht erschossen.

Diese düstere Vergangenheit Friedrich Peters hat Simon Wiesenthal 1975 aufgezeigt. Es wurde ihm dafür nicht gedankt, nein, vielmehr wurde er zur Zielscheibe ganz wüster und wütender Attacken, insbesondere – das muss man schon sagen – von Bundes­kanzler Kreisky, von dem Sie jetzt meinen, dass er statt Wiesenthal der Namensträger sein soll. Wie wenig Geschichte kann man kennen, dass man so einen Antrag stellt? (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kickl: Na geh!)

Bruno Kreisky ging so weit, Simon Wiesenthal als Kollaborateur der Gestapo zu bezeich­nen. Friederich Peter blieb im Amt, blieb Ihr Obmann. Ein paar Jahre später einigten sich die politischen Parteien im Nationalrat darauf, dass er Dritter Nationalratspräsident wer­den sollte. Hätte es damals nicht einen Aufstand der Zivilgesellschaft gegeben, wäre er es geworden. (Abg. Brandstätter: So ist es!)

Dank Wiesenthal konnten solche Verbrecher und Massenmörder wie Adolf Eichmann dingfest gemacht werden und vor Gericht gestellt werden, der Wiener Polizeibeamte Karl Silberbauer, der Anne Frank verhaftet hatte, und solche Massenmörder – Österreicher – wie Franz Stangl, der Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, und Franz Murer, der berüchtigte Schlächter von Wilna, wie er genannt wurde.

Gott sei Dank hat sich in den letzten 30 Jahren in Österreich viel geändert, sehr vieles und Erfreuliches geändert. (Abg. Matznetter: Waldheim fehlt noch!) Ganz besonderer Respekt und Anerkennung gebührt dafür dem ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky, aber auch dem jetzigen Bundeskanzler Sebastian Kurz. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Matznetter.)

Sie haben die Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels der österreichischen Geschichte zu einem wichtigen Teil ihrer politischen Arbeit gemacht. Große Anerkennung gebührt heute auch dem Präsidenten des Nationalrates Wolfgang Sobotka für den Einsatz zur Verwirklichung der Idee dieses Simon-Wiesenthal-Preises und seinen Einsatz im Kampf gegen Antisemitismus insgesamt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Ich möchte an dieser Stelle auch persönlich Thomas Stern danken. Er wird Ihnen vielleicht kein Begriff sein, er ist seit vielen Jahren in der Israelitischen Kultusgemeinde und auch im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes aktiv und setzt sich seit vielen Jahren für die Würdigung der Tätigkeit von Simon Wiesenthal ein.

Ziel des Preises ist die Unterstützung des Kampfes gegen den Antisemitismus – er könnte nicht aktueller sein. Es ist ein sehr schönes und würdiges Projekt, ein Projekt des modernen aufgeschlossenen geschichtsbewussten Österreichs, ein Projekt, das sich die Unterstützung über alle Parteigrenzen hinweg verdient und diese letztlich ja auch weitgehend erhalten hat. – Vielen Dank dafür den Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, der Grünen und der NEOS. Das soll einfach einmal so gesagt sein und auch so stehen bleiben.

Ich trenne das auch von den Worten, die ich jetzt aber auch noch hinzuzufügen habe, und diese Worte richte ich an Sie, Abgeordnete der FPÖ: Sie haben also beschlossen, nicht für diesen Preis zu stimmen. Es ist ein Projekt, bei dem ich denke, dass es jeder Abgeordnete, jede Partei, die für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und für Anstand steht, eigentlich nur unterstützen kann. Okay, Sie stellen sich also ganz offensichtlich bewusst außerhalb des gesellschaftlichen Grundkonsens. (Abg. Belakowitsch: Das ist Ihre Interpretation!)

Aber das ist Ihnen ja nicht genug! Sie haben ja jetzt auch noch einen Abänderungsantrag eingebracht, mit dem Sie eine Umbenennung des Preises just nach Bruno Kreisky fordern, und Sie müssen um die erbitterte Feindschaft zwischen Bruno Kreisky und Simon Wiesenthal wissen. Was Sie hier tun, ist nicht einmal ein gelungener Spaß für irgendeinen grauslichen ewiggestrigen Stammtisch. Sie vergessen, Sie sind Abgeord­nete des österreichischen Nationalrates im Jahr 2020. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was Sie mit Ihrem Antrag tun, ist die vorsätzliche Verhöhnung des Andenkens Simon Wiesenthals, es ist die vorsätzliche Verhöhnung des Andenkens der Opfer der Schoah insgesamt. Gott sei Dank sind die Zeiten vorbei, als man in Österreich ungestraft Juden verhöhnen konnte. (Abg. Kickl: Sie sollten sich etwas zurückhalten und Ihre Verant­wortung wahrnehmen!) Sie stellen sich heute nicht nur abseits des politischen und menschlichen Anstandes, nein, jeder Einzelne von Ihnen – und ich werde es mir wirklich sehr genau anschauen –, der bei diesem Abänderungsantrag aufsteht, macht sich zum Outcast, so, wie Sie es richtig gesagt haben – und ich wiederhole es hier –, zum Outcast der österreichischen Gesellschaft, macht sich zum politischen Außenseiter, mit dem niemand, niemand, wirklich niemand mehr zu tun haben möchte! (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Lausch: Das ist ja unfass­bar!)

18.25

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte.